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Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie 1999;9:15–22
Die Rheuma-Kontroll-Skala (RKS) – Eine deutschsprachige Version des «Rheumatology Attitudes Index» Rheuma-Kontroll-Skala (RKS) – a German Version of the ‘Rheumatology Attitudes Index’ E. Leibinga
J. Hoyerb
U. Romatzkic
A. Ehlersd
aAbteilung
für Psychosomatik und Psychotherapie der Georg-August-Universität Göttingen für Klinische, Diagnostische und Differentielle Psychologie, Technische Universität Dresden cInternistisch-Psychosomatische Fachklinik Hochsauerland, Bad Fredeburg dDepartment of Psychiatry, Warneford Hospital, University of Oxford bInstitut
Schlüsselwörter Hilflosigkeit · Kontrollierbarkeit · Rheumatoide Arthritis · Fibromyalgie · Validierung
Key Words Helplessness · Control · Rheumatoid arthritis · Fibromyalgia · Validation
Zusammenfassung In dieser Arbeit wird die Entwicklung und Überprüfung einer deutschsprachigen Version des «Rheumatology Attitudes Index» («Rheuma-Kontroll-Skala» RKS) zur Erfassung wahrgenommener Kontrollierbarkeit bei rheumatischen Erkrankungen dargestellt, und erste Normwerte werden mitgeteilt. Faktorenanalysen über die Items des «Rheumatology Attitudes Index» ergaben bei rheumatischen Patienten (n = 74 Fibromyalgie, n = 160 rheumatoide Arthritis, n = 110 Spondylitis ankylosans) einen aus 7 Items bestehenden Faktor, der inhaltlich die Kontrollierbarkeit von Krankheit und Schmerzen abbildet. Die RKS erfaßt die wahrgenommene Kontrollierbarkeit bei rheumatischen Erkrankungen ökonomisch, objektiv und reliabel im Sinne der Theorie der «Gelernten Hilflosigkeit». Hinweise auf die Konstrukt-Validität werden berichtet: So fanden sich signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit hohen im Vergleich zu niedrigen RKS-Werten bezüglich Depressivität und Ängstlichkeit in der erwarteten Richtung. Hohe Kontrollierbarkeit war mit geringeren Schmerzen, mehr kognitiv-umbewertendem und aktivem sowie weniger passivresignativem Bewältigungsverhalten verbunden. Kontrollierbarkeit erklärt einen größeren Varianzanteil der Beeinträchtigung von Patienten mit rheumatoider Arthritis als medizinische Erkrankungsparameter oder die Erkrankungsdauer. Darüber hinaus ist die Kontrollierbarkeit durch kognitive Verhaltenstherapie erwartungsgemäß modifizierbar.
Summary A German version of the ‘Rheumatology Attitudes Index’ – the ‘Rheuma-Kontroll-Skala’ (RKS) – to assess perceived control in rheumatic disease is presented, and first norms are reported. Factor analyses yielded one factor with 7 items measuring the control of illness and pain in rheumatic patients (n = 74 fibromyalgia, n = 160 rheumatoid arthritis, n = 110 Bechterew’s disease). The RKS is an economic, objective, and reliable scale of perceived control in rheumatic diseases according to the ‘learned helplessness model’. Results in favor of construct validity are reported. Significant differences were found between patients with high compared to patients with low RKS scores concerning depression and anxiety in the expected direction. High control was combined with lower pain, more cognitive-reappraising and active coping and lower passive-resignative coping. Perceived control explained a greater proportion of variance of impairment in rheumatoid arthritis than medical illness parameters and duration of illness. Furthermore, perceived control can be modified through cognitive-behavioral therapy.
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Dipl.-Psych. Dr. rer. nat. Eric Leibing Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, Georg-August-Universität Von-Siebold-Straße 5, D-37075 Göttingen Tel. 0551-396735, Fax 0551-394592 E-mail
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Tab. 1. Charakteristika der Stichproben und Ausprägung der RKS
Alter, Jahre (SD) Geschlecht weiblich, % Erkrankungsdauer, Jahre (SD) RKS (SD)
Einleitung Überprüfungen der Theorie der «Gelernten Hilflosigkeit» und ihrer Neuformulierung [Seligman, 1975; Abramson et al., 1978] zeigen, daß die erwartete Unkontrollierbarkeit negativer Ereignisse ein Prädiktor für Hilflosigkeit und depressive Symptome ist [Smith et al., 1994]. Auch bei der Bewältigung von Erkrankungen spielt die wahrgenommene Kontrollierbarkeit eine entscheidende Rolle [Lazarus und Launier, 1981]. Unkontrollierbarkeit, und damit Hilflosigkeit, führen zum Verzicht auf aktiv-bewältigendes und zur Hinwendung zu passiv-resignativem Coping [Nicassio et al., 1985; Parker et al., 1988; Serbo und Jajic, 1991; Leibing, 1992; Smith und Wallston, 1992]. Außerdem prädizieren Hilflosigkeit sowie kognitive Verzerrungen Depressivität [Smith et al., 1994]. Bei rheumatischen Erkrankungen konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Hilflosigkeit und Schmerz gezeigt werden [Nicassio et al., 1985; Callahan et al., 1988; Nicassio et al., 1993]. Therapiestudien belegen, daß Hilflosigkeit und Bewältigungsverhalten therapeutisch beeinflußbar sind [Leibing, 1992; Burckhardt und Bjelle, 1996] und daß mit der Hilflosigkeit auch Schmerzsstärke und Angst abnehmen [Leibing, 1994; Nicassio et al., 1997]. Dies bestätigt somit die in der Theorie Seligmans postulierte zentrale Bedeutung der Hilflosigkeit bzw. der Unkontrollierbarkeit im Prozeß der Krankheitsbewältigung. Rheumatische Erkrankungen sind mit erheblichen Schmerzen, Behinderungen und Einschränkungen verbunden [Raspe, 1990]. Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronischentzündliche Systemerkrankung unbekannter Ätiologie, die durch Gelenkveränderungen zu Bewegungseinschränkungen führt. Auch die Spondylitis ankylosans (SA) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Bewegungsapparates, bei der es letztlich zu einer Versteifung der Wirbelsäule kommen kann [Zeidler, 1990]. Die Fibromyalgie (FM) ist durch massive multilokuläre Schmerzen, verbunden mit Erschöpfung und funktionellen Störungen gekennzeichnet. Für diese Erkrankung wird eine psychosomatische Genese vermutet, da organische Ursachen bisher nicht gefunden werden konnten [Keel, 1995]. Bisher sind für diese Erkrankungen keine kausalen Therapieen verfügbar. Das Auftreten von Schmerzen, der Krankheitsverlauf und bleibende Behinderungen sind objektiv unvorhersagbar und unkontrollierbar [Raspe, 1990]. So entsteht das
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Rheumatoide Arthritis (n = 160)
Fibromyalgie (n = 74)
Spondylitis ankylosans (n = 110)
Gesamtgruppe (n = 344)
53,3 (12,1) 74,6 8,6 (12,1) 2,7 (0,43)
52,6 (6,4) 90 9,6 (7,9) 2,6 (0,38)
41,2 (11,5) 9 11,9 (9,1) 2,9 (0,40)
50,8 (11,0) 58,7 10,2 (10,5) 2,7 (0,42)
Risiko, daß sich beim Patienten die Erwartung von Unkontrollierbarkeit entwickelt, was im Sinne «Gelernter Hilflosigkeit» zu passiv-resignativer Bewältigung, Angst und Depressivität führen kann. Unkontrollierbarkeit ist ein generelles Charakteristikum der hier untersuchten rheumatischen Erkrankungen. Außerdem ergeben sich auch differentielle erkrankungsabhängige Bedingungen für die jeweilige Ausprägung der Hilflosigkeit. Auch wenn eine kausale Behandlung von RA und SA nicht möglich ist, gibt es für diese Erkrankungen medikamentöse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten. Entzündungen können behandelt, die Häufigkeit von Entzündungsschüben sowie Schmerzen reduziert werden. Die SA ist zwar weder vollkommen heilbar noch beherrschbar, aber von den drei hier untersuchten Erkrankungen haben wir bei ihr noch die besten Behandlungsmöglichkeiten [Mau und Zeidler, 1989]. Die Therapie der FM ist am schwierigsten; eine medikamentöse Behandlung ist nicht möglich und auch Schmerzmittel zeigen oft keine Wirkung. Nur die Psychotherapie hat sich als effektiv erwiesen, ist aber nur wenig akzeptiert, weswegen ein therapeutischer Nihilismus verbreitet ist. Die FM-Patienten erleben diese unzureichenden therapeutischen Möglichkeiten als extreme Verunsicherung [Keel, 1995], was vermutlich zu deutlich ausgeprägter Hilflosigkeit führt. Mit dem «Arthritis Helplessness Index» (AHI) [Nicassio et al., 1985] und dem daraus entwickelten «Rheumatology Attitudes Index» (RAI) [Callahan et al., 1988] wird die Erwartung der Unkontrollierbarkeit bei diesen Erkrankungen erfaßt. Die beiden Indices sind im englischen Sprachraum weit verbreitet, eine deutsche Version fehlte bisher jedoch. AHI und RAI bestehen aus 15 Items (Tab. 2), die Beantwortung erfolgt mit Hilfe einer 4stufigen Skala (1 = «völlig falsch», 2 = «falsch», 3 = «richtig», 4 = «völlig richtig»). Die Reliabilität des ursprünglichen AHI (α = 0,69; RetestReliabilität 1 Jahr rtt = 0,53) ist befriedigend, wenn man den schubweisen Verlauf der RA berücksichtigt [Nicassio et al., 1985]. Eine Faktorenanalyse bei 557 RA-Patienten von Stein et al. [1988] erbrachte eine Lösung mit den Subskalen «Hilflosigkeit» (α = 0,63; Item 1, 10, 12, 13, 14) und «Internale Kontrollüberzeugung» (α = 0,73, Item 2, 3, 5, 6, 8, 9). Eine erste deutsche Übersetzung des AHI wurde von Leibing [1992] vorgelegt. Die Faktorenanalyse an 93 ambulanten RAPatienten ergab einen Faktor mit 6 Items (3, 6, 8, 9, 12, 13), der Hilflosigkeit und wahrgenommene Unkontrollierbarkeit
Leibing/Hoyer/Romatzki/Ehlers
Tab. 2. Die Items des RAI (AHI) und die Ladungen der RKS Nr. Item
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Ladung RKS
Die rheumatische Erkrankung kontrolliert mein Leben. Es liegt weitgehend in meiner eigenen Verantwortung, mit meiner rheumatischen Erkrankung zurechtzukommen. Ich kann meine Schmerzen verringern, indem ich ruhig und entspannt bleibe. Die Schmerzen treffen mich zu oft scheinbar aus heiterem Himmel. Wenn ich nur alles richtig mache, kann ich erfolgreich mit meiner rheumatischen Erkrankung zurechtkommen. Ich kann eine ganze Menge selbst dazu beitragen, meine rheumatische Erkrankung zu bewältigen. Wenn es darum geht, meine rheumatische Erkrankung zu beeinflussen, kann ich nur das tun, was der Arzt mir sagt. Wenn ich gut mit meinem persönlichen Leben zurechtkomme, flammt meine rheumatische Erkrankung nicht so schnell auf. Ich habe beachtliche Fähigkeiten, meine Schmerzen zu kontrollieren. Ich würde mich hilflos fühlen, wenn ich mich nicht auf andere verlassen könnte, die mir bei meiner rheumatischen Erkrankung helfen. Üblicherweise kann ich sagen, wann meine rheumatische Erkrankung stärker wird. Ich kann keine Erleichterung von den Schmerzen erreichen, egal was ich tue oder wie stark ich mich auch bemühe. Ich kann meine rheumatische Erkrankung wirksam bewältigen. Es scheint so, dafl das Schicksal oder andere Faktoren auflerhalb meiner Kontrolle meine rheumatische Erkrankung beeinflussen. Ich möchte so viel über meine rheumatische Erkrankung lernen, wie ich nur kann.
abbildet. Die Skala weist mit α = 0,82 eine hohe interne Konsistenz auf. Die Items des RAI sind identisch mit denen des AHI bis auf den Begriff «arthritis», der durch eine allgemeinere Formulierung ersetzt wurde, um die Anwendung bei anderen rheumatischen Erkrankungen zu ermöglichen. Die Korrelation zwischen RAI und AHI beträgt r = 0,78 (n = 65), die interne Konsistenz α = 0,68 (n = 184). Auf der Basis erneuter Faktorenanalysen [DeVellis und Callahan, 1993] wurde die Skala «Hilflosigkeit» des RAI entwickelt, die identisch ist mit dem Faktor «Hilflosigkeit» des AHI (Item 1, 10, 12, 13, 14). In dieser Arbeit soll anhand verschiedener Erkrankungen geprüft werden, ob sich Hinweise auf eine erkrankungsspezifische oder generelle Dimensionalität, sowie eine ein- oder mehrdimensionale Lösung des AHI/RAI ergeben. Weiteres Ziel ist es, die gefundene deutsche Version, die Rheuma-Kontroll-Skala (RKS), nach Kriterien der klassischen Testtheorie zu überprüfen und erste Normen vorzulegen. Die Hypothesen zur Validität der RKS leiten sich aus den dargestellten Befunden ab: Bei höher wahrgenommener Kontrollierbarkeit sind Depressivität, Ängstlichkeit und Schmerzen geringer ausgeprägt und es findet sich weniger passiv-resignative sondern mehr aktiv-problemorientierte und kognitivumbewertende Bewältigung. Beeinträchtigungen durch die rheumatische Erkrankung hängen in stärkerem Ausmaß von der Ausprägung der Kontrollierbarkeit als von der Erkrankungsschwere ab. Dabei weisen Patienten mit verschiedenen Erkrankungen unterschiedliche Ausprägungen der Kontrollierbarkeit auf. Insbesondere bei FM-Patienten ist eine niedrige Kontrollierbarkeit zu erwarten, die durch kognitiv-behaviorale Therapie zu größerer Kontrollierbarkeit hin veränderbar ist.
Patienten und Methoden
RKS – eine deutsche Version des «Rheumatology Attitudes Index»
Verhaltenstherapie 1999;9:15–22
Kommunalität
0,58 0,51
0,33 0,26
0,55 0,73
0,31 0,53
0,54
0,29
–0,56 0,77
0,31 0,59
In der vorliegenden Arbeit wurden Daten von insgesamt 344 Patienten aus 3 Untersuchungen herangezogen. Leibing [1992] untersuchte 95 ambulante Patienten mit RA; eine weitere Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Erstautors (E.L.) untersuchte 65 ambulante Patienten mit RA und 74 ambulante FM-Patienten [Heimann und Hartmann, 1995, S.137]. Die zwei Gruppen der RA-Patienten wurden für die vorliegende Analyse zusammengefaßt (n = 160). 110 stationäre SA-Patienten füllten während ihres Aufenthaltes in der Internistisch-Rheumatologischen Fachklinik Eilsen (eine Klinik der LVA Hannover) die deutsche Version des RAI aus. Tabelle 1 zeigt die soziodemographischen Daten. Der überwiegende Teil der RA-Patienten (71%) befindet sich im Stadium II oder III der Erkrankung nach Steinbrocker et al. [1949]. Nach dieser Einteilung werden 4 Stadien unterschieden. Zentrale Kennzeichen des Stadiums II sind Osteoporose, leichte Knorpel- und Knochendestruktionen, aber keine Gelenkdeformationen. Im Stadium III kommen hinzu: Gelenkdeformationen, Subluxationen, Ulnardeviation sowie Hyperextension ohne Ankylose. Die untersuchten Patienten aller Gruppen sind nach Stadium und Dauer der Erkrankung, Alter und Geschlechtsverteilung als schwer und lang erkrankt einzustufen und entsprechen den Patienten des klinischen Alltags [Zeidler, 1990]. Die Depressivitätsskala (DS) erfaßt Depressivität mit 16 Items auf einer 4stufigen Skala [von Zerssen, 1976]. Die Trait-Form des «State-Trait-Anxiety-Inventory» (STAI) [Laux et al., 1981] erfaßt Ängstlichkeit mit 20 Items auf einer 4stufigen Skala. Die Schmerzsymptomatik wurde über visuelle Analogskalen zur momentanen und mittleren Schmerzstärke der letzten 7 Tage erfaßt. Das Bewältigungsverhalten wurde mit den «Berner Bewältigungsformen» (BEFO) [Heim et al., 1991] erhoben. Dabei handelt es sich um eine Fremdeinschätzung im Rahmen eines semistrukturierten Interviews. Zur Datenreduktion wurde auf die 6-Faktoren-Lösung von Leibing [1992] zurückgegriffen, die an einer Stichprobe von 131 RAPatienten gewonnen wurde (Kognitives Umbewerten, Sinngebung, Planvolle Aktivität, Auf-Abstand-Halten, Resignativ-emotionales Coping und Positive Akzeptanz). Zur Untersuchung der Dimensionalität wurden Faktoranalysen (Hauptkomponenten-Methode, Varimax-Rotation) durchgeführt. Im Rahmen
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Tab. 3. Schwierigkeit der Items der RKS
Item Nr.:
2
3
5
6
9
12
13
Mittel
Gesamtgruppe Spondylitis ankylosans Fibromyalgie Rheumatoide Arthritis
0,62 0,66 0,58 0,62
0,47 0,50 0,46 0,45
0,46 0,56 0,36 0,45
0,63 0,69 0,59 0,61
0,40 0,37 0,42 0,41
0,33 0,29 0,37 0,34
0,43 0,49 0,37 0,41
0,48 0,51 0,45 0,47
einer Itemanalyse wurden Schwierigkeit und Trennschärfe der Items bestimmt. Zur Prüfung der aufgestellten Hypothesen wurden t-Tests, Produkt-Moment-Korrelationen und multiple Regressionen (F-Test) berechnet. Die Bestimmung der Effektgröße erfolgte nach Cohen [1988]. Alle Berechnungen wurden mit dem statistischen Analysesystem SAS [SASInstitute, 1996] durchgeführt.
Ergebnisse Durch explorative Faktoranalysen (FA) über die einzelnen Krankheitsgruppen (FA1: n = 160 RA-Patienten, FA2: n = 74 FM-Patienten, FA3: n = 110 SA-Patienten) wurde deutlich, daß eine sinnvolle inhaltliche Interpretation und Abgrenzung der Faktoren nur bei einem strengen Abbruchkriterium (Eigenwert > 1,5) möglich war. Gleichzeitig zeigte sich auch, daß der jeweilige erste Faktor aller Lösungen eine Kerngruppe von 7 Items (2, 3, 5, 6, 9, 12 und 13) umfaßte. Wir legten daher für die weiteren Berechnungen die gesamte Patientengruppe (n = 344) zugrunde und setzten als Abbruchkriterium einen Eigenwert über 1,5 fest. Wir erhielten so eine zweifaktorielle Lösung mit dem schon bekannten Faktor 1 (Items 2, 3, 5, 6, 9, 12, 13) und dem Faktor 2 (Items 1, 8, 10, 11, 14). Da die Items des Faktors 2 sowohl Hilflosigkeit (1, 10, 14) als auch Kontrolle (8, 11) abbilden und der Faktor damit in sich widersprüchlich und nicht sinnvoll interpretierbar ist, entschieden wir uns für eine einfaktorielle Lösung. Items, Ladungen und Kommunalitäten der Faktorlösung sind in Tabelle 2 dargestellt. Inhaltlich umfaßt die so gefundene «Rheuma-Kontroll-Skala» (RKS) 7 Items, die im Sinne der Theorie der «Gelernten Hilflosigkeit» die erwartete Kontrollierbarkeit der Krankheit und der Schmerzen erfaßt. Die RKS erklärt 37,5% der Varianz aller Items und entspricht weitgehend dem von Leibing [1992] gefundenen Faktor (gemeinsame Items 3, 6, 9, 12, 13) allerdings mit inversen Ladungen. Außerdem gleicht sie stark dem Faktor «internale Kontrolle» von Stein et al. [1988] mit den gemeinsamen Items 2, 3, 5, 6, 9. Die zusätzlichen Items 12 und 13 werden bei Stein et al. [1988] sowie bei DeVellis und Callahan [1993] dem Faktor «Hilflosigkeit» zugeordnet, laden bei unserer Lösung allerdings auf dem Faktor Kontrollierbarkeit (Item 12 mit negativer Ladung). Die große inhaltliche Nähe zwischen RKS und dem Faktor «internale Kontrolle» wird durch die hohe Interkorrelation (r = 0,90; p < 0,0001; n = 344) deutlich. Alle weiteren Analysen beziehen sich auf die RKS, bestehend aus 7 Items (Tab. 2).
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Die Überprüfung der Rohwerteverteilung hinsichtlich Schiefe und Exzeß ergab keine signifikante Abweichung von der Normalverteilung. Die Schwierigkeiten der Items (Tab. 3) liegen für die zusammengefaßten Patientengruppen im mittleren Bereich, weisen allerdings zwischen den einzelnen Gruppen deutliche Unterschiede auf. Insbesondere werden die Items von den SA-Patienten als «leichter» empfunden als von den FM-Patienten. Die Trennschärfe der Items ist identisch mit ihren Ladungen auf der Skala RKS (Tab. 2). Sie liegt bei allen Items über 0,5 und erweist sich somit als zufriedenstellend. Die interne Konsistenz der RKS beträgt α = 0,71 für die Gesamtstichprobe (n = 344). Die Retest-Reliabilität wurde anhand einer Teilstichprobe von 36 RA- und 23 FM-Patienten bestimmt, die keine psychotherapeutische Behandlung erhielten. Die Retest-Reliabilität beträgt über 3 Monate rtt = 0,61 und über 6 Monate rtt = 0,40. Werden die Gruppen getrennt betrachtet, ergibt sich für die FM-Patienten über 3 Monate eine Retest-Reliabilität von rtt = 0,73 und über 6 Monate eine von rtt = 0,63. Bei einer Untergruppe von 15 RA-Patienten trat ein Entzündungsschub auf; hier fällt die Retest-Reliabilität über 3 Monate mit rtt = 0,40 erwartungsgemäß niedrig aus. Bei den RA-Patienten ohne Entzündungsschub liegt die Retest-Reliabilität bei rtt = 0,70. Eine Bestimmung der Retest-Reliabilität über 6 Monate ist für RA-Patienten in Anbetracht des schubweisen Verlaufs nicht sinnvoll. Die Ausprägung der RKS ist nicht vom Alter der Patienten, von der Dauer der Erkrankung oder vom Stadium der RA [vgl. Steinbrocker et al., 1949] abhängig. Die Mittelwerte und Standardabweichungen für die RKS unterscheiden sich in den einzelnen Untersuchungsgruppen (Tab. 1). SA-Patienten weisen sowohl gegenüber den RA-Patienten (p < 0,01) als auch gegenüber den FM-Patienten (p < 0,0001) die höchsten Werte auf. Die RKS-Werte der RA-Patienten unterscheiden sich hingegen nicht signifikant (p = 0,154) von denen der FM-Patienten, die die niedrigsten Ausprägungen aufweisen. In Tabelle 4 sind die für die 3 Untergruppen und für die Gesamtgruppe getrennt normierten Werte (Normwerte als TWerte) wiedergegeben. Da keine Abhängigkeit der RKSWerte vom Alter gefunden wurde, wird auf eine Berechnung altersspezifischer Normen verzichtet. Für die Validierung der RKS standen die Daten der RA- und FM-Patienten zur Verfügung. Die Teilstichprobe wurde jeweils getrennt und gemeinsam in Extremgruppen mit hohen versus niedrigen Werten (± 1/2 Standardabweichung) in der
Leibing/Hoyer/Romatzki/Ehlers
Tab. 4. Normen (T-Werte) der RKS Rohwert
1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 3,2 3,4 3,6 3,8 4,0
T-Werte RA FM SA Gesamt (n = 160) (n = 74) (n = 110) (n = 344)
14,0 20,0 23,5 29,0 33,4 38,5 43,0 47,0 52,0 56,7 62,0 66,0 71,0 75,0
17,3 29,0 33,2 39,0 44,0 48,5 55,0 59,8 65,5 71,0 74,0
33,2 38,5 42,5 49,0 52,9 58,2 63,5 67,5 73,5 77,9
15,0 18,5 22,5 28,5 32,2 37,0 42,2 45,5 52,0 56,0 61,0 66,0 69,7 76,0 79,7
RKS aufgeteilt. Die Extremgruppen wurden bezüglich der Ausprägung von Depressivität und Ängstlichkeit (Tab. 5) verglichen. Patienten mit hoher Ausprägung auf der RKS weisen hypothesenkonform signifikant niedrigere Werte hinsichtlich der Depressivität auf. Die Effektgröße d ist nach Cohen [1988] als «mittel» bzw. «klein» einzustufen. Auch bezüglich der Ängstlichkeit weisen die Patienten mit hoher Ausprägung auf der RKS signifikant niedrigere Werte auf. Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Kontrollierbarkeit und Schmerzen wurden jeweils die Korrelationen zwischen der RKS und den beiden Schmerz-Variablen für die RA- und FM-Patienten berechnet. Dabei liegt für die Subgruppe der FM-Patienten die mittlere Korrelation etwas niedriger (r = 0,30; p < 0,01; n = 71) als für die RA-Patienten (r = 0,35; p < 0,001; n = 130). Alle Zusammenhänge sind signifikant und liegen in der erwarteten Richtung. Mit Hilfe einer multiplen Regression wurde bei einer Subgruppe von 57 RA-Patienten geprüft, ob die Beeinträchtigungen durch die Erkrankung (Depressivität, Ängstlichkeit, Schmerzstärke) stärker von medizinischen Erkrankungsparametern (Erkrankungsdauer, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, Funktionsbeeinträchtigung, Anzahl geschwollener Gelenke) oder von der Ausprägung der Kontrollierbarkeit abhängen. Hierbei bestehen die größten Zusammenhänge jeweils zur RKS. Von den untersuchten organischen Parametern erklärt einzig die Funktionsbeeinträchtigung einen allerdings deutlich geringeren Varianzanteil. Weder die Erkrankungsdauer noch die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit oder die Anzahl geschwollener Gelenke erklären einen signifikanten Varianzanteil an den Variablen der Beeinträchtigung. Der aufgeklärte Varianzanteil der Depressivität durch die
RKS – eine deutsche Version des «Rheumatology Attitudes Index»
RKS beträgt R2 = 0,16 (p = 0,0024) und durch die Funktionsbeeinträchtigung R2 = 0,11 (p < 0,01), der Varianzanteil der Ängstlichkeit durch die RKS R2 = 0,22 (p < 0,001) und durch die Funktionsbeeinträchtigung R2 = 0,05 (p < 0,05) sowie der Schmerzstärke durch die RKS R2 = 0,18 (p < 0,001) und durch die Funktionsbeeinträchtigung R2 = 0,07 (p < 0,05). Um die Zusammenhänge mit dem Bewältigungsverhalten zu überprüfen, wurden die Korrelationen zwischen der RKS und den Faktoren der BEFO für die RA- und die FM-Patienten getrennt und gemeinsam berechnet (Tab. 6). Bis auf den Faktor «Abstand Halten» bestehen für alle Faktoren signifikante Zusammenhänge in der erwarteten Richtung. Während zwischen der RKS und «Aktiv-problemorientierter Bewältigung» positive Korrelationen gefunden wurden, besteht zwischen dem Faktor «Resignativ-emotionales Coping» und der RKS ein negativer Zusammenhang. Im Rahmen einer kontrollierten Therapiestudie zu kognitiver Verhaltenstherapie bei RA und FM [Leibing et al., 1999] wurde die Veränderung der Kontrollierbarkeit erfaßt. Hierbei ergab sich bei den RA- (n = 18) und den FM-Patienten (n = 32) eine signifikante (p < 0,05) Zunahme der Kontrollierbarkeit durch die Therapie.
Diskussion Faktorenanalysen über die Items der deutschen Version des AHI/RAI legen eine einfaktorielle Lösung nahe. Die Varianzaufklärung des aus 7 Items bestehenden Faktors «Kontrollierbarkeit» liegt bei knapp 40% und ist, da die Skala nur 7 von 15 Items umfaßt, als recht hoch anzusehen. Die Trennung in zwei Faktoren, wie bei Stein et al. [1988], gelang uns weder bei der Gesamtgruppe noch den Subgruppen. Es luden jeweils Items der Faktoren «Hilflosigkeit» und «Internale Kontrolle» auf einem Faktor. Dieses Ergebnis ist nicht auf eine einfache Stichprobenabhängigkeit zurückzuführen, da das ursprüngliche Ergebnis repliziert wurde [DeVellis und Callahan, 1993] und unser Ergebnis an unabhängig erhobenen Stichproben kreuzvalidiert wurde. Hier könnte ein kulturspezifischer Einfluß wirksam sein, was auch gegen eine Übernahme der 2-Faktor-Lösung aus den USA spricht. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten halten wir diese einfaktorielle Lösung für gut interpretierbar. Sie bildet die wahrgenommene Kontrollierbarkeit von Erkrankung und Schmerzen ab und erfaßt so die zentrale Variable im Konzept der «Gelernten Hilflosigkeit». Außerdem entfallen bei der RKS mißverständliche und wenig konstruktbezogene Items (Nr. 4, 10, 14, 15). Die hohe Korrelation (r = 0,90) zwischen der RKS und dem Faktor «Internale Kontrolle» spricht darüber hinaus für eine große inhaltliche Nähe der beiden Skalen. Die Itemschwierigkeiten für die zusammengefaßten Gruppen liegen im mittleren und für eine Normierung nach Lienert und Raatz [1994] notwendigen Bereich. Zwischen den Gruppen gibt es jedoch Unterschiede. SA-Patienten glauben,
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Tab. 5. Depressivität und Ängstlichkeit in Abhängigkeit von der Ausprägung der Kontrolle Gruppe
RA FM RA/FM 1 2 3
n hoch/ niedrig
Depressivität (DS) Kontrolle Kontrolle p2 d3 hoch1 niedrig1 MW (SD) MW (SD)
Ängstlichkeit (STAI) Kontrolle Kontrolle p2 d3 hoch1 niedrig1 MW (SD) MW (SD)
40/41 29/31 54/72
57,3 (8,7) 63,8 (11,0) 59,4 (10,9)
51,2 (9,3) 57,2 (8,6) 52,8 (10,9)
60,8 (10,2) 69,3 (9,1) 64,5 (10,6)
0,05 0,02 0,01
0,37 0,55 0,48
56,4 (11,3) 63,3 (9,3) 59,4 (10,6)
0,02 0,02 0,01
0,50 0,68 0,61
Extremgruppen mit hoher versus niedriger Kontrolle (RKS; ± 1/2 STD). Einseitiger t-Test. Effektgröße nach Cohen [1988].
Tab. 6. Korrelationen zwischen RKS und Bewältigung (BEFO-Faktoren)
BEFO-Faktor
RA (n = 160)
FS (n = 74)
RA + FS (n = 234)
BF1 Positives Umbewerten BF2 Sinngebung BF3 Planvolle Aktivität BF4 Abstand Halten BF5 Resignativ-emotionales Coping BF6 Positive Akzeptanz
0,35*** 0,40*** 0,14* 0,12ns –0,18** 0,28***
0,37*** 0,51*** 0,40*** 0,12ns –0,24* 0,41***
0,37*** 0,45*** 0,24** 0,14* –0,24*** 0,31***
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001; ns = nicht signifikant, (einseitiger t-Test).
größere Kontrolle über ihre Schmerzen zu besitzen als RAPatienten, während FM-Patienten subjektiv über die geringste Kontrolle verfügen. Klinisch deckt sich dieses Ergebnis mit den bei FM-Patienten als unbeeinflußbar erlebten Schmerzen, die bei SA- und RA-Patienten durch Medikamente zeitweise besser beeinflußbar sind. Von den drei besprochenen Erkrankungen beeinträchtigt, wie bereits erwähnt, SA die Patienten am wenigsten, und eine adäquate Therapie ermöglicht darüber hinaus die Minimierung von Spätfolgen. Diese beiden Faktoren können zur Erklärung der Kontrollierbarkeit herangezogen werden, die bei den SA-Patienten im Vergleich zu den anderen Gruppen viel stärker ausgeprägt ist. So bietet die stationäre Behandlung der SA für diese Patienten eher eine Chance auf einen besseren Verlauf durch die Einleitung adäquater Therapiemaßnahmen, als daß sie Zeichen für einen negativen Verlauf ist. Die gefunden Unterschiede bezüglich der Kontrollierbarkeit zwischen den Gruppen stehen auch im Einklang mit bisherigen Befunden mit dem RAI [Callahan et al., 1989; Burckhardt und Bellje, 1996]. Die Streuung der Schwierigkeitsindizes zwischen den Gruppen trägt zwar zur Differenzierungsfähigkeit bei, legt jedoch eine getrennte Normierung nahe. Daher werden Normen für die Gesamtgruppe und die einzelnen Erkrankungsgruppen getrennt dargestellt. Da jedoch keine Abhängigkeit der RKS vom Alter gefunden wurde, wird auf die Berechnung altersspezifischer Normen verzichtet.
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Die Trennschärfe der Items liegt jeweils über 0,50 und ist damit zufriedenstellend. Die Items unterscheiden hinreichend zwischen Patienten mit hoher und niedriger Merkmalsausprägung. Die interne Konsistenz der Skala (α = 0,71) liegt für die Gesamtstichprobe im Bereich der Voruntersuchungen und ist wegen der geringen Itemzahl gut. Die Retest-Reliabilität (rtt = 0,70 bzw. 0,73 über 3 Monate sowie rtt = 0,63 über 6 Monate für FM-Patienten) ist ebenfalls als gut zu betrachten. Sie verhält sich über die Zeit und die Gruppen erwartungsgemäß. Die Ergebnisse zur therapeutischen Beeinflußbarkeit der RKS weisen auf eine hinreichende Veränderungssensibilität hin, was den Einsatz in Therapiestudien ermöglicht. Gleichzeitig sprechen diese Ergebnisse und die niedrigen Retest-Reliabilitäten bei RA-Patienten mit Entzündungsschub dafür, daß es sich bei der erfaßten Dimension nicht um ein TraitMerkmal, sondern um eine situationsabhängige und veränderbare Variable handelt. Das steht im Einklang mit dem Konzept der «Gelernten Hilflosigkeit» [Abramson et al, 1978] und dem transaktionalen Streßmodell [Lazarus und Folkman, 1984], in dem die Kontrollierbarkeit als Variable der Situationseinschätzung verstanden werden kann. Die fehlende Abhängigkeit von Alter, Erkrankungsdauer und Stadium der RA deutet darauf hin, daß es weniger soziodemographische und krankheitsbezogene Variablen sind, welche die Kontrollierbarkeit beeinflussen, sondern eher individuelle Faktoren. Auch das ist als Hinweis auf die Validität der
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RKS zu werten, da Kontrollierbarkeit kein ausschließliches Epiphänomen der Erkrankung ist, sondern eine unabhängige psychologische Dimension abbildet. Unterschiede von zumeist mittlerer Effektstärke bestehen zwischen Patienten mit hoher gegenüber niedriger Ausprägung auf der RKS bezüglich Depressivität und Ängstlichkeit. Der Zusammenhang erscheint zwar zunächst geringer als erwartet, aus der Theorie der «Gelernten Hilflosigkeit» heraus ist dieses Ergebnis jedoch plausibel. Globalität bzw. Spezifität der Hilflosigkeit steht danach in unmittelbarer Beziehung zur Globalität bzw. Spezifität der Depression [Abramson et al., 1978; Miller und Norman, 1979]. In der vorliegenden Untersuchung wurde jedoch die Kontrollierbarkeit als spezifisches Phänomen bezüglich der Erkrankung eingegrenzt, die Depressivität hingegen als globales Merkmal erfaßt. Spezifische Depressivität hinsichtlich der Erkrankung ist andererseits nicht sinnvoll erfaßbar, da in diesem Fall die körperlichen Symptome der Erkrankung und der Depressivität miteinander vermengt wären [Pincus et al., 1986; Parker et al., 1990]. Deutlichere Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit und der Depressivität sind somit nicht zu erwarten. Die gefundenen Zusammenhänge zwischen Kontrollierbarkeit und Schmerz (r = 0,30 bei FM-, r = 0,35 bei RA-Patienten) liefern weitere Hinweise auf die Validität der Skala. Gerade bei Patienten mit RA hat der Schmerz primär organische Ursachen, was für diese Gruppe keine höheren Korrelationen erwarten läßt. Auch bei FM-Patienten ist keine höhere Korrelation zu erwarten, da durch den Dauerschmerz die Varianz der Schmerzstärke gering ist, was die Höhe der Korrelation begrenzt. Für die Ausprägung von Schmerzen, Depressivität und Ängstlichkeit sind außerdem nach dem transaktionalen Streßmodell neben der Kontrollierbarkeit noch andere Variablen der Situationseinschätzung und die Bewältigung von Bedeutung [Brown und Nicassio, 1987; Keefe et al., 1989]. Zwischen der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit und der Bewältigung der Erkrankung finden sich Zusammenhänge in
der erwarteten Richtung. Die deutlichsten Zusammenhänge bestehen zwischen der Kontrollierbarkeit und kognitiv-umbewertenden Strategien («Positives Umbewerten», «Sinngebung», «Positive Akzeptanz»). Weiterhin besteht ein positiver Zusammenhang zu «Planvoller Aktivität» und ein negativer Zusammenhang zum «Resignativ-emotionalen Coping». Diese erwartungskonformen Zusammenhänge [vgl. Nicassio et al., 1985; Parker et al., 1988; Serbo und Jajic, 1991; Leibing, 1992; Smith und Wallston, 1992] sind als Hinweis auf die Konstruktvalidität der RKS zu werten. Insgesamt ist die RKS ein geeignetes, den Kriterien der klassischen Testtheorie genügendes Instrument zur Erfassung wahrgenommener Kontrollierbarkeit bei rheumatischen Erkrankungen. Die Ergebnisse der Itemanalyse sowie die Reliabilität der Skala sind zufriedenstellend bis gut, weiterführende Analysen sprechen für ihre Validität. Zugleich ist die RKS aufgrund ihrer geringen Itemzahl ein ökonomisches und leicht anwendbares Instrument. Die Resonanz, die der AHI/RAI in zahlreichen Studien zum Einfluß psychischer Faktoren bei rheumatischen Erkrankungen findet, belegt die Aktualität der Theorie «Gelernter Hilflosigkeit», besonders der postulierten Auswirkungen der Erwartung der Kontrollierbarkeit auf den Umgang mit rheumatischen Erkrankungen und deren Behandlung. Mit dem Vorliegen eines deutschsprachigen ökonomischen Erfassungsinstrumentes für wahrgenommene Kontrollierbarkeit ergeben sich neue Einsatzmöglichkeiten in Forschung und Praxis. Die RKS ist vielversprechend für den Einsatz in Forschungsuntersuchungen, als Screening-Instrument bei der Implementierung geeigneter Behandlungen und als Erfolgsmaß bei der Anwendung kognitiv-behavioraler Therapieprogramme.
Dank Für die Überlassung der Daten der SA-Patienten gilt unser besonderer Dank Frau Dipl.-Psych. H. Dunkel. Gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (Fördernummer 0701646).
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