Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1983, 32–35; 2008, 27–31; 2009, 62–69; 2010, 65–70. – D. Beck, Das Mittelpaläolithikum des Hohlenstein – Stadel und Bärenhöhle – im Lonetal. Universitätsforsch. Prähist. Arch. 56 (Bonn 1999). – J. Hahn, Eine jung-
paläolithische Elfenbeinplastik aus dem Hohlenstein-Stadel. Fundber. Schwaben N.F. 19, 1971, 11– 23. – R. Wetzel, Der Hohlenstein im Lonetal. Dokumente alteuropäischer Kulturen vom Eiszeitalter bis zur Völkerwanderung. Mitt. Ver. Naturwiss. u. Math. Ulm (Donau) 26, 1961, 21–75.
BÖRSLINGEN, ALB-DONAU-KREIS
Eine neu entdeckte paläolithische Freilandfundstelle auf der Schwäbischen Alb – Sondagegrabungen in Börslingen Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit auf der Aurignacien-Freilandstation Königsbach-Stein wurde vereinbart, die begonnenen systematischen Prospektionen auf die Schwäbische Alb auszudehnen. So gelang Hans-Walter Poenicke im September 2009 auf einer Ackerfläche auf Gewann Eisenberg, 750 m nordwestlich des Ortskerns von Börslingen die Auffindung eines bedeutenden paläolithischen Oberflächenfundplatzes. Das Areal zeichnet sich durch eine dichte Fundstreuung aus und liegt auf einem leicht erhabenen Plateau inmitten der kilometerweit nur kaum gegliederten, tischebenen Albhochfläche. Börslingen befindet sich unweit des für seine paläolithischen und mesolithischen Höhlenfundstellen bekannten Lonetals. Die Fundstelle liegt nur etwa 3 km nördlich vom Fohlenhaus und 7 km westlich des Bocksteins.
Die Oberflächenbegehungen Mithilfe von GPS-gestützten Einzeleinmessungen gelang es H.-W. Poenicke im Rahmen von fünf Wochen währenden Begehungen, innerhalb der Fundstreuung mehrere
benachbarte Fundkonzentrationen nachzuweisen. Bis zum Januar 2012 wurden mehr als 2400 Steinartefakte entdeckt. Die Stücke bestehen fast ausschließlich aus grauem lokalem Jurahornstein, der meist rindenparallel gebändert ist und dessen Knollen mit Walnuss- bis Eigröße oft recht klein sind und nur selten bis zu kindskopfgroße Aggregate ausbilden. In bestimmten Zonen der Fundstelle wurde ein auffälliger Anteil von Artefakten mit Hitzespuren beobachtet. Das Fundmaterial ist weitestgehend weiß patiniert. Auch vom technologischen Gepräge vermittelt das Inventar, in dem bekannte mittelpaläolithische Abbaukonzepte (Levallois) einen bedeutenden Platz einnehmen, einen homogenen Eindruck (Abb. 38,5.6). Daneben werden auch eher ungewöhnliche Abbauformen beobachtet, z. B. auf den Lateralen und Ventralflächen dicker Abschläge. Im formenkundlichen Spektrum kommen einige wenige Abschlaggeräte vor, wie z. B. einfache Schaber. Darüber hinaus ist eine bifazielle Komponente präsent (Abb. 38,7). Es sind Keilmesser (Abb. 38,3) sowie ein Blattspitzenfragment belegt (Abb. 38,4). Ein kleiner, ca. 1 % einnehmender Anteil der Ar-
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Die Sondagegrabung
38 Steinartefakte der paläolithischen Freilandfundstelle Börslingen. 1, 2 Sondagegrabung; 3–7 Prospektionen H.-W. Poenicke. 1 Gekielter Lamellenkern; 2 Vorarbeit zu einem gekielten Stück; 3 Keilmesser; 4 Blattspitzenfragment; 5, 6 Levalloisrestkerne; 7 flächenbearbeitetes Stück. M. 1:$$.
tefakte zeigt jungpaläolithische Charakteristika. Hier sind Klingen und gekielte Lamellenkerne zu nennen, die Affinitäten zum Aurignacien aufweisen.
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Den Hinweisen der Oberflächensammlungen nachgehend, wurden vom 26. September bis 5. Oktober 2011 auf der Fundstelle vier Sondageschnitte angelegt, um innerhalb des ackerbaulich genutzten Geländes zu prüfen, inwieweit im Liegenden noch Fundschichten ausgeprägt sind. Ein erster, 10 m langer Schnitt im Osten des Fundareals war vor allem von geologischem Interesse. Er reicht aus dem fundführenden Bereich in eine fundarme Zone. An der Basis fand sich in 40–80 cm Tiefe die Oberkante der anstehenden Jurakalke. Im Rahmen einer 6 m2 großen Erweiterung des Baggerschnittes nach Süden konnten an der Basis der Schichtenfolge auch wenige Silices und Holzkohlestückchen aufgedeckt werden. Während sich der in der westlichen Verlängerung des ersten Schnittes abgeteufte Schnitt 2 nur geologisch als interessant herausstellte, sollte sich ein im Südwesten der oberflächigen Fundstreuung angelegter L-förmiger Schnitt als von besonderem archäologischem Interesse erweisen. Unmittelbar unterhalb bzw. an der Unterkante des Pflughorizontes treten hier in wechselnder, durchschnittlich nur 25 cm betragender Tiefe bereits die liegenden Jurakalke auf, in denen massenhaft Hornsteinknollen enthalten sind. Gemeinsam mit den Beobachtungen der Aufsammlungen offenbart sich hier der eigentliche Charakter der Fundstelle: Es handelt sich um ein reiches oberflächennahes Rohmaterialvorkommen, das seit dem Paläolithikum frequentiert und ausgebeutet wurde. In den Deckschichten des Schnittes treten sehr zahlreich Steinartefakte, natürliche Trümmer und Rohknollen auf. An einer Stelle der nördlichen Achse des Grabungsschnittes konnte ein eng umgrenzter Befund mit gebrannten, teils aufgestellten Kalkstei-
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nen, zahlreichen Holzkohlestücken und verziegeltem Sediment aufgedeckt werden, der als Feuerstelle zu identifizieren war. Innerhalb dieser Struktur fanden sich Steinartefakte, darunter ein gekieltes Stück (Abb. 38,1), die Vorarbeit zu einem gekielten Stück (Abb. 38,2) sowie eine Lamelle. Diese Artefakte zeigen wie einige Funde aus den Aufsammlungen Affinitäten zum Aurignacien. Angesichts der nur geringen Sedimentmächtigkeit an dieser Stelle galt es allerdings zu überprüfen, inwieweit der Feuerstellenbefund und die beinhalteten Steinartefakte zusammengehören. Eine erste, von Katleen Deckers unternommene Holzkohlenbestimmung von Eiche stellt die Feuerstelle wahrscheinlich in einen holozänen Kontext, 14C-Datierungen sollen die exakte Alterseinstufung klären. Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fundstelle auch im Neolithikum frequentiert wurde. In diese Zeit datierter Abbau auf Hornsteine wurde z. B. auf der Blaubeurer Alb nachgewiesen. Wir sind uns des Umstandes bewusst, dass besonders auf Rohmaterialgewinnungsstätten artefaktmorphologisch ein chronologisch unspezifisches Dunkelfeld bestehen kann, jedoch darf man bei mehr als 2400 Funden davon ausgehen, dass sich die chronokulturelle Zuweisung des Artefaktensembles zumindest in Einzelstücken durchpausen sollte. In Börslingen fehlen mit Ausnahme einer einzigen am Rande der Fundstreuung entdeckten jungneolithischen Pfeilspitze Steinartefakte, die man nachpaläolithischen Epochen zuweisen könnte, bislang völlig. Auch Keramik fehlt gänzlich. Demgegenüber sind nach technologischen und formenkundlichen Gesichtspunkten selbst nach kritischer Diskussion einige jung- und vor allem sehr zahlreiche mittelpaläolithische Artefakte nicht zu bestreiten. Durch die Nähe zu der bekannten paläoli-
thischen Höhlenstation Bockstein und weitere in der Umgebung bekannte Rohmaterialvorkommen ergeben sich zukünftig interessante Untersuchungsmöglichkeiten der paläolithischen Raumnutzung. Börslingen ist im Gebiet der bedeutenden Höhlenregionen des Ach- und Lonetals die erste paläolithische Freilandstation. Angesichts des wissenschaftlichen Interesses und der Gefährdung durch den Ackerbau ist eine Fortsetzung der Geländearbeiten in Börslingen sehr wünschenswert. Ein herzlicher Dank der (mit dem Grabungsteam identischen) Autoren gilt ClausJoachim Kind, Frieder Klein, Michael Kösel und Chris Schwarz (Landesamt für Denkmalpflege bzw. Regierungspräsidium Tübingen) für ihre vielfältige Unterstützung, Recha Seitz und Sabine Boos (Tübingen) für die Artefaktzeichnungen, Katleen Deckers (Tübingen) für die Holzkohlenbestimmung sowie Herrn Bürgermeister Heinrich Wolf und dem Inhaber des Ackergeländes, Herrn Hans Häckel (beide Börslingen) für seine freundliche Genehmigung, die Sondage durchführen zu dürfen. Harald Floss, Christian Hoyer, Ewa Dutkiewicz, Jens Frick, Hans-Walter Poenicke
LITERATURHINWEISE
B. Çep/W. Burkert/H. Floss, Zur mittelpaläolithischen Rohmaterialversorgung im Bockstein (Schwäbische Alb). Mitt. Ges. Urgesch. 20, 2011, 33– 51; L. Fisher/S. Harris/C. Knipper/R. Schreg, Jungsteinzeitliche Hornsteingewinnung in BlaubeurenAsch „Borgerhau“, Alb-Donau-Kreis, im Kontext der neolithischen Siedlungslandschaft auf der Blaubeurer Alb, Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2007, 36–41; H. Floss/H.-W. Poenicke, Jungpaläolithische Oberflächenfunde aus Königsbach-Stein (Enzkreis) – oder: Was macht ein Aurignacien zum Aurignacien? Quartär 53/54, 2006, 115–146.
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