Die römerzeitliche Holzbausiedlung von Schönberg in der Weststeiermark

June 23, 2017 | Author: Karl Oberhofer | Category: Roman Archaeology
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Description

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LändLiche SiedLungen der römiSchen KaiSerzeit im mittLeren donauraum

Herausgegeben von Szilvia Bíró – Attila Molnár

Győr 2015

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Ländliche Siedlungen der römischen Kaiserzeit im mittleren Donauraum Herausgegeben von Szilvia Bíró und Attila Molnár

Wir bedanken uns bei Péter Tomka für seine freundliche Unterstützung

Dieser Band wurde unterstützt von

A kötet a Nemzeti Kulturális Alap 3437/1369. sz. pályázat támogatásával jött létre

ISBN 978-963-89715-1-7

Kiadó: Mursella Régészeti Egyesület [email protected] Felelős kiadó: Molnár Attila Példányszám: 300 db Nyomdai kivitelezés: Demax Művek Kft, Budapest Minden jog fenntartva © Mursella Régészeti Egyesület és a szerzők Győr 2015

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Dem Andenken von Dr. Eszter Szőnyi gewidmet

Gyula László’s Zeichnung von Eszter Szőnyi während ihrer Staatsprüfung 1967

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iNhalT

DÉNES GABLER Bonae memoriae Eszter Szőnyi ..................................................................................................... 7 VORWORT ............................................................................................................................................. 9 KARL OBERHOFER Die römerzeitliche Holzbausiedlung von Schönberg in der Weststeiermark

Ein neuer Siedlungstyp in der Kulturlandschaft des Laßnitztales .......................................................... 11

UTE LOHNER-URBAN Zivile Vici in Südostnoricum unter besonderer Berücksichtigung der Vici von Gleisdorf und Kalsdorf .......................................................................................................... 21 VERENA GASSNER – RENÉ PLOYER Ein ländlicher Siedlungsplatz auf dem Haushamer Feld (Vöcklamarkt) im nordwestlichen Noricum ........................................................................................................... 37 FLORIAN MAUTHNER Der römerzeitliche Gutshof von Deutschkreutz ....................................................................... 51 KRISTINA ADLER-WöLFL Die ländliche Siedlung in Wien–Unterlaa

Holzarchitektur mit autochthonen Wurzeln? ............................................................................................. 69

SZILVIA BÍRÓ Die räumliche und zeitliche Verbreitung der pannonischen Grubenhäuser............................ 89 KATALIN OTTOMÁNYI In den Boden eingetiefte Häuser im Vicus von Budaörs ...........................................................119 ORSOLYA LÁNG Semi-subterranean pit houses in the civilian vicus of Aquincum .............................................169 ZSOLT MAGYAR Research in the Late La Tène – Early Roman Settlement at Bátaszék, Körtvélyesi-dűlő. The Early Roman Period ....................................................................197 ATTILA MOLNÁR Grubenhäuser auf dem Kasernenhof. Vorbericht über die Ausgrabungen in Győr, Frigyes-laktanya (Friedrichskaserne) der Jahre 2009 und 2010 ...............................................................................................................................225

JAROSLAVA SCHMIDTOVÁ – JITKA JEZNÁ – PETER BAXA Villa rustica in Čunovo ..................................................................................................................263 VLADIMÍR TURČAN Zur Siedlungsstruktur der Bratislavaer Pforte in der römischen Kaiserzeit ..........................291 ROBERT IVÁN – RÓBERT öLVECKY New Germanic settlement finds in the Western part of the Great Rye Island ....................297 ATTILA MOLNÁR Vagongyári mese. In memoriam Eszter Szőnyi .....................................................................................317

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Sz. Bíró – A. Molnár (Hrsg.), Ländliche Siedlungen der römischen Kaiserzeit... (Győr 2015)

Die römerzeitliche holzbausieDlung von schönberg in Der Weststeiermark ein neuer sieDlungstyp in Der kulturlanDschaft Des lassnitztales

karl oberhofer

Die Ergebnisse einer zunächst im Frühjahr 20081 beendeten und im Jahre 2012 räumlich begrenzt fortgesetzten Rettungsgrabung, die ca. 25 km südwestlich von Graz an der Trasse der Koralmbahn durchgeführt wurde, versprechen neue Erkenntnisse zur ländlichen Besiedlung Noricums. Die umfangreichen Baumaßnahmen für eine Eisenbahn-Hochleistungsstrecke von Graz nach Klagenfurt auf dem Gebiet der Gemeinde Hengsberg nahe Leibnitz brachten ein knapp 4,5 Hektar großes Siedlungsgebiet zum Vorschein. Die vorab in der Planungsphase der Koralmbahn durchgeführten Surveys zielten schwerpunktmäßig auf den Talbodenbereich ab. Wie sich bereits damals abzeichnete, ist im mittleren und unteren Laßnitztal eine dichte römerzeitliche Besiedlung anzunehmen2. Es zeigte sich, dass die Siedlungsplätze sich entlang der römischen Straße aufreihten. Wenngleich das Areal nahe der heutigen Hofstelle Lippmichl zunächst unentdeckt blieb, wurde schon im Zuge früherer Untersuchungen zwischen Matzelsdorf und Schönberg eine Siedlung vermutet3. Zwischen 302 und 321 m Meereshöhe konnte etwa 15 m über dem heutigen Talboden ein mehrphasig besiedeltes Gebiet archäologisch untersucht werden. Das Areal liegt auf einer Terrasse und flachen Hanglagen teilweise in einem Waldgebiet und unter 0,6–1,5 m mächtigen Kolluvien über der südlich davon nach Osten fließenden Laßnitz. Die römerzeitlich besiedelte Fläche erstreckt sich im Vergleich zu den prähistorischen Baubefunden schwerpunktmäßig im Bereich des Hangfußes, wo sich im 1. und 2. Jh. n. Chr. auch der Kern des Siedlungsareals befunden haben dürfte. Das Befundspektrum umfasst hauptsächlich Pfostengruben und -löcher sowie intentionell angelegte Gräben unterschiedlichster Weite, die u.a. als Reste von Entwässerungsgräben angesprochen werden können. Wegen des fast vollständigen Fehlens des Baustoffes Stein wurden die einfachen zweckdienlichen Gebäude in Holz ausgeführt. Ein Gutteil der nachgewiesenen Pfostenstellungen lässt sich zu Gebäudegrundrissen zusammenführen, die sich in Größe, Komplexität und Ausrichtung unterscheiden (Abb. 1). Abgesehen von kleinen Vierpfostenbauten wurden noch im ersten und zweiten Jahrhundert mehrheitlich langrechteckige einschiffige Bauten mit 6–12 Pfostenstellun-

ARGIS GmbH im Auftrag der ÖBB Infrastruktur Bau AG.

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FUCHS et al. 1998, 279. FUCHS et al. 1998, 279.

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gen errichtet. Während die kleineren, oft kaum 5 m langen Gebäude mit ihren unregelmäßigen Pfostensetzungen in Regel als Schuppen o.ä. anzusprechen sind, ließen sich auch mehrere Gebäude mit einer symmetrischen Anlegung des tragenden Pfostengerüsts nachweisen. Neben den regelmäßigen Abständen der Pfostensetzungen zueinander lässt sich auch eine Axialität der Pfostenreihen beobachten. Gebäude dieses Typs weisen stets einen leicht aus der Wandflucht der Schmalseite vorspringenden Firstpfosten auf. Die Länge dieser Bauten übertraf selten den Wert von 8 m. Die Wände, die anders als die der häufig in Fachwerkbauweise errichteten römerzeitlichen Streifenhäuser der Vici keine tragende Funktion übernahmen, bestanden mehrheitlich aus mit Lehm verputzten Flechtwerk, welches zwischen den Pfostenstellungen eingespannt wurde. Nicht zuletzt ist mit dem weitgehenden Fehlen von Laufhorizonten und (Lehm-?)Fußböden im Gebäudeinneren der allgemein schlechte Erhaltungszustand greifbar4. Wandkonstruktionen und Oberflächen wie Laufhorizonte oder Fußböden in den Gebäuden blieben in der jahrhundertealten Kulturlandschaft mit ausgedehnten Ackerflächen und Nutzwäldern nicht erhalten. Von den Holzgebäuden überdauerten lediglich die bis zu 40 cm weit in die geologischen Schichten eingetieften Pfostengruben; Hinweise auf Schwellbalkenkonstruktionen konnten nicht festgestellt werden5. Die Größe der langrechteckigen Gebäude war mit einer Länge von zumeist weniger als 10 m überschaubar. Das bautechnische Prinzip war ebenso einfach wie bereits seit den prähistorischen Epochen bekannt: je nach angedachter Größe des Gebäudes wurden in einem rechtwinkligen System Pfosten in den Boden eingebracht, die das tragende Grundgerüst für Flechtwerkwände mit Rutenputz bildeten. Die Eindeckung dürfte mittels Schindeln oder Stroh erfolgt sein. Kennzeichnend, zumindest für die mehrheitlich mittel- und teilweise spätkaiserzeitlich zu datierenden Strukturen, ist die Verwendung äußerst homogenen Baumaterials. Auf zumindest fundierte, vermutlich über Generationen weitergegebene empirische Erfahrungswerte im Holzbau weisen einige Charakteristika hin: soweit erhalten sind für die jeweiligen Gebäude nahezu einheitliche Durchmesser der festgestellten Pfostenstandspuren und erstaunlich gleichmäßige Abstände zwischen ebendiesen besonders erwähnenswert. Die Pfostenstellungen der römerzeitlichen Gebäude zeichnen sich häufig durch die Einbringung von fragmentierten Leistenziegeln bzw. Keilsteinen zur Stabilisierung aus – im Gegensatz zu den prähistorischen Pendants der Mittel- und Spätbronzezeit. Neben den annähernd fünfzig nachgewiesenen römerzeitlichen Gebäudegrundrissen ergänzen weitere Befunde das Bild der kleinen landwirtschaftlich geprägten Ansiedlung. Bis auf einen Schachtbrunnen mit hölzernem Innenausbau ließen sich keine Hinweise auf Wasserbauten im Befund nachweisen. Mit einer Tiefe von knapp drei Metern erscheint dieser nicht besonders eindrucksvoll. Erhalten gebliebene ehemals vermutlich in der Brunnenstube verbaute Holzreste konnten wegen der geringen Menge nicht mehr dendrochronologisch ausgewertet werden. Vermutlich wurde der

OBERHOFER 2012. Zur angewandten Auswertungsmethodik grundlegend: CARVER 2009, 281–287. – Zum Infor4 5

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mationsgehalt von Fundaufkommen aus derartigen Komplexen: TRONCHETTI 2003, 111–119.

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Die römerzeitliche holzbausieDlung von schönberg

Abb. 1. Das Grabungsareal von 2007/2008. Vermessung & Daten ARGIS 2007/2008. Überarbeitung K. Oberhofer 2014

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Großteil des Frischwasserbedarfs der Siedlung von einem kleinen Fließgewässer in der Nähe gedeckt (Abb. 1, modern verbauter Graben Parz. 212). Am südlichen Ende des Grabungsareals finden sich nahezu kreisförmige Entnahmegräben von drei einplanierten Grabhügeln, welche ca. 800 m nördlich der mittlerweile zwingend anzunehmenden Trasse der römischen Straße durch das Laßnitztal6 liegen. Das Hügelgräberfeld wurde vermutlich durch Meliorierungsmaßnahmen weitestgehend zerstört. Im Befund zeichnet sich eine Horizontalstratigrafie für die Aufschüttung der Hügel deutlich ab. Trotz einiger Hinweise weiterer einfacher Bestattungen im Randbereich der Hügel, ließ sich die Zahl der Gräber nicht mehr feststellen. Bemerkenswert erscheint jedoch, dass zumindest ein Körpergrab mit den für die damalige Zeit typischen spärlichen Beigaben (Abb. 2.4) noch im fortgeschrittenen 4. Jh.7 im Bereich der Hügelgräber angelegt worden ist. Erwähnenswert sind zudem die Reste eines weitläufigen Grabensystems, die in einem engen Zusammenhang mit den bei Leitersdorf8 nachgewiesenen römischen Flurgrenzen stehen könnten. Mit Hilfe dieses mehrphasigen Grabensystems wurden im Talrandbereich bei Schönberg Parzellierungen vorgenommen, die auf differenzierte Besitzverhältnisse schließen lassen. Eine zeitliche Einordnung des gesamten römerzeitlichen Fundspektrums ist zwischen der Mitte des 1. Jh. n. Chr. und dem auslaufenden 4. Jh. n. Chr. anzusetzen. Das Fundmaterial aus Bronze, insbesondere Münzen, ist wenig umfangreich. Kennzeichnend ist das fast gänzliche Fehlen von Terra Sigillata im Fundaufkommen; zudem erschwert der schlechte, durch Ablagerung in häufig wasserführenden Gräben stark verwaschene Erhaltungszustand die Bestimmung. Die Reste der Engobe und die schemenhaft erhaltenen Punzen lassen an süd- und mittelgallische Importe denken; ein fundierter Nachweis ist angesichts des Erhaltungszustandes mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich. Überwiegend hellgraue Ware aus feingeschlämmtem Ton mit unterschiedlicher Oberflächenbehandlung findet sich häufiger und tritt hauptsächlich in Form von Tafelgeschirr auf. Neben einer Vielzahl von Deckeln sind Teller und Backplatten recht häufig anzutreffen, ihr datierender Faktor ist allerdings als gering einzustufen (Abb. 2.1–4). Rottonige und gelblich-ockerfarbene Ware ist äußerst selten und leider wenig aussagekräftig, da es sich in der Regel um Wandscherben von Krügen, Schüsseln und Reibschüsseln handelt. In vergleichsweise mächtigen Grabenfüllungen findet sich hauptsächlich eine große Menge lokaler norischer Grobkeramik von zuweilen eingeschränkter Qualität, einfacher Machart, oft grob gemagert, meist handaufgebaut und marginal nachgedreht. Nennenswert ist die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Fundstücke, die als Fragmente norischer Töpfe eingestuft werden, zunächst noch in einer starken latènezeitlichen Tradition stehen und später in einem typischen Formenkreis der Grobkeramik aus OstNoricum aufgehen9 (Abb. 2.5–10).

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FUCHS 2006, 301–346. STEINKLAUBER 2002, 184. FUCHS 2008, 255–271.

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SEDLMAYER – TIEFENGRABER 2006, 191–217. 9

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Die römerzeitliche holzbausieDlung von schönberg

Abb. 2. Synoptische Tafel des keramischen Fundspektrums (vgl. ObeRhOFeR 2012, Taf. 4–50)

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Das mengenmäßig wenig umfangreiche Fundmaterial aus Eisen umfasst neben einer vergleichsweise geringen Anzahl von Eisennägeln auch einige Fragmente stark korrodierter Messer und Bestandteile bäuerlicher Gerätschaften wie Achsnägel für Wagen u. ä. Erwähnenswert ist jedoch ein im Block geborgener Eisenhort aus der Verfüllung einer Kreisgrabenanlage (Abb. 3.). Dieser umfasst eine Schnellwaage, eine Bartaxt und eine Baumsichel. Die bis dato einzige eiserne Schnellwaage aus Provinz Noricum, die aus stratifizierten Kontexten stammt, blieb aus wissenschaftlicher Sicht nahezu vollständig erhalten. Eine Untersuchung in einem Computertomographen erlaubte singuläre Einblicke in den Aufbau und die Funktion dieses Messinstruments, welches aus der Mitte des 2. Jh. stammen dürfte10. Von Bedeutung erscheint auch der Nachweis zahlreicher Fragmente von Tegulae. Ihre eigentliche Bestimmung als Dachdeckung ist nicht nachzuweisen. Ein Gutteil des fragmentiert angetroffenen Ziegelmaterials hat eine Nutzung als Keilstein-Ersatz in den mehr als zahlreich anzutreffenden Pfostengruben dieses überaus steinarmen Landstrichs erfahren. Ein systematisches Verbauen beispielsweise von eingetieften Feuerstellen im Gebäudeinneren mit Schwerkeramik erschien zunächst wahrscheinlich, konnte aber im Befund nicht nachgewiesen werden. Mit dem wenig aussagekräftigen Keramikspektrum und den spärlichen Metall- und Münzfunden aus Schönberg geht eine erhebliche Datierungsproblematik einher. Das nahezu gänzliche Fehlen von Importkeramik lässt keinen lokalen Datierungsansatz der vorherrschenden Grobkeramik zu, sodass man sich mit Vergleichen hauptsächlich im regionalen und – wenn auch in geringem Umfang – überregionalen Bereich behelfen muss, um wenigstens eine grobe zeitliche Einordnung der Befunde vornehmen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Laufzeit der in Schönberg auftretenden Keramik die Nutzungszeit einzelner Holzgebäude um ein vielfaches übersteigt. Wegen fehlender antiker Oberflächen sind aus der Stratigrafie abgeleitete räumlich begrenzte Relativ-Chronologien bei der Datierung wenig hilfreich. Maßgeblich stellt sich die Frage, welcher vermutlich neue römerzeitliche rurale Siedlungstyp hier über weite Flächen ergraben werden konnte. Die Befundsituation erlaubt im Abgleich mit regionalen Vergleichsbeispielen keine Einordnung in die bekannten Schemata von Villen und Vici. Eine Ansprache als mansio oder mutatio verbietet sich mit Hinweis auf die Lage der Siedlung abseits der römischen Straße und ihre Einbindung in die Kulturlandschaft des unteren Laßnitztales. Im Gegensatz zu den vergleichsweise wohlbekannten Hügelgräberfeldern im regionalen Umfeld11 fehlt es bis dato an einer in Relation stehenden Zahl vergleichbarer Siedlungsbefunde aus dem ländlichen Bereich Südost-Noricums12. Nun mögen ausschnitthafte Einblicke im Zuge von kleinflächigen Rettungsgrabungen und eine gewisse

OBERHOFER 2013. Exemplarisch: URBAN 1984. Einen Überblick vermittelnd: HINKER 2006, 13 f. 12 Vgl.: FÜRNHOLZER – TIEFENGRABER 2004. – Eine mit Schönberg vergleichbare Struktur könnte in Dietersdorf (Ortsgemeinde Zwaring10 11

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Pöls, politischer Bezirk Graz-Umgebung), ca. 7 km in nordnordwestlich von Schönberg unweit der Kainach, angeschnitten worden sein: ARTNER – BELLITTI – SCHWEIGER 2010, 383 f.; ARTNER – MÜLLNER – SCHWEIGER 2011, 390.

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Die römerzeitliche holzbausieDlung von schönberg

Abb. 3. Röntgenaufnahme des en-bloc geborgenen eisenhortfundes (nicht maßstäblich, Foto: Restaurierungsdokumentation R. Fürhacker / A. K. Klatz)

„Widerspenstigkeit” des entsprechenden keramischen Fundmaterials (zumindest für die heutige West-Steiermark) für einen derartigen Versuch nicht gerade dienlich erscheinen, allerdings erlauben die Schönberger Strukturen die Erstellung eines Modells, wie eine weilerartige Ansiedlung eines überwiegend der Subsistenzwirtschaft unterworfenen indigenen Substrats in der Okkupationsphase ausgesehen haben könnte. Somit muss bei der Siedlung von Schönberg von einer Klein-Siedlung oder größeren Höfegruppe ausgegangen werden, deren Ansprache mit der Bezeichnung „Weiler” wohl am ehesten das bekannte Spektrum der römerzeitlichen Siedlungsformen mit Ausnahme von Villen und Einzelgehöften nach unten hin abrundet. Bei diesen Überlegungen gilt es zukünftig auch, demografische und ökonomische Aspekte zu berücksichtigen. Mit dem jetzigen Wissenstand muss davon ausgegangen werden, dass die römische Siedlung von Schönberg nach einem ersten Prosperieren ab dem 1. Jh. n. Chr. eine anderswo festgestellte Steinbauphase in Ermangelung des Baumaterials nie erlebt hat, ehe im 4. Jh. n. Chr. die Absiedlung eingeläutet wurde. zusammenfassung In der KG Schönberg (MG Hengsberg, VB Leibnitz) wurde zwischen Juli 2007 und März 2008 ein nahezu 4,5 Hektar großes Siedlungsgebiet freigelegt. Das Areal liegt in der nördlichen Talrandzone abseits des nachgewiesenen römerzeitlichen Hauptverkehrswegs. Die Auswertung erbrachte den Nachweis von mehreren römerzeitlichen Pfostenbauten, welche in einem offenen ungegliederten Siedlungsbereich errichtet wurden. Im Randbereich der Grabungsfläche konnten die Reste eines dazugehörigen Gräberfeldes erfasst werden. Unter den Funden sind eine eiserne Schnellwaage aus der 2. Hälfte des 2. Jh., eine im heutigen Österreich erstmals aus gesicherten römerzeitlichen Kontexten stammende Bartaxt und eine Baumsichel besonders hervorzuheben, welche zusammen en bloc geborgen wurden. Neben weiteren spärlichen Metallfunden und Keramikimporten wie Terra Sigillata und glasierte Ware gibt ein umfangreiches grobkeramisches Spektrum Aufschluss über die materiellen Hinterlassenschaften der Bewohner dieser Siedlung. 17

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karl oberhofer

Der bis dato unbekannte Siedlungstyp unterscheidet sich deutlich von den bekannten Vici und Villenanlagen der Römerzeit im Ostalpenraum und bezeugt eine intensiv genutzte, landwirtschaftlich geprägte römerzeitliche Kulturlandschaft im heutigen Laßnitztal. abstract Between July 2007 and March 2008 a settlement area of nearly 4.5 acres in size was excavated in the KG Schönberg (MG Hengsberg, VB Leibnitz). The site is situated closely to the northern valley border, apart from the known Roman main road. In this paper post buildings from the Roman period are analyzed, which were erected in an unstructured inhabited area. In this site a pottery kiln and a well were detected, too. In the marginal zone of the excavation area the remains of a burial ground were localized, which was used at least from the first half of the second century to the second half of the fourth century. Among the most significant findings are a steelyard beam from the second half of the second century, a bearded axe – dating from verified Roman period contexts for the first time in modern-day Austria – and a sickle are to be mentioned, which were recovered together en bloc. In addition to other ceramic imports like Terra Sigillata and glazed ware, an extensive range of coarse ware gives information about the material legacy of the inhabitants of this settlement. The previously unknown type of settlement differs significantly from the well-known Vici and the Roman villa complexes in the eastern Alps and is a testimony of an intensively used, predominantly agricultural landscape in the Roman period of today’s Laßnitz Valley.

literatur ARTNER – BELLITTI – SCHWEIGER 2010 W. Artner – F. Bellitti – B. Schweiger: KG Dietersdorf, OG Zwaring-Pöls, PB Graz-Umgebung. FÖ 48 (2009) [2010] 383 f. ARTNER – MÜLLNER – SCHWEIGER 2011 W. Artner – R. Müllner – B. Schweiger: KG Dietersdorf, OG Zwaring-Pöls, PB GrazUmgebung. FÖ 49 (2010) [2011] 389 f. CARVER 2009 M. Carver: Archaeological Investigation. London – New York 2009.

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FUCHS et al. 1998 G. Fuchs – G. Harer – I. Kainz – K.-M. Schneider: Ein Modellfall für die Zusammenarbeit zwischen Planung und archäologischer Denkmalpflege am Beispiel der Koralmbahn Graz – Klagenfurt im Abschnitt Werndorf – Deutschlandsberg. FÖ 36 (1997) [1998] 269– 280. FUCHS 2006 G. Fuchs: Untersuchungen an der römischen Straße im Laßnitztal. FÖ 44 (2005) [2006] 301–346.

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Die römerzeitliche holzbausieDlung von schönberg

FUCHS 2008 G. Fuchs: Spuren der römischen Landvermessung im Laßnitztal (Weststeiermark, Österreich). In: Ch. Franek – S. Lamm – T. Neuhauser – B. Porod – K. Zöhrer (Hrsg.): THIASOS. Festschrift für Erwin Pochmarski zum 65. Geburtstag. Wien 2009, 255–272. FÜRNHOLZER – TIEFENGRABER 2004 J. Fürnholzer – G. Tiefengraber: Untersuchungen in der La-Tène- und römerzeitlichen Flachlandsiedlung von Lebing bei Groß St. Florian, Steiermark. FÖ 43 (2004), 351–364. HINKER 2006 Ch. Hinker: Flavia Solva vor der Stadtrechtsverleihung. Befunde und Funde aus der insula XL. Schild von Steier Beiheft 3. Graz 2006. OBERHOFER 2012 K. Oberhofer: Die römerzeitliche Holzbausiedlung von Schönberg (MG Hengsberg, VB Leibnitz). Ein neuer Siedlungstyp in der Kulturlandschaft des Laßnitztales. Unpubl. Dissertation. Innsbruck 2012.

OBERHOFER 2013 K. Oberhofer: Eine eiserne römische Schnellwaage aus der Weststeiermark. Archäologisches Korrespondenzblatt 2013/4, 535–543. SEDLMAYER – TIEFENGRABER 2006 H. Sedlmayer – G. Tiefengraber (Hrsg.): Forschungen im südoststeirischen Vicus am Saazkogel (Steiermark). Wien 2006. STEINKLAUBER 2002 U. Steinklauber: Das spätantike Gräberfeld auf dem Frauenberg bei Leibnitz, Steiermark. Fundberichte aus Österreich Materialhefte A 10. Wien 2002. TRONCHETTI 2003 C. Tronchetti: Metodo e strategie dello scavo archeologico. Roma 2003. URBAN 1984 O. Urban: Das Gräberfeld von Kapfenstein und die römischen Hügelgräber in Österreich. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 35. München 1984.

Karl Oberhofer Sillhöfe 5/A 29 A-6020 Innsbruck [email protected]

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