„Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott!“ (Psalm 3,3). Direkte Rede von und an „Widersacher(n)“ in den Psalmen, in: A. Ruwe (Ed.), Du aber bist es, ein Mensch meinesgleichen (Psalm 55,14). Ein Gespräch über Psalm 55 und seine Parallelen (BThSt 157), Neukirchen-Vluyn (Neukirchener) 2016, 191–267

June 7, 2017 | Author: Beat Weber | Category: Communication, Hebrew Bible, Biblical Studies, Ancient Near East, Book of Psalms, Literary study of the Bible, Psalms studies, Enemies, Psalms, Psalm 55, Direct Address, Hebrew Bible/Old Testament, Literary study of the Bible, Psalms studies, Enemies, Psalms, Psalm 55, Direct Address, Hebrew Bible/Old Testament
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Description

Andreas Ruwe (Hg.)

Du aber bist es, ein Mensch meinesgleichen (Psalm 55,14) Ein Gespräch über Psalm 55 und seine Parallelen Mit Beiträgen von Christof Hardmeier, Melanie Köhlmoos, Matthias Millard, Michael Rohde, Andreas Ruwe und Beat Weber

2016

Neukirchener Theologie

Biblisch-Theologische Studien 157 Herausgegeben von Jörg Frey, Friedhelm Hartenstein, Bernd Janowski und Matthias Konradt

Dieses Buch wurde auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt. © 2016 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Andreas Sonnhüter, Niederkrüchten Lektorat: Volker Hampel, Neukirchen-Vluyn DTP: Andreas Ruwe, Greifswald Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978–3–7887–2989–9 (Print) ISBN 978–3–7887–2990–5 (E-Book-PDF) ISSN 0930–4800 www.neukirchener-verlage.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Beat Weber

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott!« (Psalm 3,3) Direkte Rede von und an »Widersacher(n)« in den Psalmen1 1. Vorüberlegungen 1.1. Einführung und Kontext dieser Studie Bei den biblischen Psalmen handelt es sich um (vertextete) »Reden«.2 In ihnen werden »Stimmen« laut, die in unterschiedliche Kommunikationen eintreten und die Hörgemeinschaft daran (mit)beteiligen. Die Dialogizität gehört denn auch zu den Grundcharakteristika poetisch geformter Psalmenrede.3 Die Psalmen kommen aus dem Gespräch, sind gleichsam »Gesprächsausschnitte«, und sie führen ins Gespräch – nicht nur, aber vor allem auch mit Gott.4 Psalm 55, dem der 11. Greifswalder Workshop (2011)5 gewidmet war, ist nicht nur in lexiko-semantischer Hinsicht (seltenes Vokabular) anspruchsvoll, sondern auch 1 Der Beitrag steht im Zusammenhang meines Status als Research Associate of the Department of Ancient Languages and Cultures, University of Pretoria, South Africa. Ich danke Pfr. Dr. Edgar Kellenberger und Dr. Andreas Ruwe für deren Durchsicht des Manuskripts und Hinweise unterschiedlicher Art. 2 Eine Ausnahme bilden Metatexte wie die Präskripte mit ihren Angaben, das Inskript ‫ סלה‬sowie das Postskript/Kolophon Ps 72,20. 3 Vgl. dazu Überlegungen und Beispiele in Weber, Werkbuch III, 22-26.130-137.279-286; ders., Entwurf, 43-47.59-64; ders., Theory, 171-174.184-188. 4 Zu Definitionen und Kommunikationsformen des Psalmengebets vgl. Wagner, Strukturen, 197-202. 5 Vgl. dazu die in diesem Band gesammelten Beiträge.

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hinsichtlich der Kommunikationsformen und -richtungen vielschichtig. Dabei bildet in der Ich-Rede dieses Psalms das Gespräch zu und mit Gott, also das Gebet, die Hauptkommunikation. Ergänzt wird sie durch zwischenmenschliche Redesettings. Dazu gehört in 14-15 die Adressierung an ein Individuum als »Mensch meinesgleichen« (‫)אנושׁ כערכי‬, als »mein Freund und mein Vertrauter« (‫)אלופי ומידעי‬. Diese Person wird nicht als »Feind« oder »Frevler« (vgl. 4) bezeichnet und ist von jenen zu unterscheiden. Sie rückt mit ihrem disloyalen Verhalten aber in deren Nähe, trägt jedenfalls zur Bedrängnis des sprechenden Ich massgeblich bei.6 Sind die Äusserungen in 21-22 (ebenfalls) auf diesen einst Vertrauten zu beziehen – wofür manches spricht –, dann wird deutlich, dass dessen Verhalten als Freundschaftsbruch und heuchlerisches (Rede-)Verhalten erfahren wurde. Doch wie steht es mit den nachfolgenden Bikola von 23, deren kommunikative Einstufung umstritten ist? Entweder sind die beiden Zweizeiler als ermutigende Selbst- bzw. (eher) Fremdrede (priesterliches Heilswort o.ä.) aufzufassen oder aber – so von Hardmeier und Ruwe in ihren Beiträgen mit guten Gründen vertreten – als zitathafte Einspielung der dann ironisch bzw. sarkastisch zu verstehenden Worte des einst Vertrauten. Bei der zweiten Annahme werden die an sich »positiven« Worte als verlogener Hohn verstanden, womit der durch sie vermittelte Gehalt kommunikativ geradezu in sein Gegenteil gekehrt wird (e contrario-Verständnis).7 Es ist leicht ersichtlich, dass je nach Einschätzung dieser in 23 eingefügten Worte (Redeverschachtelung) sich ein anderes Szenario ergibt und die Interpretation der beiden Ver6 Vom »Freund, der zum Feind wird« vgl. auch Janowski, Konfliktgespräche, 187-193 (mit weiteren Belegstellen). 7 Zwar lassen sich aus den Vorgängerversen 21-22 gewisse Indizien entnehmen, aber gegenüber dem »Normalverständnis« fehlt zum foregrounding des ironischen »Sonderverständnisses« die vereindeutigende orale Performanz. Daher ist es nicht überraschend, dass die Forschung in dieser Frage gespalten ist.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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se für das Gesamtverständnis des Psalms damit nicht unerheblich ist. Hier soll angeknüpft und ein flankierender Beitrag zum Verstehen von Ps 55 beigesteuert werden.8 Ist dem so, dass innerhalb der Psalmrede mit 14-15 (Ich => einstiger Vertrauter) und 23 (einstiger Vertrauter => Ich) zwei »direkte Reden« in vektoriell gegenläufiger Adressierung erscheinen, so manifestiert sich in beiden ein Konfliktpotential bzw. eine negative Einfärbung. Mein Beitrag hat zum Ziel, derartige Reden und die sich in den jeweiligen Psalmen abbildenden Konstellationen zu evaluieren. Dabei konzentriere ich mich auf konfliktträchtige bzw. negative Redesettings, also auf eingelagerte Reden, bei denen es sich beim Gegenüber um Frevler, Feinde oder – wie in Ps 55 – um einstige Freunde o.ä. handelt. Sie werden zusammenfassend unter den Begriff der »Widersacher-Reden« gefasst: Worte von Widersachern und Worte an Widersacher. Schematisch dargestellt sind die folgenden Kommunikationssettings im Blick: »Widersacher« => »…« => x (Redekonstellation 1) y => »…« => »Widersacher« (Redekonstellation 2)9

Nachfolgend sollen zunächst einige Hinweise zu Problemstellungen genannt sowie die Parameter und das Ziel der Untersuchung offengelegt werden. 1.2. Anlage und Vorgehensweise der Untersuchung Die Erfassung und Auswertung der in den Psalmen zum Ausdruck kommenden Kommunikationen mit ihren Sprechrichtungen, -gestalten und -wirkungen hat zwar 8 Der Beitragende war am Workshop selbst nicht zugegen. Ich danke Dr. Andreas Ruwe für die freundliche Einladung (Juli 2014), nachträglich einen Aufsatz für die Publikation beizusteuern. 9 »…« steht für die direkte Rede (implementierte Wortäusserung[en]), die Variablen x und y bezeichnen personale Grössen (sg. oder pl.), den (intendierten) Empfänger (x) respektive Absender (y) betreffend.

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immer wieder einmal beschäftigt,10 aber innerhalb der Psalmenforschung bisher nicht den ihnen gebührenden Platz bekommen.11 Nun liegt seit kurzem eine kommunikationsanalytische (deutsche) Übersetzung des gesamten Psalters von Andreas Ruwe (unter Mitarbeit von Felix Facklam) vor, von der diesbezüglich Impulse zu erhoffen sind. In ihr sind die Kommunikationsformen farblich markiert, so dass die unterschiedlichen Rederichtungen (oft in ein-und-demselben Psalm) deutlich werden.12 Als Grundformen psalmischer Rede lassen sich folgende drei Kommunikationsebenen benennen: 1. »Gott => Mensch(en)« (Prophetie), 2. »Mensch(en) => Gott« (Gebet) und 3. »Mensch(en)« => »Mensch(en)«.13 Allerdings ist der Sachverhalt komplexer als er auf den ersten Blick erscheint, zumal die Parameter der Kommunikationssettings mit den involvierten Aktanten nicht immer hinreichend deutlich sind. Zudem liegt öfters ein Changieren zwischen Sprechrichtungen vor, oder es ergeben sich Mehrfachadressierungen. Dies führt nicht selten dazu, dass Umfang, Sinn und Funktion der Redesettings diskussionsbedürftig sind.14 Zugespitzt auf unsere Untersu10 Hinzuweisen ist etwa auf Arbeiten von Andreas Wagner, Hubert Irsigler und Christof Hardmeier – in Auswahl: Wagner, Sprechen (und weitere Beiträge im gleichen Sammelband); ders., Strukturen; Irsigler, Psalm-Rede; Hardmeier, Elemente; Hardmeier/HunzikerRodewald, Texttheorie. 11 Das betrifft auch die eigenen, diesbezüglich zu ergänzenden Textanalysen in Weber, Werkbuch I/II; anders später in Ders., Werkbuch III, z.B. 38-40.47-50.120-121.169-171 und v.a. 130-137. 12 Vgl. Ruwe, Psalmen. Seine Psalmenausgabe diente als Einstieg, die »Widersacher-Reden« zu sichten. Dabei wurden seine Einschätzungen überprüft und gegebenenfalls modifiziert und ergänzt. 13 Vgl. Ruwe, Psalmen, v.a. 6-8 (der in seinem Buch die drei Kommunikationsrichtungen farblich auseinander hält). Zu ergänzen wären noch seltenere Kommunikationsformen wie menschliche Selbstadressierungen (z.B. Ps 103,1-5.22) und allenfalls Monologe, Adressierungen an personifizierte geschöpfliche Grössen (z.B. Ps 114,5-8) oder Gottes Reden zu (anderen) »Himmelswesen« (z.B. Ps 29,1-2; 82,24.6-7). 14 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich durch die Neulesung der Psalmen im Buchkontext (Psalter) neue bzw. die Einzellesung der

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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chung stellen sich Fragen wie: Liegen solche eingefügten (real oder fiktiv verstandenen) »Zitate« überhaupt vor? Welchen Umfang haben sie und wie sind sie in ihrem Kontext zu verstehen? Angesichts des derzeitigen Forschungsstandes und der eingeschränkten Bandbreite dieser Studie ist die vorgenommene Sichtung und Beurteilung der Stellen als präliminarisch einzustufen. Sie bedarf der Modifizierung und Justierung und verlangt weitergehende Überlegungen. Nachfolgend sollen die vorgenommenen Eingrenzungen kurz erörtert werden. 1.2.1. Zur Eingrenzung auf »Widersacher«

Reden von oder zu Personen(gruppen), die wie in Ps 55 sich als »einstmalige Vertraute« gleichsam zwischen Freunden und Feinden ansiedeln, sind im Psalter spärlich. Um überhaupt Vergleichsmaterial zu haben, wird die Untersuchung auf »Widersacher« ausgeweitet. Nun ist weder der Begriff randscharf, noch sind die sich darin anzeigenden sozio-historischen Personen und Gruppen hinreichend erkennbar. Vielmehr sind unter diesem umbrella-term eine Reihe hebräischer Begriffe gefasst, zu denen die geläufigen Bezeichnungen »Frevler« (‫ )רשׁע‬und »Feind« (‫ )איב‬gehören. Sie umfassen ein beträchtliches Spektrum von sozio-theologischen (Nicht-)Beziehungen und Konfliktfeldern, die nicht einfach über einen Kamm zu scheren, sondern in der Interpretation der einzelnen Psalmen soweit möglich zu erheben sind.15 Zu diesen Differenzierungen gehört u.a. etwa die Unterscheidung zwischen Konstellationen innerhalb des eigenen Volkes (persönliche, soziale und strukturelle Konflikte) und solchen zwischen Israel und Fremdvölkern sowie deren Herrschern (nationale Konflikte). Die Stellung und das Verhalten Gottes (JHWH) in diesen menschlich-völkischen Konfliktmustern sind jeweils eigens zu bedenken.

Psalmen überlagernde Kommunikationsakzente einstellen (können). Eine hier nicht diskutierbare Fragestellung ist ferner, was jeweils eine Kommunikationskonstellation konstituiert bzw. an welchen Sprachzeichen sie als solche erkannt werden kann. 15 Zu den Begriffen, Charakterisierungen und Verhaltensweisen der »Feinde« vgl. etwa Keel, Feinde; Sheppard, Enemies; Weber, Werkbuch III, 116-126; Janowski, Konfliktgespräche, 105-124. Im Bereich der Prophetie (mit einem Seitenblick zu den Psalmen) hat bereits Wolff, Zitat, »Stimmen der Gegner« analysiert (48-49.71-73.81-83).

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1.2.2. Zur Eingrenzung auf »Widersacher«-Reden

Die Thematik der »Feinde« umspannt in den Psalmen ein weites und vielschichtiges Feld. Darin hat das Reden über die »Feinde« (mehrheitlich) zu Gott den grössten Anteil. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf einen eher kleinen Sektor innerhalb der FeindThematik, nämlich auf direkte Reden von und zu Widersacher(n) o.ä. Dabei werden menschliche wie göttliche Absender und/oder Adressaten in den Blick genommen. Nicht berücksichtigt wird Israel insgesamt als »Widersacher« (wohl aber »Widersacher« als Teilgruppen innerhalb des Volkes). Es fehlen also anklagende bzw. ermahnende Reden vonseiten Gottes an sein Volk bzw. seine Gemeinde als Gesamtgrösse (wie Ps 50,7-13/15; 78,19-20; 81,7/9-15/17; 95,8/9-1116). Da – wie gesagt – die Reden über Widersacher ausgeklammert bleiben, ist das über Widersacher vermittelte Bild eingeschränkt und entsprechend ein limitierter Ausschnitt in Kauf zu nehmen.

1.2.3. Zur Eingrenzung der Reden innerhalb der Psalmen

Bei der hier überwiegenden Kommunikationsrichtung »Mensch(en)« => »Mensch(en)« sind die Möglichkeiten mit Blick auf Involvierte, Formen und Inhalte vielgestaltig. Wir konzentrieren uns lediglich auf (An-)Reden (Zitierungen und Adressierungen) mit inhaltlich »negativem« Gefälle. Es handelt sich dabei um »direkte Reden«, also um »zitierte« Reden (= Reden zweiten [oder höheren] Grades) innerhalb der dominierenden (Haupt-)Rede des jeweiligen Psalms (Redeverschachtelung). Anders als etwa das Deutsche (Anführungs- und Schlusszeichen) kennt das Bibelhebräische keine graphemischen Anfangs- und Schlussmarkierungen direkter Rede. Damit stellt sich die Frage nach deren Wahrnehmbarkeit durch linguistische Marker. Liegen Signale wie Redeeinleitung, Adressatenwechsel durch explizite (veränderte) Anrede (Vokativ)17 und Redeformen der 2. Person (Du/Ihr) vor, sind solche eingebetteten Reden gut erkennbar. Fehlen aber derartige Markierungen oder sind diese uneindeutig, bleiben – gerade in poetischer Textur – Verstehensspielräume. So erschwert das Fehlen von Redeeinleitung und Anreden die Bestimmung von Redeanfang bzw. -wechsel. Die Feststellung von – linguistisch ohnehin weniger markierten – Redeschlüssen ist meist noch schwieriger. Diese Umstände führen je nach Beleg zu unterschiedlichen Einschätzungen.

16 Vgl. zu diesen asaphitischen bzw. asaphitisch geprägten Stellen Weber, Gottesrede. 17 Dieser ist im Hebräischen freilich nicht (wie im Lateinischen) morphologisch markiert.

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»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

Trotz der genannten Einschränkungen darf man Aufschlüsse mit Blick auf die Widersacher in den Psalmen erwarten. Hinsichtlich des Vorgehens wird vorab ein tabellarischer Überblick geboten (2.). Es folgt als Hauptteil die Darbietung der Belege mit kurzen Hinweisen zur Einordnung und zu deren Verständnis in knapper (formalisierter) Weise (3.).18 Den Abschluss machen Auswertungen des Befunds (4.). 2. »Widersacher«-Worte in den Psalmen im tabellarischen Überblick19 Ps20

002

Pr 21

G ↑ M

G ↓ M

M → M

Worte von Widersachern22

Psalterteilbuch I (Pss 1-41) x x 3

Worte an Widersacher

10-12

18 Die Diskussion mit Fremdmeinungen (Kommentare und Psalmenstudien) wird nur partiell geführt. Für die nähere Bestimmung der behandelten Verse innerhalb der Psalmen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. 19 Die Tabelle bietet in den Spalten nach der Psalm-Nennung und der personalen Zuweisung des Psalms (Präskriptangabe) zunächst (lediglich) das Vorhandensein (x) der drei Grundkommunikationsrichtungen. Die letzten beiden Spalten, auf denen der Fokus liegt, bieten die Vers-Angaben der Worte von und an Widersacher(n). Psalmen, die Worte in beiden Richtungen enthalten, sind fett markiert. 20 Verwendete Abkürzungen in der Kopfzeile (der Reihe nach): Ps = Psalm; Pr = Präskript; G = Gott; M = Mensch(en) 21 Abkürzungen, die Spalten zwei bis fünf betreffend: ? = unsicher; D = zugehörig David (+ = mit biographischen Angaben); bQ = zugehörig den Söhnen Qorachs; A = zugehörig Asaph; S = zugehörig Salomo; – = ohne personale Zuschreibung im Präskript; leer bleibt die Spalte, wenn kein Präskript vorliegt. 22 Abkürzungen, die letzten beiden Spalten betreffend (die angezeigten Verse enthalten insgesamt oder teilweise »Widersacher«Wort): ? = unsicher; ≠ = Worte, die auf (negative) Möglichkeit (worst case), aber (noch) nicht realisierte Wirklichkeit abstellen; * = Sonderfälle: »Widersacher« im weiteren Sinne (Selbstbezichtigung des Ich, einstige Freunde/Vertraute u.ä.).

198 003 004 006 010 011 012 013 014 022 032 035 040 041 042 050 052 053 055 058 059 062 064 066 070 071 073 074 075 079 082 083

Beat Weber D + D D D D D D D D D D D

x x x x x x x x x x

bQ A D + D D D D + D D D D

x x? x

A A A A A A

x x x x x x

094 105 109 115 118 119

x

x x x x x

x x x x

3

x 7* x x 4.6.11.13? x 1 x x 5 x ≠5 x? x 1 x 9 x x x x 8.21.≠25 x 16 x 6.9 Psalterteilbuch II (Pss 42-72) x 4.11 x x x x?

x x x

x

D

x

x?

x x x x

2 23*(?)

3-6 9

9

16-21.22(-23) 3-7

14-15* 2-6.10(-12)

8

x x 6.7 x 18* x 4 x 11 Psalterteilbuch III (Pss 73-89) x (8.10-)11 x 8 x x x 10 x x x 5.13 Psalterteilbuch IV (Pss 90-106) x 7 x Psalterteilbuch V (Pss 107-150) x 6-19 x 2 x x

4

5-6 2-4.6-7

8-11 ≠15

13? 115

199

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)« 120 137 139

– D

x x x

x x x

3

3-4 8-9 19

3. Die Widersacherworte im Einzelnen 3.1. Psalm 223 3.1.1. Übersetzung:

1. Worte von Widersachern (3) 3a »Lasst uns zerreissen ihre Fesseln 3b und werfen von uns ihre Stricke!« 2. Worte an Widersacher (10-12c/d): 10a »Aber jetzt, ihr Könige, werdet klug! 10b Lasst euch warnen, ihr Regenten der Erde! 11a Dient JHWH mit Furcht, 11b und jubelt mit Zittern! 12a Küsst den Sohn, damit er nicht zürnen wird 12b und ihr nicht umkommen werdet auf dem Weg, 12c den es kann leicht entbrennen sein Zorn! [12d Glückpreisungen allen, die sich bergen bei ihm!«]

3.1.2. Charakterisierung:

1. Worte von Widersachern (3) • Setting: Nationale und universale Macht- und Loyalitätsproblematik im Verhältnis dreier »Königtümer«: Himmelskönig + Zionskönig Weltenkönige. • Absender: Weltenkönige. • Adressaten: Selbstaufforderungen (Kohortative). • Form/Inhalt: Selbstermutigung bzw. -verpflichtung zur Losreissung aus der Abhängigkeit von JHWH und seinem Gesalbten (Loyalitätsabsage). • Kontext vorher: Offener Psalmanfang (1-2) mit Warum-Fragen zum Verhalten der Völker (Absender und Adressaten ungenannt). Redewechsel 2 => 3. • Kontext nachher: Redewechsel 3 => 4. Schilderung von Himmelsgeschehen als Reaktion darauf (Absender und Adressaten ungenannt).

23 Zu Ps 2 und seiner kommunikativen Konstellation vgl. Weber, Werkbuch III, 38-43.133-134.

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2. Worte an Widersacher (10-12c/d): • Setting: s.o. Setting. • Absender: ungenannt (≠ JHWH, ≠ Gesalbter). • Adressaten: Weltenkönige (Vokativ). • Form/Inhalt: Aufruf zur Unterordnung unter JHWH und seinen Gesalbten mit Warnung und Nennung von Folgen bei Verweigerung (Loyalitätsverpflichtung). • Kontext vorher: Sprechendes Ich (7-9) ist der Gesalbte, der den Erhalt von Gottesworten (Zuspruch, Aufforderung) bezeugt und diese zitathaft anführt (Zuhörerkreis ungenannt). Redewechsel 9 => 10. • Kontext nachher: Redeausweitung 12b => 12c. Die finale Seligpreisung lässt sich als Fortführung des Redegangs auffassen; dies ist aber nicht zwingend. Jedenfalls wird der Adressatenkreis geöffnet: Über die in der Textwelt erscheinenden Personen hinaus werden »alle, die sich bergen bei ihm« (Referenz auf den Sohn [12] und/oder JHWH [11]) inkludiert.

3.1.3. Fazit:

Der erste Psalm mit Widersacher-Reden im Psalter enthält gleich beide Adressierungsrichtungen: zunächst von Widersachern gesprochene Worte (3), danach Worte, die an sie gerichtet werden (10-12c/d). Da das eine Mal die Weltenkönige als Absender, das andere Mal als Empfänger genannt sind, ergibt sich eine Korrespondierung.

3.2. Psalm 324 3.2.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (3b): 3a Viele [sind es], sie sagen in Bezug auf meine Person: 3b »Es gibt keine Rettung für ihn durch Gott!«

3.2.2. Charakterisierung:

• Setting: Konfliktkonstellation: Ich Feinde (in Vielzahl und Übermacht). Gemäss Präskript (1) auf die Flucht Davids (Ich) vor seinem Sohn Absalom und dessen übermächtigem Heer zu beziehen (vgl. 2Sam 15,13-18,18). • Absender: Gemäss Redeeinleitung (3a) eine Vielzahl an Feinden des sprechenden Ich (»meine Bedränger« 2). • Adressaten: ungenannt (≠ Gott, ≠ sprechendes Ich – das Kundwerden der gegen das Ich gerichteten Worte bei diesem wird aufgrund der vorliegenden Anführung vorausgesetzt). Man hat an eine Art Selbstvergewisserung zu denken. 24 Zu Ps 3 vgl. Weber, Werkbuch III, 44-50, sowie Botha/Weber, Killing.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Form/Inhalt: Konstatierung bzw. Behauptung (Nominalsatz) der Heillosigkeit und damit Abgeschnittenheit des Ich von Gott. • Kontext vorher und nachher: Die Feindrede ist ein eingespieltes Zitat innerhalb der Gebetsrede (2-4) und damit Teil von ihr. Dadurch ergibt sich eine doppelte Kommunikation: Das Feind-Wort wird vor Gott ausgesprochen und seine Adressierung damit gleichsam umgelenkt zu Gott hin.

3.2.3. Fazit:

Das Wort der Feinde ist ein kurzer, aber inhaltlich folgenschwerer Satz. Er wird ins Gebet hineingenommen, womit die Infragestellung der Gottesrettung durch die Feinde (und damit deren »Ziehen« Gottes auf ihre Seite) vor Gott gebracht und ihm anheim gestellt wird. Aufgrund der Zusage in 9 erweist sich das Feindwort als perfide Lüge.

3.3. Psalm 4 3.3.1. Übersetzung:

1. Worte von Widersachern (7a): 7a Viele sprechen: »Wer vermag uns Gutes sehen lassen?« 2. Worte an Widersacher (3-6): 3a »Ihr Herrensöhne, wie lange noch [widerfährt] meiner Ehre Schmach? 3b Ihr liebt Nichtiges, ihr sucht Lüge!25 – sela. 4a Doch wisst, dass JHWH ausgesondert hat einen Begnadeten für sich! 4b JHWH wird hören auf mein Rufen zu ihm. 5a Erzittert, aber sündigt nicht! 5b Sprecht in eurem Herzen auf eurem Bett und haltet euch still! – sela. 6a Opfert Gerechtigkeitsopfer 6b und vertraut JHWH!«

3.3.2. Charakterisierung:

1. Worte von Widersachern (7a): • Setting: Individualgebet aus Notsituation mit Konflikt: Ich Gruppe/Vielzahl (vgl. Ps 3,3, s.o.). Dialogisches Gepräge: rahmendes Gebet (Ich) mit Worten an/von Widersacher(n). • Absender (Redeeinleitung): Anonyme Vielzahl (= identisch mit oder unter Einschluss von »Herrensöhne[n]« 3a?). Weder Adressie25 V. 3 verstanden als Frage (3a) und aufdeckendes Fazit (3b). Alternativ dazu lässt sich mit Ruwe, Psalmen, 13, die Frageform als den ganzen V. 3 bestimmend auffassen.

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rung noch Inhalt markieren die Sprechenden direkt als »Widersacher« des Ich. • Adressaten: Ungenannt, wohl monologisch-selbstbezogen. • Form/Inhalt: Frage mit Skepsis/Unvertrauen gegenüber JHWH. • Kontext vorher: Redewechsel 6 (Rede an Widersacher) => 7. Markierung durch Redeeinführung. • Kontext nachher: Redewechsel 7a => 7b(-9). Der zuversichtslosen (Selbst-)Frage stellt das Ich (als Teil einer Wir-Gruppe) ein Gott vertrauendes und seine Hilfe bekennendes Bittgebet (um Segen) gegenüber. 2. Worte an Widersacher (3-6): • Setting: s.o. Setting. • Absender: Sprechendes Ich. • Adressaten im Vokativ: »Herrensöhne« (= Männerkollektiv vornehmen Ranges?). • Form/Inhalt: Frage, Aufdeckung eines Fehlverhaltens und Aufforderungen zu Verhaltensänderungen. • Kontext vorher: Redewechsel 2 => 3. Nach Erhörungsbitte an den »Gott meiner Gerechtigkeit« (vertikal) Wechsel zur Adressierung an die Widersacher (horizontal). • Kontext nachher: Redewechsel 6 => 7 (Markierung durch Redeeinführung; Zitateinspielung von Fremdstimmen).

3.3.3. Fazit:

Nach Ps 2 bietet auch Ps 4 beide Adressierungen. Anders als Ps 2 ist er jedoch individuell geprägt und hat innere soziale Konflikte als Hintergrund. Die Wechselseitigkeit der horizontal adressierten Reden ist nicht von vornherein gegeben, da die Sprechenden in 7a nicht zwingend mit den »Herrensöhnen« in 3a gleichzusetzen sind. Querbeziehungen (wie Gerechtigkeitsthematik, Wohlstand, Nachtlager, Vertrauen/Geborgenheit) machen aber eine Identifizierung der beiden Gruppen oder eine Inkludierung der »Herrensöhne« in die »Vielen« wahrscheinlich. Die an die Widersacher adressierte Rede ist ausgesprochen umfangreich und beinhaltet fast die Hälfte des Psalms. Diese werden trotz der Lügen-Bezichtigung nicht (explizit) als »Frevler« bezeichnet. Zudem wird ihnen eine Wendung zum Gottvertrauen hin anbefohlen bzw. zugetraut.

3.4. Psalm 6 3.4.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (9): 9a »Weicht von mir, alle ihr Übeltäter, 9b denn gehört hat JHWH mein lautes Weinen!«

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.4.2. Charakterisierung:

• Setting: Individualgebet (Klagebitte) mit Ich in Todesnähe. Primär ist das Verhältnis zu JHWH; die Konfliktkonstellation mit »alle meine Bedränger« (erst 8b) scheint dazu nachrangig. • Absender: Sprechendes, zuvor betendes Ich. • Adressaten im Vokativ: »alle ihr Übeltäter« (vgl. »alle meine Bedränger/Feinde« 8b.11a). • Form/Inhalt: Abweisung der Widersacher unter Hinweis auf Gebets(er)hörung (zum Weinen vgl. 9b mit 7bc). • Kontext vorher: Redewechsel 8 => 9. Die Leidschilderung 7-8 steht unter dem Modus der Gebetsanrede (6). Die Bezeichnung »alle meine Bedränger« (8b) bereitet die Adressierung an die wohl identischen »alle ihr Übeltäter« (9a) vor. Das Abweisen der Widersacher dürfte durch die Erhörung der Klagebitte ausgelöst bzw. motiviert sein. • Kontext nachher: Strittig ist, wie weit die Rede an die Widersacher reicht. In Frage kommen 9a26, 9ab und 9a-10b. Ein Kommunikationswechsel ist spätestens mit V. 11 anzunehmen, wo mit der dritten, analogen Erwähnung »alle meine Feinde« (11a) diese nicht mehr als direkt angesprochen anzunehmen sind. Zu wem das Ich über sie redet, bleibt offen; in Frage kommen ein Monolog oder – eher – eine Adressierung an eine vorauszusetzende Zuhörerschaft (Gemeinde). Wahrscheinlich ist das Bikolon 9ab an die Übeltäter adressiert und die Neuaufnahme von ‫ שמע יהוה‬in 10ab in bestätigendem Sinn gegenüber einer nicht näher bezeichneten Zuhörerschaft zu denken (vgl. ähnlich Ps 126,2-3), also Redewechsel: 9 => 10 (bis zum Psalmschluss).

3.4.3. Fazit:

Die Erwähnung der Widersacher am Ende der betenden Schilderung der Not (7-8) bzw. die anzunehmende Erhörung des Individualgebets (vgl. 9b.10a) wird zum Einstichpunkt für deren Abweisung mit der Begründung, dass das Weinen des Ich ge- bzw. erhört wurde (9). Die Rede an die Widersacher wendet sich zu einer Bezeugung gegenüber einer (wohlgesonnenen) Zuhörerschaft (Gemeinde). Die Frage ist, ob das Setting mit 9-11 in einem Toda-Kontext zu situieren ist (hängt auch an der Einschätzung der Präformativkonjugation in 10b).

3.5. Psalm 10 3.5.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (4aβbα.6.aβb.11aβb.13bβ?):

26 So Ruwe, Psalmen, 15, der ‫ כי‬zu Beginn von 9b nicht kausal, sondern emphatisch (»Ja, …«) übersetzt.

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4a [Der] Frevler in seiner Hochnäsigkeit27 [denkt/sagt (sich)]: »Er wird nicht ahnden!« 4b »Es gibt keinen Gott!«, [sind] alle seine Gedanken. … 6a Er sprach in seinem Herzen: »Ich werde nicht wanken! 6b Von Generation zu Generation Glück28, nicht in Unheil!« … 11a Er sprach in seinem Herzen: »Vergessen hat Gott (‫!)אל‬ 11b Verborgen hat er sein Angesicht, sieht nimmer mehr [hin]!« … {13a Weshalb lästerte [der] Frevler Gott, 13b sprach in seinem Herzen: »Du wirst nicht ahnden!«}29

3.5.2. Charakterisierung:

• Setting: Zweite Hälfte (nach Ps 9) eines alphabetischen Akrostichons: Klagebitte mit mehrfacher Einspielung von Feind-Zitaten, deren Arroganz und Hybris herausgestellt und dadurch verstärkt wird.

27 Wörtlich: »gemäss der Höhe/Hoheit seiner Nase« (Präposition allenfalls mit Textzeugen von ‫ כ‬zu ‫ ב‬zu ändern). 28 Unter Umpunktierung. Bei Beibehaltung des MT (mit Relativpartikel): »Von Generation zu Generation [werde ich derjenige sein], der nicht im Unglück [ist]!« 29 Die kommunikative Einschätzung von 13 und darin der Schlusssequenz (offensichtlich mit Rückbezug auf 4) ist schwierig. Die alternative, von Ruwe, Psalmen, 21, favorisierte Lesart (ohne Feindzitat) lautet: Weshalb lästerte [der] Frevler Gott / sprach in seinem Herzen, dass du [LXX: er] nicht ahndest? Gegen die Lesart mit Feind-Zitat spricht, dass Frevler nicht mit Gott rechnen und ihn auch nicht ansprechen (vgl. 4). Dafür sprechen: (eher) die Grammatik (Asyndese), die formale Analogie zu V. 4 und die häufigen Feindzitate. In den Sachverhalt ist der Kontext einzubeziehen: 12 ist aufgrund der invocatio Dei als Gebet markiert. Zieht sich die Gebetsrede bis 15 durch (so Ruwe, Psalmen, 21), so ist ungewöhnlich, dass in 13a JHWH nicht in Du- (wie nachher wieder in 14-15), sondern in Er-Rede erscheint. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass 13 im Duktus des Betens bleibt, aber auch nicht, dass die Gebetsrede kurz unterbrochen wird (wie 16), zumal ohnehin nicht ganz klar ist, ob die Schilderung von Ps 10 durchgängig (wie Ruwe meint) betend geschieht oder die Worte (teils) vor menschlichen Zuhörern oder an sie geäussert werden (vgl. die Er-Rede mit Blick auf JHWH in 3-4). Der Entscheid setzt eine Gesamtanalyse von Ps (9-)10 voraus und kann hier nicht gefällt werden (die Unsicherheit betreffend des Vorliegens von direkter Rede wird durch die Setzung des Verses in geschweifte Klammern angezeigt).

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

205

• Absender: Die 3(-4)mal erscheinenden Worte eines Frevlers (sg. im Sinn der Gattungstypik, vgl. daneben auch pl. in 2b.5d) in Zitatform werden stets mit Redeeinleitung eingeführt. Die Zuweisung der Worte an denselben Frevler bzw. dieselbe Gruppe darf angenommen werden. • Adressaten: Die mitgegebenen Hinweise (Redeein- und -ausführungen) lassen (innerliche) Selbstgespräche (»in seinem Herzen«, »alle seine Gedanken«) annehmen (Selbstadressierung), die vom sprechenden/betenden Ich der Innerlichkeit entnommen und offengelegt und d.h. verbalisiert werden. • Form/Inhalt: Die durchwegs kurzen Statements des/der Frevler werden v.a. als gegen Gott gerichtet akzentuiert (am wenigsten 6), auch wenn in den Kontexten ihre Vergehen gegen die »Elenden« u.ä. gebrandmarkt werden. Momente der Steigerung dürften in 4 (keine Ahndung => kein Gott) und wohl auch in 6 (nicht wanken => anhaltendes Glück) vorliegen. Die Frevlerworte pendeln zwischen Aussagen über einen Gott, der vergisst, sich verbirgt, nicht ahndet und der Konstatierung, dass es keinen Gott gibt. • Kontexte vorher und nachher: ‒ 4: Redewechsel: 1-3 (Gebet: Du-Rede) => 4aα (Er-Rede, vor/zu Gott) => 4aβbα (Frevler-Wort[e]) => 4bβ(-6aα) (Rückkehr zur Gebetsrede möglich, aber wegen fehlender Du-Anrede nicht sicher). Die Frevler-Worte in 4 sind gedoppelt und im Versparallelismus zusammen mit Redeein- und -ausleitung spiegelsymmetrisch angeordnet (abb’a’). ‒ 6: Redewechsel: 5-6 (Gebet? s.o.) => 6aβb (Frevler-Wort) => 7(11aα) (Rückkehr zur Gebetsrede möglich, aber wegen fehlender DuAnrede nicht sicher).30 ‒ 11: Redewechsel: 7-10 (Gebet? s.o.) => 11aβb (Frevler-Wort) => 12-13abα (Gebet mit invocatio Dei, jedenfalls bis 12b, eventuell bis 15, s. Fussnote zu 13). {‒ 13: Redewechsel: 12ab (Gebet) => 13abα (Redeinleitung – Adressierung: an Gott oder Zuhörer) => 13bβ (Frevler-Wort) => 1415 (Gebet).}

3.5.3. Fazit:

Mit drei (bis vier) etappiert eingespielten Frevler-Zitaten – so vielen wie sonst in keinem Psalm – haben diese eine wichtige (rhetorische) Funktion in diesem Psalm, dessen kommunikativer Leitmodus das klagend-bittende Gebet ist. Das sprechende Ich ist Teil oder Anwalt 30 Ausser man liest mit Ruwe, Psalmen, 20, in 8c das bedeutungsunsichere ‫»( חלכה‬Unglücklicher«?) mit anderer Worttrennung und Suffix »wegen deines Heeres« (nach Aquila, Hieronymus, dazu die Belege in 10.14 und die Diskussion in Wörterbüchern und Kommentaren).

206

Beat Weber

der »Elenden, Armen«, die Bedrängnis durch die »Frevler« erfahren. Die eingespielten Zitate offenbaren (ins)geheime Gottlosigkeit und verstärken die Eingreifbitten zugunsten der Hilfsbedürftigen an den (noch) fernen Gott (V. 1).

3.6. Psalm 11 3.6.1.

Übersetzung:

Worte von Widersachern (1c): 1a In JHWH habe ich mich geborgen. 1b Wie könnt ihr sagen meiner Seele: 1c »Flieh euren Berg, Vogel!«?31

3.6.2. Charakterisierung:

• Setting: Ein Individualpsalm mit persönlicher Konfliktkonstellation: Gerechter (bedrängt/gefährdet) Frevler. Kein Gebet, vielmehr Verkündigung, apologetisches Zeugnis, Vertrauensstärkung. • Absender: Gruppe bzw. Mehrzahl (pl.), anschliessend typisierend als »die Frevler« bezeichnet (2, vgl. auch 5 sg. und 6 pl.). • Adressat: Sprechender (Ich), als (gefährdeter) »Vogel« angesprochen (Vokativ). Aus dem Kontext ergibt sich, dass der Angesprochene sich zu den »Aufrichtigen des Herzens« (2d) rechnet (vgl. auch »Gerechter« 3b). • Form/Inhalt: Zitiert wird in metaphorischer Ausdrucksweise ein Wort mit feindlicher bzw. bedrohlicher Absicht (vgl. die Weiterführung der Vogel-Metaphorik, nun auf die Jagd bezogen, in 2ab und 2cd, ferner das »Klappnetz« in 6a). Die Aufforderung wird durch die Redeeinleitung zur vorwurfsvollen Frage. • Kontext vorher: Geborgenheitsaussage (unadressiert = Zuhörerschaft) in 1a, in 1b Anrede (ihr) einer Gruppe, die sich nachher als feindlich herausstellt (= »die Frevler« 2a), in 1c die zitathaft eingespielten Worte derselben.

31 »Meine Seele« (sg.) wie der Vokativ (»Vogel«) lassen an die Verbform im K denken (»euer Berg« impliziert Zugehörigkeit zu einer Mehrzahl). Die Richtung der Fluchtaufforderung – zu oder von eurem Berg – lässt (aufgrund des Fehlens einer vereindeutigenden Präposition und der Suffigierung) eine feindliche Aufforderung zur Bewegung weg vom Berg annehmen (die Lesung ‫[» הר כמו‬den/zum?] Berg wie [ein Vogel]« [vgl. LXX] dürfte eine Vereinfachung sein). Es geht um das »Herauslocken« aus dem (auch materiell bedrohten?, vgl. 3) Tempelberg (vgl. 4) als Schutzort (1a) mit der Absicht, den Angesprochenen danach attackieren zu können (2). Anders (noch) Weber, Werkbuch I, 81-82, und Ruwe, Psalmen, 21.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Kontext nachher: Die ebenfalls an eine Zuhörerschaft (Gemeinde) adressierten, nachfolgenden Aussagen (2-3) zeigen die feindliche Absicht der Aufforderung 1c und nennen ihre Absender.

3.6.3.

Fazit:

Die Vogel-Metaphorik verweist auf Schutz (Geborgenheit), spricht von Gefährdung (Jagd) und ist mit dem Tempelberg und der dortigen Präsenz JHWHs in Zusammenhang zu bringen. Als Besonderheit zu notieren ist die Einbettung des als Aufforderung ergehenden Feindzitats in eine abweisende, vorwurfsvolle Frage.

3.7. Psalm 12 3.7.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (5aβb): 5a [Sie,] die gesagt haben: »Aufgrund unserer Zunge erweisen wir uns als stark; 5b unsere Lippen [sind] mit uns – wer [vermag zu sein] Herr über uns?!«32

3.7.2. Charakterisierung:

• Setting: Ein Psalm gegen das Übel der »Wort-Propaganda« mit diversen Redekonstellationen. Es scheint sich im Kern um ein Individualgebet zu handeln; ein sprechendes Ich tritt freilich nirgends explizit hervor, so dass auch ein Sprecherkollektiv denkbar ist. • Absender: Ein Kollektiv, das im Vorvers metonym als »glatte Lippen« im Sinne von Schmeichelredner bezeichnet wird. Deren Worte werden in 5aα eingeleitet. • Adressat: Die Wir/uns-Rede hat keinen direkten Adressaten; sie ist wohl als Selbstdarstellung bzw. gegenseitige »Ermutigung« aufzufassen. • Form/Inhalt: Das zitierte Frevler-Wort ist dreiteilig: Zwei parallele, zweiteilige Eigenaussagen (5aβ.5bα) unter gegenläufiger Aufnahme des Wortpaares »Lippen/Zunge« aus der vorangegangenen Rede (4ab, vgl. 3b) mit prahlerischer Stossrichtung sowie – daraus folgernd – eine rhetorische Frage (5bβ), die deren Wortgewaltigkeit herausstellt. • Kontext vorher: Der Psalm eröffnet in 2a mit Gottesanrufung und -appell (Imperativ) als Gebet. Die anschliessende Begründung zum Eingreifen (3b.3ab) verbleibt im Gebetsmodus. Mit indirekter Er-Rede (jussivisch) wird JHWH nun konkreter um Beseitigung der Lügenredner gebeten (4ab). Es schliessen sich relativisch die Redeeinleitung

32

Kolometrie mit van der Lugt, Cantos, 169.

208

Beat Weber

sowie – mit Redewechsel – die zitierend eingespielten Prahlworte der besagten Gruppe an. • Kontext nachher: Mit abruptem Redewechsel (5 => 6) wird ohne Einführung – aber aufgrund einer autorisierenden Angabe (6bβ) erkennbar – in ebenfalls direkter Rede ein Gotteswort (6) eingebracht (eine Vermittlungsinstanz ist nicht erwähnt). Damit wird das starke Wort der Wortgewaltigen durch die unmittelbare Danebenstellung des noch gewaltigeren Gotteswortes gekontert. Darin bringt JHWH sein Aufstehen zum Gericht und sein Heil zugunsten des/der Bedrängten zur Aussage.

3.7.3. Fazit:

Die Wort-Thematik von Ps 12 wird (auch) formal durch wechselnde und vielschichtige Kommunikationen angezeigt. In den wenigen Versen sind sämtliche Kommunikationsmodi enthalten. Im Psalmzentrum stehen die beiden eingespielten Worte der frevlerischen Redner einerseits (5) und von JHWH andererseits (6).33 Darum gelegt sind Er-Bitten an JHWH (V. 4) sowie ein weisheitliches Wort über JHWHs Worte (7) – mit unmarkierter Adressierung. Den Rahmen des Psalms bilden direkt adressierte Gebetsworte an Gott (2-3.8-9).

3.8. Psalm 13 3.8.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (5aβ): 4c Damit ich nicht [zu] dem Tod [ent]schlafe, 5a damit nicht zu sagen vermag mein Feind: »Ich habe ihn überwäl tigt!«, 5b [damit nicht] meine Bedränger jubeln dürfen, dass ich wanke. 34

3.8.2. Charakterisierung:

• Setting: Ein formkritisch als »klassisch« geltendes Klagelied des Einzelnen mit Klagen (2–3), Bitten (4–5) und Vertrauensbezeugung sowie Lobdank(versprechen) (6). Die im Hebräischen aus einem einzigen Wort bestehende Feindrede erscheint im Bitte-Teil, näherhin in den Gottes Eingreifen motivierenden »damit nicht«-Aussagen (Nichteintreten von worst case-Szenarien). • Absender: In der Rede-Einführung als »mein Feind« bezeichnet.

33 Erstmals nach Ps 2 (aber anders als dort in innerisraelitischem, sozialem Kontext) erscheint die Verbindung von Gottesrede und Feindworten im Psalter. 34 Zur gegenüber MT veränderten Lesung als Trikolon 4b5ab vgl. Weber, Stimmungsumschwung, 152-156.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Adressat: Das Feindwort nennt keinen Adressaten und ist als Selbsttriumph (allenfalls gegenüber Drittpersonen geäussert) zu verstehen. In der vorliegenden Einbettung ist es Teil des Betens, also vor Gott geäussert bzw. zu ihm hin »umgelenkt«. • Form/Inhalt: Das Feind-Wort wird zitiert, freilich nicht als derzeit reales, sondern als virtuelles, das bei einem Nichteingreifen JHWHs zugunsten des Notleidenden Wirklichkeit werden könnte. • Kontext vorher: In den trikolischen »damit nicht«-Bitten bzw. Gottesmotivierungen (4c5ab) steht das Feindzitat in der mittleren Verszeile und erfährt (auch) durch die Zitierung eine Betonung. • Kontext nachher: Die Aussage des mittleren Verskolons wird inhaltlich parallelisiert durch die nachfolgende, schildernde Erwähnung des Bedränger-Jubels (5b).

3.8.3. Fazit:

Nicht das erste Mal wird der gegen einen Menschen gerichtete Pfeil eines Feindwortes mittels Gebet zu Gott hin »umgelenkt« und ihm damit die Schärfe der »Verletzungsgefahr« genommen. Erstmals jedoch wird innerhalb des Psalters ein »zitiertes« Feindwort aufgrund des eingebetteten Kontextes der Gebetsrede als »virtuell« kenntlich gemacht. Mit andern Worten: Es wurde nicht so gesprochen, aber es könnte – die Einsicht wird wohl aus Erfahrungswerten gespeist – so gesprochen werden oder zugespitzter: Es wird so gesprochen werden – es sei denn, JHWH greift ein.

3.9. Psalm 14 3.9.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (1b): 1a Es sprach [der] Narr in seinem Herzen: 1b »Es gibt keinen Gott!«

3.9.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 14 ist kein Gebet. Es handelt sich um eine weisheitlich gefärbte Rede, deren (menschliche) Adressaten ungenannt bleiben. • Absender: Ein bzw. der »Narr«, wohl typisiert (Redeeinleitung 1a). • Adressat: Da die Worte »in seinem Herzen« gesprochen sind, liegt keine Fremdadressierung vor. • Form/Inhalt: Der Widersacher wird nicht als ‫» רשׁע‬Frevler«, sondern als ‫» נבל‬Narr, Taugenichts« o.ä. bezeichnet. Dass seine Torheit Gottlosigkeit einschliessen kann und er entsprechend in der Nähe des »Frevlers« rückt (in Ps 74,18 ist er parallelisiert mit dem »Feind«), zeigen nicht nur die dem Zitat folgenden Ausführungen, sondern

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auch, dass er in seinem Herzen das Gleiche denkt wie jener in Ps 10,4 (s.o.). • Kontext vorher: Der Psalm eröffnet mit Redeeinleitung (1a) und Narrenwort (1b). Der Narr spricht »in seinem Herzen« (vgl. Ps 10,4.6. 11.13), also denkt er den Sachverhalt (und lebt entsprechend). Das Verborgene wird im Psalm hörbar gemacht. • Kontext nachher: Nach der Lautbarmachung des Narrenwortes folgt eine Schilderung, die das ethisch verdorbene Handeln benennt und damit einen Zusammenhang zwischen diesem und der Gottlosigkeit herstellt. Die Verbindung von Torheit, Gottlosigkeit und ethischem Fehlverhalten setzt sich fort (mit 3 als möglichem Gotteswortzitat).

3.9.3. Fazit:

Nachdem die Widersacherworte im Psalter mit Ausnahme der Weltenkönige in Ps 2 bisher als Worte von »Frevlern« konturiert wurden, erhalten diese in Ps 14 als Narren-Wort einen neuen, weisheitlich gefärbten Akzent. Über das Einzelverhalten hinaus verbindet sich damit ein typisiertes und generalisiertes Moment, inhaltlich zugespitzt in der Aussage, dass es keinen unter den Menschen gibt, der Gutes tut (vgl. 3 und die Rezeption des Psalmeingangs in Röm 3,10-12).

3.10. Psalm 22 3.10.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (9ab): 9a »Wälze [es ab] auf JHWH!« »Er möge ihn retten, 9b er befreie ihn, denn/wenn er hat Gefallen an ihm!«

3.10.2. Charakterisierung:

• Setting: Im ersten Teil bis Vers 22 ist Ps 22 durchgehend Gebetsrede. Darin eingebettet (Elendsschilderung) ist/sind das/die Fremdzitat(e) in 9. Beim zweiten Teil (23-32) handelt es sich um einen Lobdank (Toda), gesprochen nach der Rettungserfahrung. • Absender: Aus den Vorgängerversen 7-8 geht hervor, dass die Worte von nicht näher bezeichneten Menschen(gruppen) stammen, die des Notleidenden gewahr werden und Verachtung und Spott äussern. Dies ist beim Bedenken der eingespielten Worte (und damit deren Ironie) in Rechnung zu stellen, zumal diese isoliert auch anders verstanden werden könnten. • Adressaten: 1. Aufforderung (Imperativ) ohne Adressatennennung; vom Zusammenhang her ist an den Notleidenden zu denken. 2. Indirekte Aufforderung (Jussive) an JHWH, wahrscheinlich an bzw. gegenüber Drittpersonen (Mitvorbeiziehende?); ein ironischer bis sarkastischer Unterton ist zu vermuten.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Form/Inhalt: Es handelt es sich um zwei unterschiedlich adressierte Reden der gleichen Absendergruppe. Die eine geht – dies ist in den Psalmen selten – als direkte Aufforderung an den Notleidenden. Die nachfolgenden Worte (parallelisierte Jussive) sprechen nicht zu, sondern über ihn; sie sprechen auch über Gott und weisen diesem die Aufgabe der Rettung zu. Der ironische Unterton gilt verstärkt, wenn ‫ כי‬kausal zu verstehen ist (Alternative: konditionales »wenn«). • Kontext vorher: S.o. die Hinweise unter »Absender«. • Kontext nachher: Wechsel (zurück) zur Gebetsrede (10ff.). Dabei nimmt der Betende das Stichwort des Wohlgefallens aus dem Wort der Spottenden gleichsam auf und knüpft daran die Verbundenheit und Fürsorge JHWHs für ihn von Mutterleib an (10-11).

3.10.3. Fazit:

Die Widersacher, von denen die Worte stammen, sind keine Übeltäter im engeren Sinn (anders wohl ab 13), sondern »Zuschauer«, die sich gegenüber dem Elenden ungerührt zeigen, ja seine Not durch Verachtung und Hohn noch steigern (vgl. das Fazit in 12b: »… denn es gibt keinen Helfer«). Dabei führen sie Gottes Namen im Mund, erweisen sich aber im Verhalten als von ihm fern. Ihre Worte mögen wohlmeinend und »fromm« sein, wirken aber ironisch und höhnisch, da sie dem Notleidenden keine Hilfe gewähren und Gott (allein) das Helfen überlassen. Sowohl den Kreis der Absender als auch Art (Ironie) und Inhalt betreffend, scheint hier eine Parallele zu Ps 55,23 vorzuliegen.

3.11. Psalm 32 3.11.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (9abc): 9a »Seid nicht wie Pferd, wie Maultier: ohne Einsicht! 9b Mit Zaum und Zügel [nur] ist sein Schmuck(?) zu bändigen, 9c nicht zu nahen dir [sonst]«.35

3.11.2. Charakterisierung:

• Setting: Vermutlich ein weisheitlich eingekleidetes Danklied (Toda) angesichts erfahrener Heilung und Sündenvergebung (Entschluss zum Schuldeingeständnis zitiert in 5). Nach dem Gebet(svorschlag) in 7 Redewechsel zu vermutlich zwei unterschiedlich adressierten, nicht eingeleiteten Gottesworten (8-9). Zumindest das erste ist aufgrund des Inhalts auf Gott zurückzuführen.

35 Der Text ist in den b- und c-Zeilen schwierig zu verstehen und möglichereise gestört.

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Beat Weber

• Absender: Aufgrund des Anschlusses an 8 wohl als ein zweites Gotteswort einzustufen (eine menschliche Zurechtweisung ist auch denkbar). • Adressat: Während das erste, tröstliche Gotteswort an ein Du (das sprechende Ich) adressiert ist (8), so das zweite in 9 (als Kehrseite?) an ein davon zu unterscheidendes Kollektiv (Adressatwechsel), dass sich dann singularisch verengt (9c dir).36 Die Gruppe wird nicht näher bezeichnet; die anschliessende, typisierte Nennung des »Frevlers« (10a) rückt sie in dessen Nähe (falls diese der Aufforderung nicht nachkommt). • Form/Inhalt: Das doppelte Gotteswort erscheint unvermittelt und ist in diesem Kontext auffällig. Nach dem Trostwort ergeht es als Mahnwort an »Widerspenstige« (vgl. die Metaphorik von Ross und Maultier mit Zaumzeug). • Kontext vorher: ermutigendes Gotteswort an das (sprechende) Du (8). • Kontext nachher: Redewechsel: Gotteswort(e) (7-8) => weisheitliche Sentenz (10), geformt als antithetischer Parallelismus. Im Schlussvers Aufruf an die Gerechten zum Lobpreis JHWHs (11).

3.11.3. Fazit:

Das als Ermahnung adressierte (wahrscheinliche) Gotteswort ist in diesem Individualgebet aussergewöhnlich. Die Adressaten lassen sich nicht im engeren Sinn als Widersacher bzw. Feinde bezeichnen. Sie erscheinen zwar als »störrisch«, aber auf eine Veränderung hin ansprechbar. Verfestigt sich diese Widerspenstigkeit, führt sie – wie 10 (und die Führung durch das Zaumzeug?) nahelegt – zu den Schmerzen der Frevler (vgl. dazu auch Klgl 1,18).

3.12. Psalm 35 3.12.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (8abc.21bβc.25bcβ): 8a »Es komme über ihn Verderben, ohne [dass] er es erkennt, 8b und sein Netz, das er versteckt angelegt hat, fange ihn [selbst]! 8c Ins Verderben falle er darin!« … 21a Sie rissen weit auf gegen mich ihr Maul, 21b sagten: »Haha! Haha! 21c Unser Auge hat es gesehen!« … 36 Mit der Suffigierung in 9b wird die Adressierung kurzzeitig verlassen und zum berichtenden Stil gewechselt, bevor 9c wieder zum Du/Dir zurückkehrt.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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25a Sie sollen nicht sagen dürfen in ihrem Herzen: 25b »Haha! Unsere Kehle [ist gefüllt]!«, 25c nicht sagen dürfen: »Wir haben ihn verschlungen!«

3.12.2. Charakterisierung:

• Setting: Der Psalm steht im Zusammenhang eines Konflikts, in dem Gott um Rechtshilfe angerufen wird. Man hat wohl von drei Redegängen (1-10|11-18|19-28) auszugehen. Über die Feind-Zitate hinaus liegen ein erwünschtes Gotteswort (3d) und an Gott gerichtete (10bcd) bzw. zu richtende Worte (27bβc) vor. • Absender: Die sprechenden Widersacher werden im Vorfeld der drei Einspielungen ihrer Worte als »meine Verfolger« (3b) respektive »meine Feinde« (19a) bezeichnet. Eine einheitliche Gegnerschaft, die das Verderben des sprechenden Ich wünscht und nach seinem Tod trachtet (vgl. 4.17), ist anzunehmen. Während die Feindrede in 8 ohne Redeeinleitung ist, werden die Worte in 21 und 25 jeweils eingeleitet. • Adressaten: Der Notleidende wird von den Widersachern nicht direkt angesprochen. Ihre Worte sind unadressiert, wohl vor bzw. für sich selbst gesprochen oder als gegenseitige Bestätigung innerhalb der Gruppe. Zumindest für 8 ist eine Adressierung innerhalb einer Rechtsdebatte nicht auszuschliessen. • Form/Inhalt: Die Formulierung in 8 basiert auf dem weisheitlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang. In der Feindrede liegt wohl der Vorwurf gegenüber dem sprechenden Ich, dass dieses andern eine versteckte Falle stelle (unlautere Absicht) – gegenläufig zum geäusserten Vorwurf des Angefochtenen in 7. Die Worte in 21 ergehen aus dem Zusammenhang des Trug-Vorwurfs an die Widersacher. Sie äussern Schadenfreude in Form von Gelächter.37 Der Hinweis auf ihr Sehen dürfte sich auf dessen »Verderben« richten (vgl. 8.17, ferner der Appell an Gottes Sehen im Folgevers). Die Feind-Worte in 25 sind zweigeteilt, je eingeleitet und virtuell im Sinne von worst case-Szenarien zu verstehen, die JHWH nicht eintreffen lassen möge. Die Metaphorik lässt nach dem aufgesperrten Mund (21a) nun an ein raubtierartiges »Fressen« des Bedrängten denken (vgl. auch 15-17). • Kontexte vorher und nachher: ‒ 8: Nach Gebet (Du-Rede, 1-3) und gebetsartiger Schilderung und Bitten (Er-Rede, 4-7) folgt ein unvermittelter Redewechsel von der Ich-Schilderung über sie (7) zur Sie-Rede über ihn (8). Mit 9 Rückkehr zur Ich-Rede (10bcd direkte Gebetsanrede). 37 Das Wort ‫» האח‬Haha!« o.ä. ist semantisch »leer« und (hier) onomatopoëtischer Ausdruck der Schadenfreude. Zum eingespielten Lachen der Widersacher vgl. neben Ps 35,21.25 auch Ps 40,16; 70,4, dazu die Erörterungen zu den jeweiligen Stellen. Zu Gemeinsamkeiten zwischen den Psalmen 35; 40; 70; 71 vgl. Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 282-286.

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‒ 21: Die Redeeinleitung markiert das Gruppensubjekt und gegen wen das Reden gerichtet ist. Vorher und nachher (mit invocatio Dei in 22a) liegt Gebetsrede vor, so dass die Frevler-Worte vor Gott gebracht aufzufassen sind (analog bei 25). ‒ 25: Gebetskontext (ähnlich wie bei 21, s.o.). Die virtuellen Reden mit ihren worst case-Inhalten, die JHWH verhindern möge, sind vergleichbar mit dem Wort in Ps 13,5.

3.12.3. Fazit:

Die mehrfach eingespielten, wirklichen wie imaginierten Feindreden dienen (wie anderswo auch) als Überzeugungsrhetorik gegenüber JHWH, um die Bedrängnis herauszustellen und ihn zum Eingreifen zu motivieren. Die drei Feind-Worte werden gleichsam kontrastiert mit ebenfalls zitierten Worten: dem Heilzuspruch Gottes in 3d, dem versprochenen Jubel-Wort über die Unvergleichlichkeit JHWHs in 10bcd und dem finalen Lobpreis der Gerechten in 27bc.

3.13. Psalm 40 3.13.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (16bβ): 16a Erstarren sollen als Lohn für ihre Schande, 16b die sagen in Bezug auf mich: »Haha, haha!«38

3.13.2. Charakterisierung:

• Setting: Der komposite Psalm (zu 14-18 vgl. die Parallelität von Ps 70,2-6) besteht aus einer vor einem Zuhörerkreis ausgesprochenen Rettungsbekundung (2-5) und anschliessenden Gebetsworten, zunächst einem Lobdank (6-11, mit eingelassenem Eigenzitat in 8), danach einem Klage- und Bittgebet (12-18). In Letzterem hat das Spottlachen der Widersacher (und ein Lobpreiszitat der Gottverbundenen in 17) seinen Kontext. • Absender: Sie werden im Vorfeld zum Zitat in 15 als solche genannt, die nach dem Leben des bedrängten, sprechenden Ich trachten und Gefallen an seinem Unheil haben. • Adressaten: Die Verwendung der allgemein-relationalen Präposition ‫ ל‬anstelle des direktionalen ‫ אל‬lässt annehmen, dass das bedrängte Ich nicht der direkte Adressat des Lachens, sondern Inhalt bzw. Gegenstand desselben ist.39 Streng genommen ist demnach von einer Selbstadressierung der Spötter (unter sich) auszugehen. 38 Anders als in Ps 35 wird das Lachen der Widersacher in Ps 40 und 70 von Ruwe, Psalmen, 64.104, im Text nicht als Feindzitat markiert, sondern nur in Fussnoten angemerkt. 39 Vgl. Jenni, Präpositionen 3, 134–141.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Form/Inhalt: Anders als in Ps 35,21.25, wo das doppelte ‫האח‬ durch Worte ergänzt wird, ist nach der Redeeinleitung das »Zitat« hier (lediglich) eine Spottäusserung ohne Inhaltsbeigabe (vgl. auch Ps 70,4). • Kontexte vorher und nachher: Das Widersacher-Lachen findet sich im Gebetskontext, womit eine Doppeladressierung gegeben ist (»Umlenkung« des Widersacherhohns an JHWH). Es erscheint in 16 als Teil einer Gebetsverwünschung, die im nachfolgenden 17 (zwei Bikola) durch eine Glücksanwünschung aller Gottsuchenden (mit Lobzitat) ergänzt wird.

3.13.3. Fazit:

Das eingespielte schadenfreudige Lachen der Widersacher erscheint im Kontext eines Klage- und Bittgebets. Der niederträchtige Spott wird dadurch »hörbar« gemacht, zugleich dient das Zitat als Motivierung des Eingreifens Gottes. Sie sollen beschämt werden (vgl. 15).

3.14. Psalm 41 3.14.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (6b.9ab): 6a Meine Feinde sprechen Unheil, mich betreffend: 6b »Wann wird er sterben und sein Name sich verlieren?« … 9a »Ein unheilvolles Geschehen [ist] ausgegossen auf ihn, 9b ja, der darnieder liegt, wird nicht wieder aufzustehen vermögen.«

3.14.2. Charakterisierung:

• Setting: In einer Klagebitte an Gott (5-13) finden sich zwei Feindworte. Der Vorspann (1-4) bildet ein an eine menschliche Zuhörerschaft (Gemeinde) gerichtetes Wort grundsätzlicher und zusprechender Art. • Absender: In 6a sind im Rahmen der Redeeinleitung »meine Feinde« als Urheber der nachfolgenden Worte genannt. Bei der Feindrede von 9 enthält 8 die Redeeinleitung »alle meine Hasser« samt Begleitumständen und Absender. • Adressaten: Auch hier wird der Notleidende nicht direkt angesprochen. Die Worte über ihn erweisen sich (wiederum) als monologisch oder als wechselseitig in der Feindgruppe gesprochen. • Form/Inhalt: Der Wunsch der Widersacher, dass er sterbe und sein generatives Weiterbestehen ausgelöscht werde, steht im Kontrast mit dem von Gott gewährten und erhaltenen Leben und Glück (vgl. 3). Unmittelbar vor der Feindrede hat der Kranke um Lebensheilung gebeten und seine Sünden bekannt (5). Die zweite, längere Feindrede in 9ab variiert die erste: Mit dem auf ihn gegossenen Unheil dürfte seine

216

Beat Weber

Krankheit gemeint sein. Sein Krankenlager soll zum Sterbelager werden. • Kontexte vorher und nachher: ‒ 6: Die Gnaden- und Heilungsbitte des Leidenden (5) wird in der Feindrede von 6 durch Todanwünschungen kontrastiert. Die nach dem Redewechsel in 7 vom Ich geschilderten Krankenbesucher bringen keine Linderung, sondern steigern mit ihrem Verhalten die Not. ‒ 9: Die Absicht »Unheil, mich betreffend« aus der Redeeinleitung von 6a wird in 8ab aufgenommen – nicht mehr offen geäussert, sondern in heimlichem Flüsterton und boshaftem Sinnen. Nach dem Redewechsel schildert der Notleidende, dass ein ehemaliger Vertrauter sich gegen ihn erhoben habe (10) – eine interessante Parallele zu Ps 55.

3.14.3. Fazit:

Ein Kranker ringt zwischen Leben und Tod. Er ruft JHWH an als den, der das Leben gnädig (neu) schenken und aus dem Tod erretten kann. Ein Kollektiv von Feinden, zu denen sich auch ein ehemaliger Vertrauter gesellt, stellt sich dagegen auf die Seite des Todes und wünscht ihm mit den in den Psalm aufgenommenen und vor Gott gehobenen Worten den Tod. Der Kranke erbittet Heilung in Verbindung mit dem Bekennen seiner Sündenschuld (vgl. 5) … und weiss sich doch unter Gottes Wohlgefallen und vor ihm als »unsträflich, vollkommen« (vgl. 12-13).

3.15. Psalm 42 3.15.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (4bβ.11bβ): 4a Es sind geworden mir meine Tränen zur Speise Tag und Nacht, 4b da man sagt zu mir den ganzen Tag: »Wo [ist denn] dein Gott?« … 11a Bei [der] Zermalmung in meinen Gebeinen haben mich geschmäht meine Bedränger, 11b indem sie sagten zu mir den ganzen Tag: »Wo [ist denn] dein Gott?«40

3.15.2. Charakterisierung:

• Setting: Meist wird Ps 42-43 v.a. aufgrund des Refrains (42,6.12; 43,5) als ein Psalm angesehen (anders LXX). Bei diesem »Sehnsuchtspsalm« handelt es sich mehrheitlich um ein Gebet. Darin einge40 Die Kolometrie ist nicht leicht zu bestimmen. Als Alternative zu den Langzeilen lässt sich eine Segmentierung in Kurzzeilen mit (teils) hinkendem Rhythmus erwägen.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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lassen sind schildernde (monologische?) Abschnitte (3-5.9) und Selbstadressierungen (Refrain), dazu zwei Feindworte. Es ist der einzige qorachitische Psalm mit Widersacherworten. • Absender: In 4 spricht eine nicht näher angezeigte Mehrzahl (man), in 11 wird diese als »meine Bedränger« benannt (innerisraelitische Kreise oder solche aus heidnischem Umland?). • Adressat: das sprechende bzw. betende Ich. • Form/Inhalt: Die zweimal erwähnten Feind-Worte sind identisch. Ihre doppelte Einbringung mag mit dem erwähnten Umstand zusammen hängen (vgl. Redeeinleitung), dass sie immer wieder ausgesprochen wurden. Die Frage ist rhetorisch und höhnisch. Sie läuft auf die Infragestellung der Zuwendung Gottes angesichts des Leidens des Ich in der Fremde hinaus. • Kontexte vorher und nachher: ‒ V. 4: Die Redeeinleitung erwähnt, dass das Widersacherwort Leid verursacht bzw. verstärkt (»Tränenbrot«). Beim vor- und nachlaufenden Kontext handelt es sich um Selbstüberlegungen und Entscheidungen, die keine Fremdadressierung anzeigen. ‒ V. 11: Anders als bei 4 steht das Widersacherwort am Schluss von Gebetsworten (10aβ-11), womit dieses zu Gott hin »umgelenkt« wird (vgl. die Entsprechung der Anfangsfrage an Gott in 10a mit der Schlussfrage der Bedränger in 11b). Der Gebetsinhalt im Vorspann zum eingespielten Wort der Bedränger lässt gegenüber 4 eine Verschärfung der Not erkennen. Nach dem Feind-Zitat findet ein Redewechsel hin zur Selbstanrede (»meine Seele«) statt (Refrain, 12).

3.15.3. Fazit:

In diesem Psalm wird nicht – wie anderswo – die (hilfreiche) Präsenz bzw. Existenz Gottes affirmativ bestritten (»Es gibt keinen Gott!«, Ps 10,4; 14,1; 53,2), sondern mittels rhetorischer Fragen dessen Abwesenheit (angesichts der Not) konstatiert (»Wo ist denn dein Gott?«, 4. 11, ferner Ps 79,10). Die Anfechtung liegt darin, dass Unheil mit Gottferne in Verbindung gebracht wurde. Diese verbindet sich im Psalm (unter Einbezug von Ps 43) mit einer (Weg-)Distanz zur Gottespräsenz in dessen Haus, auf dessen Berg.

3.16. Psalm 5041 3.16.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (16b-21.22[-23]): 16a Aber dem Frevler sagt Gott hiermit: 16b »Was [erlaubst du] dir aufzuzählen meine Satzungen, 16c und nahmst meinen Bund in deinen Mund?! 41

Vgl. zu diesem Psalm ausführlich Kilchör/Weber, Gott.

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17a 17b 18a 18b 19a 19b 20a

Doch du, du hassest Zucht, warfst meine Worte hinter dich. Wenn du sahst einen Dieb, befreundetest du dich mit ihm, und mit Ehebrechern war dein Teil. Deinen Mund sandtest du mit Bösem, und deine Zunge flocht wiederholt Trug. Jedesmal, wenn du dich hinsetztest: gegen deinen Bruder redest du, 20b an den Sohn deiner Mutter heftetest du Makel. 21a Solches hast du getan – und ich sollte schweigen? 21b Hast du dir eingebildet, ich sei ganz wie du? 21c Ich muss dich rügen, [die (Rechts-)Sache] vor Augen stellen dir!« 22a »Erkennt doch dies, ihr Gott-Vergessende, 22b damit ich nicht zerreisse und es gibt keinen Retter! {23a Wer opfert Lobdank(opfer), ehrt mich, 23b und wer den Weg bahnt, lasse ich ansehen das Heil Gottes!«}

3.16.2. Charakterisierung:

• Setting: Der erste Asaph zugeschriebene Psalm (Solitär), weitgehend aus zwei längeren Gottesreden bestehend, ist adressiert an Gottes Volk insgesamt (11-13) und an den/die Frevler in seiner Mitte (16-21). Nur die Frevler-Rede wird aufgrund des eingeschränkten Untersuchungsumfangs hier bedacht. Beide Reden werden mit Aufforderungen (refrainartig) beschlossen (14-15 und 22-23). • Absender: Gott (die Form der Übermittlung bleibt offen). • Adressat: Angesprochen ist »der Frevler« (16a, Redeeinleitung), wohl typisiert für ein Kollektiv. Dem entspricht, dass beim Rede-Neueinsatz am Schluss die Adressierten als »Gott-Vergessende« (22a) angesprochen werden (Vokativ). • Form/Inhalt: Der Redeverlauf setzt ein mit einer Doppelfrage (16bc); es folgen Anschuldigungen, die mit Rechtsverstössen in Zusammenhang stehen (17-20). Der Redegang schliesst bilanzierend mit zwei Fragen und einer Rüge (21abc). 22-23 ist wohl ein neuer Redegang, der die Gott-Vergessenden zu verhaltensändernder Erkenntnis aufruft, ansonsten Gericht androht. Während 22 an dieselbe FrevlerGruppe adressiert ist, wird in 23 – unmarkiert – die Adressierung geöffnet und generalisiert, wie die Parallelität mit 14-15 zeigt. Bei 23 sind daher die Frevler wohl nicht (mehr) als solche angesprochen bzw. inkludiert unter Israel insgesamt. • Kontext vorher: Nach der Volksrede mit finalem Aufruf zu Lobdank-Opfer und Gottesanrufung wird eine neue Rede mit veränderter Adressierung durch Redeeinleitung markiert (16a). Aufgrund des waw-adversativum wird eine Absetzung »des/der Frevler« zum zuvor adressierten Volk vorgenommen.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Kontext nachher: Der Psalm endet mit Gottesrede. Dabei ist nach der Bilanz (21) und dem Redeneueinsatz unter Wechsel vom Du zum Ihr (Vokativ) in 22 die Endmarkierung der Frevler-Rede insofern aufgeweicht, als der finale 23 diese Gruppe allenfalls einschliesst (daher in geschweifte Klammern gesetzt), ihr aber wohl kaum allein oder bevorzugt gilt.

3.16.3. Fazit:

Der asaphitische Ps 50 enthält die umfangreichste Rede an Frevler im ganzen Psalter. Sie ergeht nicht wie bisher meist von einem (notleidenden) Menschen, sondern von Gott als richterlicher Instanz. Die vorgeschaltete, ebenfalls grössere Rede an das Gottesvolk insgesamt zeigt ein differenzierendes Bewusstsein und Handeln, insbesondere gegenüber dem Gesetz (Kultgesetz und Rechtsordnung). Die Frevelhaftigkeit äussert sich dabei nicht im Kultverhalten, sondern im unethischen Handeln (zweite Dekalogtafel).

3.17. Psalm 52 3.17.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (3-7): 3a »Was brüstest du dich der Bosheit, du Starker? 3b Die Gunst Gottes [währt] den ganzen Tag! 4a Verderben plant deine Zunge 4b wie ein geschärftes Schermesser, du Trug-Täter! 5a Du liebtest [das] Böse mehr als [das] Gute, 5b Lüge mehr als wahrhaftiges Reden. – sela. 6a Du liebtest alle Worte der Verleumdung, du Trug-Zunge! 7a Gott selbst wird dich niederreissen für immer, 7b er wird dich holen und dich herausreissen aus dem Zelt, 7c er wird dich entwurzeln aus dem Land der Lebenden.« – sela.

3.17.2. Charakterisierung:

• Setting: Ein »Feind«-Psalm mit entsprechender biographischer Einordnung (2), bestehend aus Anklage-Erhebung (3-6) und Urteilsspruch (7), daran anschliessend Auswirkungen bei den Gerechten (89), abschliessend mit persönlichem Zeugnis und Lobdank (10-11). • Absender: Der/die Sprechenden – wohl ein Individuum (vgl. 1011), dass sich zu den »Gerechten« zählt (vgl. 8). • Adressat: Ein Individuum, das dreimal adressiert wird: zu Beginn (3a) und noch zweimal am Versende (4b.6a). • Form/Inhalt: Die Anklage richtet sich gegen Boshaftigkeit, die sich aus Reden ergibt (Verleumdung, Lüge und Trug). Wie das spätere Zitat der Gerechten (9) zeigt, handelt es sich um eine Person mit Reichtum, Macht und Einfluss, die ohne Gott auszukommen meint.

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• Kontext vorher: Die als Du-Rede adressierte Kritik eröffnet (nach dem Präskript) den Psalm unvermittelt und ohne Redeeinleitung. • Kontext nachher: Mit der dritten Anrede (Vokativ) am Ende von 6a endet die Anklageerhebung, aber noch nicht die Rede an den Widersacher. Als Antwort auf sein Verhalten wird ihm das Gottesurteil beschieden (Er-Du-Rede). Mit 8 wechselt neuerlich das Subjekt (Gerechte), zugleich wird die Du-Rede verlassen, so dass hier ein RedeWechsel (und zugleich ein neuer Abschnitt) vorliegt.43

3.17.3. Fazit:

Die Rede an den Widersacher verweist mit Anklageerhebung und Gerichtsansage (von Gott her) in einen forensischen Zusammenhang. Involviert in die »Zungen-Sünden« (Trug, auch Denunzierung?) ist offensichtlich ein Machtgefälle (vgl. ähnlich Ps 4, ebenfalls mit Widersacher-Adressierung). Politisch-soziale Verhältnisse (strukturelle Macht?) könnten hineinspielen. Auffällig ist jedenfalls, dass ein Einzelner und nicht ein Kollektiv im Blick ist. In diese Richtung weist auch die Gerichtsansage, die von einer Expatriierung spricht und Zerstörung und Exilierung als Konsequenz ankündigt (vgl. als Gegensatz 10: üppiger Olivenbaum im Gotteshaus).

3.18. Psalm 53 3.18.1. Übersetzung: Worte von Widersachern (2b): 2a Es sprach [der] Narr in seinem Herzen: 2b »Es gibt keinen Gott!«

3.18.2. Charakterisierung und Fazit:

Ps 53 ist weitgehend identisch mit Ps 14, so dass auf das dort Ausgeführte verwiesen werden kann (vgl. Abschnitt 3.9.).

3.19. Psalm 5544 3.19.1. Übersetzung: 1.

Worte von Widersachern (23):

43 Anders Ruwe, Psalmen, 81, der 8(-9) als Fortsetzung von 7 und als Weiterführung der Du-Rede ansieht. Dem widerrät die Präpositionalfügung ‫עליו‬, deren Suffigierung auf die Person (Frevler) und nicht einen Sachverhalt (Gerichtsausgang) verweist. 44 Vgl. zu diesem Psalm auch die weiteren Beiträge in diesem Band.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)« 23a 23b 23c 23d

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»Wirf auf JHWH deine Last, und er selbst wird dich versorgen! Nicht wird er zulassen jemals ein Wanken dem Gerechten!«

2. 14a 14b 15a

Worte an Widersacher (14-15): »Aber du, ein Mensch meinesgleichen, mein Freund und mein Vertrauter! Die wir gegenseitig uns versüssten die vertraute Gemeinschaft, 15b ins Haus Gottes gingen in lärmendem Gewühl.«45

3.19.2. Charakterisierung:

1. Worte von Widersachern (23): • Setting: In seiner Grundstruktur ein (individuelles oder königliches) Gebet, in das weitere Kommunikationsvorgänge eingelagert sind. Hauptkontrahenten des sprechenden/betenden Ich sind ein Kollektiv von Feinden/Frevlern (Pendeln zwischen Plural und typisierendem Singular). Die Konstellation verschärft sich dadurch, dass ein (einst) »Vertrauter« sich vom Bedrängten ab-, ja gegen ihn wendet. • Absender: Der Absender wird diskutiert. Für sich genommen, lässt 23 an einen (priesterlichen) Heilszuspruch denken. Der Vorspann 2122 schiebt den Ex-Vertrauten (vgl. 14-15) in den Vordergrund. • Adressat: das bedrängte, sprechende/betende Ich. • Form/Inhalt: Doppeltes Bikolon mit Aufruf (23a) und Verheissung (23b.cd). Ist der abtrünnig gewordene Ex-Vertraute der Sprechende, bekommen die Worte contre cœur eine ironische, ja sarkastische Einfärbung (perfide Heuchelrede: Verweis an Gott unter gleichzeitiger Preisgabe der Verbundheit mit dem Angesprochenen). • Kontext vorher: Ist die Schilderung 21-22 als Vorlauf zu 23 anzusehen (s.o.), ist 22cd Redeeinleitung zum eingespielten Zitat von 23 (ansonsten wäre zwischen 22 => 23 eine Zäsur anzunehmen). • Kontext nachher: Redewechsel 23 => 24. Die Gottesanrede (24a) zeigt die (rahmende) Rückkehr zum Gebet. Der darin geäusserte Gerichtswunsch richtet sich jedoch nicht gegen den Ex-Vertrauten, sondern das Frevler-Kollektiv (wie schon in 16 nach 14-15). 2. Worte an Widersacher (14-15): • Setting: s.o. Setting. • Absender: sprechendes Ich (ohne Redeeinleitung). • Adressat: ein Einzelner, abgesetzt von den zuvor genannten Feinden (13), beschrieben bzw. angesprochen in drei Formulierungen (14). Anschliessend Übergang zur Wir-Schilderung (15). 45 Die Präformativkonjugationen in 15ab sind wohl als Iterative (von Vergangenem) aufzufassen.

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• Form/Inhalt: Zwei Bikola mit »irritierender« Syntax (Aposiopese)46 und semantischen Herausforderungen47. Die Bezeichnungen des Ex-Vertrauen schillern zwischen Beschreibung und Anrede. Die Verbundenheit war (auch) eine gottesdienstliche, also religiöse, wie 15b zeigt (vgl. auch 23). • Kontext vorher: Die invocatio Dei (10a) bestimmt (auch) die folgenden Verse als Gebet (Gebetsschilderung, nach dem Vokativ unterbleibt eine Du-Anrede Gottes). Die Schilderung des/der Feinde/s wechselt unverhofft und uneingeleitet zur Du-Anrede an ein menschliches Gegenüber (13 => 14). Die kurze vertikale Du-Anrede, die sogleich (wiederum) in den schildernden Stil überwechselt, ist möglicherweise als Teil der vertikalen Kommunikation anzusehen (Doppeladressierung). • Kontext nachher: Aussergewöhnlich ist (auch) der Redewechsel 15 => 16, verkompliziert durch die Textunsicherheit von 16a.48 Jedenfalls wird vom Ex-Vertrauten bzw. der Wir-Gemeinschaft mit ihm zum Sie der Feinde zurückgewechselt (vgl. 10-12). Dabei ist im pluralischen Sie der Ex-Vertraute eher nicht mit einzuschliessen. Die Adressierung der Worte von 16 ist nicht vollends klar; sie richten sich vermutlich an Gott (damit Rahmung der Adressierung an ExVertrauten), allerdings ohne direkte (Du-)Anrede.

3.19.3. Fazit:

Ps 55, kommunikativ komplex und sprachlich schwierig, gehört zu den wenigen Psalmen, die eingespielte Reden sowohl an als auch von Gegner(n) enthalten. Die Besonderheit liegt darin, dass es sich beidemale nicht um Frevler (im engeren Sinn) handelt, sondern um eine ihm einst nahestehende Person (vgl. ähnlich Ps 41,10). Unter der Annahme, dass die Rede von 23 von dieser stammt, erweist sie sich nicht nur als untreu, vielmehr sind ihre Worte zynisch. Gleichwohl wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Frevler-Gruppe zugerechnet. Ps 22,9 zeigt inhaltlich Parallelen zu Ps 55,23 und unterstützt indirekt die Annahme der ironischen Einfärbung des Aufrufs.

46 Der relativische Anschluss (15a) wechselt unmittelbar vom Du bzw. Er zum Wir. Im Grund genommen liegt in 14ab ein Satzabbruch vor. 47 Die Vorstellungsgehalte von 15ab bleiben vage. 48 Denkbar ist ein Nominalsatz (MT) oder aber bei Wortaufteilung ein Verbalsatz, entweder mit Gott oder dem Tod als Subjekt.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.20. Psalm 5849 3.20.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (2-6.10[-12]): 2a »Ist es wirklich so: Stillschweigen des Rechts redet ihr?50 2b [In] Geradheit sollt(et) ihr richten die Menschensöhne! 3a Doch im Herzen schmiedet ihr Bosheiten, 3b auf Erden brecht ihr Bahn der Gewalttat eurer Hände. 4b Abtrünnig geworden sind [die] Frevler von Mutterschoss an; 4b es irren ab vom [Mutter-]Leib an die Lügenredner. 5a Gift [ist] ihnen [eigen], ähnlich dem Schlangengift, 5b wie [das der] taube[n] Kobra, [die] ihr Ohr verstopft; 6a die nicht hören will auf die Stimme der Beschwörer, 6b des kundigen [Schlangen-]Dompteurs.« … 10a »Bevor zu merken bekommen eure Töpfe [den] Dornstrauch, 10b wird er ihn – ob lebendig, ob [in] Glut (= verbrannt?) – wegwehen. {11a Es wird freuen sich [der] Gerechte, wenn er geschaut hat Ahndung; 11b seine Tritte kann er baden im Blut des Frevlers. 12a Dann spricht die Menschheit: ,Fürwahr [es gibt] Frucht für den Gerechten! 12b Fürwahr, es gibt (einen) Gott, richtend auf Erden!‘«}

3.20.2. Charakterisierung:

• Setting: Falls ‫ אלם‬in 2a nicht (defektiv) in »Götter« umzupunktieren ist (Vokativ), geht es um eine Anklage wegen irdischer Rechtsbeugung (2-6). In direkter, dann indirekter Gebetsanrede wird Gott zum gerichtlichen Eingreifen gerufen und dieses vorhergesagt (7-9). Im Schlussteil wird Bilanz gezogen: In 10 werden die Falschrichter nochmals direkt angesprochen (gemäss Suffigierung des MT) und ihnen schnelles Gericht angesagt; in 11 werden die sich daraus ergebenden freudigen Folgen für den/die Gerechten angesprochen; in 12 spricht eine zuschauende und beurteilende Menschheit, dass Gerechtigkeit Frucht trägt und Gott der Erdenrichter ist und bleibt. In dem Sinn ist von zwei Rede-Einheiten an Widersacher (Gottes und der Menschen) auszugehen: Die erste Rede dürfte 2-6 insgesamt umfassen; die zweite setzt mit 10a, wobei unsicher bleibt, ob sie in 10 endet oder sich bis zum Psalmschluss (12) hinzieht (daher sind 11-12 in geschweiften Klammern gesetzt). 49 Zu diesem Psalm, der crux interpretum in 2 und anderen »Herausforderungen« vgl. eingehend Krawczack, Gott. 50 Mögliche Variante zu 2a: Ihr Götter, redet ihr wirklich Recht?

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• Absender: ein anonymes, aber (göttlich) autorisiertes Individuum oder Kollektiv, das Unrecht offenlegt und von Gott her Gericht ansagt. • Adressat: Angeredet sind mit der Rechtssprechung betraute Kreise, die in 4 als »Frevler« und »Lügenredner« (dis)qualifiziert werden (vgl. auch 11b). • Form/Inhalt: Den Eingang bilden Anklage (rhetorische Frage) und Auftrag (als Antwort). Es folgen Aussagen zum Vergehen (Rechtsbeugung in Herz, Wort und Tat), das als von jeher angesehen und mit Schlangenmetaphorik (Gift verweist auf giftige Worte, dazu Hörunwilligkeit) angereichert wird. Die genaue Aussage von 10 bleibt undeutlich; betont wird jedenfalls ein schnell eintreffendes Gericht (Sturmwind). • Kontexte vorher und nachher: ‒ 2-6: Der Psalm beginnt uneingeleitet mit der Adressierung an ein Kollektiv, das zunächst beschrieben und dann in 4 in Begriffe gefasst wird. Die Anrufung Gottes in 7a markiert den Wechsel von der Frevler- zur Gottadressierung. ‒ 10[-12]: Von der direkten Anrede in 7 her sind auch die indirekten, von Gott redenden Aussagen in 8-9 noch als im Modus des Gebets gesprochen zu verstehen. Der suffigierte Ausdruck »eure Töpfe« lässt ein Wechsel zu neuerlicher Frevler-Adressierung erkennen; diese wird freilich im b-Kolon durch den Wechsel vom Plural zum Singular (vgl. in 11b der typisierte »Frevler«) und von der direkten zu indirekten Rede (er – ihn) aufgeweicht. Die Adressierung wird in 11-12 noch undeutlicher. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Gesagte (auch?) an die Frevler gerichtet ist.

3.20.3. Fazit:

Die Adressierung an wohl menschliche Frevler (Richter) mit der Offenlegung ihres Vergehens und Verhaltens steht im Zentrum dieses nicht leicht zu verstehenden und bilderreichen Psalms (mit Tierbildern: Schlange, Löwe, Schnecke). Im Gebet wird Gott zum Gericht aufgerufen und dieses geschildert. Es kommt sicher und schnell, stellt die Gerechtigkeit auf Erden wieder her und führt zur Erkenntnis des wahren Gottes.

3.21. Psalm 59 3.21.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (8c): 8a Siehe, sie lassen geifern ihr Maul;

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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8b Schwerter [sind] auf ihren Lippen: 8c »Ja, wer hört [es schon]?!«51

3.21.2. Charakterisierung:

• Setting: Beim Psalm handelt es sich um ein (möglicherweise königliches und/oder kollektivierend überarbeitetes) Klage- und Bittgebet angesichts bedrängender Feinde mit zwei sich abwechselnden Refrains (7.15 bzw. 10.18. Dabei erscheint im zweiten innerhalb des Gebets zitatartig ein Glaubensbekenntnis. • Absender: Der Vorspann legt nahe, das Wort in 8c als von Widersachern gesprochen anzunehmen. Dieses bedrängende, den Sprechenden/Betenden umzingelnde Kollektiv wird innerhalb des Psalms mit verschiedenen Bezeichnungen bedacht, u.a. »Feinde« (2), »Übeltäter« (3, ähnlich 6), »Blutmännern« (3, dazu auch Ps 26,9; 55,24; 139,19). • Adressat: Bei der Kurzaussage handelt es sich wohl um eine selbst oder gegenseitig vergewissernde Aussage, die vom Inhalt her heimlich und damit unadressiert bleiben will. Dass der Sprechende die Worte einbringt, setzt freilich voraus, dass das Opfer sie gehört hat (will man nicht von freier Imagination und literarischer Technik allein ausgehen). • Form/Inhalt: Zu Verhalten und Taktik der Feinde ihren Opfern gegenüber gehören »tötende Worte« (8b). Die Heimlichkeit und gleichzeitige Folgenlosigkeit ihrer Wortwaffe wird als überheblich-höhnisches Wort der Widersacher zitierend eingespielt (vgl. auch die in 13 erwähnte »Lüge« und den Vers insgesamt mit seiner Ähnlichkeit zu 8). • Kontext vorher: Das Feind-Zitat figuriert am Ende einer ins Gebet genommenen Feindschilderung. Im Dreizeiler 8abc folgt auf den schildernden Parallelismus des Wort-Verhaltens in 8ab (»Maul/Lippen«, vgl. 13a) deren Wort in der finalen Verszeile 8c. • Kontext nachher: Der Redewechsel 8c => 9 ist formal wie inhaltlich stark markiert. Die im Zitat ausgesprochene hinterhältige Heimlichkeit rechnet nicht mit JHWH. Dieser wird in der neuerlichen Hinwendung zum Gebet direkt angesprochen. Dass er das Feindwort gehört hat, ist nicht allein aufgrund des Gebets, sondern schon aufgrund seines Wissens (auch im Blick auf die ihm zugehörenden Leidenden?) anzunehmen. Sein angesagtes Lachen und Spotten (in 9b über »alle Völker« ausgeweitet) ist Reaktion auf dessen Hören des Feindwortes, dieses als unsinnig karikierend.

51 Alternativ lässt sich die Partikel nicht als emphatisch, sondern als kausal bestimmen. In diesem Fall gehört sie nicht zur direkten Rede, sondern leitet diese ein: Denn [sie meinen]: »Wer hört [es schon]?!«

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3.21.3. Fazit:

Zur Wirksamkeit der Feindworte gehört deren perfide Heimlichkeit. Mit dieser brüsten sich die Frevler in dem knappen Wort (8c), das der Psalm bzw. der Beter aufnimmt und vor Gott trägt. Die nachfolgende, zu erwartende Reaktion von JHWH, der angerufen wird, zeigt die Unmöglichkeit, ja Torheit solcher Frevler-Meinung. Gottes Lachen und Spotten als Reaktion auf ein Feindwort in 9 hat Ähnlichkeit mit Ps 2,4, wo es ebenfalls direkt nach einem Feind-Zitat erwähnt wird. An beiden Orten eignet den Feind-Worten Heimlichkeit und Verschworenheit sowie die Absicht, den Gottverbundenen zu attackieren.

3.22. Psalm 62 3.22.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (4abc): 4a »Wie lange noch wollt ihr anstürmen gegen einen Mann 4b – [ihn] ermorden, ihr alle – 4c wie [gegen] eine geneigte Wand, eine eingestossene Mauer?« 52

3.22.2. Charakterisierung:

• Setting: Möglicherweise ist vom Ende in 12-13 her (Gebetsanrede allein in 13) der Psalm als Lobdank (Toda) zu bestimmen. Das Bekenntnis bzw. Zeugnis des Vertrauens findet sich um die Feindthematik (4-5) gelegt (2-3.6-8) und wird durch einen paränetisch-weisheitlichen Abschluss ergänzt (9-12). Die Feindpassage besteht aus einer Feind-Adressierung (4) und einer Feind-Schilderung (5). • Absender: Das sprechende Ich, das zuvor sein Vertrauen gegenüber Gott artikuliert, ist Urheber der gegen die Widersacher sich richtenden Worte. • Adressat: Mit dem Ihr (Verbalmorpheme) wird eine Gruppe angesprochen, die im Psalm nicht näher bezeichnet ist und deren Identität nur umrissartig ansichtig wird (zur »Lüge« vgl. 5.10). • Form/Inhalt: Die metaphorische und als Frage gestaltete Äusserung lässt an anhaltende, heftige Attacken gegen das sprechende Ich denken. Diese haben bereits Folgen gezeitigt, wie der Vergleich mit den Beschädigungen an der Stadt- bzw. Befestigungsmauer nahelegt. 52 Die auf eine persönliche Bedrängnis gemünzte Metaphorik der Anstürmung und Einnahme einer (einbrechenden) Festungsanlage ist evident. Das in die Bildaussage (nachträglich?) eingeschobene Kurzkolon 4b dürfte der konkretisierenden Erläuterung dienen und als Parenthese einzustufen sein (falls man nicht mit Konsonantenumstellung von ‫» חרץ‬bedrohen« ableiten will). Von daher legt es sich nahe, ein Trikolon (4+2+4) – und nicht wie Ruwe, Psalmen, 91, oder van der Lugt, Cantos II, 182, zwei Bikola (4+2 | 2+2) – zu lesen.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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Das im erläuternden Zwischenkolon (mit vokativischer Anrede) genannte Ziel ist dessen »Einnahme« und d.h. seine Ermordung. • Kontext vorher: Zwar erfolgt zwischen 3 und 4 kein Redewechsel, gleichwohl geschieht der Übergang vom Vertrauensbekenntnis zur Feindadressierung unvermittelt und kontrastiv. Eine Verbindung ergibt sich freilich zwischen den einen gesicherten Ort anzeigenden Schutzaussagen in 3 (vgl. auch 7-9) und der Feindanklage, den Schutzwall zu attackiert und fast schon durchbrochen zu haben. • Kontext nachher: Wechsel von der Feindadressierung (ihr 4) zur Feindschilderung (sie 5), damit Sichtverschiebung von direkter Betroffenheit zu stärker distanzierender Schilderung. Die vorherigen Attacken werden als solche des Wortes (Falschheit) ansichtig (die Mordabsicht der Feinde wie die Bergung des Bedrängten bei Gott lässt allerdings eine über Wortfrevel hinausgehende Gefährdung an Leib und Leben annehmen).

3.22.3. Fazit:

Einmal mehr stehen Worte an oder von Feinde(n) im Zusammenhang einer Asymmetrie, in der eine Mehr- bzw. Vielzahl von Bedrängern einem einzelnen, isolierten Bedrängten gegenüber steht. Und einmal mehr werden in den Psalmworten Übergriffe des Wortes beklagt bzw. angeprangert, die – jedenfalls in Ps 62 – weit über Verleumdung und Lüge hinausgehende Folgen haben können. Die Kehrseite der in der Bildszenerie eindringlich zum Ausdruck gebrachten Gefährdung liegt in der Schutzsuche des Gefährdeten, nämlich in seiner Bergung bei Gott (Tempelasyl?), wie 3.7-9 deutlich machen.

3.23. Psalm 64 3.23.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (6cβ.7aβ[-b/c]): 6a Sie machen sich [gegenseitig] stark zur Unheilssache, 6b berichten davon, verborgen anzubringen Fanghölzer. 6c Sie sagten: »Wer vermag sie zu sehen?« 7a Sie planen Bosheiten: »Wir sind fertig geworden!« 7b Ein [gut] geplanter Plan: 7c Ja, [das] Innere eines Mannes, ja [das] Herz [ist] abgründig.53

53 Die Kolometrie von 6-7 ist strittig (MT liest zwei Bikola). Ruwe, Psalmen, 94, und van der Lugt, Cantos II, 119, segmentieren in zwei Trikola, Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 202, in drei Bikola. Letzterem schliesse ich mich an (anders noch Weber, Werkbuch I, 284: Trikolon + Bikolon + Bikolon).

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Beat Weber

3.23.2. Charakterisierung:

• Setting: Der Psalm besteht grob gesehen aus einem Gebetsteil (27) und einer Schilderung des Falls der Frevler und den daraus resultierenden Folgen (8-11). Aufgrund der Verbalsyntax (Tempora) liegt der von Gott herbeigeführte Fall zurück, entsprechend ist das Gebet, das aus der Bedrängnis kommt, diesem gegenüber vorzeitig. Im Gebetsteil werden zwei Frevlerworte eingespielt, wobei Sinn und Reichweite des zweiten diskutiert wird (s.u.). • Absender: Das erste Wort (mit Redeeinleitung) wird einem frevlerischen Kollektiv, das in der Klageschilderung zuvor hervortritt, zugeschrieben. Das zweite hat den gleichen Absender. • Adressat: Eine Adressierung ist nicht ersichtlich; es ist von Selbstgesprächen bzw. von wechselseitiger Bestätigung innerhalb der Gruppe auszugehen. • Form/Inhalt: Das erste Worte in 6cβ betont die Heimlichkeit und Raffiniertheit der ausgelegten Falle (sie = angebrachte Fanghölzer, vgl. 6b). Das zweite Widersacherwort stellt wohl ebenfalls auf Heimlichkeit und Konspiration ab. Sein Inhalt sind aber nicht Worte, sondern Planungen, die verbalisiert und hörbar gemacht werden (die Wurzel ‫» חפשׂ‬durchsuchen, erforschen, planen« erscheint in 7a und 7b gleich 3mal!). Wie weit die Kundgabe dieser Planspiele in direkter Rede (sprechendes Wir) reicht und ob allenfalls eine Kommentierung des Psalmsprechers erfolgt, ist strittig und wird durch die undeutliche Semantik zusätzlich erschwert. Es gibt drei Möglichkeiten: 1. »Wir sind fertig geworden!«; 2. »Wir sind fertig geworden: Ein [gut] geplanter Plan!«54; 3. »Wir sind fertig geworden: Ein [gut] geplanter Plan! Ja, das Innere [des] Mannes, ja [das] Herz [ist] abgründig.«55 Wir entscheiden uns hier für die erste Option.56 Die Folgeaussagen werden entsprechend dann nicht (mehr) als Frevlerworte, sondern als reflektierend-bilanzierende Rede des Sprechenden unter Rückkehr zum Gebetsmodus verstanden. • Kontext vorher: Die Schilderung des Frevlerhandelns in 6ab geht nahtlos über in Redeeinleitung und Rede von 6c. Anscheinend wird 54 So Ruwe, Psalmen, 94 (wenn auch in leicht anderer Übersetzung). 55 So Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 202-203 (wenn auch in leicht anderer Übersetzung). 56 Unter Annahme der vorgenommenen Kolometrie (s.o.) bietet der Zweizeiler 6c7a jeweils Einleitung und kurze Rede. Die Planungen und die Quittierung (direkte Rede) sind beide auf den Inhalt von 6ab zurückzubeziehen. Die Kommentierung 7bc nimmt das Stichwort der Pläne auf und bietet dazu Gedanken grundsätzlicher (weisheitlicher) Art (zum Positiven vgl. der Schluss von 10). Die Argumente sind zugegebenermassen nicht zwingend, und es lassen sich auch Gründe für die anderen beiden Optionen ins Feld führen.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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mit der nachfolgenden Planung und der zitierten Ausführungsquittierung (wir) zeitlich und inhaltlich auf die zuvor geäusserten Worte zurückgegriffen. • Kontext nachher: Bei der präferierten Verstehensvariante (s.o.) geht die Widersacherrede unvermittelt (wieder) zur Rede des Psalmbeters zurück, der die geplanten Pläne (Betonung!) ins Gebet nimmt und mit einer weisheitlichen Quintessenz anreichert.

3.23.3. Fazit:

In diesem Psalm wird mit der Einspielung der Worte und Gedanken der Widersacher einmal mehr (vgl. Ps 35,8; 52,4; 59,8, ferner 10,4.6. 11.13) – und hier besonders deutlich – Heimliches und Heimtückisches aus der Verborgenheit ans Licht gebracht, d.h. hörbar gemacht. Wie auch sonst sind die Worte nicht direkt an den Bedrängten gerichtet (und schon gar nicht an Gott), sondern als Selbstworte bestätigen die Redenden sich wechselseitig in ihrer Konspiration. Der giftige Pfeil ihrer Worte gegen den Integren geht am Ende ins Leere, vielmehr trifft Gottes Pfeil sie todeswund (vgl. 5-6 mit 12, Tun-ErgehenZusammenhang). Die Herstellung der »Ordnung« bringt Gott Ehrfurcht und Ehre, den Menschen Einsicht und den Gerechten Freude (vgl. 10-11).

3.24. Psalm 66 3.24.1. Übersetzung:

Worte vom »Widersacher« (18b): 18a Übel [war], wenn ich hinsah, in meinem Herzen: 18b »Nicht hören wird der Herr!«

3.24.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 66 verbindet einen an der Heilsgeschichte orientierten Hymnus mit einem Danklied. Letzteres geschieht als Gelübde-Einlösung, zunächst in Adressierung an Gott (13–15), dann an (versammelte) menschliche Hörer (16–20). Darin zitiert der Sprechende ein im eigenen Herzen aufgestiegenes (»Frevel«-)Wort (18b). • Absender: das sprechende Ich (Toda-Kontext). • Adressat: Selbstrede (reflexiv). • Form/Inhalt: Der im eigenen Herzen keimende Zweifel – mehr innere Stimme als geäusserte Rede – bedarf zum Erkennen des unverstellten, genauen Hinsehens. Er stellt Gottes Hören und Helfen in Frage, wird als »Übel« bezeichnet und im Rahmen der Bezeugung der Gotteshilfe offen gelegt. • Kontext vorher: Das Gebet (aus Not) an Gott geschieht mit »Erhebung« (17), aber bei genauem Hinsehen zugleich unter Anzweiflung

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von Gottes Hören (18a). Der innere Zweifel wird zitatartig angeführt (18b). • Kontext nachher: Mit Subjektwechsel zu Gott wird dessen Verhalten bezeugt (19): Gott hat gehört – trotzdem (d.h. trotz des »Übels«, nämlich des ungläubigen Herzens) – und wird am Schluss des Psalms dafür gepriesen.

3.24.3. Fazit:

Der Beleg Ps 66,18 ist ein Sonderfall der direkten Widersacher-Rede, insofern sie nicht extern ergeht, sondern aus dem eigenen Herzen des Sprechenden als Zweifelgedanke aufsteigt und verbalisiert und damit offen gelegt wird. Aufgrund der Selbstqualifizierung dieser Glaubensanfechtung als »Übel« hat die Aussage eine Analogie zu anderen Widersacher-Reden. Sein Verhalten nennt der Sprechende zwar einen Frevel, sich selbst bezeichnet er freilich nicht als Frevler. Im Unterschied zu diesen hat er sich trotz und mit seinem Zweifel im Gebet an Gott gewandt – und Erhörung gefunden.

3.25. Psalm 70 3.25.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (4bβ): 4a Zurückkehren sollen als Lohn für ihre Schande, 4b die sagen: »Haha, haha!«

3.25.2. Charakterisierung und Fazit:

Der Psalm ist weithin identisch mit Ps 40,14-18, so dass auf das dort bereits Ausgeführte verwiesen werden kann.57 Gegenüber der dortigen Redeeinleitung fehlt hier die Präposition mit Personalpronomen, was aber an der Redekonstellation kaum etwas ändert.

3.26. Psalm 71 3.26.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (11aβbc): 11a Sagend: »Gott hat ihn verlassen. 11b Verfolgt und ergreift ihn, 11c denn es gibt keinen Retter!«

57 Zu den Kommunikationsebenen in diesem Psalm vgl. auch Wagner, Strukturen, 200-202.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.26.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 71 ist eine aus unterschiedlichen Stücken geformte Collage. Es handelt sich um ein Individualgebet (wohl von/für einen Menschen höheren Alters, vgl. 5.9-10.17-18), in das die Frevlerrede (11) als einziges zwischenmenschliches Wort eingebettet ist. • Absender: Der Betende bezeichnet seine Widersacher als »meine Feinde« (10a), in der Parallelzeile mit dem etwas rätselhaften, aber sicher negativ zu verstehenden Ausdruck »Hüter meines Lebens« (10b). Möglicherweise deutet die Wendung eine Abhängigkeit (aufgrund des Alters?) des Psalmbeters von dieser Gruppe an. • Adressat: Die Worte ergehen innerhalb der Feindgruppe und sind wechselseitig adressiert, wie der Vorspann 10b deutlich macht. • Form/Inhalt: Die Worte im ersten (nach der Redeeinführung) und dritten Kolon sind inhaltlich parallel in dem Sinn, dass die Retterlosigkeit aus der (angeblichen) Gottverlassenheit resultiert. Im mittleren Kolon 11b wird angesichts seiner Schutzlosigkeit mit zwei (wohl an die Gruppe selbst ergehenden) Appellen zur Jagd auf ihn aufgerufen. • Kontext vorher: Die eingeführte direkte Rede bildet Inhalt oder Ergebnis der gemeinsamen Beratschlagung der Feinde (10). • Kontext nachher: Redewechsel von Feindrede zu Gebetsworten des Bedrängten mit eröffnender invocatio Dei. Das Bittgebet in 12 reagiert auf die von den Feinden propagierte Gottverlassenheit und bittet Gott um Nahesein und Hilfe (vgl. auch 18).

3.26.3. Fazit:

Vermeintliche Gottverlassenheit ist (auch hier) verbunden mit Heillosigkeit (vgl. Ps 7,3; 27,9; 38,22; 72,12). Diese äussert sich in Schutzlosigkeit und wird als Einladung zum Übergriff verstanden. Wird in 11a die Gottverlassenheit von den Feinden behauptet (vgl. Ps 3,3), so fleht in 18b der Sprechende Gott an, ihn nicht zu verlassen. Wird in 11c die Retterlosigkeit verkündet, so in 23 Jubel und Gesang ob Gottes Befreiung angekündigt.

3.27. Psalm 73 3.27.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern ([8bα.10aβb].11aβb): {8a Sie höhnen und reden im Bösen: 8b »Bedrückung [stammt] aus der Höhe«, reden sie.}58 … 58 Die Bestimmung als direkte Rede (so Ruwe, Psalmen, 109) ist unsicher (daher in geschweiften Klammern). Alternativlesung (so Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 331): Sie höhnen und reden im Bösen, / Bedrückung reden sie aus der Höhe herab.

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{10a Darum [sagen sie]: »Soll er [doch] zurückführen sein Volk hierher, 10b ja, Wasser die Fülle soll geschlürft werden von ihnen!«}59 11a Und sie sagen: »Wie sollte Gott [es] wissen? 11b ja, gibt es [überhaupt] Erkenntnis beim Höchsten?!«

3.27.2. Charakterisierung:

• Setting: Der asaphitische Ps 73 weist seltenes Vokabular auf und enthält einige textliche Verstehensprobleme. Er macht Anleihen beim Danklied, ist stark weisheitlich imprägniert und hebt das referierte Einzelgeschehen im Kontrast zwischen den Frevlern und dem sprechenden Ich (als leidenden Gerechtem) ins Paradigmatische. Die Widersacherworte – von ihnen ist eines sicher (11aβb), zwei weitere möglich (8b.10aβb) – erscheinen innerhalb der Zeichnung der Frevler und ihres Verhaltens (4-12). Sie sind gegen Gott selbst gerichtet und stellen seine Präsenz und Macht in Frage. • Absender: ein Kollektiv, das im Psalmeingang (3) zunächst mit der seltenen Bezeichnung als ‫» הוללים‬Blender/Prahler« (vgl. Ps 75,5) und danach mit der gängigen als »Frevler« apostrophiert wird. Sie werden anschliessend als hochmütig, erfolgreich und gewalttätig gezeichnet. • Adressat: Ihre Worte sind ohne Adressierung, also Eigenworte, Monologe oder innerhalb der Gruppe zur Profilierung gesprochen. • Form/Inhalt: ‒ 8bα: Dieses (mögliche) Hohnwort bringt die Bedrückung entweder mit ihrer eigenen Macht (»von oben herab«) oder aber – und m.E. wahrscheinlicher – mit Gott in Verbindung (direkt ursächlich oder indirekt ursächlich in dem Sinne, dass seine Abwesenheit dies zulässt, vgl. auch 11). ‒ 10aβb: Sollte die obige Lesart dieses schwer zu verstehenden Verses zutreffen, wird in dieser Rede die Untätigkeit Gottes gegenüber seinem Volk verspottet. Sie setzt eine Mangelsituation im Land (Israel) und eine Exilierung von Teilen der Bevölkerung voraus. Gottes Macht und seine Solidarität mit dem Volk – so vorhanden – müsste sich doch, so die Stossrichtung der Rede, in der Rückführung aus der Gefangenschaft und im Wohlergehen (Tranksame) äussern.

59 Die Bestimmung als direkte Rede (so Weber, Werkbuch II, 15) ist hier (ebenfalls) unsicher (daher in geschweiften Klammern). Diverse Alternativlesungen (ohne direkte Rede) dieses schwierigen Verses sind möglich (teils mit Konjekturen) und werden vertreten (so Ruwe, Psalmen, 109; Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 331.333), z.B.: Darum wendet sich das Volk ihnen zu, / und Wasser in Fülle wird herausgepresst aus ihnen(?), o.ä. (für die Diskussion dieser Stelle sind die Handschriften, Versionen und Kommentare zu konsultieren).

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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‒ 11aβb: In Frageform wird die Kenntnis und das Wissen von Gott grundsätzlich bestritten (je nach dem Verständnis von 10 aus dem zuvor Gesagten resultierend). Da die Gotteskenntnis auch Gottesnähe und -hilfe für die Seinen einschliesst, ist damit indirekt auch Gottes Wille und seine Fähigkeit, eine gerechte Ordnung zu schaffen bzw. wiederherzustellen, in Frage gestellt. Entsprechend haben die Frevler (anscheinend) leichtes Spiel. • Kontexte vorher und nachher: ‒ 8: 8a leitet das Reden ein und qualifiziert es als Reden »im Bösen« bzw. »höhnen«. Das kurze Frevlerwort erscheint mit (seltener) Redeausleitung in 8b. Das Stichwort »Himmel« anschliessend in 9 (im Merismus mit »Erde«) nimmt die »Höhe« aus 8b auf. ‒ 10-11: Die umspannende Rede-»Macht« (9) lässt ihnen entweder das Volk zulaufen (so 10 in der Variante ohne direkte Rede) oder aber begründet (»darum«) ihre Hybris, insofern sie Gottes (angeblicher) Abwesenheit Hohn sprechen (so 10 in der Variante mit direkter Rede). In 11 erscheint ihre Rede dann (eingeleitet) erstmals oder in Nachdopplung zu 10. 12 wechselt von der Frevlerrede zu einem Fazit (‫ )הנה‬über sie und ihr (bislang) unsanktioniertes Vorgehen.

3.27.3. Fazit:

Mit dem weisheitlichen Ps 73, dem »kleinen Hiob«, am Beginn des Krisen und Katastrophen bearbeitenden Teilbuchs III (Ps 73-89), erreicht die sich in den direkten Reden spiegelnde Frevler-Hybris eine Spitze. Dabei wird nicht nur die Präsenz Gottes verneint, sondern die Frevler höhnen über ihn und trachten danach, seine Stellung zu usurpieren. Dies gilt verstärkt, wenn sich die Worte in 8 und 10 ebenfalls als Widersacher-Rede herausstellen.

3.28. Psalm 74 3.28.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (8aβ): 8a Sie sprachen in ihrem Herzen: »Wir wollen sie unterdrücken allesamt!« 8b Sie verbrannten alle Versammlungsstätten Gottes im Land.60

60 Der Vers ist (gegen Ruwe, Psalmen, 111, der die direkte Rede als eigenes Kolon fasst und trikolisch liest) als Bikolon zu fassen (so auch Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 356, und van der Lugt, Cantos II, 308).

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3.28.2. Charakterisierung:

• Setting: Der asaphitische Ps 74 gilt als klassische Volks- bzw. Gemeindeklage (meist als auf die Geschehnisse von 587 v. Chr. referierend angesehen61). Der Psalm ist durchgängig Gebetsrede; das kurze, eingeschaltete Wort in 8 ist die einzige Unterbrechung derselben. • Absender: Der/die »Bedränger« bzw. »Feind(e)« (pl. in 4.23, sg. in 10.18) sind – der Gattung entsprechend und anders als üblich – unter den Fremdvölkern zu suchen (vgl. ähnlich zu Ps 2, s.o.). Die Redeeinleitung erweist die Sprechenden als Kollektiv, sei es als Vielzahl aus einem Volk oder als Völkerkoalition. • Adressat: Die Wir-Rede ist selbstreferentiell bzw. wechselseitig adressiert und unterstreicht den gefassten Entschluss. • Form/Inhalt: Wie auch anderswo wird der Vorgang im »Herzen« lokalisiert (vgl. Ps 10,4.6.11.13; 14,1; 35,25; 53,2; 66,8, ferner 58,3; 64,7). Es handelt sich also (zunächst) um einen Denkvorgang, mit dem möglicherweise das Moment der Heimlichkeit (Konspiration) verbunden ist. Der Unterdrückungsentschluss wird als Zitat wiedergegeben, wobei das »allesamt« (‫ )יחד‬sich sowohl auf das Wir zur Unterstreichung der Koalition (vgl. Ps 2,2), als auch auf das im Suffix angezeigt Sie (= Israel) zur Unterstreichung der Umfassendheit der angezielten Bedrängung beziehen kann. • Kontexte vorher und nachher: Der ins Wort gebrachte Herzensentschluss in 8a wird in Zusammenhang mit der Schändung und Zerstörung des Gottesheiligtums (7) gebracht. Der Sitz im Leben der Aussage bestätigt sich im nachfolgenden b-Kolon (8b), unter Ausweitung des Sachverhalts auf sämtliche Versammlungsorte Gottes im Land (man beachte den Wechsel von der Du-Rede in 7 zur Er-Rede in 8b, die in 10 wieder zur direkten Gebetsadressierung zurückkehrt).

3.28.3. Fazit:

Das Wir-Wort in 8 erinnert an dasjenige der Völkerwelt in Ps 2,3, nur dass es dort um die Losreissung (von der empfundenen Unterdrückung durch Gott und seines Gesalbten), hier gegenläufig dazu um die Unterdrückung Israels geht. Beiden Stellen ist gemeinsam, dass es sich um fremdländische Widersacher handelt, wobei im Fall von Ps 74 offen bleibt, ob das Kollektiv Invasionstruppen aus einem Volk oder mehreren Völkern meint. Die Einspielung ihres lautbar gemachten Herzensentschlusses lenkt diesen im Kontext des Gemeindegebets zu Gott selbst. Wie die Schilderung der Heiligtums-Zerstörungen so soll auch das Feind-Zitat zur Identifizierung Gottes mit seinem Bundesvolk dienen und ihn motivieren, dessen zu gedenken (2) und rettend einzugreifen.

61

Anders Weber, Datierung.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.29. Psalm 75 3.29.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (5aβ.5bβ-6b): 5a Hiermit sage ich zu den Verblendeten: »Seid nicht verblendet!«, 5b und zu den Frevlern: »Erhebt nicht [das] Horn! 6a Erhebt nicht zur Höhe euer Horn, 6b redet [nicht]mit [emporgerecktem] Hals Freches!«62

3.29.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 75 besteht einleitend aus einem kollektiven Lob (2). Es schliessen sich Gerichtsankündigung, -aussagen sowie Erläuterungen und Vergewisserungen an, die von Gott selbst und von Menschen gesprochen sind (zur nicht leichten Abgrenzung zwischen Gottes- und Menschenwort s. die Fussnoten-Bemerkung). Die Frevler-adressierten Worte dürften sich auf 5-6 beschränken. • Absender: eine menschliche Autorität oder – so hier vertreten und wahrscheinlicher – Gott selbst (analog zur Abfolge von Israel- und Frevler-Adressierung durch Gott in Ps 50, dazu s.o.). • Adressaten: Sind im asaphitischen Seitenbeleg Ps 73,3 ‫הוללים‬ /‫( רשׁעים‬im Parallelismus) als Verursacher der Widersacherworte im Visier (s.o.), so hier (5ab) als deren Empfänger. • Form/Inhalt: Die beiden Vetitive in 5 sind gegen (unzulässige) Machtbeanspruchung und Hybris gerichtet (5ab als synonymer Parallelismus). 6a knüpft repetierend und präzisierend an 5bβ an (»zur Höhe« lässt an den Bereich Gottes und damit an Lästerung denken). • Kontext vorher: Nach der allgemeinen, das Gericht ankündigenden Gottesrede 3-4 setzt nach der Redeeinleitung (qṭl als Performativ) die nun konkrete und adressierte Gerichtswarnung in 5aβ ein. Die Abfolge von Einleitung und direkter Rede im b-Kolon ist analog.

62 Diskutiert wird die Reichweite der Gottesrede. Sicher sind 3-4 und 11 als Gottesrede anzusprechen, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Passagen in 5, dazu 6. Daran angeschlossen sind in 7-9 vermutlich in menschlicher Rede Folgerungen und Vergewisserungen (vgl. Weber, Gottesrede, 746-747). Anders gehen Hossfeld/Zenger, Psalmen 51-100, 375-377, sowie Ruwe, Psalmen, 113, davon aus, dass 5-7/10 insgesamt menschliches Wort darstellen. Da die Gottesrede in 3-4 und 11 nicht spezifisch an Frevler adressiert ist, sondern (vergleichbar mit Ps 50,7-13) an Israel insgesamt, bleibt sie hier ausser acht. Direkte Frevler-Adressierung liegt sicher in 5 (ob von Gott oder einer menschlichen Grösse), m.E. auch in 6 vor (nach Ruwe, Psalmen, 113, von 5-9 reichend); anschliessend vollzieht sich ein Wechsel zu stärker generalisierender Er/Sie-Rede.

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Beat Weber

• Kontext nachher: Nach 6ab wird der imperativische Duktus verlassen, und es werden (wahrscheinlich von autorisierten Auslegern des zuvor ergangenen Gotteswortes) allgemeinere Folgerungen gezogen, die vergewissernd mit 3maligem ‫» כי‬Fürwahr, gewiss, ja …« eingeführt werden (7a.8a.9a).

3.29.3. Fazit:

Nach Ps 50 (s.o.) liegt wahrscheinlich auch im ebenfalls asaphitischen Ps 75 an Widersacher adressierte Rede vor, die von Gott selber (IchRede) ergeht. Geht es dort um die »Vergessenheit« Gottes und seiner Gebote, so hier um die Erhebung gegen ihn in Tat und Wort. Freilich sind die Aussagen knapper gehalten und damit das vorgeworfene Delikt diffus. Am Ende (11) jedenfalls werden die sich selbst Erhöhenden von Gott als Richter erniedrigt und die Erniedrigten bzw. Gerechten von ihm erhöht (vgl. 1Sam 2,7; Mt 23,12; Lk 14,11; 18,14).

3.30. Psalm 79 3.30.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (10b): 10a Warum dürfen die Völker sagen: 10b »Wo [ist denn] ihr Gott?«

3.30.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 79 ist ein gemeinschaftliches Gebet (wir/uns), dass den Untergang Jerusalems und des Gotteshauses beklagt (Volksklage mit Schuldbekenntnis). Das kurze Völkerzitat ist das einzige Wort, das nicht an Gott gerichtet ist, wiewohl durch die Einleitung deutlich wird, dass die Spottfrage ins Gebet genommen und ihrerseits mit einer Frage verbunden wird. • Absender: Die Urheber der Worte sind mit Artikel als »die Völker« in der Redeeinleitung angegeben (10a, vgl. auch 1.6). In 4.12 wird zudem näherhin von »unseren Nachbarn« gesprochen, die primär im Blick sein dürften, was sich zum Spott-Verhalten in denselben Versen fügt. • Adressaten: Das Wort ist nicht an Israel (ihr, nicht euer Gott) gerichtet, sondern kennt keine Adresse, ist wohl Selbsttriumph. • Form/Inhalt: Die rhetorische Frage zielt auf die Antwort: »nirgends!« und impliziert, dass Israels Gott sein Bundesvolk verlassen bzw. sich als machtlos erwiesen hat. • Kontext vorher: Der Spottfrage der Völker (»Wo …?«) wird ins Gebet genommen. An Gott adressiert wird als Vorzeichen in 10a eine (diesmal reale) Frage vorangestellt (»Warum …?«). Gott wird derart angefragt, warum er diese, letztlich gegen ihn selbst gerichtete Frage zulasse.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Kontext nachher: An die provokative Völkerfrage wird in 10cd eine Gebetsbitte um Gerichtsahndung »des vergossenen Bluts deiner Knechte« angeschlossen.

3.30.3. Fazit:

Wird in Ps 42,4.11 dieselbe Frage in individuellen Kontext (»… dein Gott«) von Widersachern geäussert, so ergeht sie hier in nationalem Zusammenhang von (Nachbar-)Völkern. Erscheint dort das »Harren auf Gott« als rechtes Verhalten, so wird am Ende von Ps 79 kontrastiv zur Bestreitung der Verbindung von Israel und seinen Gott die WirAussage der untrennbaren Verbindung (»dein Volk«, »Schafe deiner Weide«) und der Entschluss zum anhaltenden Lobpreis gefasst (13).

3.31. Psalm 82 3.31.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (2-4.6-7): 2a »Bis wann noch wollt ihr richten/regieren [in] Unrecht 2b und das Angesicht der Frevler erheben? – sela. 3a Schafft Recht [dem] Geringen und [der] Waise, 3b [dem] Elenden und [dem] Armen verschafft Gerechtigkeit! 4a Befreit [den] Geringen und [den] Bedürftigen, 4b aus der Hand [der] Frevler rettet [ihn/sie]!« … 6a »Ich selbst sage hiermit: ,Götter [seid] ihr, 6b ja, Söhne des Höchsten, ihr alle! 7a Jedoch: Wie Menschen müsst ihr sterben, 7b ja, wie einer der Fürsten werdet ihr fallen!‘«63

3.31.2. Charakterisierung:

• Setting: Ps 82 mit seinem »Göttergericht«64 gehört zu den ungewöhnlichsten Psalmen des Psalters. Er besteht im Wesentlichen aus Gottesrede. Sie wird gerahmt durch die Situationsangabe in 1 (Gericht in der Ratsversammlung Gottes) und einem Gebet in 8 (Bitte um Er63 Das Trikolon 5abc wird nicht als Teil der Gottesrede verstanden (was möglich ist, dann aber mit veränderter Adressierung), da dort der direkte Anredecharakter aufgegeben wird (und in 6 neu einsetzt), sondern als kommentierender Einschub (ähnlich 1, sowie das finale Gebet in 8), so mit Ruwe, Psalmen, 126. 64 Zum Verständnis dieses Psalms, insbesondere der Frage, ob himmlische oder menschliche Wesen (oder beide) angesprochen sind, gibt es eine lange Diskussion, auf die nicht eingegangen werden kann. Hier wird aufgrund der Psalmeröffnung (primär) von einem Göttergericht ausgegangen (vgl. dazu auch Krawczack, Gott, 46-52).

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denregentschaft/-gericht). Auf diese schildernde Ebene gehört m.E. auch 5. Damit liegt eine zweigeteilte oder besser zweifache Gottesrede vor. • Absender: Gott (JHWH) selbst (vor dem himmlischen Thronrat). • Adressaten: Gottwesen bzw. Götter. • Form/Inhalt: Die Gottesrede ist zweigeteilt und hat unterschiedliche Akzente: In 2-4 wird in Frageform das anhaltende Unrechtsregiment der Götter kritisiert (2). Sie werden zum rechten Verhalten aufgefordert (3-4), das darin besteht, den personae miserae Recht zu verschaffen. Nachdem keine Änderung eingetreten ist (vgl. 5), bietet die zweite Rede in 6-7 das Gerichtsurteil. Es wird innerhalb der Rede nach der Einführung in 6aα in 6aβ-7b wörtlich angeführt (Redeverschachtelung) und besteht im Tod der Götter. • Kontexte vorher und nachher: 1 benennt die Szenerie (Ort und Geschehen) und bereitet den Boden für die Gottesreden. 5 als kommentierender Einschub (Absender und Adressaten bleiben unklar) erklärt, weshalb das Gericht keinen Aufschub erträgt (Uneinsichtigkeit, Gefährdung des Kosmos). In 8 wird als Konsequenz aus dem Göttergericht der (alleinige) Gott darum gebeten, die Regent- und Richterschaft für die Erde und die Völkerwelt anzutreten.

3.31.3. Fazit:

Der Adressierende der Rede ist Gott (wie schon in Ps 50 und 75); die »Widersacher« sind aber diesmal nicht menschliche Frevler, sondern Gottwesen, die vom höchsten und am Schluss einzigen Gott kritisiert und gerichtet werden. Wie 2 zeigt, ist ihr Verhalten die Ursache dafür, dass menschliche Frevler ihr Wesen zu treiben vermögen. Die Gefährdung der irdischen Rechtsordnung wird in diesem Psalm gleichsam an der himmlischen Wurzel angepackt und gelöst. Hinfort ist Gott (JHWH) allein zuständig für die Durchsetzung des Rechts auf Erden, wie die Schlussbitte (8) deutlich macht.

3.32. Psalm 8365 3.32.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (5aβb.13aβb): 5a Sie sagten: »Kommt, dass wir sie ausrotten als Volk, 5b dass nie mehr gedacht werde des Namens ,Israel‘!« … 13a Die, welche sagten: »Lasst uns in Besitz nehmen 13b die Weideplätze Gottes!«

65

Vgl. dazu Weber, Psalm 83.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.32.2. Charakterisierung:

• Setting: Beim Abschlusspsalm der asaphitischen Gruppe handelt es sich um eine Volksklage eigener Prägung. Sie geschieht durchgängig als Gebet, in welches die beiden Feind-Zitate in 5 und 13 eingebettet sind. Nach dem Eingangsappell (2) folgt eine das Feindevergehen ausbreitende Klageschilderung (3-9). Ihr schliessen sich Gerichtsbitten bzw. Vernichtungswünsche an (10-19), in die Vergleiche aus der Frühgeschichte und Theophaniephänomene aufgenommen sind. • Absender: Eingeführt werden die Sprechenden von 5 nicht als Israels, sondern als Gottes Feinde (»deine Feinde« 3, vgl. auch 6), die freilich gegen Israel (»dein Volk« 4) agitieren. In 13 sind die Sprechenden die Führungsschichten des Völkerbundes (»ihre Edlen«, »all ihre Fürsten« 12). • Adressaten: Beides sind Wir-Reden einer Koalition, die selbstreferentiell oder gegenseitig adressiert zu denken sind. • Form/Inhalt: Die Feindrede in 5 ist eine Selbstaufforderung zum Genozid Israels (genau genommen geht es um Kriegsvorbereitungen dazu, vgl. 4.6); diejenige in 13 richtet sich auf die Usurpierung des Gebiets, wobei der Zugriff sich auf »Gottes Weideplätze« – zu denken ist an Kultorte (vgl. Ps 74,8) – richtet und damit Gott selbst antastet (vgl. 6). • Kontexte vorher und nachher: ‒ 5: Im Kontext der Leidschilderung wird die Feindrede als Ausdruck einer konspirativen Feind-Aktion gegen Gottes Volk eingeführt. In 6 wird dies bestätigend aufgenommen, aber nun als Vorgehen (Bund) gegen Gott selbst bezeichnet. Anschliessend werden die Koalitionäre aufgeführt (7-9). ‒ 13: Im Kontext der Gerichtsbitten werden die Anführer der Völkerschaften, deren Worte wiedergegeben werden, mit Führungs- und Unterdrückergestalten aus der Richterzeit (zu 10-12 vgl. Ri 4-5; 7-8) verglichen. Anschliessend wir das Gottesgericht über sie in der Szenerie einer Sturm- und Gewittertheophanie herbeigewünscht.

3.32.3. Fazit:

Die beiden Feindreden erweisen sich als Ausdruck und Absicht einer Völkerkoalition, die sowohl gegen Israel als auch dessen Gott (JHWH) – zugleich Gott aller Welt (19) – gerichtet ist. Bündnis und Verschwörung der Völkerkoalition sowie ihre Stossrichtung weisen gewisse Ähnlichkeiten mit Ps 2 auf, insbesondere mit den Eingangsversen. Ist dort von der Losreissung aus der Abhängigkeit vom Himmels- und Zionsgott die Rede, so hier zugespitzter und konkretisierter von der Vernichtung Israels samt seines Gedenkens. Damit ist der Angriff gegen den Bundesgott Israels selbst gerichtet (vgl. 6). Wiederum in Ähnlichkeit zu Ps 2 wird auch in Ps 83 nicht nur Gericht und Beschämung über die Völkerkoalition erbeten, sondern – erstaunlicher-

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weise – zugleich und in gewisser Spannung dazu66 Gottessuche und -einsicht (vgl. 17.19 mit Ps 2,10-12).

3.33. Psalm 94 3.33.1. Übersetzung:

1. Worte von Widersachern (7aβb): 7a Sie sagten: »Nicht sieht [es] JH, 7b ja, nicht merkt [es] der Gott Jakobs!« 2. Worte an Widersacher (8[-11]): 8a »Merkt [es], ihr Dummen im Volk, 8b ja, ihr Toren: Wann werdet ihr klug? 9a Der [das] Ohr pflanzt, sollte etwa nicht hören 9b oder der [das] Auge formt, etwa nicht hinschauen? 10a Der Völker erzieht, sollte etwa nicht zurechtweisen, 10b der lehrt die Menschen Erkenntnis? 11a JHWH erkennt [die] Vorhaben der Menschen – 11b dass sie ein Hauch [sind].«67

3.33.2. Charakterisierung:

1. Worte von Widersachern (7aβb): • Setting: Der komposite und (auch) mit Blick auf das Kommunikationsgeschehen vielschichtige Psalm setzt als Klagebitte angesichts von Frevlern (Rechtsbeugung) ein und diese wird mit dem Widersacherwort in 7 beschlossen. Darauf folgt eine Narren-Rede (8-11). Im Weiteren findet sich ein Wechsel zwischen Gebetsworten (12-13.1621, mit Selbstzitat in 18aβ) und an menschliche Adressaten gerichtete Rede (14-15.22-23). • Absender: eine Mehrzahl von »Hochmütigen« (2) bzw. »Frevlern« (3), deren Vergehen in 4-6 vor Gott geschildert werden. Zu denken ist an Leute in Israel (vgl. die Adressaten der Rede in 8). • Adressat: ohne Adressangabe, vermutlich eine monologische Selbstaussage.

66 Die gedehnte Schluss-Stanze 14-18 ist möglicherweise auf Fortschreibung in 17.19 (mit Herausstellung des JHWH-Namens) zurückzuführen (im Zusammenhang mit der Endmarkierung des elohistischen Psalters?). 67 Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass lediglich 8 als direkte Frevler-Adressierung einzustufen ist und die drei nachfolgenden Verse (9-11) als weisheitliche Belehrung an ein anderes bzw. weiteres Publikum gerichtet sind. Die Textsignale weisen freilich nicht in diese Richtung; ein (deutlicher) Redewechsel wird erst in 12 ersichtlich.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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• Form/Inhalt: Die Redeeinleitung (wjjqṭl, gegenüber jqṭl vorher) lässt in Verbindung mit der inhaltlichen Aussage annehmen, dass die gemachte Äusserung der Frevler ihrem in 3-6 gezeichneten Verhalten vorangeht. Die Annahme, dass Gott (angeblich) keine Notiz davon nimmt, lässt sie ihre Übeltaten ausleben. • Kontext vorher: s.o., zu Form/Inhalt. • Kontext nachher: s.u. 2. Worte an Widersacher (8[-11]): • Setting: s.o. zu Setting. • Absender: Der/die Sprechende(n) – falls identisch mit dem Sprechenden in 16-23 ein Einzelner – wird/werden nicht eingeführt. Eine Gleichsetzung mit dem/den zuvor Betenden legt sich nahe, ist aber nicht zwingend. • Adressat: Angesprochen wird eine Mehrzahl, die als »Dumme im Volk« bzw. »Toren« bezeichnet werden (Vokative). Vermutlich sind diese (auch aufgrund der Replik auf das Widersacherwort) mit den zuvor genannten »Frevlern« (3) identisch. • Form/Inhalt: Die vier Bikola bestehen aus Aufruf und Frage am Anfang (8), einem Fazit zum Schluss (11) und darin eingelagert weisheitlicher Argumentation (9-10). Dabei wird unter Aufnahme desselben Verbs (‫ )בין‬das Frevler-Wort repliziert: Die Frevler sollen »merken«, dass Gott »merkt«. Plausiblisiert wird dies an Gottes Erschaffen (Ohr, Auge) sowie an seinem Kennen und Handeln gegenüber den Menschen. Daher sind die Vorhaben der Menschen (auch die Äusserung in 7) nichtig. • Kontext vorher: unvermittelter Redewechsel vom Widersacherwort zum Wort an diese (ohne Einleitung). • Kontext nachher: Redewechsel von der Frevler- zur Gebetsadressierung (11 => 12), unter kontrastiver Anknüpfung und Beibehaltung des weisheitlichen Duktus (Nichtigkeit der Frevler-Vorhaben, die nicht mit Gott rechnen Seligpreisung an denjenigen, der von Gott unterwiesen wird).

3.33.3. Fazit:

Ps 94 gehört zu denjenigen Psalmen, in denen beide Sprechrichtungen zugleich erscheinen – hier sogar unmittelbar nacheinander mit einer Antwort an die Widersacher auf ihre Worte hin. Zudem finden sich in diesem Psalm (bisher) am deutlichsten eine Verbindung zweier Momente, die in anderen Psalmen getrennt erschienen oder deren Wechselseitigkeit erst ansatzweise sichtbar (gemacht) wurde: das Verhalten von »Frevlern« auf der einen (theologisch-sozialethischer Aspekt) und »Narren« auf der anderen Seite ([schöpfungs]theologischweisheitlicher Aspekt).

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Beat Weber

3.34. Psalm 105 3.34.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (15ab): 15a »Tastet nicht an meine Gesalbten, 15b und an meinen Propheten handelt nicht verwerflich!«

3.34.2. Charakterisierung:

• Setting: Der Psalm ohne Gebetsanrede erzählt lyrisch die Heilstaten Gottes in Israels Frühgeschichte. Darin sind zwei Gottesworte eingeschoben: eines an Israel in 11, das andere, hier zu behandelnde, in 15. • Absender: Der Sprechende ist JHWH, in 7 genannt, anschliessend auf ihn referierende Pronomina bzw. Verbalmorpheme. • Adressaten: Angesprochen sind in 14 »Könige« aus den Fremdvölkern (Ägypten?). • Form/Inhalt: Die Rede in 15 geschieht – anders als in 11 – ohne Einleitung. Sie ist nur einschränkend als solche an »Widersacher« zu taxieren; es geht in den Aufforderungen darum, keinen Frevel gegenüber Gott und seine Mandatare in Israel zu begehen. Inhaltlich wird man an Ps 2,2-3.10-12 (vgl. auch Ps 83,5.13) erinnert. Das Reden von Gottes »Gesalbten/Propheten« im vorliegenden Erzväterkontext wirkt anachronistisch.68 • Kontexte vorher und nachher: Die eingelagerte Gottesrede in 15 unterbricht den Geschichtsrückblick. Mit ihr wird die Erzväterzeit (Abraham, Isaak, Jakob) abgeschlossen (8-16), bevor in 16 mit der Hungersnot in Ägypten und Joseph ein neuer Erzählabschnitt beginnt (16-23).

3.34.3. Fazit:

Die beiden Gottesreden im Erzväter-Abschnitt (11.15) betonen, da autoritativ aus Gottes Mund gegeben, die Landverheissung sowie die Gewährung von besonderem Schutz gegenüber den Erwählten. Von anderen Herrschern als möglichen Widersachern ist nur virtuell, in abwehrendem, nicht-zulassendem Sinn die Rede.

68 Man kann auf Gen 20,7 (und Gen 14,17-24?) verweisen (Abraham/Erzväter als Ahnherr[en] mit königlich-prophetischer Funktion?) oder die Erwähnung allenfalls erzähltechnisch als flash forward in die Königszeit einstufen.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.35. Psalm 109 3.35.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (6-19): 6a »Bestell gegen ihn einen Frevler, 6b ja, ein Ankläger soll hintreten zu seiner Rechten! 7a Wenn er sich stellt vor Gericht, soll er hervorgehen als Frevler, 7b und sein Bittgebet werde zur Sünde. 8a Es sollen werden seine [Lebens-]Tage wenige, 8b sein Amt übernehme ein anderer. 9a Es sollen werden seine Kinder [zu] Waisen 9b und seine Frau [zur] Witwe. 10a Ja, unstet umherstreifen sollen seine Kinder und betteln müssen 10b und [ab]suchen ihre Trümmer [nach Essbarem?]. 11a Es lege Fangschlingen ein Gläubiger hinsichtlich allem, was ihm [ist], 11b und plündern sollen Fremde seinen Erwerb. 12a Keiner sei ihm, [der ihm] bewahrt Gunst, 12b und keiner erweise Güte seinen Waisen. 13a Es sei seine Nachkommenschaft zum Ausrotten, 13b in [der] nachfolgenden Generation erlösche ihr Name. 14a Es werde gedacht an das Vergehen seiner Väter hin zu JHWH, 14b und die Sünde seiner Mutter werde nicht ausgelöscht. 15a Sie seien vor JHWH beständig, 15b dass er ausrotte von der Erde ihr Gedenken. 16a Deshalb, weil er nicht gedachte zu erweisen Gunst, 16b verfolgte er [den] elenden und armen Mann, 16c ja, [den] erschreckten Herzens, um [ihn] zu töten.69 17a Er liebte [den] Fluch, da kam er zu ihm; 17b aber keinen Gefallen hatte er [am] Segen, da blieb er fern von ihm. 18a Er zog an [den] Fluch wie sein Gewand, 18b da kam er wie Wasser in sein Inneres, 18c ja, wie Öl in seine Gebeine. 19a Er werde ihm wie ein Kleid, [in das] er sich einhüllt, 19b und zum Gürtel, [mit] dem er sich beständig gürtet.«

3.35.2. Charakterisierung:

• Setting: Die Einschätzung des Psalms hängt wesentlich an der Kommunikationssituation der wiedergegebenen Verse 6-19: Entweder wird der Modus des Gebets von 1-5 fortgeführt und die Verse sind Fluch- und Ahndungswünsche des sprechenden Ich adressiert an 69 Zu den Lesemöglichkeiten dieses Verses vgl. die Kommentare (z.B. Hossfeld/Zenger, Psalmen 101-150, 177.180).

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Gott oder aber das sprechende Ich zitiert als Fremdrede die Widersacher in ihrem Reden und Vorgehen gegen es selbst. Der Umstand, dass Ps 109 hier aufgeführt wird, macht deutlich, dass die zweite Option präferiert wird.70 Die dem Psalm als Klagegebet zugrunde liegende Situation ist ein Gerichtsverfahren, in das der Sprechende und von seinen Widersachern Angeklagte als Träger eines Amtes ungerechterweise verwickelt ist. Nach der ausführlichen Widersacher-Zitierung kehrt der Psalm zurück zur Gebetsrede (21-28) und wird beschlossen mit menschlich adressierten Worten (29-31). • Absender: Ist die genannte Annahme zutreffend, so spricht hier das Ich nicht zu Gott, sondern bringt zitierend Worte seiner Ankläger zu Gehör – coram Deo. • Adressaten: Die von der feindlich gesinnten Widersachergruppe geäusserten Worte (von der Gruppe oder einem einzelnen Einflussreichen gesprochen) erwähnen Pläne und richten sich intern an Einzelne unter ihnen und/oder extern an weitere Personen, die gedungen und gegen den Angeklagten aufgebracht werden sollen. Aufgrund der Kontexteinbettung (Gebet) ist der indirekte bzw. implizite Adressat Gott selbst und die Rede hat »den Zweck, die Verwerflichkeit ihres Tuns ans Licht zu bringen, vor Gott darzustellen und damit die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Rettung angesichts der grossen Gefährdung herauszustellen«71. • Form/Inhalt: Die Widersacherworte sind in zwölf Bikola und zwei Trikola (16.18) gefasst. Der Ablauf des (aufgrund des umfangreichen und daher hier nicht detailliert darstellbaren) Redeinhalts lässt sich folgendermassen skizzieren: 1. Anweisung zur Gerichtsverfälschung, die zur Verurteilung führen soll (6-7); 2. die sich aus der Verurteilung ergebenden Folgen wie Amtsverlust, finanzieller Ruin, Auslöschen der Nachkommenschaft (8-15); 3. die dem Angeklagten (fälschlicherweise) zur Last gelegten Schuldvorwürfe bzw. die gegen ihn erhobene Anklage (16-19). • Kontext vorher: Die (wiederholte) Anklage – ‫ שׂטן‬ist im Psalm ein Schlüsselwort (4.6.20.29) – wird erstmals im Gebet vorab erwähnt (4a); sie wird nach dem generellen Vorwurf in 5ab ab 6 mit der Zitateinspielung in Worte gefasst. Die in 4b erwähnte Klagebitte lässt erkennen, dass der Bedrängte angesichts falscher Gerichtsbarkeit Zuflucht nimmt bei Gott. • Kontext nachher: Nach der langen Widersacherrede markiert 20ab deren Ende (wohl bilanzierend): Dies ist das Treiben meiner Ankläger 70 Argumente dafür sind die durchgehende Verwendung des Singulars für den betroffenen Beter und des Plurals für die Frevler sowie die Kommentierung in 20 am Schluss der eingespielten Widersacherrede. Ausführlich zu dieser Fragestellung Hossfeld/Zenger, Psalm 101-150, 179.182-184. 71 Weber, Werkbuch II, 218.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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– weg von JHWH, / ja derer, die reden Böses über mein Leben.72 Mit absetzender Akzentuierung und invocatio Dei (»Du aber, JHWH Herr … «) wird das Gebet in 21 wieder aufgenommen.

3.35.3. Fazit:

Mit einem Umfang von vierzehn Versen stellen 6-19 die längste Passage innerhalb des Psalters dar, die Feindworte zitierend aufnimmt. Zugleich handelt es sich um den Erstbeleg im Psalterteilbuch V. Vordergründig enthüllt die Passage Worte, Vorgehen und Absichten der Frevler (die dabei auch Gott zu instrumentalisieren trachten), hintergründig und gesprochen coram Deo schillern die Worte zwischen Feindbezichtigung und Elendsschilderung; zudem beinhalten sie in nuce einen Impetus an Gott, einzugreifen.

3.36. Psalm 115 3.36.1. Übersetzung:

Worte von Widersachern (2b): 2a Warum dürfen die Völker sagen: 2b »Wo [ist] denn ihr Gott?«

3.36.2. Charakterisierung:

• Setting: Der komposite Psalm gehört zum Passa-Hallel (Ps 113118) und wird entweder als Teil einer realen Liturgie oder aber in Nachahmung derselben als theologisch akzentuierte Rede verstanden, worin die Götzenpolemik eine entscheidende Rolle spielt. Das eröffnende Trikolon (1) geschieht in Gottesadressierung (Gebet), welche die nachfolgende Gottesanfrage mit zitierter Spottfrage (2, vgl. Ps 79,10) mitbestimmen dürfte. Der übrige Psalm ist menschliche, an unterschiedliche Adressaten gerichtete Rede. • Absender: Da in 1 ein Wir spricht, ist dieses auch für 2 vorauszusetzen. Man hat im Blick auf die Redeeinführung – je nach Gesamtverständnis – an die gottesdienstlich versammelte Gemeinde oder Israel generell bzw. in konkreter Situierung zu denken. Die zitierten Worte werden als von den (Fremd-)Völkern gesprochen formuliert. • Adressaten: Das Wort kennt keine Adresse, ist als rhetorische Frage wohl Selbsttriumph. • Form/Inhalt: Der zitierte Völkerspott, die an Gott gerichtete, einleitende Frage, ist nahezu identisch (hier verstärkt mit emphatischer Partikel) mit Ps 79,10 (s.o.), von wo der Vers möglicherweise entlehnt ist. Analog ist auch die konfrontative Konstellation: Israel 72 Der Vers wird unterschiedlich bestimmt und verstanden (u.a. feststellend oder jussivisch), vgl. dazu Hossfeld/Zenger, Psalmen 101150, 180.

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Fremdvölker, nur dass hier kein Katastrophenszenario wie in Ps 79, sondern eine Auseinandersetzung theologischer und »seelsorglicher« Art im Hintergrund steht. • Kontext vorher: Nach der emphatischen Exklamation (1) wird die Völker-Frage über die Präsenz Gottes (2b), die Gottesanrede (1) fortführend, mit einer Warum-Frage an Gott eingeleitet (2a, dazu s.o., zu Ps 79).73 • Kontext nachher: Von 3 zu 4 wechselt die Gebetsadressierung mit Völkerzitat zur Rede über Gott respektive die Götzen der Völker. Sie dient zur Vergewisserung und richtet sich an Israel oder Kreise daraus (vgl. 9-11). Die Völkerrhetorik von 2b wird theologisch-inhaltlich gekontert mit depotenzierenden Aussagen (vgl. auch Ps 82,6-7).

3.36.3. Fazit:

Die »Wo?«-Anfrage an den Gott Israels erscheint nach dem individuellen Kontext in Ps 42,4.11 und dem nationalen in Ps 79,10 hier in Ps 115,2 zum dritten und letzten Mal im Psalter. Geschichtlich wie auch in der Leseabfolge des Buchs dürften in Ps 115 die asaphitischen Belege Ps 79,10 und wohl auch Ps 82,7 (Sterblichkeit der Götter) vorausgesetzt und inhaltlich weitergeführt sein.

3.37. Psalm 118 3.37.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (13ab): {13a »Heftig hast du mich umgestossen, so dass ich fiel, 13b aber JHWH hat mir geholfen.«}74

3.37.2. Charakterisierung:

• Setting: Der Schlusspsalm des Passa-Hallels (Ps 113-118) ist vielstimmig (liturgisch) und zeigt eine Dichtheit an Anspielungen und Aufnahmen im Blick auf andere Texte. Hauptrederichtung ist die Schilderung und Bezeugung vor einem menschlich-kollektiven Audi73 Gegenüber Ruwe, Psalmen, 172, der den Redewechsel zwischen 1 (Rede an Gott) und 2 (Rede über Gott) ansetzt, scheint es mir (theologisch) naheliegender, dass die Warum-Frage (wie in Ps 79,10) an Gott und nicht an Menschen adressiert ist. Die Duldung der Verhöhnung JHWHs wird angefragt bzw. diese ihm zur Ahndung anbefohlen. 74 So mit MT (in Qumran fehlt der Vers); LXX liest in 13a ‫נדחיתי‬ »ich wurde umgestossen« (»Wanderung« des ‫)נ‬, ist lectio facilior und enthält keine Anrede, sondern verbleibt im Modus der Schilderung (ähnlich 18). Die Unsicherheit, ob Feindadressierung vorliegt, wird durch die Setzung in geschweifte Klammern angezeigt.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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torium, das vorab angesprochen und aufgerufen wird (1-4). Kurze Gebetsworte finden sich als Einsprengsel in 21.25.28. Die kurze, nicht leicht zu verstehende und darum wohl auch korrigierte (LXX) Du(An-)Rede in 13 beschliesst den Abschnitt 10-13. • Absender: das sprechende Ich (ohne Redeeinleitung), vgl. 12c. • Adressat: Es sind drei Interpretationen diskutierbar: 1. Man liest mit LXX das Verb in 13a (analog zu 18a) als 1. P. ni (»Ich wurde umgestossen …«). Bleibt man beim MT, liegt eine Anrede in Du-Form vor. Doch wer ist damit angesprochen? Die Optionen 2. und 3. haben je ihre Schwierigkeiten: 2. Mit dem Du ist Gott gemeint: Weniger der kurze Wechsel zum Gebet als vielmehr der Umstand, dass Gott zunächst als Verursacher des Fallens (13a) und dann, unter Verlassen des Gebetsmodus, als Helfender angesprochen wird, ist schwierig (vgl. zwar V. 18, der aber etwas anders gelagert ist). 3. Mit dem Du ist ein/der Feind gemeint: Im näheren Vorfeld sind Widersacher genannt, doch handelt es sich um eine Pluralität, zudem um »Fremdvölker« (10). Die auf sie verweisende Bienen-Metaphorik und deren Abwehr (11-12) fügt sich schwer zur Konfliktkonstellation in 13, wo mit dem Du ein einzelner, bislang nicht eingeführter (prototypisch für ein Kollektiv stehender?) Bedränger angesprochen ist. Zumal mit 12c der Angriff abgewehrt scheint. Fazit: Die Lesart 1. (LXX) fügt sich am leichtesten in den Text, ist als Abweichung aber auch am leichtesten erklärbar. Die Du-Lesarten 2. und 3. (MT) wirken im Kontext aufbzw. schwerfällig. Das Du des Bedrängers macht in der Versaussage gut Sinn, aber im Psalmkontext kaum. Das Du Gottes fügt sich eher in den Psalmkontext, ist aber umgekehrt als Aussage problematisch (ebenso syntaktisch der Wechsel von Du in 13a zu JHWH in 13b). Ein Entscheid ist schwierig; wir versehen die für unsere Belange hier relevante Option mit dem Du des Bedrängers mit Fragezeichen bzw. klammern sie ein, behalten sie aber auf der Liste.75 Die weiteren Überlegungen gehen von ihr aus. • Form/Inhalt: Im Zweizeiler wird der attackierende Mensch direkt angesprochen und zugleich (mit absetzendem »aber JHWH …«) Gottes Eingreifen und Hilfe bezeugt. • Kontext vorher: Unvermittelt und ohne Redeeinleitung folgt auf die Schilderung der Völker-Umzingelung (mit Bienen-Metaphorik), beschlossen mit (mehrfachem) Abwehrwort im Sie-ich-Stil, die Duich-Rede. Analog zu 18ab dürfte 13ab (je mit figura etymologica) einen Abschnitt beschliessen. • Kontext nachher: Wechsel zum lobpreisenden Nominalstil, in Anlehnung ans Schilfmeerlied (Ex 15,1-18).

75 Bei den Auslegern finden sich alle drei genannten Lesarten vertreten bzw. bevorzugt. Ruwe, Psalmen, 176, sieht im Du den Bedränger, Hossfeld/Zenger, Psalmen 101-150, 325, sehen im Du Gott.

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3.37.3. Fazit:

Es ist ungewiss, ob in 13a ursprünglich eine Du-Rede vorliegt. Ebenfalls unsicher ist, ob die Referenz nicht auf Gott, sondern einen Widersacher geht und insofern für unsere Untersuchung hier relevant ist. Falls dem so ist, bleibt der Vers insofern kryptisch, als ein klarer Bezug zu diesem feindlichen Du im Psalmumfeld nicht direkt greifbar ist. Es bleibt ein grosses Fragezeichen zu dieser Stelle.

3.38. Psalm 119 3.38.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (13ab): 115a »Weicht von mir weg, ihr Übeltäter, 115b dass ich behüten kann die Gebote meines Gottes!«

3.38.2. Charakterisierung:

• Setting: Der grösste aller Psalmen, gestaltet als (stanzisches) alphabetisches Akrostichon, kreist in immer neuen Anläufen und Variationen um die Tora (und ihre Synoyme) bzw. die Ausrichtung an ihr. Dies geschieht fast durchgängig in der Form des Betens. Zu Beginn (1-3) begrüsst und beglückwünscht der Sprechende aber zunächst diejenigen, die sich auf diesen Weg begeben. Eine kurze Unterbrechung bildet die Widersacher-Adressierung in 115. Sie fügt sich zu einigen anderen, manchmal nur angedeuteten Aussagen über Bedränger und Bedrängnisse (vgl. 22-23.25.28.50-54.61.69-70.78 etc.). • Absender: das sprechende, betende Ich. • Adressat: Direkt angesprochen werden die »Übeltäter« (Vokativ). Die Wortbildung (Ptz hi von ‫ )רעע‬erscheint in Ps 119 nur hier (vgl. in den Psalmen noch 22,17; 26,5; 27,2; 37,1.9; 64,3; 92,12; 94,16). • Form/Inhalt: Die Abweisung der Frevler und damit die Distanzierung von ihnen (und ihrem Verhalten) in 115a dient der Nähe zu Gott und seinen Geboten, die der Sprechende bewahren will. • Kontext vorher: Im Vorfeld der ‫ס‬-Stanze (113-114) finden sich Gebetsbezeugungen und Bekenntnisse, u.a. die Bergung bei Gott als Schutz und Schild. Die Widersacherabweisung geschieht aufgrund der Gefahr der »Entbergung« bei Gott. • Kontext nachher: Nach der Übeltäter-Aufforderung folgt in 116 eine solche an JHWH, ihn zu (unter)stützen.

3.38.3. Fazit:

Die mit der Widersacherabweisung verbundene Distanzierung mit dem Ziel, Gottes Gebote zu bewahren, lässt sich als Konsequenz der Psaltereröffnung Ps 1,1-2 verstehen. Näher noch, was 115a betrifft, liegt die Formulierung in Ps 6,9, ebenfalls eine Übeltäter-Adressierung (s.o.).

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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3.39. Psalm 120 3.39.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (3-4): 3a »Was soll er geben dir, 3b ja, was hinzufügen dir, 3c du Trug-Zunge?!76 4a Pfeile eines Kriegers, geschärfte, 4b samt glühenden Kohlen der Ginstersträuche!«

3.39.2. Charakterisierung:

• Setting: Der kurze Psalm bezeugt zu Beginn eine Gebetserhörung aus der Not (1). Ihr folgen – der Erhörung wohl zeitlich vorausliegend – zwei Adressierungen: die erste als Rettungsbitte an JHWH (2), die zweite an den eben im Gebet genannten Widersacher im Wechsel von Frage und Antwort (3–4). Der wohl selbstadressierte (»Wehe mir …!«) Schlusspassus (5-7)77 macht deutlich, dass die Not mit Bedrückungserfahren in der Fremde in Zusammenhang stand. • Absender: Ein Wechsel der Redeperson ist nicht angezeigt, so dass vom bereits zuvor sprechenden bzw. betenden Ich auszugehen ist. • Adressat: Der Widersacher wird als »Trug-Zunge« (so bereits 2c, synonym 2b) angesprochen (Vokativ), womit die Art des Frevels benannt ist. Das Verbalsubjekt von 3ab verweist sehr wahrscheinlich auf JHWH, das »dir« auf die nachfolgende Wortfügung im Vokativ. • Form/Inhalt: Das Wort an den Widersacher ist zweiteilig und besteht aus einer rhetorischen Frage und einer unmittelbar daran anschliessenden Formulierung, der wohl Antwortcharakter gemäss dem Talio-Prinzip zukommt. Die rhetorische Frage dient der Selbstentlarvung des Lügners, der nichts anderes als das Gericht verdient. Dieses wird in 4ab formuliert, wobei die aphrastische Wendung wohl als Ellipse zu verstehen bzw. durch die Verben von 3ab je mit ‫ לך‬zu ergänzen ist (double-duty-Funktion): Er gebe/füge hinzu dir … Pfeile eines Kriegers … Die Kriegsszenerie scheint ein doppeltes Waffenset im

76 Teils wird (mit MT) der Vers als Bikolon (Vokativ im b-Kolon) gelesen; m.E. sind die beiden unterschiedlich adressierten, aber analog gestalteten Verse 2 und 3 jedoch sachgemässer als (kurzatmige) Trikola zu segmentieren. 77 Ein Gebet wie Ruwe, Psalmen, 189, annimmt, scheint mir für 5-7 nicht nur aufgrund fehlender expliziter Signale, sondern auch angesichts des eröffnenden (selbstbezichtigenden) Wehe-Wortes unwahrscheinlich.

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Blick zu haben: den Bogenkampf (geschärfte Pfeile) und das Niederbrennen der Feindbehausungen (glühende Ginsterkohlen).78 • Kontext vorher: Zur Analogie der Gottesanrede und der Trug-Zunge-Anrede (mit Stichwortanknüpfung) s.o. • Kontext nachher: Mit Subjekts- und Redewechsel wird der Übergang zum Weheruf in 5ab markiert, der zeitlich noch vor den Reden aus bzw. in der Not in 2-4 liegen dürfte und deren Setting benennt. Möglicherweise ergibt sich eine Assoziation von den in 4 genannten Kriegswaffen zu den Ortsangaben in 5 (vgl. Jes 21,13-17; Jer 49,2833), dazu eine Verbindung zum Schlusswort des Psalms (»Krieg«).

3.39.3. Fazit:

Der erste der sog. »Wallfahrtspsalmen« (vgl. die Überschriften in Ps 120-134) stellt in der Situation der Not zwei Rede-Adressierungen einander ergänzend gegenüber: eine Rettungsbitte an Gott und eine Widersacher-Rede mit Aufdeckung und Herbeiwünschung des Gottesgerichts (Kriegsmetaphorik). Der Doppel-Dialog des Sprechenden dient dazu, die Konfrontation zwischen ihm und dem Widersacher auf die Ebene zwischen Gott und jenem zu verlagern.

3.40. Psalm 137 3.40.1. Übersetzung: 1. 3a 3b 3c 3d ... 7a 7b 7c 7d

Worte von Widersachern (3d.7cβd): Denn dort forderten von uns [die] uns weggeführt hatten Liedworte, ja, unsere Spötter79 Freude: »Singt für uns aus einem Zionslied!«

2. 8a 8b 8c

Worte an Widersacher (8-9): »Tochter Babylon, du zur Verwüstung Bestimmte: Glückselig, wer vergelten wird dir deine Tat, die du verübt hast an uns!

Gedenke, JHWH, [an] den Söhnen Edoms den Tag Jerusalems! Die sprachen: »Legt bloss, legt bloss bis auf den Grund mit ihr!«80

78 Vgl. dazu ausführlicher Hossfeld/Zenger, Psalmen 101-150, 417-419. 79 Bedeutung unsicher; Alternative: »unsere Peiniger«. 80 Für diese kolometrische Bestimmung als zwei Bikola optiert auch van der Lugt, Cantos III, 460; 3 wie 7 als je nur ein Bikolon favorisieren Hossfeld/Zenger, Psalmen 101-150, 685.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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9a Glückselig, wer ergreift und zerschmettert 9b deine Kinder am Felsen!«81

3.40.2. Charakterisierung:

1. Worte von Widersachern (3d.7cβd): • Setting: Der Psalm lässt die exilische Zeit in Babylon und eine Abfassung durch Sängerleviten annehmen (will man nicht an eine spätere »Reflexion« denken). Er verbindet Berichtsstil (1-4, mit Zitat in 3c) mit Adressierungen an Jerusalem (5-6), JHWH (7, mit Zitat in 7cd) und Babylon (8-9). • Absender: In 3d sind die babylonischen Eroberer und Exilierenden die Sprechenden (bzw. eine Gruppe aus ihnen), in 7cβd die Edomiter als (mitwirkende) Zuschauer und Profiteure an der Zerstörung Jerusalems. • Adressaten: In 3d sind israelitische Exulanten in Babylon angeredet, vermutlich Leviten, jedenfalls solche, die instrumental (vgl. 2) und vokal (3b.3d) »Zionslieder« hätten aufführen können. • Form/Inhalt: 1. 3d: Die Aufforderung der Besatzer in 3d ist als höhnische Provokation einzustufen. Anzustimmen ist allenfalls eine Klage über das zerstörte Jerusalem (in 1-2 ist vom Weinen, ohne Instrumente, die Rede), gefordert werden Freude und – ausgerechnet! – die Worte eines Zionslieds (wohl Worte über die Stadt und ihren Schutz durch JHWH, z.B. Ps 46; 48). 2. 7cβd: Die zitierten Worte lassen an Anfeuerungsrufe an das babylonische Heer denken, die Schleifung der Stadt(mauern) gründlich zu vollziehen (vgl. dazu Jer 49,1022; Ez 25,12-14; 35,1-15; 36,5; Ob 10-14). • Kontexte vorher und nachher: 1. 3d: Der Vorlauf von 3d lässt das zitierte Wort als Forderung, Spott und Provokation erkennen. Nach der Aufforderung Rückkehr zum Wir von 1-2 mit Erklärung der Verweigerung. 2. 7cβd: Die Bitte um ein (Gerichts-)Gedenken gegenüber Edom (5) wird durch die nachfolgende Anführung deren Worte begründet und verstärkt (Redeeinleitung). Der Vokativ in 8a zeigt den Wechsel der Adressierung von Edom zu Babylon (unter Referenz auf denselben geschichtlichen Zusammenhang). 2. Worte an Widersacher (8-9): • Setting: s.o. Setting. • Absender: Es ist anzunehmen, dass die bereits in 1 sprechende Wir-Gruppe, exilierte Leviten (aus Jerusalem), auch in 8-9 die Sprechenden sind. • Adressat: Angesprochen ist die »Tochter Babylon«, die Hauptstadt und ihre Bewohnerschaft, v.a. wohl die Regierenden. Der Vokativ 81 Die Kolometrie als Trikolon + Bikolon ist weithin unbestritten (»deine Tat« und »deine Kinder« sind je dem Schlusskolon zugehörig).

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von 8a bestimmt die beiden nachfolgenden Seligpreisungen, die allgemein bzw. offen, jedenfalls nicht (wie 7 im Blick auf Edom) an Gott adressiert sind (im Sinne von jedermann, alle [Völker]). • Form/Inhalt: Im Hintergrund der (ironisch?) in Gestalt zweier Glückpreisungen ausgesprochenen Fluch- und Verwünschungsworte steht der Tun-Ergehen-Zusammenhang: Babylon soll ihrerseits untergehen und seiner Zukunft ([Königs?-]Kinder) beraubt werden. • Kontext vorher: Die Neuadressierung in 8 markiert den Wechsel, die Redeform (vertikal => horizontal) und die Angezielten (Edom => Babylon) betreffend.

3.40.3. Fazit:

Der kommunikativ komplexe Psalm bietet als letzter innerhalb des Psalters Widersacher-Reden in beiden vektoriellen Richtungen. Dabei geht es um Widersacher gegen Israel als Volk. Während Feind-Worte von Babylon (Gegenwart) und Edom (Vergangenheit) zitierend eingespielt werden, wird umgekehrt nur Babylon in direkter Vergeltung Gericht angewünscht. Betreffend Edom wird (aufgrund seiner besonderen Nähe und Verantwortung als »Brudervolk«?) Gott angesprochen und ihm das Gericht anbefohlen.

3.41. Psalm 139 3.41.1. Übersetzung:

Worte an Widersacher (19b): 19a Wenn du doch tötetest, Gott, [den] Frevler! – 19b »Ja, ihr Blutmänner, weichet weg von mir!« – 20a Die reden zu dir in Arglist, 20b [sich?] erhoben haben in Trug, deine Feinde.82

3.41.2. Charakterisierung:

• Setting: Der Psalm ist fast durchgängig ein Gebet. Die oft positiv hervorgehobene Allwissenheit und Allgegenwart Gottes ist in der hebräischen Sprachgestalt nicht ohne Ambivalenz. Die Frevler-Adressierung steht im Zusammenhang von Verwünschungen diesen Gegebenheiten gegenüber; im Hintergrund könnte eine perfide Anklage gegen Abgötterei stehen, der sich der Sprechende vor Gott zu unterziehen bereit erklärt (vgl. 23-24). • Absender: Sprechender ist das betende Ich (invocatio Dei in 19a). • Adressat: Angesprochen (Vokativ) sind »Blutmänner« (vgl. Ps 26,9; 55,24; 59,3, sg. Ps 5,7), die anschliessend im Gebet als »deine 82 Das Verständnis von 20b ist schwierig (vgl. dazu Hossfeld/ Zenger, Psalmen 101-150, 717). Möglicherweise ist das Verb als ni (‫)נשׂאו‬, also reflexiv zu lesen.

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Feinde« (20b) bezeichnet werden. Die Anrede lässt an Leute denken, die unschuldiges Blut an ihren Händen haben (entsprechend ist die Bitte an Gott, sie zu töten, im Sinne der Talio zu verstehen). • Form/Inhalt: Der kurze Gebetsunterbruch mit der Abweisung der Widersacher erinnert an Ps 119,115 (s.o.). Formal wirkt die »Blutmänner«-Adressierung 19b als Parenthese im Kontext von 19a und 20ab. Allerdings verlangen die Verben nach dem relativischen Anschluss in 20a eine plurales Subjekt. Formal-grammatisch geschieht der Rückbezug daher nicht – die Parenthese umgreifend – auf den singularischen »Frevler« (auch wenn dieser aufgrund des Parallelismus wohl als typisch-generalisierend und damit in kollektivem Sinn aufzufassen ist), sondern auf die pluralischen »Blutmänner« (vgl. auch am Schluss »deine Feinde«, ferner die Begriffe in 21-22). • Kontext vorher: Die Tod verbreitenden »Blutmänner« leben noch, doch sollen sie (= Frevler) von Gott selbst getötet werden (19a); zunächst sollen sie aus der gefährdenden Nähe des Betenden weichen (19b). Dieser kennt (vgl. 1-16) und sucht (vgl. 23-24) die Nähe Gottes. • Kontext nachher: Die nach der Widersacher-Adressierung ergehende Anklage erweist deren Vergehen als gegen Gott selbst gerichtet (20). Falls nicht Götzendienst hinter ihrem Verhalten steht, so doch Erhebung gegen Gott sowie Arglist und Tücke.

3.41.3. Fazit:

In den letzten Worten gegen Widersacher im Psalter verbinden sich Begriffe und Aussagen, die im Buch bereits erschienen sind, nämlich die Adressierung als »Blutmänner« in den Gebetsworten von Ps 26,9; 55,24; 59,3 mit der Abweisung dieses Frevler–Kollektivs in Ps 6,9; 119,115. Im Gebetskontext scheint die Frevlerabweisung nach der Tötungsbitte darauf hinzudeuten, dass der Betende (vorerst) noch mit deren Präsenz rechnet, aber umso mehr eine örtliche (19b) und danach auch eine emotionale und verhaltensmässige (vgl. Ekel und Hass in 21-22) Distanzierung vornimmt.

4. Auswertung Mit Blick auf eine Auswertung des Befunds sind die zu Beginn gemachten Einschränkungen nochmals in Erinnerung zu rufen. Entsprechend sind Modifikationen des

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Gesamtbildes nicht auszuschliessen und v.a. »statistische« Erhebungen mit Vorsicht aufzufassen.83 4.1. Anzahl und Verteilung Gemäss der Tabellierung (s.o.) liegen insgesamt 28 Psalmen mit aufgenommenen Worten von »Widersachern« (direkte Rede)84 vor und 18 Psalmen, in denen Worte an »Widersacher«85 adressiert sind. 5 Psalmen bieten entsprechende Adressierungen in beiden Rederichtungen (Ps 2; 4; 55; 94; 137). 20 der 28 eingespielten Widersacherworte finden sich in den Psalterteilbüchern I und II, die sich weithin mit den ersten beiden Davidpsaltern (Ps 3-41* / Ps 51-70/72*) decken. Dies erstaunt insofern nicht, als dort eine Vielzahl an (individuellen) Klagebitten (‫ )תפלה‬vorliegt (deren Zahl in der Fortsetzung des Psalters abnimmt). Die Einbringung von Feind-Zitaten in Elendsschilderung und Gebet manifestiert, ja verstärkt die Bedrängnis. Damit verbunden sind implizite Appelle an Gott, rettend einzugreifen, die in Form von Gebetsbitten und Gerichtswünschen oft explizit gemacht werden. Innerhalb der ersten beiden Teilbücher ergibt sich ein Schwerpunkt in der ersten David-Gruppe Ps 3-14 mit insgesamt 7 Psalmen, mit einem Doppelbeleg zu Beginn (Ps 3-4, vgl. auch den vorangehenden Ps 2) und einem Cluster von 5 aufeinander folgenden Psalmen am Ende (Ps 10-14). Ein Doppelbe83 Wenn nicht anders vermerkt, werden die fraglichen Stellen sowie die virtuellen Äusserungen mitgezählt und jeder Psalm (auch bei mehrfachen Redevorkommen) nur einmal gerechnet. 84 In Verteilung auf die fünf Teilbücher ergibt das folgende absolute Zahlen und angesichts der unterschiedlichen Anzahl von Psalmen innerhalb der Teilbücher folgende (gerundete) Prozentsätze bezogen auf den Gesamtbestand von 150 Psalmen (19 %): I: 12 Pss (29 %) – II: 8 Pss (26 %) – III: 4 Pss (24 %) – IV: 1 Ps (6 %) – V: 3 Pss (7 %). 85 In Verteilung auf die fünf Teilbücher ergibt das folgende absolute Zahlen und angesichts der unterschiedlichen Anzahl von Psalmen innerhalb der Teilbücher folgende (gerundete) Prozentsätze bezogen auf den Gesamtbestand von 150 Psalmen (12 %): I: 4 Pss (10 %) – II: 5 Pss (16 %) – III: 2 Pss (12 %) – IV: 2 Pss (12 %) – V: 5 Pss (12 %).

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leg findet sich darüber hinaus am Ende des ersten (Ps 4041)86 und des zweiten David-Psalters (Ps 70-71). Ob und inwieweit dieser Streuung mit den Schwerpunkten zu Beginn und am Ende Signifikanz zukommt, lässt sich überlegen.87 Feinde ausserhalb Israels (Fremdvölker) als Sprechende sind (nur) in Asaph-Psalmen (Ps 74; 79; 83) sowie in Ps 2 und Ps 137 bezeugt. Die Verteilung der an Widersacher/Feinde o.ä. adressierten Worte über die fünf Teilbücher hinweg ist dagegen recht ausgeglichen. Ein kleines Cluster liegt lediglich in der Abfolge Ps 118(?) => Ps 119 => Ps 120 im Zentrum von Teilbuch V vor. Darüber hinaus gibt es Nachbarschaften von Psalmen mit Worten an Widersacher und mit solchen von ihnen (die gegenteilige Abfolge findet sich nicht) im zweiten Davidspsalter (Ps 52 => Ps 53 und Ps 58 => Ps 5988, ferner Ps 62 => Ps 64) und am Ende des asaphitischen und zugleich elohistischen Psalters (Ps 82 => Ps 83).89 Das Phänomen dieser Redekonstellation ist gegenüber der umgekehrt adressierten im Psalter weniger häufig und hinsichtlich Absender wie Adressaten disparater (s.u.). So ist der Sprechende mehrfach kein Mensch, sondern Gott (Ps 50; 82; 105, wahrscheinlich auch Ps 32; 75), und einmal sind auch die Adressierten keine Menschen, sondern Gottwesen (Ps 82).

86 Da auch mit Ps 42(-43) der erste qorachitische Psalm des Psalterteilbuchs II Worte von Widersachern enthält, liegt mit Ps 40-42/43 eine buchübergreifende Triade vor. 87 Zwei aufeinander folgende Psalmen mit Widersacher-Zitaten finden sich sonst nur noch mit Ps 73 (aus Israel) und Ps 74 (aus den Nationen). 88 Mit diesem Doppelpaar ist Anfang und Ende des »David-SaulMidrasch« Ps 52-59 umrissen (vgl. zu diesem Weber, Tag, 295-297). 89 Der elohistische Psalter ist gerahmt von Psalmen mit Worten von Widersachern (Ps 42,4.11; 83,5.13).

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4.2. Konturen der Kommunikationspartner und -vorgänge Die zitatartig aufgenommenen »direkten Reden«, in denen Widersacher lautbar werden, lassen trotz ihrer beschränkten Zahl gewisse Charakteristika erkennen. Während sich »Widersacher« (Fremdvölker als Kollektiv bzw. einzeln genannte Nationen) in einigen Psalmen gegen Israel, seinen König und/oder seinen Gott äussern (Ps 2; 74; 79; 83; 115; 137), ist bei der überwiegenden Mehrheit der Stellen davon auszugehen, dass es sich um einen Einzelnen oder eine Gruppe von Agierenden innerhalb Israels handelt, also nicht nationale, sondern soziale und teils politische Konfliktkonstellationen im Vordergrund stehen. Öfters erscheinen die »Widersacher« als ein Kollektiv, das gegen einen Einzelnen vorgeht bzw. sich kundtut, womit eine Asymmetrie der Macht involviert ist. Dieses vom Bedrängten wahrgenommene Gefälle ist im Erstbeleg in Ps 3 durch die Betonung der Vielzahl der Feinde besonders hervorgehoben, findet sich darüber hinaus aber in einer Reihe weiterer Psalmen (Ps 6; 11; 12; 35; 40 = 70; 41; 42; 62; 64; 71; 73; 109; 119; 139). In gewissen Fällen ist ein Changieren zwischen einem Widersacher-Kollektiv und einem Einzelnen festzustellen (Ps 10; 11; 13; 71), wobei der Singular als Typisierung verstanden werden kann und daher teils (implizit) kollektiv zu denken ist. In diesem Sinne dürfte auch die Rede vom »Narr« zu fassen sein (Ps 14 = 53, vgl. Ps 10). Dezidiert von einem einzelnen Individuum ist nur in speziellen Konstellationen auszugehen. So in Ps 66, wo sich der Sprechende in einem Selbstzitat mit seiner Aussage in die Nähe eines »Widersachers« (von Gott) rückt, ferner in Ps 55, wo von einem vormals Vertrauten und Freund die Rede ist, der in seinem neueren Verhalten negativ geschildert, aber nicht explizit als »Frevler« bezeichnet wird. Das vielleicht auffälligste Phänomen mit Blick auf die Redekonstellation ist der Umstand, dass die Adressierung der Widersacher-Rede mehrheitlich – v.a. in inner-

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israelitischen Konflikten – unmarkiert ist (allenfalls am Tonfall erkennbar). Die Rede des Feindkollektivs, die der/die Sprechende(n) anführt/en, ist vom Inhalt bzw. der Sache her zwar gegen diese(n) gerichtet, in aller Regel aber nicht an ihn/sie adressiert (auch nicht an Gott). Will man diese Unbestimmtheit auflösen, hat man an eine Selbstadressierung (Monolog), etwa im Sinn einer Selbstbestärkung, zu denken. In diese Richtung weisen jedenfalls die Belege, die vom Reden »im Herzen« sprechen (Ps 10; 14 = 53; 74). Bei Kollektiven ist zudem eine wechselseitige (manchmal intern adressierte) Rede im Sinne eines Gruppen-internen Dialogs in Betracht zu ziehen (Ps 2-4; 12; 13; 35 ; 40 = 70; 41; 5990; 64; 66; 71; 73; 79; 83; 94; 109; 115). Eine explizite Adressierung an das sprechende Ich findet sich dagegen in Ps 11; 2291; 42; 55, an ein Kollektiv in Ps 137. Hinsichtlich der gegenläufigen Redeadressierung an »Widersacher« wurde bereits notiert, dass der Befund weniger einheitlich ist und die Konstellationen disparater sind (s.o.). Die Worte mit Gott als Absender sind meist an innerisraelitische »Frevler« oder jedenfalls problematische Gruppen – nie an einen Einzelnen – gerichtet (Ps 32?; 50; 75?), dazu je einmal an Fremdvölker (Ps 105) und Götter (Ps 82). Die Anrede geht in der Regel vom im Psalm sprechenden Ich (in Ps 137 Wir) aus; unmarkiert oder anonym ist der Absender lediglich in Ps 2 und Ps 58.92 Die Adresse ist durchwegs erwähnt, öfters durch explizite Nennung der Angesprochenen (Vokativ). Es sind Kollektive innerhalb des Volkes Israel, die als »Wi90 In Ps 59,8 ist das Nichtwahrnehmen der Worte durch Drittpersonen explizit erwähnt. 91 In Ps 22,9 finden sich Direktadressierung (Imperativ) und unmarkierte Adressierung (Er-Rede) nebeneinander. 92 Aufgrund der durch die in den Überschriften beigegebenen Lesehorizonte, namentlich aufgrund der David-Zuschreibung, ist mit (sekundären) Verschiebungen bei den Kommunikationskonstellationen zu rechnen. Ist (König) David der Sprechende, können sich Redekontexte von innerisraelitischen zu politisch-nationalen wandeln (und umgekehrt).

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dersacher« mehr oder weniger profiliert gezeichnet werden (Ps 4; 6; 52; 58; 62; 94; 119; 139). Eine einzelne Person wird in Ps 52; 55; 118?; 120 angesprochen. An (feindlich gesinnte) Fremdvölker oder deren Repräsentanten sind die Worte in Ps 2 und Ps 137 gerichtet. Was die wenigen Psalmen betrifft, die Worte in beiden Kommunikationsrichtungen enthalten, so macht es ganz den Anschein, dass die involvierten Aktanten – soweit markiert – identisch sind: In Ps 2 sind Völker/Könige die Sprechenden (3) und zugleich die Angesprochenen (1012). In Ps 4 sind die adressierten »Herrensöhne« (3-6) wohl auch die in 7 sich Äussernden. In Ps 55 dürften sich die involvierten Aktanten in zwei gegenläufige Redepaarungen gruppieren (Ich => Ex-Vertrauter 14-15 / Ex-Vertrauter => Ich 23). In Ps 94 werden die »Frevler« mit den »Dummen« identisch und einmal die Sprechenden (7), einmal die Angesprochenen sein (8[-11]). In Ps 137 schliesslich ist die Redekonstellation insofern komplexer, als einerseits die Babylonier Exilierte aus Israel ansprechen (3), dann rückblickend Worte der Edomiter anlässlich der Zerstörung Jerusalems eingespielt werden (7). Im Gegenzug sind die Gerichtswünsche der Sprechenden an die »Tochter Babylon« gerichtet (8-9), während diejenigen gegen Edom im Gebet an Gott ergehen (7). 4.3. Redeinhalte und -absichten Hinsichtlich der Inhalte der Äusserungen ist ebenfalls zwischen den Rederichtungen zu differenzieren. Mit Blick auf die Reden von Widersachern ist bei innerisraelitischen Konflikten öfters die Gottes- und Heilsfrage auf dem Tapet, meist in dem Sinn, dass die Widersacher die Nähe und Zuwendung Gottes gegenüber dem Bedrängten, der im Psalm spricht, in Frage stellen oder bestreiten. Diesbezüglich ist der erste David-Psalm charakteristisch, wo die Vielen sagen: »Es gibt keine Rettung für ihn durch Gott!« (Ps 3,3, vgl. ähnlich Ps 71,11). Die Feinde reden nicht zu oder mit JHWH (Gebet), sie reden

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vielmehr über Gott und ziehen ihn auf ihre Seite respektive bestreiten sein Heilswirken zugunsten des im Psalm zu Wort Kommenden. Als fromm-heuchlerische Rede wird man die Verweise auf JHWHs Hilfe in Ps 22,9 und Ps 55,23 einzustufen haben. Auch die Aufforderung zur Flucht vom Berg in Ps 11,1 hat man vermutlich als gegen die Verbundenheit gegen JHWH gerichtet (Schutzort) zu verstehen. Die zweimalige Frage: »Wo [ist denn] dein Gott?« in Ps 42,4.11 stellt die Verbundenheit Gottes mit dem Sprechenden (angesichts des Leides) in Frage (vgl. auch Ps 66,18). Ebenso ist in der langen Rede in Ps 109 die Trennung von Gott ein Thema (vgl. 14-15). Konträr dazu offenbaren zuweilen die Widersacher aufgrund ihrer eigenen Worte, dass sie Gott und er ihnen fremd ist. Ihnen mangelt es an Vertrauen (Ps 4,7). Sie gehen von einem fernen, unwissenden bzw. untätigen Gott aus, der die Frevler unbehelligt, ja sie ihr (im Geheimen geplantes) Unheil treiben und sie prahlen lässt (Ps 10,4.6.11.13; 59,8; 64,6-7; 73,11; 94,7).93 Eine Spitze ist in Ps 73,8.10 erreicht, wo Gott nicht nur der Untätigkeit, sondern der Unfähigkeit bezichtigt, ja als Urheber des Übels angesehen wird. Beim generalisierten Narren-Wort »Es gibt keinen Gott!« (Ps 14,1 = 53,2, auch 10,4) wird man weniger an eine Existenzbestreitung (im modernen Sinne des Atheismus), als an eine (höhnende) Potenzbestreitung zu denken haben. Die in Ps 79,10 und Ps 115,2 sprechenden Fremdvölker bzw. deren Herrscher äussern dieselbe Gottesfrage wie das (innerisraeltische?) Kollektiv in Ps 42. In Ps 2,3 ist von der Losreissung aus der Abhängigkeit gegenüber dem Gesalbten (und dem Himmelskönig) die Rede, in Ps 83,5.13 von der Ausrottung des Gottesvolkes. Auch die Worte in Ps 137,3.7 sind gegen Israel gerichtet. Schliesslich verdient der Umstand Erwähnung, dass die »horizontalen« Feindzitate meist in »vertikalen« Gebetsreden kontextuiert sind. Auch hierzu 93 Gelächter und Unheils-Zuwünschung – ohne explizite Gotteserwähnung – finden sich ebenfalls (Ps 12,5; 13,5; 35,8.21.25; 40,16; 41,6.9; 70,4).

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mag ein Blick auf den ersten David-Psalm den Sachverhalt veranschaulichen: Dort erscheint die WidersacherRede in Ps 3,3 eingebettet in ein von Ps 3,2-4 reichendes Gebet und wird gerahmt durch eine JHWH-Anrufung. Derartige Zitateinfügung inmitten des Gebets führt zu einer Adressatenumlenkung, insofern die Unheilsworte ins Gebet genommen und vor Gott gebracht werden.94 Durch das Aussprechen dieser »Killerworte« (oder des Hohngelächters) unter gleichzeitiger Umadressierung werden sie entschärft, Gott anbefohlen und dieser in Verantwortung genommen und zum Eingreifen motiviert – zum Heil des Bedrängten und zum Gericht an den Widersachern (vgl. im Weiteren Ps 12; 13; 22; 35; 40 = 70; 41; 42; 55; 59; 64; 71; 74; 79; 83; 94; 109; 115; 137). Manchmal sind die Widersacher-Äusserungen explizit, öfters implizit (auch) gegen Gott selbst gerichtet (vgl. Ps 10; 12; 22; 42; 55; 71; 73; 79; 83; 94; 109; 115). In den Reden an Widersacher wird mehrfach das durch Sprechen (oder Denken/Planen) vermittelte oder angerichtete Böse angeprangert (»Zungen-Sünden«, Lüge, Trug, hinterhältiges Planen und Reden, Rechtsverdrehung o.ä.) – sei es durch Gott wie in Ps 50,16-20; 75,6 oder durch den/die Sprechenden wie in Ps 4,3; 52,4-6; 58,2-6; 120,3-4. Auch die Gerichtsansage gegen die Götter angesichts ihres Unrechtsregiments in Ps 82,2 dürfte neben dem (fehlenden Rechts-)Handeln das Unrecht an Worten einschliessen. Dreimal werden die Übeltäter vom Sprechenden explizit abgewiesen (Ps 6,6; 119,115; 139,19). Zurechtweisungen enthalten Ps 4,4-6; 32,9; 62,4, eine Erinnerung an einst gute Zeiten Ps 55,14-15. Schliesslich ruft je eine Menschen- und eine Gottesrede zur Unterordnung unter JHWH und seinen Gesalbten auf respektive warnt vor dem Antasten des Letzteren (Ps 2,10-12 und Ps 105,15).

94 Nicht selten sind diese »Worte« dem Bereich der Heimlichkeit, Planung und Gedankenwelt »entrissen« und werden so »öffentlich« gemacht (Ps 10; 35; 64; 74).

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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4.4. Tatsächliche Rede oder literarische Nachbildung? Die Fragestellung95 betrifft beide Rederichtungen, akzentuiert sich aber unterschiedlich, so dass die beiden Kommunikationskonstellationen je für sich zu behandeln sind. Unter den aufgenommenen Widersacher-Zitaten sind einige, die im Herzen ergehen bzw. aus dem Herzen kommen, also der Gedankenwelt (und teils Heimlichkeit) zuzuordnen sind und anscheinend erst im Psalm »lautbar« (gemacht) werden. Zu erwähnen sind die Belege in Ps 10; 14 = 53; 35; 64; 74 (vgl. auch die Anklagen in Ps 58,3; 94,11).96 Bei diesen zunächst unartikulierten Worten bzw. Gedanken fragt es sich, wie sie zum Sprechenden gelangten. Sicher liegt eine literarische »Technik« vor, doch sollte man sich davor hüten, diese Reden nur als fiktive Imaginierung einzustufen und sie derart der realen Kommunikation zu entheben. Zwar sprechen Herzensgedanken, dazu nicht direkt an den Sprechenden adressierte Widersacherworte sowie der Umstand der formularischen, auf Wiederverwendung angelegten Psalmenrede gegen eine simple 1:1-Entsprechung. Ebenso simpel wäre aber eine Einstufung einfach als literarisches Konstrukt oder psychologisches Phänomen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass wie die Bedrängnisse selbst, so auch diese bedrängenden Worte reale Erfahrungen wie inneres Erleben beinhalten bzw. konfigurieren, zumal sie aus einer Betroffenen-Perspektive des sprechenden Ich oder Wir geäussert werden. Selbst nonverbale Verhaltensweisen – etwa »was man auf ihren Gesichtern liest«97 und Gesten, in denen sich Herzensgedanken ausdrücken –, können durchaus zutreffend in Worte gefasst werden. Schliesslich sind auch überliefernde Grössen als Überbringer von Worten von den Feinden zu den im Psalm Sprechenden nicht auszu95 Für den Bereich der Prophetie (mit Seitenblick zu den Psalmen) erörtert Wolff, Zitat, 54-90, ausführlich »echte« und »fingierte« Zitate. 96 Aus dem Bereich der Prophetie vgl. Jes 14,13; Obd 3. 97 Wolff, Zitat, 73 (mit Bezug auf H. Schmidt).

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schliessen (vgl. etwa Ps 109,6-19 und den nachfolgenden V. 20). Bei den Widersacherzitaten ist eine unmittelbare Präsenz der diese Worte Aussprechenden im Akt des Psalmgebets oder -vortrags nicht anzunehmen. Sie wird jedenfalls – soweit ich sehe – nirgends angezeigt. Dies scheint bei den an Widersacher adressierten Psalmworten weniger sicher. Jedenfalls ist die Möglichkeit nicht von vornherein auszuschliessen, dass beim Gebetsvollzug bzw. bei der Aufführung des jeweiligen Psalms soziale und institutionelle Konstellationen vorlagen, die nicht nur eine virtuelle, sondern eine reale Gegenwart der Angesprochenen und damit eine direkte Konfrontierung annehmen lassen (auch ein späteres Zu-Ohren-Kommen ist denkbar).98 Anders als beim Lobdank (‫ )תודה‬ist das Setting der Klagebitte (‫ )תפלה‬freilich kaum aufgehellt. Zudem lassen diese Psalmen oft eine Isolierung des Notleidenden erkennen, so dass man kaum zu sicheren Ergebnissen kommt. Bei recht konkreten Situationen wie etwa in Ps 4,3-6; 52,3; 55,14-15; 58,2-6.10; 62,4; 120,3-4 ist es aber denkbar, dass die Kritik effektiv vorgetragen wurde. Solches muss nicht zwingend zeitgleich mit dem Psalmvortrag anzusetzen sein. Es kann auch erst noch geschehen oder – wahrscheinlicher – ist bereits geschehen und wird im Psalm als Zitat (vergleichbar mit der Frevler-Rede) aufgenommen und (nochmals) verbalisiert. Bei einem kommunalen Sitz im Leben wie bei den prophetischen Reden in Ps 50 und Ps 75 scheint mir ein kultprophetisches Geschehen gegenüber einer literarischen Nachbildung sogar wahrscheinlicher.99 Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verschriftung und insbesondere der Inkorporation der einzelnen Psalmen in den Psalter (Neukontextuierung) die Kommunikationssi-

98 In diese Richtung gehen die Überlegungen von Sheppard, Enemies, 69-82. 99 Vgl. zur Profilierung der asaphitischen Gottesreden im Psalter Weber, Gottesreden, 744-748.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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tuationen sich verschieben bzw. auf ein neues Level gehoben werden (können).100 4.5. Funktionen des Stilmittels der »direkten Rede« Unabhängig davon, ob die in den Psalmenreden eingelagerten »direkten Reden« als echt oder fingiert (oder dazwischen) einzustufen sind, lässt sich nach Grund und Funktionen dieser Stilmittel fragen.101 Dazu wenige Hinweise mit ausgewählten Beispielen (in Klammern). Direkte Reden innerhalb der Psalmenrede(n) sind hervorgehoben und betont. Auf der literarisch-poetischen Ebene dürfte ein wesentlicher Beweggrund ihrer Verwendung darin liegen, die »Dramatik« des Geschehens zum Ausdruck zu bringen oder zu verstärken. Dazu trägt nicht selten eine Frage-Rhetorik (Ps 41,6; 50,16.21) oder Metaphorik bei (Ps 58,5.10; 62,4). Die direkten Reden vermitteln Präsenz und Authentizität (Ps 2,3; 41,9). Sie verstärken gegenüber dem Modus des Schilderns die Dringlichkeit: sei es der Not (Ps 41,6.9; 83,5.13), der Änderung eines Verhaltens (Ps 2,10-12) und/oder des Eingreifens Gottes (Ps 82,6-7) – letzteres mit appellativem Moment. Bei den »(Herzens-)Zitaten« wurde die Offenlegung bzw. Entlarvung verdeckter, feindlicher Absichten bereits angesprochen (Ps 64,6-7). Sie geht freilich darüber hinaus und betrifft auch Widersacher-Anreden (Ps 4,3). Durch das Aussprechen von Widersacherzitaten, die als »Killer-Sätze« daherkommen (Ps 3,3; 13,5), verlieren diese ihre Macht bzw. werden »umgelenkt« und im Gebet einem Mächtigeren anbefohlen (Ps 42,1011). Mit Kürze und Prägnanz ist leichte Memorierbarkeit und teils ein »Mantra«-artiger Charakter verbunden (Ps 14,1; 59,8). Ein Mittel der Hervorhebung und Dramaturgie ist auch der Kontrast: Nicht selten werden die zitier100 Vgl. Weber, Werkbuch III, 130-134. 101 Mit Blick auf die »Zitate« innerhalb der Prophetenrede stellt Wolff, Zitat, 75-85, eine Reihe von Beweggründen zusammen, die weithin auch für die Verwendung in den Psalmen zutreffen.

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ten oder adressierten Widersacher und ihr Verhalten Gottes Tun oder demjenigen des/der Sprechenden bzw. Betenden gegenübergestellt (Ps 52,7.10; 75,5-6.11). Ihr schändliches Verhalten tritt dadurch als noch verwerflicher zutage. Zudem können Momente wie Übertreibung (Ps 12,5), Ironie oder Spott (Ps 35,21.25; 73,10-11) im Spiel sein – wie beim Kontrast ist dabei der Einbettungskontext von Relevanz. Mit Widersacher-Adressierungen können ferner Abgrenzung und Distanzierung (Ps 6,9; 119,115), Abwehr von Aggression und Arroganz (Ps 10,4.6.11) sowie Warnung (Ps 32,9) und (implizit) Selbstermutigung (Ps 11,1) einher gehen. Bei diesen knapp skizzierten Phänomenen und Funktionen ist deutlich geworden, dass sich mit dem poetischen Stilmittel nicht nur literarische Effekte, sondern ebenso therapeutische und theologische Dimensionen verbinden. 4.6. Fazit und Auswertung im Blick auf Psalm 55 Die untersuchten Phänomene von zitierten Worten von und an Widersacher(n) sind Teilaspekte der in den Psalmen ansichtigen multiplen Kommunikationssituationen. Wechselnde Redekonstellationen, ein Changieren zwischen ihnen und Mehrfachadressierungen innerhalb der Psalmen sind keine seltenen Phänomene. Flankierend zur eingehenderen Beschäftigung damit wäre ein religionsgeschichtlicher Vergleich mit analogen Gebets- und Kulttexten aus Ägypten und Mesopotamien angebracht. Er könnte zeigen, ob diese kommunikative Vielfalt auch andernorts gegeben ist oder ob sich hier Unterschiede bemerkbar machen und allenfalls erklären lassen.102 Der untersuchte Teilbereich hat Charakteristika zutage gefördert, die vorhin gebündelt und ausgewertet wurden. Die Durchsicht der Texte leistet auch einen flankieren102 Eine erste Sichtung der (in TUAT II gesammelten) Belege führt Wagner, Strukturen, 213-215, zur Beobachtung, dass Sprechrichtungswechsel wie in den Psalmen nicht in sumerischen, akkadischen und hethitischen, aber in ägyptischen Texten zu finden sind.

»Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! (Psalm 3,3)«

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den Beitrag zu Ps 55 insofern, als sie aufzeigt, dass eine Redekonstellation mit Worten an den ehemals Vertrauten (14-15) und danach solchen von ihm (23) nicht analogielos ist. Jedenfalls ist auch bei den übrigen Psalmen, die beide Rederichtungen zugleich enthalten, davon auszugehen, dass eine Wechselseitigkeit der Rede hinsichtlich der Widersacher vorliegt. Beachtenswert ist Ps 22,9, da die dortige Rede ebenfalls ironisch bzw. sarkastisch eingefärbt ist. Diesbezüglich liegt in Ps 55,23 also kein Präzedenzfall vor. Schliesslich sind über Ps 55 hinaus in weiteren Psalmen Personen(kreise) auszumachen, die weder als »Frevler« adressiert noch ihnen gleichgesetzt werden. Erwähnung verdient namentlich der Vertraute in Ps 41,10, dessen Verhalten die Worte und das Vorgehen der »Feinde« (Ps 41,6-9) verschlimmert. Diese einst Nahestehenden sind einem »Zwischenbereich« und damit Menschen zuzuordnen, die das Leben des Sprechenden bedrängen und schwer machen. Dazu gehören auch die in Ps 4 adressierten »Herrensöhne« und wohl auch die in Ps 32 (und Ps 94?) Angesprochenen. 5.

Bibliographie103

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