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1. Einleitung Der Sumatra-Andamanen-Tsunami vom 26. Dezember 2004 hat gerade jene Küsten des Indischen Ozeans in Katastrophengebiete verwandelt, die weltweit als Inbegriff von paradiesischen Stränden galten. Dabei gehörte auch Sri Lanka zu den sehr stark betroffenen Ländern (vgl. HAMM 2011, S. 55). Dieses spektakuläre und seltene Naturereignis außerordentlicher Stärke zeigte vielerorts die Verwundbarkeit der dort betroffenen Systeme auf, wobei erst durch die Anwesenheit von Menschen und ihrer Infrastruktur aus einem Naturereignis wie einem Tsunami eine potentielle Gefahr bzw. ein Risiko oder eben eine Katastrophe wird, sofern eine hohe Vulnerabilität vorliegt (vgl. ETTERICH 2013, S. 40). Aus der immer intensiveren Nutzung von Küstengebieten durch Ansiedlungen und Tourismus, erwächst sich gleichsam eine langsame Erhöhung der Vulnerabilität, wobei das Risiko oft nicht bekannt ist oder durch armutsbedingte Alternativlosigkeit eingegangen werden muss (vgl. HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 2). So sind trotz des riesigen betroffenen Gebietes die Opfer und Sachschäden lokal äußerst begrenzt und konzentrieren sich auf einen schmalen Küstenstreifen von max. 2 km Breite (vgl. SMOLKA/KRON 2005, S. 5). Auch für Menschen in nicht gefährdeten Regionen gehören Naturgefahren, Naturrisiken und Naturkatastrophen zur Lebenswelt, „vielleicht nicht im Sinne einer Primärerfahrung, aber doch als medial vermittelte Realität“ (ebd., S. 2). So stieg nach dem Tsunami von 2004, der oftmals als „katastrophalster Tsunami der Menschheitsgeschichte“ (SCHEFFERS/KELLETAT/ENGEL 2009, S. 12) betitelt wird, durch die indirekte Betroffenheit aufgrund des Todes vieler internationaler Touristen nicht nur das weltweite gesellschaftliche Interesse an dieser Naturgefahr, sondern auch die Hazardforschung hat seitdem zusätzlich an Gewicht gewonnen. Auch wenn das Naturphänomen Tsunami laut den circa 4.000 Jahre zurückreichenden historischen Katalogen des Mittelmeerraumes schon seit langem bekannt ist, so war die Gefahr die von ihnen ausgeht und somit das Risikobewusstsein, im Großteil der betroffenen Regionen doch erschreckend gering. Das Hauptziel dieser Arbeit ist es anhand des genannten Tsunamis, die für Sri Lanka spezifischen Vulnerabilitätsfaktoren herauszustellen und so zu beantworten, warum die Schäden für das Land so massiv ausgefallen sind und welche Anpassungen daher für die Zukunft von Bedeutung sind. Hierfür wird das Ereignis und die anstehende Analyse zunächst in die
allgemeine
Hazardforschung
eingeordnet
und
anschließend
einige
zentrale
Begrifflichkeiten und Konzepte erklärt. Im vierten Kapitel wird detailliert beschrieben, wie das vorliegende Naturereignis eingetreten ist, mit welcher Frequenz und Magnitude bei Tsunamis in der Regel zu rechnen ist und welche Primär- und Sekundäreffekte von ihnen ausgehen. Zum 1
Ende des Kapitels werden dann die Personen- und Sachschäden auf Sri Lanka aufgeführt, anhand derer sich gut ersehen lässt, welche Subsysteme besonders hart getroffen wurden und daher besonders vulnerabel sind. Die konkreten Vulnerabilitätsfaktoren werden dann im folgenden fünften Kapitel nach Kategorien unterteilt vorgestellt. Hierbei sind im Falle Sri Lankas besonders soziale Faktoren wie Armut, Risikowahrnehmung und Kultur von einschneidender Relevanz. Im sechsten Kapitel wird dargelegt, wie das Land mit den Schäden durch den Tsunami umgegangen ist, wie der Wiederaufbau abgelaufen ist bzw. abläuft und wie dadurch die Vulnerabilität im Vergleich zu vor der eingetretenen Katastrophe verringert werden konnte. Hierbei wird besonders die kontrovers umstrittene nach dem Tsunami eingerichtete Pufferzone entlang der Küste diskutiert. Abschließend wird die Vulnerabilität vor dem Tsunami, sowie die aktuelle Situation in Sri Lanka bewertet und Handlungsempfehlungen zur weiteren Reduzierung der Anfälligkeit gegeben.
2. Einordnung in die Hazardforschung Das Feld der Hazard-, Risiko- und Katastrophenforschung ist breit gefächert. Durch die Vielzahl der wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Naturgefahren und –risiken befassen, ist eine Vielfalt
an
Ansätzen,
Begrifflichkeiten
und
Sichtweisen
entstanden
(vgl.
V.
ELVERFELDT/GLADE/DIKAU 2008, S. 31). Dabei stellen die vielen uneinheitlichen Definitionen und konsensualen Konzepte die wesentliche Barriere bei der Erforschung von Naturgefahren dar und die interdisziplinäre Forschung befindet sich teilweise erst im Anfangsstadium (vgl. ETTERICH 2013, S. 39f). Die Katastrophenforschung beschäftigt sich dabei allgemein mit der Entstehung, dem Verlauf und den Abfolgen von als „Katastrophe“ zu bezeichnenden Ereignissen (mehr zu dem Begriff im folgenden Kapitel/ vgl. FELGENTREFF/DOMBROWSKY 2008, S. 20). Sie ist somit zum einen Ursachen- und Prozessforschung, zum anderen Evaluierungsforschung, die in Erfahrung zu bringen sucht, welche Konsequenzen aus Katastrophen gezogen werden, also wie und durch welche Anpassungsleistungen Entstehung und Verlauf zukünftig so beeinflusst werden können, dass es nicht wieder zu einer Katastrophe kommen muss (ebd.). Das Forschungsfeld setzt sich dabei aus eher naturwissenschaftlich geprägten Forschungsbereichen wie der allgemeine naturwissenschaftlichen Gefahren- und Risikoanalyse, sowie der eher soziologisch geprägten Katastrophenforschung zusammen (vgl. ETTERICH 2013, S. 38). Die Risikoforschung kann in die Bereiche Risikobewertung, Risikomanagement bzw. Risikosteuerung (risk governance) und Risikoanalyse, die die Gefahrenanalyse einschließt, klassifiziert werden (vgl. V. ELVERFELDT/GLADE/DIKAU 2008, S. 32). Dabei folgt die Risikoanalyse oftmals
naturwissenschaftlichen
Ansätzen
mit
mathematisch-naturwissenschaftlichen 2
Verfahren zur Risikoabschätzung, wohingegen Risikobewertung und –management auf sozialund wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen basieren (vgl. ebd.). Die Naturrisikoanalyse untersucht das Geosystem und der Vulnerabilität des Menschen und seines Lebensumfelds gegenüber der Naturgefahr (vgl. V. ELVERFELDT/GLADE/DIKAU 2008, S. 31). Die Grundannahme besteht in der Entstehung von Naturgefahren aus Wechselwirkungen zwischen der natürlichen Umwelt mit dem Menschen und seinen Belangen (vgl. ebd.). „Da die sozialen und natürlichen Systeme in Wechselwirkung stehen, hängen auch die Auswirkungen eines natürlichen Prozesses nicht nur von deren Frequenz und Magnitude, sondern auch vom Grad der Ausbreitung der betroffenen Gesellschaft ab“ (ebd.). Durch Naturgefahrenanalysen sollen Orte und Zeitpunkte bzw. Häufigkeiten eines Ereignisses mit einer bestimmten Magnitude
herausgefunden
werden
(vgl.
ebd.,
S.
36).
Um
eine
umfassende
Vulnerabilitätsanalyse durchzuführen sind daher Informationen und Ergebnisse aus diesen Bereichen zu berücksichtigen. „Die moderne geographische Hazardforschung geht zurück auf die ursprünglich natur- und ingenieurwissenschaftlich geprägte US-amerikanische Hazardforschung“ (vgl. ebd., S. 38) und kann im Kontext des breiten Forschungsfeld als vielversprechender Ansatz gelten die herrschenden unterschiedlichen Blickwinkel und durch ihren integrativen Charakter die verschiedenen Disziplinen und Ansätze zu vereinen. Dabei beschäftigt sich das von F. White begründete Forschungsfeld mit der Analyse von Naturgefahren im Mensch-Umwelt-System (vgl. POHL 2008, S. 50). Sie versteht „das Gefahrenpotential natürlicher Ereignisse als eine Interkation zwischen dem natürlichen und dem anthropogenen Subsystemen der Erde“ (ETTERICH 2013, S. 38). Dabei sollten die Hazards nach der modernen geographischen Hazardforschung immer nur in Bezug auf die Gesellschaft gesehen werden und nicht länger durch die Auseinandersetzung mit dem Naturereignis an sich (vgl. ebd.). Die Geographie als Brückenwissenschaft zwischen Physio- und Humangeographie bietet sich für eine umfassende Betrachtungsweise an und zeigt somit die große Relevanz des Themas Naturgefahren für ihr Fach (vgl. ebd., S. 43), denn eine „Auseinandersetzung mit Naturgefahren, Naturrisiken und Naturkatastrophen muss natur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven miteinander verknüpfen“ (HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 4). Dabei kommt es einerseits zu einer Neufokussierung hin zu Vulnerabilitätsanalysen betroffener Regionen und Menschen und somit einer starken Prägung durch Konzepte wie Vulnerabilität und Resilienz, sowie gesamtökologischen Betrachtungsweisen (vgl. BOHLE/GLADE 2008, S. 99f). Andererseits findet auch ein Paradigmenwechsel weg von linearen Erklärungsmustern
und
hin
zu
differenzierten
Betrachtungen
der
Ursache-
Wirkungsverhältnisse statt (vgl. ETTERICH 2013, S. 43). Der Bereich der Vulnerabilitätsanalysen 3
ist genau jener Forschungsschwerpunkt, dem sich auch diese Arbeit widmet. Die Geographie versucht dabei, wie die vorliegende Arbeit, eine „Brücke zwischen naturwissenschaftlich ausgerichteter und sozialwissenschaftlich orientierter Verwundbarkeitsforschung zu schlagen“ (ebd., S. 100). Die geographische Hazardforschung hat schon früh versucht durch Vulnerabilitätsanalysen Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen zu thematisieren (vgl. ebd., S, 105). So bearbeitet die Gefahren- und Risikoforschung das zeitliche, räumliche und nach Prozessintensitäten differenzierte Auftreten von physischen Phänomenen, doch auch die Bedingungen der betroffenen Gesellschaften sind mit einzubeziehen, da diese meist erst über die sozialen Auswirkungen und Folgen von Naturereignissen entscheiden und bestimmten ob diese zu Katastrophen werden oder nicht (BOHLE/GLADE 2008, S. 99). Dadurch lassen sich eine Reihe von anthropogenen Vulnerabilitätsfaktoren identifizieren, die Katastrophen erst ermöglichen (vgl. ETTERICH 2013, S. 43). Lange Zeit wurde dieser Teil der Gefahrenforschung allein den Sozialwissenschaften überlassen, welche die Vulnerabilität von Gesellschaften gegenüber von Naturereignissen untersuchten und nach den Ursachen und Bedingungen forschten (vgl. BOHLE/GLADE 2008, S. 99). Dabei verschwinden aber in der Regel die Naturgefahren aus dem Blickfeld der sozialwissenschaftlichen Verwundbarkeitsforschung, während sich naturwissenschaftliche Analysen dagegen auf die Naturgefahren selbst richten (vgl. ebd.). „Bezogen auf die interdisziplinäre Verwundbarkeitsanalysen der Geographie bedeutet dies, dass für die Geoökologie und die Physische Geographie z.B. eine vorläufige Fokussierung auf Forschungen zur Risikoexposition infrage käme, dass sich die sozial- und kulturgeographische Verwundbarkeitsforschung auf die Anpassungs- und Bewältigungsmechanismen konzentriert und dass die Wirtschaftsgeographie beispielsweise mit den ökonomischen Auswirkungen von Verwundbarkeit auseinandersetzt. Der entscheidende Schritt hin zu einer umfassenden Verwundbarkeitsforschung ist dann die Integration der Einzelbetrachtungen“ (BOHLE/GLADE 2008, S. 110). Dabei gilt für die Analyse von Verwundbarkeiten in gekoppelten Systemen das, was auch auf das Messen von Verwundbarkeit zutritt: Durch die hohe Komplexität von Systemen sollten diese zunächst in Komponenten von verwundbaren Einheiten getrennt werden und sich in der Betrachtung auf solche konzentriert werden, die für die jeweilige Fragestellung und Zielsetzung am Bedeutsamsten erscheinen (vgl. ebd., S. 111). Genau darin besteht
auch
der
Ansatz
dieser
Hausarbeit.
Die
dabei
zugrundeliegenden
Vulnerabilitätsbereiche werden in Kapitel 3.4 erläutert. Abschließend lässt sich noch festhalten, dass auch die auf die Naturgefahr Tsunami beschränkte Tsunamiforschung verschiedene Bereiche hinsichtlich der (Feld-)Forschung zu diesem Phänomen, der Prävention und Bewältigungsstrategien hervorgebracht hat. „Die so 4
gewonnenen Erkenntnisse tragen auf vielfältige Weise zu effektiveren, staatlichen Schutzbestrebungen bei“ (BRUCKNER/BRILL 2009, S. 7). Eine der Schwerpunkte der Forschungsaktivität nach dem Tsunami 2004 war die Untersuchung der Wiederkehrraten großer Tsunamis (vgl. ebd.). Bedenkt man, dass die Unterschätzung des bestehenden Tsunamirisikos im Indischen Ozean und die damit einhergehende, ungenügende Vorsorge primär auf mangelnde Informationen hinsichtlich des Auftretens von Tsunamis in der Vergangenheit zurückzuführen ist, können Forschungsergebnisse in diesem Bereich die Planungsgrundlage von Frühwarnsystemen im Indischen Ozean wesentlich verbessern (vgl. ebd., S. 8).
3. Kernbegriffe und Konzepte Im folgenden Kapitel werden die zentralen Begrifflichkeiten und Konzepte die dieser Arbeit zugrunde liegen definiert und dargestellt. Hierbei werden zunächst die Begriffe Naturereignis, Naturgefahr, Naturrisiko und Naturkatastrophe beschrieben und voneinander abgegrenzt um diese
klar
zu
unterscheiden.
Dies
ist
besonders
hinsichtlich
der
anhaltenden
Begriffskontroverse um das Wort „Naturkatastrophe“ wichtig. Anschließend wird das Konzept der Vulnerabilität dargelegt, welches für diese Arbeit zentral ist und die damit einhergehend Prinzipien der Adjustments und Adaptions aufgeführt.
3.1
Naturgefahr
Eine Naturgefahr (engl. natural hazard) ist eine „latent vorhandene, vage und nicht qualitativ erfassbare Möglichkeit des Schadenseintritts im Zusammenhang mit dem Auftreten eines Naturereignisses“ (ETTERICH 2013, S. 45). Als Naturereignis oder Naturphänomen (engl. natural phenomena; natural events) sind zunächst einmal „alle auf der Erde ablaufenden natürlichen reliefformenden Prozesse“ (ebd., S. 44) zu verstehen. Dazu zählen zunächst auch jene extremen Naturereignisse wie Vulkanausbrüche oder Tsunamis, solange diese keine direkte Bedrohung für den Menschen darstellen (vgl. ebd.). Sofern diese Vorgänge in der Natur dem Menschen in naher oder ferner Zukunft unter Umständen Unheil beschweren können, werden sie als Naturgefahren erfasst (vgl. HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 3). Dabei können die daraus resultierenden Naturgefahren in geologische, hydrometeorologische und biologische Naturgefahren unterscheiden werden, welche hinsichtlich ihrer Magnitude, Frequenz, Dauer, Ausbreitung, Verbreitungsschnelligkeit und räumlichen Verteilung variieren (vgl. UNISDR, o.J.: o.S.). Somit ist mit der Begrifflichkeit der Naturgefahr bereits eine „mögliche Auftretenswahrscheinlichkeit über die jeweiligen Charakteristika des Naturereignisses verbunden“ (ETTERICH 2013, S. 45). 5
3.2
Naturrisiko
Der Begriff Naturrisiko (engl. natural risk) verknüpft die zuvor beschriebene Naturgefahr mit dem Konzept der Vulnerabilität und beschreibt somit die „Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unheils in Relation zu erwarteten Schäden“ (HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 3f). Dabei ist Risiko allgemein definiert als „Produkt aus Schadensumfang und Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses oder einer Katastrophe“ (LESER 2003, S. 711). Sie beschreibt somit die einer Naturgefahr innewohnenden Schadenswahrscheinlichkeit in Form von Toten, Verletzen, sowie Sach- und Naturschäden, welche indirekt beeinflussbar und (bedingt) vorhersagbar ist (vgl. ETTERICH 2013, S. 45). Dabei wird häufig versucht dieses Risiko durch gewisse Schutzmaßnahmen zu mindern. Erst durch die inadäquate Inwertsetzung gefährdeter Räume oder durch eine für den Menschen nachteilige Einflussnahme auf Komponenten des Gesamtsystems
wird
aus
einem
natürlichen
Phänomen
ein
Risiko
(vgl.
HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 2). Ein Naturereignis kann für verschiedene soziale Systeme somit die gleiche Naturgefahr darstellen, durch die unterschiedlichen Vulnerabilitäten dieser Systeme bergen sie allerdings höchst differenzierte Naturrisiken (vgl. ETTERICH 2013, S. 45).
3.3
Naturkatastrophe
„Als Naturkatastrophe werden plötzliche, massive Störungen mit als überdurchschnittlich groß empfundenen Verlusten (Menschenleben, Sachgüter usw.) im Zusammenhang mit dem Eintreten eines Naturereignisses verstanden“ (ETTERICH 2013, S. 45) und beschreiben somit ein Unheil, welches tatsächlich eingetreten ist (vgl. HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 3). Das Bild der Naturkatastrophe ist in alltagsweltlichen Vorstellungen äußerst präsent und hat einen festen Platz in der deutschen Sprache (vgl. ETTERICH 2013, S. 45). Dabei kommt diesem Ausdruck eine sogenannte Entlastungsfunktion zu, die die sozialen, politischen und kulturellen Ursachen von Katastrophen ausblendet (vgl. FELGENTREFF/GLADE 2008, S. 2). Folgendes Zitat von Max Frisch (1979) umschreibt die Situation zutreffend: „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen“. Der Begriff impliziert die Natur, bzw. das der Katastrophe zugrunde liegende Naturereignis, als kausalen Verursacher und blendet somit die gesellschaftliche Verantwortlichkeit für die Verluste im Zuge des „Katastrophengeschehens“ aus (vgl. ebd. und ETTERICH 2013, S. 45). FELGENTREFF und GLADE (2008) schlagen daher den Begriff „Sozialkatastrophe“ vor (S. 3), zumal in viel größerem Maße Druckfaktoren
und
Unsicherheiten,
sowie
gesellschaftliche
Grundursachen
als
Katastrophenursachen auszumachen sind (ETTERICH 2013, S. 44).
6
3.4
Vulnerabilität
Das klassische Mensch-Umwelt-Paradigma der Geographie hat durch die Einführung des Leitbegriffs der Vulnerabilität (engl. vulnerability) eine zusätzliche Erweiterung erfahren, auch wenn hinsichtlich von Naturgefahren bislang noch keine ausreichenden Untersuchungen zur Vulnerabilität, also Vulnerabilitätsanalysen, angestellt wurden (vgl. ETTERICH 2013, S. 39 und S. 46). In der Fachliteratur findet sich eine Vielzahl verschiedener Definitionen. So beschreibt die Vulnerabilität oder auch Verwundbarkeit durch unterschiedlichste Ursachenkomplexe, sowie deren Verkettung, die „Verletzlichkeit eines Bezugssystems gegenüber bestimmten Einflussfaktoren“ (ETTERICH 2013, S. 45). Im World Disasters Report 2014 beschreibt Vulnerabilität “the characteristics of a person or household (that result from their economic, political, social and cultural circumstances) which make them more or less likely to be hurt by a hazard” (S. 38). Zudem fließen die Fähigkeiten, eine durch eine Naturgefahr eventuell eintretende Katastrophe vorherzusehen, mit dieser umzugehen, sie auszuhalten und sich von ihr zu erholen, in die Definition mit ein (vgl. ETTERICH 2013, S. 46). Diese Prädisposition oder Anfälligkeit kann auf der höchsten Ebene globaler Systeme, bis hin zur niedrigsten Ebene einzelner Individuen dargestellt werden, wobei die Einflussfaktoren sich auf unterschiedliche Größen (physisch/anthropogen, extern/intern usw.) beziehen (vgl. ebd.). Dabei ergibt sich ein derart komplexes Geflecht, dass es „unmöglich erscheint, eine einheitliche
Definition,
geschweige
denn
einen
allgemeingültigen
Katalog
von
Vulnerabilitätsfaktoren festzuhalten“ (ebd. und BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 84). Um Vulnerabilität aber messbar zu machen und Indikatoren zu erstellen wird eine klare und präzise
Definition
benötigt,
die
deutlich
darlegt,
inwiefern
zum
Beispiel
die
Bewältigungskapazität ein Teil der Vulnerabilität darstellen und welche Dimensionen und Bereiche abgedeckt werden sollen (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 84). Dabei kann hinsichtlich der Beschreibung des Begriffs auf negative und positive Definitionen zurückgegriffen werden: Einerseits bezieht sich Vulnerabilität auf die Wahrscheinlichkeiten von Verletzungen, Tod, Verluste und Störungen der Existenz während eines extremen Ereignisses (negative Definition), andererseits beinhaltet sie auch positive Eigenschaften, wie die Kapazität solch ein Ereignis zu bewältigen und Mechanismen, die die Möglichkeiten oder Schwierigkeiten sich zu erholen bestimmten (positive Definition) (vgl. ebd.). Weiterhin kann in soziale und technische Verwundbarkeit unterteilt werden (ETTERICH 2013, S. 46) oder wie von BRINKMANN und FERNANDO (2007) vorgeschlagen in ökologische, soziale und wirtschaftliche Verwundbarkeit, welches der prozessorientierte Rahmen in Abbildung 1 darstellt.
7
Abbildung 1 Der konzeptionelle Rahmen des ‘BBC’
Quelle: Brinkmann/Fernando (2007)
Der konzeptionelle Rahmen wurde 2005 von United Nations University’s Institute for Environment and Human Security (UNU-EHS) entwickelt und versucht Vulnerabilität in einer Gefahr-Vulnerabilität-Risiko-Verkettung einzufangen (vgl. ebd., S. 84f). Dieser „MetaFramework“ hat die praktische Absicht Kernbereiche, welche Indikatoren für das Messen von Vulnerabilität benötigen, zu strukturieren und zu definieren (vgl. ebd., S. 85). Dem Schema liegt dabei die Annahme zugrunde, das anfällige Elemente sowie Bewältigungskapazitäten, also die positiven, sowie die negativen Definitionen, berücksichtigt werden sollten, da beide einen großen Einfluss auf wahrscheinliches Unheil und Verletzungen durch eine Naturgefahr haben: „The BBC framework stresses that vulnerability analysis goes beyond the estimation of deficiencies. It shows the need to view vulnerability within a process (dynamic), which means focusing simultaneously on vulnerabilities, coping capacities, and potential intervention tools to reduce vulnerability (feedback loop system)” (ebd.). Weiterhin betont das Schema das es nicht nur wichtig ist, den Einfluss von Katastrophen zu verringern und die Krisen zu managen sobald diese eingetreten sind (t=1), sondern schon im Vorfeld Maßnahmen zu ergreifen (t=0).
8
3.5
Adjustments und Adaptions
Neben den geodeterministischen Faktoren wie Magnitude, Frequenz und räumliche Verbreitung, ist die Vulnerabilität wie zuvor beschrieben eine weitestgehend gesellschaftliche Kategorie, welche nach der geographischen Hazardforschung durch dir vorgestellten Konzepte Adjustment und Adaption beeinflusst wird (vgl. ETTERICH 2013, S. 51). „Die Anpassung (engl. adjustment) eines Gesellschaftssystems an die Naturgefahr Tsunami ist entscheidend, um dessen Vulnerabilität zu mindern“ (ebd.). Dabei verkörpern Adjustments ein zentrales Konzept der Vulnerabilität und meinen „die zumeist zielgerichteten Anpassungsmaßnahmen einer Gesellschaft an Naturgefahren“ (ebd., S. 39). Eine Binnendifferenzierung erfährt das Konzept der Adjustments durch Adaptions, welche über einen langen Zeithorizont erfolgte, kollektive Handlungsänderungen beinhalten, die ebenfalls zu einer Minderung des Risikos von Naturgefahren führen (vgl. ebd., S. 39). Um entsprechende Adjustments vornehmen zu können ist die wissenschaftliche Forschung zu einem gegebenen Naturereignis grundlegen, denn nur so lassen sich Gefährdungspotentiale in Form von Risiko- bzw. Vulnerabilitätsanalysen festhalten und damit das konkrete Handeln bestimmter politischer und gesellschaftlicher Akteure beeinflussen (vgl. ebd., S. 51). Das Risikobewusstsein einer Gesellschaft bestimmt maßgeblich welche Ressourcen im Umgang mit Naturgefahren
bereitgestellt
werden
und
somit,
von
welcher
Art
und
Qualität
Vorsorgemaßnahmen und Strategien zur Bewältigung sind (vgl. ebd.). Hierbei ist wichtig, dass gerade
wenn
Erfahrungen
primär
mündlich
innerhalb
eines
Gesellschaftssystems
weitergegeben werden, die Frequenz einer Naturgefahr das Risikobewusstsein stark beeinflusst wird und dieses oft an die biologische Lebensdauer gebunden ist (vgl. ebd.). Somit entsteht ein „Zeitraum des kollektiven Vergessens, der die Vulnerabilität gegenüber Tsunamis mitbestimmt“ (ebd.). Eine besondere Position innerhalb der Adaptions macht die Frühwarnung aus, vor allem da die Beeinflussung des Menschen durch einen Tsunami zeitlich verzögert stattfindet und es somit ein gewisses Zeitfenster gibt, welches es potentiell ermöglicht Schutzmaßnahmen in Form von Evakuierungen einzuleiten (vgl. ebd.). Dafür wird ein funktionstüchtiges und effizientes Frühwarnsystem
benötigt,
Tsunamiregistrierung,
welches
häufig
Informationsvermittlung
aus
einer
technisch
gestützten
und
Warnungsgenerierung,
sowie
institutioneller Warnungssteuerung und gesellschaftlicher Risikobereitschaft und –fähigkeit besteht (vgl. ebd.). Solche technischen Frühwarnsysteme sind besonders effizient, wenn Bevölkerungen in großer Distanz (über 200 km) zu dem Bebenherd gewarnt werden. Doch häufig mangelt es gerade in Entwicklungsländern und politisch instabilen Regionen an den nötigen Strukturen für die Ermöglichung einer flächendeckenden Frühwarnung, sodass 9
diese oft ins Leere laufen, da die lokale Bevölkerung nicht erreicht wird oder keine entsprechende Risikobereitschaft zeigt (vgl. ebd.). Daher stellt die Unterrichtung der Bevölkerung hinsichtlich der natürlichen und technischen Warnzeichen den wichtigsten Vorsorgeschritt
dar
(vgl.
ebd.,
S.52).
So
beschreibt
der
Abschlussbericht
der
Tsunamikatastrophe von 2004, dass selbst wenn es damals bereits ein internationales technisches Frühwarnsystem gegen hätte, diese Warnung nicht effektiv an die Bevölkerung hätte weitergegeben werden können (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang werden immer mehr Forderungen nach einer stärkeren Fokussierung auf “people-centered early warning systems” und einem „development of local response capability“ laut. „Hierzu hat sich das “Community Based Disaster Risk Management” (CBDRM) als ein bottom-up-Ansatz in der Katastrophenvorsorge entwickelt, der auf eine individuelle bzw. lokale Entwicklung von Reaktionsmustern abzielt“ (ETTERICH 2013, S. 52). Weiterhin sind auch bauliche Schutzmaßnahmen dazu in der Lage vor der Naturgefahr Tsunami zu schützen, wenn auch nur bis zu einem bestimmten Grad, denn gegenüber der enormen Energie eines Tsunamis mit großer Amplitude sind selbst die modernsten Küstenschutzbauten machtlos, wie die Verwüstung der größten Tsunami Sperrmauer der Welt in Japan durch den Tōhoku-Tsunami 2011 zeigte (vgl. ebd., S. 53). Neben den weit verbreiteten Katastrophenschutzmaßnamen
in
Form
von
einer
Einrichtung
von
Strandmauern,
wellenbremsenden und –brechenden Konstruktionen usw., bietet auch der Erhalt bzw. die Wiederherstellung von natürlichen „Barrieren“ wie Mangrovensäume, Korallenriffe, Küstenvegetation, Dünen, Sand- und Schlickbänke, sowie Felsküsten einen gewissen Schutz (vgl. ebd., S. 54). In Regionen für die ein Tsunami ein Naturrisiko darstellt sind nicht zuletzt eine nachhaltige Raumplanung und insbesondere ein nachhaltiges Küstenzonenmanagement wichtig. Dennoch muss die „Festlegung von unbebauten Küstenzonen und der Schutz der natürlichen Strukturen trotz des wesentlichen Beitrags zur Verringerung der Vulnerabilität unter zunehmenden Nutzungsdruck meist ausbleiben“ (ebd.).
4. Der Tsunami vom 26.12.2004 Im Rahmen einer umfassenden Vulnerabilitätsanalyse und um entsprechende Beurteilungen und Empfehlungen aussprechen zu könne, werden in diesem Kapitel zunächst Erkenntnisse aus der Naturgefahrenanalyse herangezogen und die entstanden Schäden auf Sri Lanka als Grundlage zur Erarbeitung der Vulnerabilität dargelegt.
10
4.1
Entstehung und Ausbreitung
Der Ausdruck Tsunami (jap. 津波) setzt sich aus den japanischen Begriffen tsu (jap. 津) für Hafen und nami (jap. 波) für Welle zusammen und wurde durch größere Flutkatastrophen geprägt, die häufig an den Küstenbereichen Japans beobachtet wurden (vgl. ETTERICH 2013, S. 39 und HAMM 2011, S. 47). Es gibt verschiedene tsunamiauslösende Naturereignisse, bei denen es immer durch einen plötzlichen Impuls zu einer Übertragung von gravitativer oder seismischer Energie auf das Medium Wasser kommt (vgl. ETTERICH 2013, S. 48). Zu diesen auslösenden Vorgängen gehören Seebeben, Massenbewegungen an Unterwasserhängen (Rutschungen), Fels- und Eisstürze an Steilküsten,
untermeerische
Vulkanausbrüche,
Vulkankollapse
und
Calderabildung,
Meteoriten- und Kometeneinschläge sowie Gashydratausbrüche am Meeresboden (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 21). Dabei sind Seebeben mit circa 86% weltweit die häufigsten Auslöser von Tsunamis, gefolgt von unterseeischen Vulkaneruptionen (ca. 11%) und Rutschungen (ca. 3%) (vgl. HAMM 2011, S. 47 und ETTERICH 2013, S. 48). Gerade einmal 1% aller Tsunamis werden durch die übrigen Auslösemechanismen ausgelöst (vgl. ETTERICH 2013, S. 48). Durch die enge Kopplung an das Auftreten von Seebeben, ist die Entstehung somit gleichzeitig an tektonische Plattengrenzen gekoppelt und treten häufig an Subduktionszonen auf, an denen ozeanische Lithosphäre in den Erdmantel zurückgeführt wird (vgl. KOPP/WEINREBE 2009: S. 20). Im Zeitraum zwischen zwei Starkbeben, der interseismischen Phase, wird Spannung entlang dieser Lithosphärenplatten aufgebaut, die während eines Bebens in der coseismischen Phase binnen eines kurzen Zeitraums abgebaut wird (vgl. ebd., S. 21). Durch den impulsartigen geologischen Versatz entsteht eine Stauchung und vertikale Hebung der Wassersäule am Ort der Energieübertragung, woraufhin die komplette Wassersäule vertikal in Bewegung gesetzt wird und die Wellen sich konzentrisch vom Bebenherd ausgehend verbreiten (vgl. ETTERICH 2013, S. 48). Dabei entspricht die Amplitude der Wellen dem vertikalen Versatz und die Wellenlänge in etwa dem Bruchsegment des Bebens (bis zu mehreren hundert Kilometern) (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 22). Jedoch lösen nicht alle Seebeben Tsunamis aus. „Dafür muss das Hypozentrum unter Wasser oder in direkter Küstennähe in Tiefen von weniger als 30 km liegen, das Beben hinreichend stark sein (man geht von mindestens 7,0 auf der Richterskala aus) und zu einem vertikalen Versatz des Ozeanbodens führen, damit große Wassermassen verdrängt werden“ (ebd., S. 21). Der Tsunami vom 26. Dezember 2004 wurde um 7:58 Uhr Ortszeit durch ein Seebeben der Stärke 9,3 auf der Richterskala ausgelöst, welches eines der stärksten je gemessenen Erdbeben der Region um den Andamanensee darstellt (vgl. HAMM 2011, S. 48f und BRUCKNER/BRILL 2009, S. 4). Das Epizentrum lag vor der Küste Sumatras bei 3,3° nördlicher Breite und 95,8° östlicher 11
Länge (siehe Abbildung 2), rund 300 Kilometer von der Nordspitze der Insel entfernt in zehn Kilometern Tiefe, an den Grenzen der Indisch-Australischen und Eurasischen Platte (ebd.). „Durch das Beben senkte sich der Meeresboden binnen weniger Sekunden um bis zu 10 Meter und federte wieder hoch. Durch diesen tektonischen Schock wurde der Tsunami mit einer Wellenlänge von 125 bis 250 Kilometer und einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von etwa 800 Kilometern pro Stunde im Indischen Ozean ausgelöst“ (ebd., S. 49). Dabei lässt sich die starke Amplitude des Tsunamis auf die hohe Magnitude des Bebens zurückführen, sowie auf die spezielle tektonische Verwerfungsgeometrie im Untergrund, die ein sehr komplexes Bruchverhalten zeigte (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 22). Abbildung 2 Das Epizentrum und die vom Tsunami 2004 betroffenen Küstengebiete
Quelle: www.welthungerhilfe.de
Tsunamiwellen unterscheiden sich in jeder Hinsicht von herkömmlichen windgenerierten Wellen an der Wasseroberfläche, da sie die gesamte Wassersäule von bis zu mehreren hundert Metern umfassen (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 20). Das Meer wird dabei durch die oben beschriebene Energieabgabe an das Wasser deformiert und bildet langperiodische, impulsiv erzeugte und fortschreitende Wellen aus, die sich vom Störungszentrum in alle Richtungen ausbreiten, wobei die Wellenamplitude mit wachsender Anregungsfläche zunimmt (vgl. HAMM 2011, S. 48). Die Charakteristik von Tsunamiwellen verändert sich mit der Annährung an Küstenabschnitte, da die Wassertiefe abnimmt und der Tsunami vor allem in näheren foreshore-Bereichen vorne stark abgebremst wird, während vom offenen Meer große Wassermassen nachschieben (vgl. ETTERICH 2013, S. 40). Dabei ist das Auflaufen auf eine Küste zunächst mit einem abnormen und raschen Wasserrückzug verbunden, welcher durch das Zurückfließen des Wassers vom Strand 12
in das Wellental entsteht (vgl. HAMM 2011, S. 48). Durch das Abbremsen wird die mitgeführte Energie auf eine immer kleinere Wassersäule gebündelt und es kommt zum „Aufbäumen“ des Tsunamis, in der Fachliteratur als „run-up“ bezeichnet (vgl. ETTERICH 2013, S. 48). Somit tritt die maximale Höhe von Tsunamiwellen über NN immer in Küstenbereichen auf und reicht von mehreren Dekametern bis zu 100 Metern (vgl. ebd.). „Letztendlich treffen sie zuvorderst mit großer Wucht des Wellenkamms und nachfolgend in Form einer ansteigenden Flutwelle mit Geschwindigkeiten von wenigen zehn Stundenkilometern auf die Küste“ (ebd.). In der Regel handelt es sich um eine Abfolge von Wellen zwischen denen einige Minuten bis Stunden liegen können und durch deren „backwash-Effekte“ große Mengen an Treibgut und Sediment verfrachtet werden, wobei von dem mitgeführten Treibgut bei nachfolgenden Wellen ein zusätzliches Zerstörungspotential ausgeht (vgl. ebd.). Die Überflutung durch Tsunamis, auch „Indunation“ genannt, reicht dabei je nach Topographie und Begebenheit bis zu mehrere Kilometer landeinwärts (vgl. ETTERICH 2013, S. 40) Tsunamis können sich bis 20.000 Kilometer ausbreiten und ganze Ozeane binnen einiger Stunden durchqueren (vgl. HAMM 2011, S. 48). Solche transozeanischen Tsunamis oder auch Teletsunamis können auch an zum Auslöseort weit entfernten Küsten großen Schaden anrichten, da Tsunamiwellen sich durch Energieübertragung auf offener See fast ohne Energieverlust ausbreiten (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 22). Generell können Tsunamis durch die Unterschiedlichkeit der Auslöseereignisse und ihre extreme Weitenwirkung von tausenden Kilometern potentiell an allen Küstenregionen der Erde auftreten, allerdings sind die asiatischen Länder „besonders gefährdet für Bewegungen der Erdkruste und vulkanische Aktivitäten, da in diesem Gebiet vier tektonische Platten (Afrikanische Platte, Eurasische Platte, Arabische Platte, Indisch-Australische Platte) aufeinander treffen“ (HAMM 2011, S. 48). So sind in absteigender Reihenfolge der pazifische Raum, der Indische Ozean, sowie der Mittelmeerraum Regionen in denen Tsunamis zumeist auftreten (vgl. ETTERICH 2013, S. 50).
4.2
Frequenz und Amplitude
In der Literatur werden Tsunamis hin und wieder als „high magnitude – low frequenz events“ klassifiziert, welches allerdings als Fehleinschätzung einzustufen ist, da global jährlich über hundert Tsunamis auftreten, von denen sich die Mehrzahl allerdings aufgrund ihrer geringen Amplitude unbemerkt im Meer verläuft und nicht von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird (vgl. KOPP/WEINREBE 2009, S. 20). Die historische Tsunamiforschung oder auch Paläotsunamiforschung belegt mit Dokumentationen des International Tsunami Information Center, dass es sich um ein regelmäßig auftretendes Naturereignis handelt und innerhalb eines Jahrhunderts einige Male mit run-ups von über 20 m, meist sogar über 50 m zu rechnen ist (vgl. ETTERICH 2013, S. 40). So sind in den letzten 400 Jahren weltweit mindesten 15 13
Tsunamis mit Höhen von mehr als 50 Metern und sechs Tsunamis mit mehr als 100 Meter Höhe verzeichnet worden. Solche „Mega-Tsunamis“ haben demnach eine recht geringe Frequenz und zumeist andere Ursachen wie Hangrutschungen, sowie besondere Reliefbedingungen in Form enger Fjorde (vgl. ETTERICH 2013, S. 49). Interessanter Weise sind Hazardforscher wie EQECAT zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Tsunami wie der vom 26. Dezember 2004 wahrscheinlich ungefähr alle 200-500 Jahre auftreten wird (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 82). Im Gegenzug zeigte der Tsunami vom Juli 2006, dass „wahrscheinlich“ bedeutet, dass es in 500 Jahren oder morgen passieren kann (vgl. ebd., S. 97). „Die in der Frequenz häufig auftretenden Tsunamis in Folge von Seebeben zeigen in ihrer Amplitude im Wesentlichen eine Korrelation zu der Magnitude des Bebens auf“ (ETTERICH 2013, S. 49). Neben dem Auslöseereignis wird die Amplitude stark von der Küstenmorphologie und dem Relief bedingt (vgl. ebd.). Das auslösende Seebeben vom 26.12.2004 hatte insgesamt eine Bebenstärke von 9,3 auf der Richterskala und entstand durch mehrere Meter Versatz entlang einer 1200 km langen Störung im nördlichen Indischen Ozean, die sich über 500 Sekunden nach Norden fortpflanzte (vgl. SCHEFFERS/KELLETAT/ENGEL 2009, S. 12). Die Höhe und Energie der Tsunamiwellen wurden in diesem Fall nicht durch Vertikalbewegungen der Ozeankruste hervorgerufen, sondern durch Horizontalbewegungen, welche die 5-fache Energie der Vertikalbewegungen hatten (vgl. ebd.). So wirkten nach dem im vorigen Kapitel beschriebenen Prinzip die Süd- und Ostküste Sri Lankas wie ein Bollwerk auf die Tsunamiwellen und diese sich bis zu 8-10 Meter Höhe aufbäumten und anschließend stellenweise bis zu 1 km ins Hinterland vordingen konnten (vgl. DOMRÖS 2005, S. 10).
4.3
Primär- und Sekundärgefahren
Das Naturereignis Tsunami wird häufig als Naturgefahr aufgefasst und kann dabei als primäre Gefahr, wie auch als sekundäre Gefahr im Zuge eines auslösenden Prozesses wie einem Erdbeben verstanden werden (vgl. ETTERICH 2013, S. 50). Dabei zählen zu den primären Gefahren oder auch Primäreffekten durch einen Tsunami Küstenüberflutung, mechanische Wellenwirkung auf Bauwerke sowie backwash-Effekte (vgl. ebd.). „Abhängig von der Mächtigkeit (Amplitude, bzw. run-up) und der mitgeführten Geröll- und Suspensionsfracht eines Tsunamis werden dabei Küstenschutzeinrichtungen und Vegetation bis kilometerweit ins Landesinnere in Mitleidenschaft gezogen“ (ebd.) und so kritische Infrastruktur in Form von Verkehrswegen, Stromversorgungseinrichtungen und Kommunikationssysteme großflächig beschädigt oder zerstört (vgl. ebd.). Sekundärgefahren oder -effekte durch Tsunamis sind einerseits
Materialumlagerung
im
Küstenbereich
und
Küstenerosion,
andererseits
Langzeitfolgen wie „Obdachlosigkeit der Bevölkerung, die Zerstörung von Habitaten, 14
Salzwasserintrusion, Giftstoffeinbringungen (Abwasser, Erdöl, Chemikalien usw.) sowie Seuchengefahr durch nicht geborgene Menschen- und Tierleichen“ (ebd., S. 50f). Das generelle Risiko der Naturgefahr Tsunami wird dabei durch eine Verknüpfung von der Exposition eines Gesellschaftssystems und dessen Vulnerabilität bemessen und in den nächsten Kapiteln näher erläutert (vgl. ebd., S. 51).
4.4
Schäden in Sri Lanka
Der zuvor beschriebene Tsunami vom 26.12.2004 hat für verheerende Schäden in vielen südostasiatischen Küstenregionen gesorgt. Obwohl 13 Ländern von dem Naturereignis betroffen waren, traf es Sri Lanka, neben dem sehr nah am Epizentrum lokalisierten Indonesien, am meisten (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 286). 4.4.1 Menschliche Schäden Insgesamt forderte der Tsunami von 2004 mehr als 230.000 Todesopfer, wobei die höchste Opferzahl in Indonesien zu finden ist (vgl. HAMM 2011, S. 47 und 49). Nach offiziellen Angaben starben in Sri Lanka bis zu 38.000 Menschen durch den Tsunami (vgl. ebd., S. 49). „Vor allem die Ostküste Sri Lankas – von Jaffna im Norden bis zu den beliebten Touristenstränden im Süden – wurde von den Flutwellen verwüstet. Bis zu drei Kilometer drang das Wasser im Nordosten ins Land vor, so dass zwei Drittel der gesamten Küste Sri Lankas durch den Tsunami verwüstet worden sind“ (ebd.). Die meisten Todesopfer waren Einheimische, aber auch 107 Touristen wurden getötet und im März 2005 waren 6.500 Menschen (darunter 64 Touristen) immer noch vermisst (vgl. ROBINSON/JARVIE 2008, S. 631). Zusätzlich verloren weitere 500.000 Personen ihr Zuhause (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 82). Die sich ausbreitenden Wellen des Tsunamis erreichten fast zeitgleich die Küsten von Sri Lanka und Thailand. Im Falle von Sri Lanka trafen die Wellen zwischen 8:27 und 10:30 lokaler Zeit die Küsten, wobei Kalmunai an der Ostküste als erstes getroffen wurde und Negombo an der Westküste als letztes (vgl. ebd. und Abbildung 3). Die höchsten Opferzahlen und zeitgleich die größten Zerstörungen innerhalb des Landes wurden im Distrikt Amparai registriert, gefolgt von Batticaloa und Galle (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 288). Sri Lanka wurde besonders hart getroffen, da es das erste Land war, auf welches die Wellen trafen, die sich vom Epizentrum aus nach Westen verbreiteten (siehe Abbildung 2) und sowohl Amparai als auch Batticaloa lagen im direkten Weg des Tsunamis (vgl. ebd.).
15
Abbildung 3 Die betroffenen Bereiche auf Sri Lanka mit geschätzten Ankunftszeiten
Quelle: Gunatillake (2007)
Auch Menschen aus Colombo, die auf dem einzigen Highway des Landes in der Nähe der Küste aus oder in die Stadt fuhren, wurden schwer getroffen, da sie mit ihren Fahrzeugen ins Meer gespült wurden (vgl. ebd., S. 287). Zusätzlich löste die Flutwelle das Zugunglück von Peraliya aus, das mit weit mehr als 1.000 Opfern als schwerstes Zugunglück der Geschichte gilt (vgl. HAMM 2011, S. 50). Auch hier wurde es den Menschen zum Verhängnis, dass die Zugstrecke nur wenige Meter vom Meer verläuft (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 289). 4.4.2 Sachschäden Insgesamt sorgte die Tsunamikatastrophe im Indischen Ozean für Schäden in Höhe von 10,6 Mrd. US$ (vgl. HAMM 2011, S. 49 und SMOLKA/KRON 2005: S. 5). Innerhalb von Sri Lanka wird der Gesamtschaden auf eine Milliarde Dollar beziffert (vgl. HAMM 2011, S. 50). Die Schäden die im Land entstanden sind immens: „69.000 Häuser wurden komplett zerstört, 43.000 beschädigt, 16
20.000 Fischerboote wurden zerstört und mehr als 500.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz im Tourismus“ (ebd., S. 49f). Von Sri Lankas 35 Distrikten grenzen 14 an die Küste und von diesen waren 13 vom Tsunami betroffen (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 288). Dabei wurde besonders die von Tamilen und Muslimen dominierte Ostküste getroffen, welche durch den Jahrzentelangen ethnischen Konflikt innerhalb des Landes ohnehin schon stark unter unzureichender Infrastruktur zu leiden hatte: Schätzungsweise 40% des Gesamtschadens trat in den Regionen der Ostküste ein (vgl. ROBINSON/JARVIE 2008, S. 631f). Generell schlussfolgern auch BRINKMANN und FERNANDO (2007) durch ihre Feldstudien schnell, dass die entstandenen Schäden innerhalb des Landes lokal sehr unterschiedlich ausfielen (S. 87). In Galle wurden zum Beispiel besonders viele administrative Gebäude, Schulen und Krankenhäuser beschädigt, da diese in der drittgrößten Stadt des Landes vermehrt angesiedelt sind (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 290). Auch wenn Galle nicht in der direkten Laufbahn des Tsunamis lag, so wurde die Stadt doch recht hart von reflektierenden Wellen getroffen, die mit circa 4-9 Metern vergleichbar hoch wie in Batticaloa mit 6-10 Metern ausfielen (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 87). GUNATILLAKE (2007) führt weiter auf, dass circa 5% des nationalen Networks und 2% der lokalen Straßennetzwerke, zahlreiche Brücken und Kanäle, sowie der im Süden an die Küste angrenzende Yala National Park stark beschädigt wurden (S. 290). Im Norden und Osten wurden durch die backwash-Effekte weiterhin 2.000.000 Antipersonenminen, die im Bürgerkrieg zwischen der Regierung und der nach Autonomie strebenden Tamilen-Bewegung am Strand vergraben waren, nun auch in eigentlich minenfreie Gebiete gespült (vgl. HAMM 2011, S. 50).
5. Vulnerabilitätsfaktoren Sri Lankas Wie bereits zu Anfang angedeutet, sollte Vulnerabilität normalerweise vor einem Ereignis identifiziert und gemessen werden, allerdings haben die meisten Herangehensweisen bei der Vorhersage des zerstörenden Tsunamis und der Vulnerabilität der Küstengemeinschaften Sri Lankas versagt, sodass die dadurch erst aufgezeigte Vulnerabilität besonders gegenüber Phänomenen mit einer geringen Frequenz, aber starken Amplitude nun im Nachhinein erfasst werden kann (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 83). Dabei dienen die so aufgezeigten Vulnerabilitätsfaktoren als Grundlage für ein besseres Verständnis der betroffenen Gemeinschaften (inklusive Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen) und einen nachhaltigen Wiederaufbau (vgl. ebd.). Das bedeutet, dass eine Identifikation der am stärksten anfälligen Bereiche, Gruppen und Infrastrukturen essentiell ist, um ein stumpfes Nachbilden von Strukturen mit hoher Vulnerabilität zu vermeiden (vgl. ebd.). Dabei soll im Folgenden nach 17
dem in Kapitel 3.4 vorgestellten Framework in umweltbedingte, soziale und wirtschaftliche Faktoren unterschieden werden, wobei der Fokus auf den sozialen Faktoren liegt, da diese im Zuge der eingetretenen Katastrophe eine besondere Rolle spielen.
5.1
Umweltbedingte Faktoren
Nach DOMRÖS (2005) wurde das katastrophale Ausmaß der Katastrophe durch verschiedene Gründe erheblich forciert, von deinen einige auf die Topographie des Landes zurückzuführen sind (S. 10). So sind die Naturräume entlang von Sri Lankas Küsten vom Menschen stark degradierte, sensible und vulnerable Ökosysteme: Abholzung der Mangroven, Raubbau der stellenweise vorhandenen Korallenbänke und küstennahe Bebauung insbesondere durch touristische Infrastrukturen haben die Küstenregion stark geprägt und die Vulnerabilität gegenüber der Naturgefahr Tsunami erhöht (vgl. ebd.). Die dichte Besiedlung der Küsten vornehmlich durch Fischer spielt dabei eine große Rolle und fällt auch gleichzeitig in die Kategorie der sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, was die starke Verknüpfung der drei Aspekte verdeutlicht. Weiterhin bieten die besonderen Küstenformen Sri Lankas in Form von Riasküsten im Süden und Lagunenküsten im Osten wenig Schutz vor dem Meer und sind sehr empfänglich für durch heftigen Seegang verursachte Zerstörungen (vgl. ebd.). „Ungeachtet dessen sind der Küstenschutz vernachlässigt und Küstenbefestigungen (Dämme, Deiche) in der Regel nur unzureichend errichtet worden“ (ebd.). Zudem erstrecken sich die Küstenregionen meistens flach in das Hinterland, welches zu Begünstigungen hinsichtlich des Eindringens von Meerwasser führt und Siedlungen mit wenigen Ausnahmen, wie das koloniale Fort in Galle, ohne besonderen Schutz nur geringfügig über dem Hochwasserniveau liegen (vgl. ebd.). So zeigen auch die Feldstudien von BRINKMANN und FERNANDO (2007), dass die Zerstörungen keiner geraden 100-Meter-Linie folgen (wie die nach der Katastrophe eingerichteten Pufferzonen implizieren), sondern je nach Küstenbeschaffenheit, Bebauungsart, angelegtem Kanal- und Straßensystem und natürlich vorhandenen Elementen wie Mangroven ein signifikant unterschiedlicher Einfluss der Tsunamiwellen erreicht wurde (S. 91). So wurden durch die Katastrophe auch die „die Bedeutung von Mangroven, Küstenwäldern und Korallenriffen als Puffersysteme gegen Flutwellen erkannt“ (BRUCKNER/BRILL 2009, S. 9). Im Vergleich der bereits angesprochenen Städte Galle und Batticaloa zeigt sich, dass in Batticaloa kaum ein Unterschied zwischen der Höhe der Zerstörung innerhalb und außerhalb der 100 Meter-Zone aufzufinden ist, während die Zerstörungen in Galle in direkter Nähe zur Küste wesentlich höher ausfallen und somit aufgrund der örtlichen Topographie in Batticaloa auch weiter Inlands starke Schäden verursacht wurden (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 91). 18
5.2
Soziale Faktoren
Laut des World Disaster Report von 2014 sollen soziale Ressourcen in die Abschätzung von Vulnerabilität mit einbezogen werden, um potentielle Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Effektivität von Katastrophenschutzmaßnahmen erwägen zu können und damit eine Schutzkultur zu unterstützen, die sensibel gegenüber lokalen Kontexten ist und keine Marginalisierung begünstigt (S. 21). Im Kontext von Sri Lanka könnten solche Risikoreduzierungen auch im Zusammenhang mit einem nachhaltigen und gleichberechtigten Frieden stehen, was verdeutlich wie Handlungen auf lokaler Ebene potentiell signifikante Einflüsse auf nationaler Ebene haben können (vgl. ebd.). Oftmals erkennt angebotene Hilfe in betroffenen Regionen informelle Einflüsse und Informationskanäle nicht, die zum Alltag der lokalen Bevölkerung gehören und kann diese somit auch nicht nutzen. Neben starken institutionellen Grundlagen zur Risikoreduzierung gibt es wenig Wissen über den Zusammenhang von menschlicher Vulnerabilität mit deren Ethnizität, ökonomischem Stand und lokalem Einfluss (IFRCRCS 2014, S. 21). Wie TURNHERR (2014) raustellt diskriminieren Katastrophen in den meisten Fällen entlang gebildeter Unterscheidungskategorien, wie sozialer Klasse, Kaste, Geschlecht, Ethnizität und Alter (S. 110). „It is important to understand that disaster impacts are not homogenous or uniform. Different societies, subpopulations and income and cultural groups vary in their vulnerability, resilience and even in their recovery outcomes” (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 97). Weiterhin spielen lokale Organisationen und die Mitgliedschaft in informellen sozialen Netzwerken, wie Familiennetzwerken, eine wichtige Rolle in der Bewältigung von negativen Einflüssen durch einen Tsunami (vgl. ebd.). Als der Tsunami das Land verwüstete, waren es primär Nachbarn (55 %), andere Familienmitglieder und Verwandte (18%) und Freunde (10%), die den betroffenen Personen halfen, bevor die zuständigen Behörden Hilfe und Unterstützung geben konnten (vgl. ebd., S. 98). 5.2.1 Risikowahrnehmung und –bereitschaft Sri Lanka ist generell in der glücklichen Lage von vielen Naturkatastrophen verschont zu sein: Das einzige notierte Tsunami-Ereignis datiert sich auf 1882 zurück, das Land ist erdbebensicher und auch von tropischen Wirbelstürmen weitestgehend verschont (vgl. DOMRÖS 2005, S. 10). Sri Lanka wurde demnach völlig unerwartet und unvorbereitet getroffen. Die Befragung durch BRINKMANN und FERNANDO (2007) bringt das ganze Ausmaß der Unwissenheit zum Vorschein: Nur 8-10% der befragten Küstenbewohner hatten schon einmal von einem Tsunami und Küstengefahren gehört. Tatsächlich gaben 90% der Befragten an in ihrem Leben noch nie von einem Tsunami gehört zu haben (S. 97). Auch eine Studie des Asian Disaster Reduction Center (ADRC), welches eine Befragung unter Schülern und Lehrern in Galle durchführte, kam zu dem 19
Ergebnis, dass von 1.000 Befragten 90% nicht wussten, was ein Tsunami ist (vgl. ebd.). Zusätzlich fanden Ebengenannte heraus, dass das Wissen über Tsunamis unter den Anwohnern, die bereits 10 Jahre oder länger an der Küste lebten wesentlich höher war, als das von vor weniger als 5 Jahren Hinzugezogenen (S. 98). So verwundert es nicht, wenn GUNATILLAKE (2007) beschreibt, dass in ihrem Unwissen viele Menschen in der temporären Rückzugsphase des Wassers begannen das normalerweise verborgene marine Habitat zu erkunden und sogar Fotos machten bevor 15 Minuten später die erste Welle an der Küste antraf (S. 285). Da der Tsunami Sri Lanka an einem buddhistischen Feiertag heimsuchte, waren besonders viele Menschen an den Stränden (vgl. ebd. S. 287). Auch wird beschrieben, wie Anwohner entlang der Südostküste nach der ersten Welle in einen zum Stehen gekommenen Zug kletterten, weil sie dachten dort sicher zu sein (vgl. ebd., S. 90). Dies zeigt deutlich, dass beim Eintritt von „Katastrophen“ in der Regel auch menschliches Versagen eine große Rolle spielt, hier in Form von Sorglosigkeit im Umgang mit Naturgefahren und Nachlässigkeiten aller Art (vgl. HEDINGER/FALK/REUSCHENBACH 2007, S. 6). Auch GUNATILLAKE (2007) betont, dass die Ignoranz gegenüber Tsunamis die Betroffenheit durch dieses Naturereignis erhöhte und die Todesrate durch Wissen über Tsunamis erheblich hätte reduziert werden können (S. 289f). Daher wird in der Fachliteratur wiederholt betont, dass die Information der Bevölkerung und Touristen, sowie die Schaffung von technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine schnelle Kommunikation oberste Priorität in der Senkung der Vulnerabilität darstellt: „When examining the coping capacity of tsunami-affected people, education and knowledge of the hazard are an essential aspect. Recognition of the danger is a prerequisite for being able to activate evacuation and coping mechanisms” (BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 97). Die Erhöhung des Risikobewusstseins und die Realisierung von Evakuierungsstrategien bilden die Basis für den Schutz der Bevölkerung, deren wichtiges Element die Vertrautmachung der Bevölkerung mit Tsunamis und auch anderen Küstengefahren darstellt (vgl. ebd., S. 98). Neben der Sensibilisierung der lokalen Bevölkerung stellt auch die Aufnahme von Naturgefahren in Sri Lankas Schulcurriculum des Faches Geographie ein wichtiger Schritt dar (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 292). Es handelt sich bei einem Tsunami mit recht starker Amplitude für fast alle betroffenen Länder außer Indonesien um ein recht seltenes Ereignis, das sich in diesem Ausmaß vielleicht über mehrere Generationen hinweg nicht wiederholen wird (vgl. SMOLKA/KRON 2005, S. 5). Die Erhaltung des Risikobewusstseins stellt daher eine große Herausforderung dar, die aber ohne Zweifel angegangen werden muss. Wie bereits in Kapitel 4.2 erwähnt können diese
20
Schätzungen das Eintreten nur bedingt vorhersagen und der nächste „Mega-Tsunami“ schneller auftreten als erwartet (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 97). 5.2.2 Armut Bei dem Eintritt von Sozialkatastrophen zeigt sich, dass nicht alle Menschen gleichermaßen betroffen sind, sondern es vielmehr die ohnehin schon Benachteiligten sind, die darunter besonders zu leiden haben (vgl. HAMM 2011, S. 7). Sri Lanka hat aktuell einen Human Development Index von 0,75 und liegt damit im weltweiten Vergleich auf Rang 73 (Deutschland auf Platz 6) (vgl. UNDP o.J., o.S.). Leider finden sich wenig offizielle Zahlen insbesondere aus dem Jahr 2004, aber 2005 lag der Index bei 0,71 (vgl. ebd.). Im selben Jahr lag die Bevölkerung bei 19.619.000 Menschen, die ein Bruttonationaleinkommen von 1.210 US$ pro Person generierten (vgl. WKÖ o.J., o.S.). Die Arbeitslosenquote wurde für 2005 zwar nur mit 7,7% angegeben (im Vergleich hatte Deutschland im selben Jahr laut Statista (o.J.) eine Quote von 10,5%), allerdings liegt der Anteil der Bevölkerung, die für weniger als 2 US$ am Tag arbeiten aktuell bei 26% (vgl. WKÖ und UNDP o.J., o.S./keine Zahlen für 2004/2005 vorhanden). Besonders wenn es um die Einschätzung sozialer Vulnerabilität geht spielen die unterschiedlichen Besitztümer und Zugänge zu Ressourcen eine Schlüsselrolle (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 86). „Es ist entscheiden, dass besonders die armen Menschen von der Katastrophe betroffen waren und ihren bescheidenen Anfangswohlstand verloren haben. Dies stellt einen enormen Rückschlag bei der Heranbildung einer Art ersten Mittelstandes dar“ (HAMM 2011, S. 53). Damit Hilfe und Unterstützung für den Wiederaufbau, sowie die zukünftige Entwicklung effektiv sind, müssen diese besonders die am stärksten gefährdeten Gruppen mit den größten Schwierigkeiten hinsichtlich der Bewältigung adressieren (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 92). BRINKMANN und FERNANDO (2007) verglichen für die beiden Städte Batticaloa und Galle wie lang die Bevölkerung vermutlich für die Erholung benötigen wird, wobei Menschen die unter dem Existenzminimum von damals circa 13 US$ pro Monat lebten automatisch der Kategorie „nicht in der Lage sich überhaupt zu erholen“ zugeordnet wurden (S. 93). Diese Kategorie machte in Batticaloa 11% und in Galle 4% aus, wobei die Haushalte an der durch den Krieg geplagten Ostküstenstadt Batticaloa generell mehr Zeit brauchen werden um sich zu erholen (vgl. ebd., S. 94f). So haben geschätzte 59% der Haushalte in der Stadt 25 Monate und länger benötigt bis die Schäden überwunden waren (vgl. ebd.). Obwohl Arme die vulnerabelsten Menschen in einer Gesellschaft sind, so muss dennoch auch herausgestellt werden, das diese eine Varietät an Kapazitäten, wie soziale Netzwerke, haben die ihnen beim Umgang mit den Folgen einer Sozialkatastrophe helfen, selbst wenn sie keinen 21
Zugang zu finanziellen Mitteln haben. Dies verbindet erneut die negative Eigenschaft der Anfälligkeit mit der positiven Eigenschaft der Bewältigungsfähigkeiten hinsichtlich ihrer Vulnerabilität (vgl. ebd., S. 84) 5.2.3 Geschlecht und Alter Unterschiede bezüglich des Einflusses einer Naturgefahr auf Männer und Frauen ist eine Reflektion
der
Vulnerabilitäten
verschiedener
Geschlechtergruppen
und
Geschlechterrelationen innerhalb einer Gesellschaft (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 89). So wurden von dem Tsunami 2004 auf Sri Lanka insbesondere Frauen, sowie Kinder und alte Menschen stark betroffen (vgl. HAMM 2011, S. 56). Laut Oxfam International sind vielerorts wesentlich mehr Frauen als Männer in dem Tsunami umgekommen, weil viele Männer in ihren Fischerbooten auf See waren und die Wellen gar nicht spürten (vgl. ebd.). Teilweise sollen bis zu 80% der Todesopfer Frauen sein (vgl. ebd., sowie TURNHEER 2014, S. 112). Eine Interviewstudie zeigte auch, dass in Batticaloa viele Familien auf die Dächer ihrer Häuser kletterten und die Ehefrauen und Töchter dazu oftmals in der Kürze der Zeit weniger gut in der Lage waren (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 89). Andere Studien deuten an, dass weibliche Haushaltsmitglieder aufgrund ihrer traditionellen Rolle hinsichtlich der Führung des Haushaltes häufiger in ihren Häusern von dem Tsunami überrascht wurden und zusätzlich oftmals nicht in der Lage waren zu schwimmen (vgl. ebd.). Der starke Geschlechtsunterschied der die unterschiedliche Vulnerabilität von Männern und Frauen offenlegte, wurde auch in anderen tsunamibetroffenen Gebieten wie Indonesien und Indien durch Studien belegt (vgl. ebd.). Das Ungleichgewicht der Geschlechter „könnte längerfristig erhebliche gesellschaftliche Probleme in den betroffenen Orten verursachen. Außerdem kam es unmittelbar nach der Katastrophe vermehrt zu Vergewaltigungen, Schikanierungen und Zwangsehen junger Mädchen“ (HAMM 2011, S. 56). Auch von Menschenhändlern ist die Rede (vgl. ebd.). An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass durch den anhaltenden Bürgerkrieg über Jahre hinweg mehr Männer durch die Auseinandersetzungen umgekommen waren als Frauen, sodass einerseits das Geschlechterverhältnis auf nationaler Ebene nicht sonderlich unausgeglichen war, für einzelne Lokalitäten sich schlagartig hingegen die Gesellschaftsverhältnisse änderten (vgl. TURNHEER 2014, S. 112). Generell existieren bezogen auf die Geschlechter bei Männern und Frauen unterschiedliche Einstellungen gegenüber Risiken, welches sich zum Beispiel in einer höheren Sterberate von Männern bei überfluteten Straßen in den USA und Australien wiederspiegelt: Männer fahren öfter in das Wasser ohne zu wissen wie tief dieses ist als Frauen (IFRCRCS 2014, S. 15). Bezogen auf das Alter sind die meisten Todesopfer in der Altersgruppe von 0-10 und 61 und älter zu finden (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 90). Dies lässt sich vermutlich auf die 22
eingeschränkte Mobilität dieser Gruppen, sowie ihre körperliche Stärke bzw. Schwäche zurückführen. Kinder sahen sich den einströmenden Fluten oftmals hilflos gegenüber ohne Wissen darüber, wie sie sich am besten in Sicherheit bringen können, zumal in der Schule Tsunamis nie behandelt wurden. Die Vermutung, dass diese beiden Altersgruppen generell diejenigen mit der höchsten Vulnerabilität gegenüber Naturgefahren sind, mag hinsichtlich von Tsunamis richtig sein, gilt allerdings nicht für alle Naturereignisse: Durch Hurricane Katrina waren in den USA unverhältnismäßig viele ältere Leute unter den Todesopfern, während sehr junge Menschen keine Hohe Vulnerabilität zeigten (vgl. ebd.). Das sich unter den Todesopfern auffallend viele Frauen, Kinder und ältere Personen befanden verdeutlicht die Folgen des Tsunamis hinsichtlich der entscheidenden Bedeutung „politischer, sozio-ökonomischer und geschlechtsspezifischer Rahmenbedingungen, welche generell die Konsequenzen von Katastrophen prägen, so „natürlich“ deren Ursachen aus sein mögen“ (THURNHEER 2009, S. 85). 6.2.4 Kultur und Glaube “Around the world, a majority of people are likely to have at least a partial perception and response to risk that is based on their culture” (IFRCRCS 2014, S. 11). Daher wird zu Recht die Frage aufgeworfen, warum Kultur hinsichtlich von Risikoreduzierungen nicht stärker in den Fokus tritt, da die Effektivität von Katastrophenschutzmechanismen durch eine Betrachtung der lokalen kulturellen Begebenheiten verbessert werden kann (vgl. ebd.). Die Interkation zwischen Kultur und Risiko bezieht sich auf viele Aspekte des menschlichen und institutionellen Verhaltens, einschließlich des religiösen Glaubens (vgl. ebd., S. 12). Kultur ist sehr komplex, beinhaltet Glauben, Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen und ist in alle Aspekte des Lebens eingebettet und beeinflusst so auch wie Risiko definiert wird (vgl. ebd., S. 13). Im World Disasters Report 2014 wird Kultur daher hinsichtlich seiner Beziehung zu Risiko definiert: “Culture consists of beliefs, attitudes, values and their associated behaviours, that are shared by a significant number of people in hazard-affected places. Culture in relation to risk refers to the ways that people interpret and live with risk, and how their perceptions, attitudes and behaviour influence their vulnerability to hazards” (IFRCRCS 2014, S. 14). Der Grund warum es besonders wichtig ist die Kultur einer Gemeinschaft zu verstehen, liegt darin, dass diese oft eng verbunden mit Gefahren ist: Sie beinhaltet Glauben über Risiken und definiert über Einstellungen und Werte, Prioritäten und Handlungen in Bezug auf Risiken (vgl. ebd.). Daher ist es hinsichtlich einer Katastrophenvorbereitung höchst relevant eine gegebene Kultur zu betrachten, was leider von vielen Organisationen immer noch ignoriert wird und so der Wille der Menschen, bestimmte Formen des Katastrophenschutzes zu unterstützen, beschränkt ist (vgl. ebd.). Menschen sind durch Religionen und Glauben bewusst und 23
unbewusst in ihren Weltansichten beeinflusst, welche sich durch Erfahrungen entwickelt haben und die Kultur reflektieren. Daher entscheiden Menschen sich bestimmten Doktrinen zu folgen, wenn diese ihrem Kulturerbe, ihren Prioritäten, Werten und ökonomischen Interessen entsprechen (vgl. ebd.). Kultur kann Vulnerabilität daher erhöhen oder auch reduzieren und beeinflusst auch stark den Erholungsprozess nach einer Katastrophe (vgl. ebd.). In Sri Lanka sind nach der Volkszählung 2011 70,2% der Bevölkerung Buddhisten, 12,6% Hindus, 9,7% Muslime und 7,4% Christen (vgl. DEPARTMENT OF CENSUS AND STATISTICS 2012, o.S.). Da es der Umfang der Arbeit nicht zulässt alle Religionen differenziert zu betrachten wird an dieser Stelle nur näher auf den buddhistischen und hinduistischen Glauben eingegangen, die beide durch den Glauben an mehrere Gottheiten und übernatürliche Kräfte geprägt sind. Eines der Hauptdoktrin des Buddhismus ist das Konzept der Unbeständigkeit, welches die menschliche Machtlosigkeit gegenüber der Natur darstellt und Katastrophen als Warnungen der Götter erklärt, die die Menschen an ihre Unbeständigkeit erinnern sollen (vgl. IFRCRCS 2014, S. 50). Weiterhin berichtet TURNHEER (2014), dass der Tsunami von vielen Menschen als göttliche Strafe für moralisch unreine Menschen oder auch moralisch falsches Verhalten betrachtet wird (S. 277f). Dies „made the sea goddess ‘boil with anger’ that resulted in massive waves destroying all of Navalady, killing so many and tormenting the rest” (ebd.). Weiterhin hält sich verbreitet der Glaube, dass es verschiedene Zeichen und Vorwarnungen gab, die auf die anstehende Katastrophe hingedeutet haben und von manchen als (positive) göttliche Warnungen betrachtet wurden (vgl. ebd.). So wurde nach dem Tsunami aus verschiedenen Gemeinschaften vermehrt von besonderen Ereignissen im Vorfeld des Tsunamis berichtet, die als Zeichen interpretiert werden und auch weiterhin verstärkt jedes Naturphänomen vorsichtig observiert und verdächtigt ein Beweis für eine weitere, anstehende Gefahr zu sein (vgl. ebd., S. 278). Jedoch glaubten nicht alle daran, dass die Götter versucht hatten die Menschen zu warnen und wendeten sich daher von vorher verehrten Göttern ab, da sie verärgert darüber waren, dass diese die Katastrophe weder verhindert haben noch geliebte Familienmitglieder retteten (vgl. ebd.). Im Gegensatz dazu steht die zuvor berichtete Auffassung, dass das Unheil richtiger Weise über das Land hereinbrach und in einem weiteren Schritt in individuellen Fällen die Menschen die Katastrophe durch Fehlverhalten sogar „verdient“ haben (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, wie Unglück vor Ort generell verstanden wird: Die Menschen tendieren dazu Unfälle, Verluste, Krankheiten oder Pech mit übernatürlichen Kräften in Verbindung zu setzen. Bricht Unglück über eine Person herein wird dies häufig mit falschen Verhaltensweisen oder moralischen Fehlern der Person erklärt (vgl. ebd.). „Against this backdrop, explanations of the tsunami extended logically within a framework of moral or 24
ritual transgressions. Hence the tsunami was frequently related to people’s alleged greed and selfishness. This was further coupled at times with the idea of an angry sea goddess: there was said to have been too much fishing, too much wealth robbed from the sea. It provoked the sea’s anger and caused the tsunami” (ebd.). 6.2.5 Ethnizität Die Singhalesen stellen auf Sri Lanka die Mehrheit der Bevölkerung mit 74,9%, gefolgt von den Tamilen, die mit 15,4% die größte Minderheit ausmachen (vgl. DEPARTMENT OF CENSUS AND STATISTICS 2012, o.S.). Weiterhin nennenswert sind die Moors, eine Gruppe tamilsprachiger Muslime, die weitere 9,2% der Gesamtbevölkerung ausmachen (vgl. ebd.). Abbildung 4 zeigt die räumliche Verteilung der Ethnien innerhalb des Landes basierend auf ebendiesen Zahlen und zeigt deutlich die Abgrenzung der Tamilen im Norden und an der Ostküste, sowie teilweise im Hochland in den Gebieten der Teeplantagen. Das Land wird oftmals von der lokalen Bevölkerung in Norden, Osten und Süden unterteilt, wobei der Norden und Osten Tamilenland ist und der Süden für den stark touristisch geprägten, ländlichen Raum, der von Singhalesen besiedelt ist, steht. Alle drei Bereiche sind auch jene, die von dem langsam aufblühenden Wohlstand des Landes am wenigsten profitieren und gleichzeitig am stärksten vom Tsunami getroffen wurden (vgl. HYNDMAN 2007, S. 363). Abbildung 4 Verteilung der Ethnizitäten in Sri Lanka
Quelle: Department of Census and Statistics (2012): Population by ethnic group according to Divisional Secretary's Division, Abbildung aus Wikipedia
Die „Angst vor kleinen Zahlen“ (engl. fear of small numbers) wie HASBULLAH und KORF (2013) es betiteln sorgt innerhalb des Landes immer wieder für inter- und intra-ethnische, sowie inter25
und intra-religiöse Konflikte und manifestierte sich seit der Unabhängigkeit von Britannien im Jahr 1948 immer wieder in verschiedensten Pogromen gegen die unterschiedlichen Religionen und ethnischen Minderheiten (S. 34). In dieser Hinsicht ist besonders der Bürgerkrieg zwischen der aus der singhalesischen Mehrheit gebildeten Regierung und der nach Unabhängigkeit strebenden Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), der ab 1983 eskalierte und für Jahre andauernde Kämpfe und Angriffe sorgte, zu nennen (vgl. ebd.). HYNDMAN (2007) ergänzt, dass sich der Hauptkonflikt zwar immer wieder zwischen diesen beiden ethnischen Gruppen abspielt, „but at different times the Sri Lankan Muslims have been allies to each side“ (S. 362). Insgesamt übersteigt die Todesrate durch diese Konflikte eine Zahl von 56.000 Toten und viele Menschen mussten aus ihren Dörfern fliehen und wurden durch den Tsunami 2004 erneut verdrängt (vgl. ebd., S. 361 und 364). Hinsichtlich der Betrachtung von Naturgefahren und Katastrophenschutzmaßnahmen ist dies insofern relevant, als dass durch den Konflikt und das gegenseitige Misstrauen eine Kultur der „purification“ oder Reinhaltung gepflegt worden, die bis auf die kleinsten territorialen Einheiten heruntergetröpfelt ist und Siedlungen, Enklaven und Distrikte in „purified territorial containers“ verwandelt hat (vgl. HASBULLAH/KORF 2013, S. 34). Die meisten Dörfer sind somit nur von Menschen der gleichen Ethnie und Religion besiedelt und es gibt starke Relationen von Angst und Misstrauen innerhalb verschiedener Sektoren der Sri Lankanischen Gesellschaft (vgl. HYNDMAN 2007, S. 364). So wird unter den Dörfern häufig wenig kommuniziert, was hinsichtlich von Katastrophenschutzmaßnahmen negativ zu bewerten ist. Dies zeigt deutlich, dass auch nicht-religiöser Glaube eine wichtige Rolle spielt, da Werte und Haltungen u.a. durch politische Faktoren bestimmt sind, wie zum Beispiel Kriege. Während eines Konfliktes haben Menschen selten die Fähigkeit Entscheidungen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu treffen und der Bürgerkrieg hat die geographischen und ethnischen Grenzen innerhalb Sri Lankas über Jahre hinweg verschärft (vgl. IFRCRCS 2014, S. 42). Im Angesicht einer Katastrophen werden diese ethnischen und religiösen Grenzen häufig zumindest kurzzeitig missachtet und so wurde auch in Sri Lanka direkt nach dem Tsunami gemeinsam versucht Menschen im stark getroffenen Nordosten zu retten und ihnen zu helfen. Allerdings hielt das temporäre Miteinander nicht lange an und so wurde nach dem Tsunami und teilweise auch bedingt durch seine Folgen hinsichtlich von politischen Entscheidungen der 2002 beschlossene Waffenstillstand gebrochen und bis zum Jahr 2008 erneut offen gegeneinander gekämpft, worauf in Kapitel 7 weiter eingegangen wird (vgl. ebd. und HYNDMAN 2007, S. 364).
6.3 Wirtschaftliche Faktoren Die letzte Kategorie von Vulnerabilitätsfaktoren sind die wirtschaftlichen Faktoren. Auf über 500 km Küstenlinie wurde in Sri Lanka nicht nur die dortigen Wohnhäuser zerstört, sondern 26
auch die dort ansässige Wirtschaft, die sich zu größten Teilen aus Fischerei, Landwirtschaft, Kleingewerbe und Heimindustrie, sowie dem Tourismus zusammensetzte (vgl. DOMRÖS 2005, S. 10). An dieser Stelle soll der Fokus auf der Fischerei und dem Tourismus liegen, da es in diesen Bereichen die meisten offiziellen Zahlen gibt. Hinsichtlich der konkreten Betroffenheit der gesamten Volkswirtschaft durch den Tsunami gibt es unterschiedliche Auffassungen. So schreibt DOMRÖS (2005), dass die wirtschaftlichen Schäden für Sri Lanka unermesslich und aus eigner Kraft nicht zu kompensieren sind, da Sri Lanka „als Entwicklungsland mit seiner ohnehin labilen Wirtschaft über keine exportkräftigen Ressourcen verfügt, die die Wirtschaft spontan ankurbeln können“ (S. 11). BRUCKNER und BRILL (2009) hingegen bestätigen zwar, dass etwa 75% des Fischereisektors und große Teile der Tourismusindustrie zerstört wurden, die wirtschaftlichen Folgen aber gering waren, da beide Bereiche zusammen nur 3% zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beitrugen und das Wirtschaftswachstum 2005 im Vergleich zum Vorjahr sogar um 0,8% anstieg, was so auch durch vorliegende Zahlen der United Nations Statistics Division bestätigt werden kann (S. 6). Hier spielt allerdings auch der Wiederaufbau eine große Rolle. Hinsichtlich des Tourismussektors mag dies zunächst verwunderlich erscheinen, allerdings gehört ein Großteil dieses Bereichs wie im weiteren Kapitel beschrieben dem informellen Sektor an und zusätzlich waren die Besucherzahlen nach dem Waffenstillstand von 2002 erst langsam wieder am Steigen. 6.3.1 Tourismus Die Vulnerabilität der Küstenregion wird unter anderem durch deren flächendeckende touristische Erschließung erhöht (vgl. ETTERICH 2013, S. 55). In Sri Lanka werden durch den Tourismus 50.000 direkte und weitere 65.000 indirekte Arbeitsplätze geschaffen (vgl. GUNATILLAKE
2007,
S.
289).
Durch
den
Tsunami
wurden
circa
40-50%
der
Beherbergungskapazität des Landes brachgelegt, da mit wenigen Ausnahmen alle Hotels, Gästehäuser und Pensionen an der Südwest- und Südküste zerstört oder stark beschädigt wurden und somit ein Großteil der touristischen Infrastruktur unbrauchbar war (vgl. HAMM 2011, S. 55 und DOMRÖS 2005, S. 11). Nachdem der Tourismus dem Waffenstillstand von 2002 folgend langsam wieder zu boomen begann, brachen nach Angaben der Tourismusbehörde die Besucherzahlen bis zu 90 % ein und infolgedessen verloren viele Mitarbeiter ihre Arbeit und dementsprechend ihre Lebensgrundlage (vgl. HAMM 2011, S. 55). Dabei waren die vom Tourismus lebenden Kleinbetriebe und Souvenirverkäufer am stärksten betroffen, da diese im Gegensatz zu den multinationalen Hotelgruppen keine Versicherung für solche Schadensfälle hatten (vgl. ebd.). Weiterhin waren über die Branche auch nationale Gesellschaften in zum
27
Schadensgebiet weit entfernten Ländern von dem Ereignis betroffen (vgl. SMOLKA/KRON 2005, S. 5). Nachdem der Badetourismus des Landes wie beschrieben fast völlig zum Erliegen gekommen war, blieb der einzige noch voll intakte Badeort nach dem Ereignis Negombo nördlich der Hauptstadt Colombo (vgl. DOMRÖS 2005, S. 11). Obwohl Sri Lanka und die Malediven wirklich gravierend getroffen wurden, da sie in starkem Maße vom Tourismus abhängen, werden die Schäden in Sri Lanka dennoch wie bereits erwähnt nur auf 2% des BIP geschätzt (vgl. SMOLKA/KRON 2005, S. 5). Weiterhin wurde auch der Inlandstourismus durch die Katastrophe beeinflusst, da die dortigen Besucherzahlen ebenfalls stark zurückgingen. Dies liegt an der Fehlvorstellung vieler Touristen, dass das ganze Land gleichermaßen von dem Ereignis betroffen war und dem generellen Rückgang der Besucherzahlen die oftmals Badeurlaub und Kulturtourismus verbanden (vgl. ROBINSON/JARVIE 2008, S. 633). Der Tourismus selber ist sehr vulnerable gegenüber externen, unkontrollierbaren Ereignissen. So kann eine Sozialkatastrophe die Tourismusindustrie auf verschiedenste Arten beeinflussen und besonders für kleine Gemeinschaften, deren lokale Wirtschaft stark von diesem Sektor abhängt, tragische und langwirkende Folgen haben (vgl. ebd., S. 631). Dabei sind durch den Verlust von Infrastruktur und negative Medienberichte besonders auch mit Langzeitfolgen für die Destinationen zu rechnen (vgl. ebd.). 6.3.2 Fischerei Die Fischereiindustrie auf Sri Lanka ist eine der ältesten Industrien des Landes und hat maßgeblich zu der Entwicklung des Landes innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte beigetragen (vgl. DE SILVA/YAMA 2007, S. 386). Dabei blieb der Beitrag dieses Sektors zum Bruttoinlandsprodukt historisch unter 3% und fiel durch den Tsunami auf 1% (vgl. ebd.). Da sich die Zerstörungen der Flutwellen auf die Küstengebiete beschränkten, wirkten sie sich primär auf Fischerfamilien aus, die in unmittelbarer Nähe zum Meer lebten (vgl. THURNHEER 2009, S. 85). Von den 14 Fischereihäfen der Insel wurden 12 durch das Naturereignis komplett zerstört und auch die Todesrate war innerhalb der Fischergemeinschaft sehr hoch: 27.000 Fischer und ihre Familien starben und geschätzte 90.000 wurden infolge des Verlustes ihres Hauses umgesiedelt (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 289). Die Umsiedlungen erfolgten vor allem im Rahmen der stark diskutierten und im folgenden Kapitel näher beschriebenen Pufferzone entlang der Küste. Dabei wurde die Bedeutung von Fischergemeinschaften an der Südküste des Landes durch den Tsunami besonders in Hinsicht auf deren Wissen bezüglich des Nutzens von Korallenriffen, Mangroven und Sanddünen als Schutz vor einem Tsunami klar herausgestellt und die Regierung sollte davon absehen ganze Dörfer zugunsten des Tourismus umzusiedeln (vgl. DE SILVA/YAMA 2007, S. 402). 28
7
Bewältigungsfähigkeit und Wiederaufbau
Die grundsätzliche Bewältigungsfähigkeit ist wie eingangs erwähnt entscheidend zur Minderung der Verwundbarkeit (vgl. ETTERICH 2013, S. 54). Durch die Betrachtung der Dynamiken der Krisenbewältigung können verschiedene Vulnerabilitäten identifiziert werden, beziehungsweise die einzelnen Bedeutungen der im vorigen Kapitel aufgeführten Faktoren klarer herausgestellt werden. Die Fachliteratur betont immer wieder die Wichtigkeit der Betrachtung von Bewältigungsmechanismen wenn es darum geht ein komplettiertes Bild der Vulnerabilität zu erlangen (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 92). Dabei muss beachtet werden, dass die Fähigkeit zur Bewältigung von Tsunamikatastrophen sowohl auf nationaler, wie auch auf lokaler Ebene variiert. So lag die Koordination der humanitären Hilfsmaßnahmen, „ebenso wie die finanzielle und technische Unterstützung für den längerfristigen Wiederaufbau, in den Händen der Regierungen der jeweiligen Länder“ (BRUCKNER/BRILL 2009, S. 5). Der verheerende Tsunami offenbarte die enorme Vulnerabilität der Küstengebiete Sri Lankas, sodass die Erholung und der Wiederaufbau mittel- bis längerfristige Aufgaben sind, die im Bereich der Adaptions katastrophenresiliente Gemeinschaften fördern und die Vulnerabilität senken sollten (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 82). Dementsprechend müssen Präventions-, Anpassungs- und Bewältigungsstrategien zur Risikoreduzierung entwickelt werden, wobei ein bedeutender Bestandteil der Aufbaupolitik der Länder ist, die Vulnerabilität durch Frühwarnsysteme und Schutzvorkehrungen verschiedenster Art zu reduzieren (vgl. BRUCKNER/BRILL 2009, S. 7). Wie bereits erwähnt liegt ein Hauptfokus dabei auf der Bereitstellung von adäquaten Informationen für die am meisten gefährdeten Gruppen. Im Zuge des Wiederaufbaus ist es nicht nur wichtig, dass die Menschen sich eine neue Existenz aufbauen können, sondern auch die sich aus der Katastrophe ergebenen sozialen, psychologischen und ökologischen Probleme müssen angegangen werden (vgl. HAMM 2011, S. 62). In den betroffenen Gebieten muss wieder ein wirtschaftsstarker Lebensraum geschaffen werden, der vor allem auch der Landflucht in die Städte (insbesondere nach Colombo) entgegenwirkt (vgl. DOMRÖS 2005, S. 11). Was direkt nach dem Tsunami besonders vorbildlich lief, war das schnelle Begraben der Toten in Gemeinschaftsgräbern, welches dazu beitrug, dass eine Verbreitung von Krankheiten nach der Flut, wie in anderen Fällen häufig beobachtet, vermieden wurde (vgl. GUNATILLAKE 2007, S. 288). Weiterhin waren die unterstützende Natur der eng verbundenen Gemeinschaften auf Dorfebene, sowie oftmals auch der starke religiöse Glaube vieler Betroffenen sehr wichtig im Umgang mit den Schäden und Verlusten (vgl. ebd., S. 292).
29
Auf nationaler Ebene wurde nach der Katastrophe das Ministry of Disaster Management etabliert, welches im Zuge des „Post-Tsunami Recovery Program“ gemeinsam mit dem United Nations Development Programme (UNDP) eine „Road Map for Disaster Risk Management“ publizierte. Dieser Plan unterstreicht die Notwendigkeit einer Vulnerabilitätsreduzierung gegenüber „low-frequency, high-impact events“ wie einem Mega-Tsunami aber auch gegenüber häufiger eintretenden Phänomenen wie Überflutungen (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 83). Solche internationalen und nationalen Erklärungen und Programme bilden einen wichtigen Rahmen und betonen immer wieder die Bedeutung von Wissen hinsichtlich der Risiko- und Vulnerabilitätsreduzierung (vgl. ebd.). Weiterhin wird Sri Lanka im Bereich der Adaptions auch von den nach dem Tsunami installierten Frühwarnsystemen im Indischen Ozean profitieren. Allerdings müssen die Warnmeldungen die Bevölkerung vor Ort nicht nur rechtzeitig erreichen, sondern es muss auch die Möglichkeit geschaffen werden, diese in Sicherheit zu bringen und so wurden von BRUCKNER und BRILL (2009) auch drei Jahre nach dem Tsunami noch die ungenügende Unterweisung der Bevölkerung und die mangelnde Einbeziehung lokaler Verwaltungsebenen als Problempunkte benannt (S. 8). Die Regierung Sri Lankas sah die entstandenen Verwüstungen als Chance, bisherige Strukturen im Zuge des Wiederaufbaus aufzuwerten und entwickelte Handlungsdirektiven wie „Restore not only the tsunami-affected area to normality, but also improve it!”, die sich aber in erster Linie auf die wirtschaftlichen und touristischen Zentren konzentrierte (vgl. ebd., S. 7). Generell war der Wiederaufbau des Landes stark auf den Infrastrukturausbau und dessen grundlegende Aufwertung ausgerichtet, allerdings helfen Highways, große Häfen und die Errichtung moderner Stadtteile nicht den Armen, die von der Sozialkatastrophe am stärksten betroffen waren und teilweise gegen ihren Willen vom für solche Bauvorhaben vorgesehenen Land geräumt
wurden
(vgl.
HAMM
2011,
S.
62).
Es
wird
oft
kritisiert,
dass
die
Wiederaufbauprogramme des Landes darin versagten die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung langfristig zu verbessern, ja diese oftmals sogar daran hinderten zu ihrem Alltagsleben zurückzukehren und sogar ungleiche Machtrelationen verstärkten (vgl. KAPADIA 2014, S. 24f). So profitierten vor allem Ballungsräume und große Betriebe von den immensen finanziellen Hilfsmitteln, während ländliche Kommunen und Kleinbetriebe häufig kaum berücksichtigt wurden und sofern sie dem informellen Sektor angehörten (wie circa 50% der kleineren touristischen Betriebe und des Fischereigewerbes) nicht nur von finanziellen Hilfen ausgeschlossen wurden, sondern oft auch ihr Zuhause verloren (vgl. BRUCKNER/BRILL 2009, S. 7). Zusätzlich wurde der Wiederaufbau durch von DOMRÖS (2005) zusammengetragene, unterschiedliche Gründe erschwert (S.11): So war die einheimische Baustoffindustrie auf den 30
Bauboom nicht vorbereitet und konnte sich auch nicht schnell auf ihn einstellen. Weiterhin mangelte es an Facharbeitern und am Know-how, sowie an Planungskapazitäten. Auch gab es viele
offene
Grundbesitzfragen
zu
klären,
welche
genau
wie
Planungs-
und
Genehmigungsverfahren Zeit benötigten. „Erschwerend kommen behördliche Inkompetenz, Bürokratie und Korruption hinzu. Diese Faktoren führen dazu, dass Sri Lankas Wiederaufbau nur im Schneckentempo vorankam – ein Widerspruch, wurde das Land doch regelrecht mit Hilfsgütern überhäuft“ (HAMM 2011, S. 61). Zusätzlich bildeten die sozialen und ökonomischen Disparitäten, die zahlreichen Kriegsflüchtlinge und die fehlende Infrastruktur eine denkbar schlechte Basis für den Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg stark gezeichneten Landes (vgl. BRUCKNER/BRILL 2009, S. 6). So beschreibt auch HAMM (2011), dass bisherige Projekte häufig durch den Bürgerkrieg und die angespannte politische Lage behindert wurden und so zum Beispiel Baumaterialien an „Grenzstationen“ vom Militär zurückgewiesen oder hohe Einfuhrsteuern auf die Güter erhoben wurden (S. 61). Der zuvor beschriebene Wiederaufbau sorgte in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, aber besonders bei den im Nordosten lebenden Tamilen, für das Gefühl diskriminiert zu werden, was zur erneuten Eskalation zwischen Singhalesen und Tamilen im Jahr 2005 führte (vgl. BRUCKNER/BRILL 2009, S. 6).
7.1
Die Pufferzone
In post-Tsunami Sri Lanka hat die Implementierung von Pufferzonen entlang der betroffenen Küstenlinien lebhaft gezeigt, wie Anstrengungen die allgemeine Sicherheit zu erhöhen Gefühle der Diskrimination, Spannung und Angst auslösen kann, sofern diese nicht richtig angegangen werden (vgl. HYNDMAN 2007, S. 361). Generell haben die Reaktion der Regierung und die Politik der Hilfsverteilung für Misstrauen unter den Tamilen und Muslimen gesorgt, die am stärksten betroffen waren (vgl. ebd.). Im Januar 2005 hat das Cabinet of Ministers Sri Lankas Pufferzonen als eine allgemeine Sicherheitsmaßnahme gegen die potentielle Zerstörung eines weiteren Tsunami erlassen (vgl. ebd., S. 634). Im stark besiedelten und touristisch erschlossenen Süden, der von Singhalesen dominiert wird, wurde eine 100-Meter-Zone eingeführt, während in den Tamil- und Muslimdominierten, östlichen Regionen eine 200-Meter-Zone ausgerufen wurde. In beiden Bereichen war diese Maßnahme aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der Landknappheit stark umstritten (vgl. ebd.). Allerdings konnte das Land innerhalb der Pufferzone weiterhin für wirtschaftliche Zwecke genutzt werden, war besonders für Tourismusbetreiber der Strandregionen im Süden wichtig war, sodass diese ihre Hotels schnell wieder aufbauen und normal weiterbetreiben konnten (vgl. ebd., S. 365). 31
Im Sinne einer angepassten Landnutzung ist das Einführen einer solchen unbebauten Zone wie auch bereits in Kapitel 5 beschrieben sicherlich sinnvoll und stellt ein wichtiges Element einer effektiven Vulnerabilitäts- und Risikoreduzierung dar (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 99). Gerade in den vergangenen Jahrzehnten wurde das Risiko gegenüber Tsunamis in Verbindung mit der dichten Bebauung der sensiblen Küstengebiete angesichts des hohen Nutzungsdrucks ignoriert. Dennoch ist die vorgeschlagene 100-Meter-Zone aus verschiedenen Gründen kein angemessenes Werkzeug und es sind bessere Kriterien für die Definition einer Sicherheitszone notwendig (vgl. ebd.). Von der neuen Pufferzone am meisten betroffen waren die sogenannten „100-MeterFlüchtlinge“, welche ihre Häuser in direkter Nähe des Wasser verloren hatten und durch die Bestimmung ein Wiederaufbau an derselben Stelle nicht möglich war (vgl. HAMM 2011, S. 62). Während also wohlhabende Hotelbesitzer ihre Betriebe wieder in Strandnähe aufbauen durften, mussten die Ärmsten sich zunächst um einen anderen Bauplatz bemühen, welches sich als äußerst problematisch erwies (vgl. ebd.). Insofern neue Standorte zugeteilt wurden, waren diese besonders für Fischerfamilien oft ungeeignet, da diese neuen Baugebiete häufig weit entfernt vom Meer lagen und sie somit ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen konnten (vgl. ebd.). Zudem widersprechen jegliche Zwangsumsiedlungen der Konstitution Sri Lankas, welche in Absatz 14 vermerkt, dass jeder Mensch das Recht hat in einem Gebiet seiner Wahl zu leben (vgl. HYNDMAN 2007, S. 364f). Verschlimmert wurde das Unverständnis der Bevölkerung dadurch, dass die Schutzzonen anscheinend willkürlich beschlossen wurden und keine Forschung oder Beispiele vorlagen, die belegen konnten, dass dieser Ansatz wirkungsvoll sein könnte (vgl. ebd., S. 369). So verstärkte diese Bestimmung die ohnehin prekäre Politik hinsichtlich Ethnizitäten, Klassen und Geschlechter mit neuen Spannungen und bildete die Grundlage für neue Konflikte (vgl. ebd.). Dabei wurden Stimmen laut, die anmerkten, dass die Pufferzone für alle Küstenbereiche gleich sein sollte, wenn die allgemeine Sicherheit wirklich das primäre Ziele deren Einrichtung war (vgl. ebd., S. 365). Stattdessen wurden erklärt, dass die speziellen umweltbedingten, sozialen und physischen Charakteristika der Küstenlinien in den verschiedenen Regionen des Landes angeblich auf diese Geographien zugeschnittene Maßnahmen benötigten (vgl. ebd.). Der Ansatz dazu ist richtig, allerdings berücksichtigte die Verteilung der Zone wie sie zunächst in Kraft trat (100 Meter im Süden und 200 Meter im Norden und Osten) in keinem Fall die spezifischen lokalen Begebenheiten (vgl. ebd.). Dabei wurde vor allem die Angst vor einem weiteren Tsunami für die Legitimierung dieser Zone genutzt (vgl. ebd., S.366). Obwohl diese initiale Konzeption der Pufferzonen politisch und wissenschaftlich suspekt blieben, und das größte Hindernis bezüglich des Wiederaufbaus von Wohnhäusern darstellte, 32
hielt die Regierung der damaligen Präsidentin Chandrika Kumaratunga diese für fast ein Jahr bei (vgl. ebd.). Erst 2006 wurden die Standards der Pufferzone gelockert und entsprechend des bereits 1997 entwickelten „Coastal Zone Management Plan“ angepasst. Allerdings sorgt die geringe Transparenz nach wie vor für Verwirrung, Spannung und Frustration unter der Bevölkerung und eine Umfrage im Jahr 2006 und 2007 zeigte, dass viele Menschen nicht wussten, ob sie nun 100, 50, 40, 35 oder 20 Meter Abstand zum Wasser halten müssen (vgl. BRINKMANN/FERNANDO 2007, S. 99).
8. Fazit und Bewertung Wie in dieser Arbeit dargelegt wurde Sri Lanka sehr unvorbereitet von dem Tsunami 2004 getroffen und zeigte durch die vielen Opfer und Zerstörungen eine starke Vulnerabilität gegenüber dieser Naturgefahr. In Kapitel 5 wurden die verschiedensten Vulnerabilitätsfaktoren nach den in Kapitel 3.4 vorgeschlagenen Kategorien dargelegt und es zeigte sich eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die bei der Katastrophenprävention berücksichtigt werden müssen. So tragisch der Tsunami mit all seinen Folgen auch war, Sri Lanka muss nun aus den Fehlern und Problemen der Vergangenheit und Gegenwart lernen und so weit wie möglich an den aufgezeigten Vulnerabilitätsfaktoren arbeiten. Dabei spielen wie dargelegt besonders die sozialen Vulnerabilitätsfaktoren eine große Rolle, vor allem da der Tsunami besonders die armen und die ohnehin stark vom Bürgerkrieg betroffen Bewohner betraf. Die Opfer zeigten deutlich, dass besonders Menschen mit einem geringen sozialen Status und jene sozialen Gruppen die generell bekannt für ein besonderes Gefährdungspotential bekannt sind, wie Frauen, Kinder und ältere Menschen, hart von dem Tsunami in Mitleidenschaft gezogen wurden (vgl. TURNHEER 2014, S. 111). Besonders diese Gruppen müssen somit in die Vorsorge- und Aufklärungsmaßnahmen integriert werden, damit Möglichkeiten geschaffen werden können, diese besser zu schützen. Dabei zeigt sich als besonders kritisch der Faktor der Risikowahrnehmung, welcher die gesamte Bevölkerung betrifft. Wie in Kapitel 5.2.1 beschrieben wusste nur eine Minderheit der Küstenbevölkerung, was Tsunamis sind und wie man diese erkennt, geschweige denn wie man sich vor ihnen in Sicherheit bringt. Aufklärungsarbeit ist somit als oberste Priorität im Katastrophenschutz zu sehen: „Um die Vulnerabilität der Region nachhaltig zu mindern, ist es außerdem erforderlich, das Risiko eines Tsunamis im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern, wozu vor allem eine stärkere Einbindung der lokalen Verwaltungen und Anwohner in die Maßnahmenplanung notwendig ist“ (BRUCKNER/BRILL 2009, S. 10). Besonders Ansätze des Community-Based Risk Managment bieten hier einen guten Startpunkt.
33
Die kulturellen und religiösen Aspekte aus Kapitel 5.2.4 zeigen sowohl positiven als auch negativen Einfluss auf die Vulnerabilität. Einerseits half der Glauben vielen Bürgern mit den Folgen der Katastrophe umzugehen und durch die enge Gemeinschaft in den Dörfern fanden die Betroffenen gute Unterstützung. Andererseits birgt der Glaube auch die Gefahr, dass die Menschen sich einem Tsunami schutzlos ausgeliefert sehen und nicht glauben, dass sie die Möglichkeit haben einer solchen Katastrophe zu entgehen, wenn die Götter sie betrafen möchten. Durch die Vielzahl an angeblichen Hinweisen auf eine Naturgefahr vor dem Tsunami, wird die Umwelt zwar genauestens beobachtet, allerdings nicht primär hinsichtlich tatsächlicher Anzeichen wie dem Rückzug des Wassers, sondern alles was ungewöhnlich erscheint ist potentiell ein Warnsignal. Hier spielt auch wieder der Faktor Wissen bzw. Risikowahrnehmung eine große Rolle, denn durch eine Überflutung an möglichen Warnsignalen kann es schnell zu Verwirrungen kommen und im Falle einer tatsächlichen Gefahr diese eventuell nicht richtig erkannt und eingeschätzt werden. Hier ist ein sensibler Umgang
mit
dem
Glauben
der
Bevölkerung
extrem
wichtig,
damit
diese
Präventionsmaßnahmen annehmen und erkennen, dass sie sich schützen können. Der Faktor der Ethnizität hat einen ganz besonderen Einfluss in Sri Lanka. Durch den langjährigen Bürgerkrieg war die Bevölkerung zum Eintritt des Tsunamis ohnehin schon stark mitgenommen und die Versorgungsstrukturen besonders im Norden und Osten in einem schlechten Zustand, was den Umgang mit einem Tsunami massiv erschwerte. Durch das starke Misstrauen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen untereinander ist sowohl eine gemeinsame Linie im Katastrophenschutz, als auch die Krisenbewältigung mit großen Problemen behaftet. Dies zeigte sich deutlich in den zuvor beschriebenen erneuten Ausschreitungen im Zuge des Wiederaufbaus. Durch den Umgang der Regierung mit den LTTE bei der Verteilung von Hilfsgütern und Wiederaufbauunterstützung hat diese erneut ihre Beziehung zu den Tamilen, sowie auch zu internationalen Organisationen beschädigt (vgl. IFRCRCS 2014, S. 20). Im Falle einer Katastrophe muss sichergestellt sein, dass die Bevölkerung auch (aber nicht nur) hinsichtlich ihrer Ethnizität gleichberechtigt behandelt wird und niemand diskriminiert wird. Das gemeinsame Miteinander in der Zeit direkt nach dem Tsunami zeigte, dass angesichts einer Katastrophe die unterschiedlichen Ethnizitäten zumindest kurzzeitig vergessen werden können. Daher scheint es nicht ausgeschlossen, dass ein Weg gefunden werden kann gemeinsam einen von allen Seiten akzeptierten Plan zum Schutz, sowie zur Verteilung von Hilfsgütern zu entwickeln, sofern dieser keine Bevölkerungsgruppe diskriminiert. Durch lokale Aktionen kann dabei sogar eine Annährung der Parteien erzielt und somit der aktuell anhaltende Frieden gesichert werden.
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Die umweltbedingten und ökonomischen Faktoren bildeten zwar keinen Schwerpunkt in dieser Analyse, allerdings sind diese nicht zu vernachlässigen. Besonders für ein Entwicklungsland, das ein großes touristisches Angebot hat ist der Ausfall dieser Geldeinnahmequelle dramatisch. Dabei spiegelten die Folgen sich hier glücklicherweise nicht sonderlich stark im Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsprodukt wieder, dennoch verloren eine Vielzahl von Menschen ihre Arbeit und Lebensgrundlage. Auf nationaler Ebene ist es daher gut, wenn die Wirtschaft mehrere Standbeine hat und nicht rein auf einen solch vulnerablen Sektor wie den Tourismus angewiesen ist, wie es zum Vergleich auf den Malediven der Fall ist. Auch hinsichtlich des Fischereisektors haben die Folgen die Beschäftigten durch den Verlust der Häfen und ihrer Häuser und somit ihrer Einnahmequelle zu tragen und nicht die nationale Wirtschaft. Die primäre Herausforderung besteht also darin der Vielzahl an Betroffenen eine Möglichkeit zu geben weiterhin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, am besten ohne sie aus ihrer gewohnten Umgebung zu entwurzeln. Hinsichtlich der umweltbedingten Faktoren ist festzuhalten, dass der Erhalt von natürlichen Barrieren wie Mangroven und Korallenbänken in die Katastrophenpläne integriert werden sollte. An der vorhandenen Küstentopographie lässt sich kaum etwas ändern, aber die Zerstörung solcher natürlichen Schutzbereiche kann vermieden werden. Durch den Tsunami wurde die Umwelt entlang der Küstenlinie stark getroffen und ganze Landstriche von den Wassermassen abgetragen. Auch der im Süden liegende Yala National Park war von den Zerstörungen betroffen, auch wenn die meisten Tiere den Tsunami überlebten (vgl. (GUNATILLAKE 2007, S. 289). Die ökologischen Folgen der Wellen in Küstennähe konnten im Rahmen dieser Arbeit zwar nicht ergründet werden, aber es steht außer Frage, dass auch die Ökosysteme unter den Folgen zu leiden hatten. Wie erläutert und im Zuge der Arbeit immer wieder aufgegriffen, spielen auch die Bewältigungsfähigkeiten eine Rolle bei einer Analyse der Vulnerabilität. Angesichts der Tatsache, dass das Land so schlecht auf eine Katastrophe dieser Art vorbereitet war und die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau durch die Konflikte und den Stand der Entwicklung mehr als schlecht waren, ist es vermutlich sogar überraschend das Sri Lanka das Ereignis zumindest in den Anfangsphasen so erfolgreich bewältigt hat, wie es hier beobachtet wurde (vgl. ebd., S. 292). Auch BRUCKNER und BRILL (2009) schlussfolgern fünf Jahre nach dem katastrophalen Tsunami, dass die Bilanz der Entwicklungen sowohl positive als auch negative Aspekte aufzeigt (S. 9). Einerseits konnte das Land die strukturellen Voraussetzungen für Wirtschaft und Tourismus im Rahmen des Wiederaufbaus verbessern und somit die dringend benötigte Infrastrukturentwicklung vorantreiben, andererseits hat der Tsunami auch seine
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eigenen Klassenunterschiede, kulturellen Exklusionen und Ängste mitgebracht bzw. verstärkt (vgl. HYNDMAN 2007, S. 369). In die Zukunft blickend sollten die Hauptzielsetzungen der Adjustments und Adaption nach SMOLKA und KRON (2005) in der „Verbesserung des Wissens über Naturgefahren (nicht nur Tsunami) und des Risikobewusstseins von Bevölkerung und Entscheidungsträgern durch entsprechende Schulung und ggf. regelmäßige Katastrophenübungen“ (S. 6) liegen. Weiterhin ist die Installation eines neuen internationalen Frühwarnsystems als Adaption erfreulich, allerdings müssen auf nationaler Ebene die Kommunikationsstrukturen für eine effiziente Umsetzung von Warnungen geschaffen werden (vgl. ebd.). Zusätzlich sollte daran gearbeitet werden die vorhandenen Frühwarnsysteme zu verbessern, auf verschiedenen Arten von Naturgefahren auszuweiten und diese auch weltweit umzusetzen (vgl. ebd.). Auf Forschungsebene sollte an einer weiteren „Verbesserung des Verständnisses für die TsunamiEntstehung und die Gefährdung der Küsten in Abhängigkeit von der Topographie“ (ebd.) gearbeitet werden, um diese in die Pläne zu integrieren. Als letzten Punkt ist die Regulierung der Landnutzung in den hochgefährdeten Küstenstrichen eine große Herausforderung, wie sich in den ersten Jahren nach dem Tsunami bereits deutlich gezeigt hat (vgl. ebd.). Unter Berücksichtigung der sozio-ökonomischen Umstände, sowie der Tatsache das Tsunamis mit einer solchen Amplitude wie 2004 zu den Gefahren mit einer eher geringen Frequenz zählen, ist es wichtige eine angemessene Balance zwischen der Entfernung von Infrastruktur und Bebauung und der Tatsache, dass große Teile von Städten und Dörfern historisch bedingt in direkter Nähe zum Wasser erwachsen sind, zu finden (vgl. Brinkmann/Fernando 2007, S. 100). Dabei bleibt die Frage ob eine generelle 100-, 50- oder 35Meter Pufferzone für Sri Lankas Küstenstädte sinnvoll ist offen (vgl. ebd.). Hier sollte in jedem Fall die spezielle lokale Topographie mit einbezogen werden. Die Notwendigkeit, Nutzungsaktivitäten und Schutzmaßnahmen in dieser Zone zu verknüpfen stellt neben der Risikowahrnehmung der Bevölkerung die größte Herausforderung dar (vgl. BRUCKNER/BRILL 2009, S. 9). Abschließend
bleibt
festzuhalten,
dass
Sri
Lanka
durch
dieses
Ereignis,
neue
Forschungsergebnisse, sowie internationale Unterstützung alle Wege offen stehen das Land vor einem erneuten Tsunami besser zu schützen und es bleibt zu hoffen, dass dies auch hinsichtlich der am meisten vulnerablen Gemeinschaften und Strukturen umgesetzt wird. Denn wie bereits erwähnt: Naturereignisse sind unausweichlich, Katastrophen nicht.
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Report "Die Vulnerabilität von Sri Lanka am Beispiel des Tsunamis vom 26. Dezember 2004 "