Leitartikel Rückblick auf das archäologische Jahr 2014 in Westfalen-Lippe
Lothar Schöllmann, Michael Ganzelewski, Matthias Piecha, Martin Salamon, Sebastian Voigt, Volker Wrede
23
Auf großem Fuße – die älteste Tetrapodenfährte Deutschlands
Detlef Grzegorczyk
26
Ein Meeresreptil aus Warburg-Bonenburg
Klaus-Peter Lanser
28
Raubsaurier und Krokodile im Wiehengebirge
Klaus-Peter Lanser
31
Vorfahren der Tyrannosaurier aus dem Hönnetal bei Balve
Thorsten Quenders, Sebastian Senczek, Michael Baales, Bernhard Stapel
34
Eiszeitliche Tierknochen aus dem neuen Abwassersystem des Ruhrgebietes
Jürgen Gaffrey
37
Geröllkeule mit Bohrer – ein ungewöhnliches Fundensemble aus Saerbeck
Frederik Heinze
40
Eine neue Fundstelle der Linearbandkeramik in der Soester Altstadt
Franz Kempken, Stefan Ciesielski
43
Großgrabung in einer früh- und mittelneolithischen Siedlung in Bad Sassendorf
Susan Klingner, Michael Schultz
47
Die Toten aus den Galeriegräbern von Erwitte-Schmerlecke – neue Erkenntnisse
Ingrid Koch, Kathrin Nowak
49
Neolithische Neuigkeiten aus Dreis-Tiefenbach in der Gemeinde Netphen
Bernhard Stapel, Bence Viola, Sahra Talamo
52
Neue datierte Menschenfunde aus der Ems bei Greven
Johannes Werner Glaw
54
Ein Dolchfragment der mittleren Bronzezeit aus Steinhagen
Manuel Zeiler, Moritz Jansen
57
Neufunde bronzezeitlicher Waffen aus Südwestfalen
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Ausgrabungen und Funde
INHALT Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Fundgrube an der Hessel bei Warendorf-Einen
60
Christoph Grünewald
Wohnen im Quadrat – eine eisenzeitliche Siedlung in Hamm
63
Martha Aeissen
Ein eisenzeitliches Gehöft bei Winterberg-Altenfeld
67
Manuel Zeiler, Eva Cichy, Norbert Reuther
Platzmangel im Römerlager Haltern – ein Haus in der Via Sagularis
70
Bettina Tremmel
Eine römische Barschaft des 2. Jahrhunderts aus Minden-Todtenhausen
74
Stefan Kötz, Julia Hallenkamp-Lumpe
Zwischen Haarstrang und Hellweg – eine germanische Siedlung bei Unna
77
Peter Schönfeld
Ein fränkischer Tremissis von der Wüstung Herlethe bei Petershagen-Windheim
79
Stefan Kötz
Aus Karls Geldbeutel gefallen? Ein karolingischer Denar aus Beverungen-Herstelle
82
Stefan Kötz, Andreas König
Allein im Briquetageschutt – die älteste Bestattung aus der Werler Innenstadt
85
Michael Baales, Jörg Orschiedt
Zum Inhalt eines Nadelröhrchens aus Porta Westfalica-Barkhausen
88
Ulrich Lehmann, Vera Brieske
Archäologie in der westlichen Außensiedlung der Paderborner Kaiserpfalz
91
Sven Spiong
Mauern, Gräben, Grubenhäuser – Ausgrabungen im Westen der Münsteraner Domburg
94
Ulrich Holtfester, Agnieszka Marschalkowski
Der Töpferofen von Brilon-Alme
98
Wolfram Essling-Wintzer, Rudolf Bergmann, Eva Cichy
Dülmens Frühgeschichte im Spiegel der archäologischen Untersuchungen am Kirchplatz
103
Wolfram Essling-Wintzer, Cornelia Kneppe
Holthusen – lokales Zentrum adliger Grundherrschaft im Diemelraum
107
Michael Lagers, Hans-Werner Peine, Beate Sikorski
Lipper vor Bielefeld? Die Wallburg Hünensaut bei Lämershagen-Gräfinghagen
112
Johannes Müller-Kissing
Bauspuren aus der Zeit der Stadtgründung im Stadtkern von Lippstadt
116
Sveva Gai, Peter Barthold
Eine »Vogelfibel « aus Westerkappeln – Brosche, Fürspann oder königliches Abzeichen?
120
Bernd Thier, Wieland Wienkämper
125
Adlige Wohnformen und Stadtentwicklung – der Schevenshof in Steinfurt
Otfried Ellger, Wolfram Essling-Wintzer
128
Stiftsimmunität und Stadtbefestigung in Vreden – eine Fortsetzungsgeschichte
Stefan Kötz
133
Eine Bleibulle Papst Innozenz’ IV. vom Paderborner Marktplatz
Manuel Zeiler, Jennifer Garner, Rolf Golze, Gero Steffens, Peter Thomas
137
Die Macht des Silbers – ältester Bergbau im Siegerland bei Kreuztal-Burgholdinghausen
Manuel Zeiler, Eva Cichy, Beate Sikorski
141
Auf der Spur der Massenhütte – erste Indizien zur frühen Hochofentechnologie im Siegerland
Johannes Müller-Kissing
144
Hier der Chef, da der Pöbel? Nutzung von Gebäuden der Falkenburg bei Detmold-Berlebeck
Babette Wiedmann
148
Die Toten des 14./15. Jahrhunderts aus der Waisenhausstraße 11 in Soest
Gerard Jentgens, Regina Machhaus
151
Eine » Judengasse « am Unteren Schloss in Siegen – ein Ghetto des 15. Jahrhunderts?
Eva Cichy, Günter Wiesendahl, Andreas Knäpper
155
Einblicke ins Klosterleben – Kanalbaubegleitung in der Franziskanerstraße in Hamm
Bernd Thier
158
Das Wappen des Königs – eine Kachel auf den (Wieder-)Täufer Jan van Leiden
Bernd Thier, Hans-Werner Peine
161
Zerbrochene Heilige – Fragmente religiöser gotischer Keramikreliefs aus Haus Kentrop
Georg Eggenstein, Wolfram Essling-Wintzer
166
Tief im Westen – neue Grabungen am Haus Weitmar in Bochum
Rudolf Klostermann, Cornelia Kneppe, Hans-Werner Peine
169
Der Kirchplatz von Havixbeck – Treffpunkt von Kirche und Welt
Andreas König
173
Ein Töpferofen mit renaissancezeitlicher Werraware in Höxter
Christoph Kühne
177
Renaissancekeramik aus dem vergessenen Kloster Sancta Maria Angelorum in Paderborn
Werner Best
181
Öfen und Kamine in der Werburg in Spenge
Gero Steffens
184
Bergbau in Siegen-Rosterberg – vergessen bedeutet nicht verschwunden
INHALT
Gerard Jentgens, Cornelia Kneppe
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
INHALT
Die hohlen Gassen – Feldbefestigungen an den Übergängen des Teutoburger Waldes 1945
187
Johannes Müller-Kissing
Rätsel um PD 268 gelöst – Forschungen zu einem alliierten Bomberabsturz in Hagen
191
Michael Baales, Ralf Blank, Horst Klötzer
Untersuchung von Anlagen des Flughafens Lippe bei Burbach aus dem Zweiten Weltkrieg
195
Manuel Zeiler, Norbert Buthmann, Sebastian Pfnorr
Kreisgräben in Luftbildern – zwei Sondagen bei Rahden
199
Hans-Otto Pollmann
Der neuzeitliche Tote im eisenzeitlichen Urnengräberfeld von Geseke
202
Melanie Eigen, Anna Marschner
Von der Pfeilspitze bis zum Wetzstein – Ausgrabungen in Stadtlohn 1934 – 1999 – 2014
206
Jan Markus
Die Stesser Burg – eine »neue « Wallburg der späten Eisenzeit und des Frühmittelalters
210
Manuel Zeiler, Stefan Kötz, Vera Brieske
Im Schlamm versunken … Der Paderborner Marktplatz im Fokus der Archäologie
213
Sven Spiong
Die mehrperiodige Siedlung an der Kleppergasse in Paderborn
217
Jürgen Pape, Sven Spiong
Steinzeit bis Mittelalter – Ausgrabungen auf dem »Weißen Feld « in Dortmund-Oespel
220
Cordula Brand, Henriette Brink-Kloke
Auf megalithischer Schnitzeljagd im Tecklenburger Land – Neues zu Sloopsteenen und Co.
227
Kerstin Schierhold
Wegeforschung 2.0 oder die Entdeckung einer alten Wegetrasse bei Lotte-Wersen
230
Kerstin Schierhold, Ingo Pfeffer
Neue eisenzeitliche Siedlungsspuren in Soest im überregionalen Kontext
233
Tobias Stürze
Nachwuchs forscht – Auswertung eines eisenzeitlichen Gräberfelds in Ibbenbüren
237
Valeska Becker
Eine eisenzeitliche Keramikdeponierung mit Tierknochen in Wettringen
240
Jürgen Gaffrey, Hubert Berke
Keltische Kunst in Südwestfalen – neue Forschungsergebnisse zur Herstellungstechnik
244
Manuel Zeiler, Moritz Jansen
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Methoden und Projekte
Wasser marsch! Eine hölzerne Rohrleitung im Legionslager von Bergkamen-Oberaden
Eugen Müsch
250
Römische Sandalennägel aus Barkhausen – eine Rekonstruktion der Herstellungstechnik
Rudolf Bergmann
253
Burg und Wegesperre im Eggegebirge bei Warburg-Borlinghausen
Rudolf Bergmann, Maja Thede
257
Die Burg auf dem Leuchteberg bei Warburg-Rimbeck
Ingo Pfeffer
261
Ergebnisse der Auswertung von Geodaten in Südwestfalen
Michael Koch
265
Historische Wasserwirtschaft im Umfeld der UNESCO-Welterbestätte Kloster Corvey
Klaus Pirke, Manuel Zeiler, Sebastian Pfnorr
269
Industriearchäologische Untersuchungen an der Kupferschmelzhütte Plettenberg
Hans-Werner Peine, Baoquan Song
273
Bau- und Bodendenkmäler der Warburger Börde im Luftbild
Baoquan Song
276
Luftbildarchäologie in Westfalen – methodische Erfahrungen im Jahr 2014
Thomas Frank, Renate Gerlach, Julia Hallenkamp-Lumpe, Elisabeth Höfs, Ursula Tegtmeier
280
Ein dendrochronologischer Glücksfall – die Baumleiche von Salzkotten-Scharmede
Lina Pak, Morris Vianden
283
Die 3-D-Rekonstruktion der Verzierungselemente einer römischen Kline aus Haltern
Lukas Fischer
286
Vom Einsturz der Framerate – der Weg zur virtuellen Ausgrabungsstätte
Michael M. Rind
289
Perfectum est … – Corvey: erstes UNESCOWeltkulturerbe in Westfalen-Lippe
Ulrike Steinkrüger
292
Spuren am Wegesrand – die historische Fernhandelsstraße von Bielefeld nach Wesel
INHALT
247
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Tobias Runkel
INHALT Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Ausstellungen Auf ewig gezeichnet! Konzept zur Ausstellung über den Berliner Skulpturenfund
299
Renate Wiechers
»Hier baut Rom! « Auf dem Weg zum Römerpark Aliso Teil II
302
Renate Wiechers
Das weiße Gold der Kelten – Schätze aus dem Salz
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Josef Mühlenbrock
Autorenverzeichnis
310
Neuerscheinungen
315
Ansprechpartner, Adressen
320
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Diese beiden Objekte sind nur eine Auswahl der in Luftbildern bei günstigen Bedingungen dokumentierten Bodenstrukturen. Hier zeichnen sich regelmäßig die Konturen von Objekten ab, die obertägig nicht mehr sichtbar sind und für die Landesforschung als verloren geglaubt wurden. Dieses Spektrum an Strukturen muss katalogisiert und klassifiziert werden. Zur Interpretation unerlässlich sind archäologische Untersuchungen, nicht nur um Gewissheit über Alter und Bestimmung der Anlagen zu erhalten, sondern auch um gleichartige Objekttypen – wie den Immenhof – interpretieren zu können.
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Melanie Eigen, Anna Marschner
Mehrere Epochen
Summary Two structures discovered in aerial photographs were archaeologically examined in 2014. The two concentric ring ditches near Rahden-Varl may have been the last remnants of a levelled barrow with a ring ditch. Ditch constructions in the Heuweg area near Rahden, on the other hand, are highly likely to have been an apiary which, according to radiocarbon analyses dated from the early post-
Samenvatting Twee op luchtfoto’s ontdekte bodemstructuren werden in 2014 archeologisch onderzocht. De beide concentrische kringgreppels bij Rahden-Varl zouden de laatste resten van een geëgaliseerde grafheuvel met kringgreppels kunnen zijn. Daarentegen ontpopten de greppelstructuren in Heuweg bij Rahden zich met grote waarschijnlijkheid als een standplaats voor een imkerij. Deze is volgens de C14-analyse te dateren in de vroege nieuwe tijd. De beide prospecties onderstrepen de noodzakelijkheid informatie van luchtfoto’s te analyseren, te evalueren en ter plaatse archeologisch te controleren.
Literatur Ingo Pfeffer, Digitale Geländemodelle – eine Methode zur Lokalisierung von archäologischen Fundstellen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2011, 2012, 212–216.
Der neuzeitliche Tote im eisenzeitlichen Urnengräberfeld von Geseke Kreis Soest, Regierungsbezirk Arnsberg
Am Tudorfer Weg (BP E34/2) wurde im Oktober 2014 von der archäologischen Fachfirma Archbau eine Fläche von 6500 m2 untersucht, die östlich an das 1997 gegrabene und von Tim Glörfeld bearbeitete metallzeitliche Gräberfeld von Geseke anschließt. Ziel der Maßnahme war es, die weitere Ausdehnung des bereits bekannten Gräberfelds zu erfassen. Es wurden 38 archäologisch relevante Befunde erfasst, darunter elf Urnenbestattungen, fünf Leichenbrandnester, ein Graben und ein menschliches Skelett (Abb. 1). Die Befunde konzentrierten sich im nördlichen Bereich der Fläche. Das Gelände weist ein leichtes Gefälle nach Norden hin auf. Etwaige Befunde im südlichen Drittel sind vermutlich aberodiert bzw. im Zuge der landwirtschaftlichen Nutzung abgetragen worden. Es wurden zwei Kon-
202
medieval period. Both prospection projects underline the importance of analysing the information gleaned from aerial photography and examining it by archaeological means.
zentrationen mit Bestattungen jeweils in der westlichen und östlichen Flächenhälfte erfasst. Die Befunderhaltung im Untersuchungsgebiet ist grundsätzlich als schlecht anzusprechen. Die Befunde reichten bis in den Pflughorizont hinein und waren entsprechend stark beeinträchtigt. Die Urnen waren bereits bei Auffindung stark fragmentiert, sodass eine Rekonstruktion und damit eine Formenansprache und Datierung in der Regel nicht mehr sicher möglich sind. Meist ist nur noch der Boden erhalten. Ebenso fehlen, bis auf eine Ausnahme, spezifische Verzierungen, die eine genauere Einordnung ermöglichen. Die Keramik besteht im Wesentlichen aus grob mit Sand und Quarz, teilweise auch Keramikgrus gemagertem Ton. Die Wandungen sind in der Regel recht dick und der Scherben
zündung infolge eines Unfalls oder Ähnlichem, zum anderen als Merkmale einer Mangelerscheinung bei dem 2- bis 5-jährigen Individuum, die sich am Schädelgewölbe bemerkbar machten und als Porotische Hyperostose angesprochen werden. Sie sind das Resultat des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren und werden in der Regel auf ein Eisendefizit und die damit zusammenhängende Anämie zurückgeführt. Für Überraschung sorgte die Auffindung eines menschlichen Skeletts im nordwestlichen Bereich der Grabungsfläche. Das Skelett lag ausgestreckt in Rückenlage mit Kopf nach Nordwesten am Ende eines Flurgrabens
203
Abb. 1 Gesamtplan der Ausgrabung (Grafik: Archbau/M. Eigen).
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
eher weich. Es dominieren braune bis schwarze Farbtöne und der Scherben ist häufig fleckig. Es wurden unter anderem ein Rautopf, ein doppelkonisches Gefäß sowie eine Urne mit S-förmigem Profil und härter gebrannter, außen geglätteter Keramik geborgen. Das einzige als Beigabe anzusprechende Gefäß wurde aus der Bestattung mit der Befund-Nr. 32 geborgen. Es handelt sich um ein Miniaturgefäß mit sehr kleinem Standboden und hochgezogenem Unterteil. Das Gefäß lag auf einer Leichenbrandkonzentration und enthielt möglicherweise eine Fleischbeigabe, wie Glörfeld für ähnliche Gefäße aus dem angrenzenden Gräberfeld nachweisen konnte (Abb. 2). Weitere Indizien für Fleischbeigaben lieferten Tierknochen, die in drei Urnenverfüllungen und einer Leichenbrandkonzentration gefunden wurden. Eine Urne mit Kerbschnittdekor weist einen deutlich feiner mit Sand gemagerten und dünnen Scherben auf. Das Gefäß ist braunschwarz und außen geglättet. Die Verzierung zeigt ein umlaufendes Band aus gegenläufigen Sparren. Darunter und darüber befindet sich jeweils eine Reihe von schräg gestellten kleinen Spachteleinkerbungen. Die Keramik verweist auf Einflüsse aus der Niederrheinischen Grabhügelkultur (Abb. 3). Lediglich aufgrund der sehr fragmentarisch erhaltenen Urnenkeramik eine Datierung der Bestattungen vorzunehmen, ist problematisch. Grundsätzlich lässt sich zu den Bestattungen sagen, dass in allen Fällen ein sorgfältig ausgelesener Leichenbrand ohne Holzkohlereste vorlag. Grabbauten und -einhegungen wurden zwar nicht festgestellt, sind jedoch aufgrund der schlechten Befunderhaltung nicht endgültig auszuschließen, wobei Gräben eher unwahrscheinlich sind. Allerdings kommen Grabhügel in Betracht, wie Glörfeld für den angrenzenden Bereich schon ausführte, da auch hier keine Überschneidungen der Bestattungen zu beobachten waren. Vieles spricht also für eine Datierung in die frühe Eisenzeit, möglicherweise auch noch ausgehende Bronzezeit. Das Befund- und Fundspektrum knüpft an die Ergebnisse von 1997 an. Die Aufarbeitung des Leichenbrands ergab überwiegend Bestattungen von adulten sowie von einem 2- bis 5-jährigen Individuum. Eindeutig konnte das Geschlecht eines Mannes und einer Frau bestimmt werden. In zwei Fällen wurden Pathologien festgestellt: zum einen in Form einer Knochenhautent-
AUSGRABUNGEN UND FUNDE Abb. 2 Leichenbrandnest mit Miniaturgefäß als Beigabe (Foto: Archbau/ M. Eigen).
Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
Abb. 3 Fragmente der Keramik mit Kerbschnittverzierung (Foto: Archbau/M. Eigen).
(Abb. 4). Im Graben sowie in der unmittelbaren Nähe des Skelettes befand sich kein datierendes Material. Der Fund einer Bleikugel im Bereich der unteren Brustwirbel ermöglichte jedoch eine Datierung des Toten in das 16. bis 18. Jahrhundert. Das Skelett wurde gemäß der Richtlinien der British Association for Biological Anthropology and Osteoarchaeology (BABAO) nach Brickley/McKinley (2004) untersucht. Die geringe Oberflächenabnutzung der Knochen, das Fehlen von Schnittspuren und Tierverbissen und die Lage der Lang-, Wirbel-, Beckenknochen, Rippen sowie fast aller Handknochen im anatomischen Verband liefern einen Hinweis darauf, dass der Verstorbene unmittelbar nach seinem Tod im Graben niedergelegt wurde. Der Altersbestimmung anhand der facies auricularis des os illium nach Lovejoy u. a. (1985) und Buckberry/Chamberlain (2002) zufolge verstarb der Tote im Alter von etwa 45 Jahren. Die Geschlechtsbestimmung ergab
204
ein männliches Individuum. Die Bestimmung der Körperhöhe nach Trotter (1970) und dem Femur-Körperhöhe-Verhältnis (Femur x 3,74) lieferte eine Körperhöhe von 1,70 m. Nicht-metrische Merkmale repräsentieren in den meisten Fällen epigenetische Charakteristiken. Epigenetische Merkmale sind Ausdruck der Gene, welche die Entwicklung betreffen und zur Identifikation von Verwandtschaft in einer größeren Population hinzugezogen werden können. Der Tote wies in nur drei Fällen sichtbare nicht-metrische Merkmale des Kraniums und Postkraniums auf. Während einige der nicht-metrischen Merkmale des Kraniums eventuell als Entwicklungsanomalie betrachtet werden, sind einige der Merkmale des Postkraniums höchst beeinflussbar durch Umweltfaktoren. Ausgedehnte Muskelmarker gelten als direktes Ergebnis von dauerhafter Muskelverwendung in täglich wiederholten Aufgaben und werden zur Rekonstruktion des Lebensstils verwendet. Bei dem Skelett befanden sich die am stärksten ausgeprägten Muskelmarker an den Schlüsselbeinen, was jedoch keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Tätigkeit zulässt. Die allgemein geringe Ausprägung der Muskelmarker deutet darauf hin, dass der Tote wenig physische Anstrengungen durchlitt. Die im Bereich der Lamina der Hals- und Brustwirbel beobachteten Osteophyten könnten eine beginnende Spinale Stenose darstellen. Da sich diese knöchernen Auswüchse im Anfangsstadium befanden, hatten sie vermutlich keine Auswirkung auf das Individuum. In einem Fall tauchten Schmorlsche Knötchen auf dem Wirbelkörper auf, die vermutlich ebenfalls kaum Auswirkung auf den allgemeinen Gesundheitszustand hatten. Das übrige Fehlen von entzündlichen oder degenerativen Veränderungen am Skelett verweist auf ein Individuum, das sich allgemeiner Gesundheit erfreute. Der Fund der Bleikugel im Bereich der unteren Brust- und Beckenwirbel gibt Aufschluss über die mögliche Todesursache: höchstwahrscheinlich eine Schussverletzung im Bauchraum. Der geringe Grad der Fragmentierung, der Fund des Skeletts im anatomischen Verband, das Fehlen von postmortalen Veränderungen und der allgemein gute Erhaltungszustand weisen darauf hin, dass der Tote unmittelbar nach seinem Tod niedergelegt und umgehend mit Erde bedeckt worden war. Das Fehlen von persönlichen Gegenständen
Samenvatting In het kader van het bouwplan E34/2 werd een gebied, dat oostelijk aan het al bekende grafveld van Geseke grenst, archeologisch onderzocht. Er konden elf urnenbijzettingen en vijf concentraties met crematieresten gedocumenteerd worden. Deze kunnen in de late bronstijd, vroege ijzertijd gedateerd worden. Verder werd uit een greppel in het veld het skelet van een ongeveer 45-jarige man uit de 16e of 17e eeuw geborgen, die door een buikschot om het leven is gekomen. Literatur Mildred Trotter, Estimation of Stature from Intact Long Bones. In: T. D. Stewart (Hrsg.), Personal Identification in Mass Disasters (Washington 1970) 71–83. – C. Owen Lovejoy u. a., Chronological Metamorphosis of the Auricular Surface of the Ilium: a new Method for the Determination of Adult Skeletal Age at Death. American Journal of Physical Anthropology 68, 1985, 15–28. – Jo L. Buckberry/ Andrew T. Chamberlain, Age Estimation from the Auricular Surface of the Ilium: A Revised Method. American Journal of Physical Anthropology 119, 2002, 231–239. – Megan Brickley/Jacqueline I. McKinley, Guidelines to the Standards for Recording Human Remains. British Association for Biological Anthropology and Osteoarchaeology (Southampton 2004). – Tim Glörfeld, Das Urnengräberfeld von Geseke. Jahresbericht des Instituts für Archäologische Wissenschaften 2009–2010 (Bochum 2010) 51–53.
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Archäologie in Westfalen-Lippe 2014
und Kleidung im Befundzusammenhang verweisen auf die Plünderung des Mannes nach seinem Tod. Aufgrund der Fundumstände und Datierung ist es denkbar, dass es sich hierbei vielleicht um einen Mann gehandelt hat, der zur Zeit der Plünderungen Gesekes durch die Truppen von Graf Oberstein 1591 oder zu Beginn der Kriegshandlungen des Dreißigjährigen Kriegs zu Tode kam. Auch die Nähe zum Hellweg, der nur unweit der Fläche verläuft, könnte auf ein mögliches Szenario hinweisen. So handelt es sich hierbei vielleicht um das Opfer eines Überfalls auf einen Reisenden. Bis auf weiteres müssen jedoch alle Überlegungen zu den Todesumständen spekulativ bleiben.
Abb. 4 Das Skelett im Graben (Foto: Archbau/ M. Eigen).
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Summary As part of development plan E 34/2 an area to the east of the known cemetery at Geseke was archaeologically examined. 11 urn burials and 5 concentrations of cremated bones dating from the advanced Bronze Age/early Iron Age were documented. Moreover, a skeleton of a c. 45-year-old man dating from the 16th or 17th century was unearthed in a boundary ditch. The man had been killed by a shot to the stomach.
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Report "Eigen & Marschner 2015 - Der neuzeitliche Tote im eisenzeitlichen Urnengräberfeld von Geseke - AiW "