Egon Erwin Kisch und sein Buch China geheim im Jahre 1933
Zu den im Mai 1933 in Deutschland verbrannten Büchern gehörte auch das erst im Januar des gleichen Jahre erschienene Werk China geheim von Egon Erwin Kisch, sowie andere Werke dieses Autors. Kisch hatte im Frühjahr 1932 China besucht, war im Herbst über Moskau nach Deutschland zurückgekehrt und hatte im Dezember das Manuskript fertig gestellt.
Der am 29. April 1885 in Prag geborene Journalist gehörte zwischen den beiden Weltkriegen zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. In den zwanziger Jahren lebte er in Berlin und unternahm Reisen in viele Länder, darunter die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Zu den bekanntesten seiner Bücher gehörten Der rasende Reporter (1924), Paradies Amerika (1930), Asien gründlich verändert (1932) und Abenteuer in fünf Kontinenten (1936). Kisch war erst der KPÖ, dann der KPD beigetreten, schrieb zahlreiche Artikel für linke Zeitungen und kannte viele linke Journalisten, Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, darunter auch Otto Heller, Willi Münzenberg ( http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/newsletter/april07/kongress.htm ) und
Anna Seghers ( http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/newsletter/07-09/seghers.html ).
In Berlin lernte er auch den chinesischen Kommunisten Xie Weijin kennen, der dort für die Komintern arbeitete. Xie war an der Vorbereitung von Kischs Chinareise und Otto Hellers Sibirienreise beteiligt.
Anfang 1932 verliess Kisch Deutschland und fuhr mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Mandschurei und dann weiter nach Shanghai. Dort traf er unter anderem die amerikanische Journalistin Agnes Smedley, die deutsche Agentin Ruth Werner und den Spion Richard Sorge. ( http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/studierende/rezensionen/werner-sonjas_rapport.html )
Er besuchte außerdem Beijing und Nanjing (die damalige Hauptstadt der Republik China). Im Spätsommer 1932 kehrte er nach Moskau zurück und fuhr von dort nach Berlin.
Kisch hat das Buch China geheim in großer Eile geschrieben und dann sofort drucken lassen. Man sieht der Originalausgabe die Hektik an: sie wirkt sehr spartanisch, hat weder Vor- noch Nachwort, keine Illustrationen und keine Verlagswerbung. (Die weit verbreiteten DDR-Ausgaben des Buches hatten wenig Ähnlichkeit mit dem Original.) Wäre der Band nicht Ende 1932 fertig geworden, dann wäre er wohl in Deutschland gar nicht mehr erschienen. Die deutsche Ausgabe von China geheim wurde zwar Opfer der Bücherverbrennung, aber in Moskau nachgedruckt; schon 1935 erschienen englische und französische Übersetzungen und 1938 die chinesische Ausgabe Mimi de Zhongguo. Die chinesische Ausgabe hatte großen Einfluß, da sie chinesischen Journalisten und Schriftstellern einen Reportagestil präsentierte, der dort vollkommen neu war. (Der Übersetzer Zhou Libo wurde in der Volksrepublik China selbst ein bekannter Schriftsteller.)
Egon Erwin Kisch wurde –nach dem Reichstagsbrand – im Februar 1933 in Berlin verhaftet und in die Festung Spandau gebracht. Nach internationalen Protesten wurde er nach einigen Wochen freigelassen und ausgewiesen. Die folgenden zwölf Jahre verbrachte er im Exil, vor allem in Frankreich, Spanien und in Mexiko. Kisch nahm mit seinem Bruder – dem Arzt Friedrich (Bedrich) Kisch – am Spanischen Bürgerkieg teil. Nach der Niederlage ging der Journalist nach Amerika, der Arzt jedoch – mit einigen anderen linken Ärzten – nach China.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Egon Erwin Kisch in seine Heimatstadt Prag zurück, starb dort jedoch schon am 31. März 1948. Kischs Bücher gehörten in der DDR und der Tschechoslowakei jahrzehntelang zu den Bestsellern, sind allerdings in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten. Zu Kischs sechzigstem Todestag fand im April in Prag ein Symposium statt.
Literatur:
Egon Erwin Kisch: China geheim, Berlin, 1932.
Ruth Werner: Sonjas Rapport, Berlin, 1977.
Arno Lustiger: Schalom Libertad – Juden im spanischen Bürgerkrieg, Frankfurt, 1989.
Thomas Kampen: Deutsche und österreichische Kommunisten im revolutionären China, Jahrbuch für historische Kommunismusforschung, 1997, 88-104.
Thomas Kampen: Xie Weijin und die Gebrüder Kisch, Das neue China, Juni 2001, 27-28.
Dr. Thomas Kampen
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