Die Marienburg und die Deutschordensburgen in Preußen – 1309 – 2009

June 28, 2017 | Author: Janusz Trupinda | Category: Castles, Teutonic Knights, Castle Studies, Medieval castles, Teutonic Order
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Janusz Trupinda

Die Marienburg und die Deutschordensburgen in Preußen – 1309 – 2009

Die Begehung des 700. Jahrestages der Übersiedlung des Sitzes des Großmeisters des Deutschen Ordens von Venedig nach Marienburg mag noch immer kontroversielle Reaktionen hervorrufen. Ursache dafür ist die komplizierte Geschichte der Beziehungen zwischen dem Deutschen Orden und Polen im Mittelalter, die insbesondere von der Schlacht bei Grunwald im Jahre 1410 geprägt wurde, mit der Säkularisierung des preußischen Zweigs des Ordens beschlossen wurde und vor allen Dingen im 19. Jhdt. durch die „schwarze Legende der Kreuzritter“ intensiviert wurde.¹ In den Werken, die „zur Aufmunterung der Herzen“ der Polen verfasst wurden, die sich nach der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit sehnten, wurde der Deutsche Orden zum Synonym des Bösen sowie des mächtigen und schlauen Feindes, der jedoch auch überwunden werden kann. Ihre Inkarnation waren die an der Teilung der Polnisch-Litauischen Republik beteiligten Preußen, ihre ideologischen Nachfolger waren die Polen besetzenden Nationalsozialisten. Diese schematisierte Denkweise kam den kommunistischen Regierungen der Volksrepublik Polen sehr gelegen und wurde von den Polen selbst ziemlich komplikations- und widerspruchslos aufgenommen und verinnerlicht. Dies gelang umso leichter, da sich die Deutschen der Symbole des Deutschen Ordens, beginnend mit dem im Jahre 1813 geschaffenen „Eisernen Kreuzes“, in vielfältiger Hinsicht bedienten, auch zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Deutsche Orden war ein ideologischer Vorgänger für sie, der unzivilisierte Gebiete im Osten erkämpe und dort Glaube und Zivilisation verbreitete. ¹ Zu diesem ema: Janusz Tazbir, Krzyżacy – krótkie dzieje, długa legenda [Die Kreuzritter – kurze Geschichte, lange Legende], in: Ders., W pogoni za Europą [Auf Verfolgungsjagd nach Europa], Warszawa 1998, S. 77 – 84.

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Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den offiziellen Ansprachen von Władysław Gomułka die deutschen Revisionisten als den Spuren der Deutschordensritter folgend in Erscheinung treten. Die Nachkriegsgrenzen Polens in Frage stellend, „erschreckte“ das Bild des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer im Habit des Deutschen Ordens die Polen, worauf in Polen mit zwei Plakaten reagiert wurde, die zwei Siege darstellten – Grunwald 1410 und Berlin 1945. Die Verfilmung des nationalistischen Romans von Henryk Sienkiewicz „Krzyżacy“ („Kreuzritter“), der anlässlich des 550. Jahrestages der Schlacht bei Grunwald entstand, übertraf sämtliche bisherige Popularitätsrekorde. Eines der beliebtesten polnischen Gemälde ist das riesige Bild von Jan Matejko „Die Schlacht bei Grunwald“ (1878), das in der Bildmitte die Ermordung des Großmeisters durch zwei Infanteristen zeigt, die das aufständische und gegen den Unterdrücker auretende polnische Volk symbolisieren.² Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass das Wort „Deutschordensritter“ bei den Polen eine eindeutig negative Assoziation hervorrief. Dieses Stereotyp ist aufgrund des entsprechenden fehlenden Wissens, das die Aussage des Werkkanons in den Schulen und das allgemeine Bewusstsein hätte ausgleichen können, bis heute lebendig. Woran aber soll an dieser Stelle erinnert werden, mehr noch, was soll gefeiert werden, wenn die Ordensburgen sichtbare Machtsymbole des Feindes Polens und der Polen zu sein scheinen? Es scheint jedoch, dass im sich vereinigenden Europa im 21. Jahrhundert vergleichbare Jahrestage eine Chance für eine Veränderung der bis dato gewohnten Sichtweise der Vergangenheit darstellen sowie auch dafür, stereotype Urteile und emenschwerpunkte anders zu setzen. Die Deutschordensburgen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der Grenzen Polens befanden, lassen sich schwer in den eng aufgefassten Begriff des nationalen polnischen Erbes eingliedern. Diese Bauwerke – ebenso wie ihre baulichen Überreste – sind nicht nur europäisches Erbe, sondern Erbe der gesamten Menschheit. Trotz vieler historischer und politischer Wirren sind sie bis heute erhalten geblieben. Diesen Umstand unterstreichend sind Jahrestage zu feiern, die nicht so sehr ein Vorwand für die Begründung nationaler Konflikte und Argumentationsarten miteinander verfeindeter Völker sind, sondern vielmehr dazu dienen, die mit der Bewahrung des gemeinsamen Erbes verbundenen gemeinsamen Probleme zu unterstreichen. Den Jahrestag der Übersiedlung des Hauptsitzes des Deutschen Ordens von Venedig nach Marienburg möchten ² Udo Arnold, Der Deutsche Orden als Objekt politischer Ideologie im 19. – 20. Jahrhundert, in: Der Deutsche Orden in Geschichte, Ideologie und Wirkung – historische Symbole, hrsg. von Jan Gancewski, Olsztyn 2010, S. 141 – 147.

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wir eben in diesem Geiste begehen und ihn mit dem gleichfalls runden Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs verbinden, der für diese Problematik von ebenso großer Bedeutung ist. Polen erbte die Bauwerke des Deutschen Ordens in ganz unterschiedlichem Erhaltungszustand. Die Zerstörungen des Kriegs sind in Bytowo, Elbląg, Ełk, Grudziądz, Kętrzyn, Malbork, Nidzica, Nowe, Ostróda, Pasłęk und Węgorzewo am deutlichsten sichtbar.³ Viele Bauwerke waren bereits vor dem Krieg Ruinen. Die übernommenen Ordensburgen mussten also nicht nur vor weiterer Zerstörung gesichert werden, es mussten darüber hinaus auch umfangreiche finanzielle Mittel für ihren Wiederaufbau und ihre weitere Nutzung investiert werden. Es waren dies fremde Gebäude, die zur polnischen Kultur in keinerlei Verbindung standen. Die Frage nach der Begründung für den Wiederaufbau und nach dem Einsatz von Geldmittel wurde höchst aktuell und entscheidend, insbesondere vor dem Hintergrund der umfangreichen Kriegszerstörungen und der Lebensmittelknappheit im Polen der Nachkriegszeit. In dieser Situation wurden natürlich radikale Stimmen laut, die die Notwendigkeit eines Wiederaufbaus in Frage stellten. Ein solches Schicksal ereilte einige zerstörte Städte und Kulturdenkmäler im Norden und Westen des Landes. Es ist jedoch einzuräumen, dass im Falle der Deutschordensburgen deren architektonischer Wert – und ihr praktischer Nutzen – sehr rasch erkannt wurden und Maßnahmen getroffen wurden, einzelne Objekte zu erhalten. In äußerst vorausschauender und vorausplanender Art und Weise wurden entsprechende Arbeiten in den Sechzigerjahren in Angriff genommen. Zu betonen ist, dass damit nicht nur in der Marienburg begonnen wurde – dazu in der Folge genauer – sondern auch bei kleineren äußerst zerstörten Objekten. Die Ordensburgen wurden in der Folge gerettet und erlangten in der polnischen Gesellscha goße Popularität, die in den Bemühungen und in der Sorge um deren Fortbestand zum Ausdruck kam. Nach Ansicht von Tomasz Torbus trugen dazu vermutlich drei Faktoren bei: die positive Einstellung der polnischen Restauratoren zum Mittelalter, die relativ kleine Anzahl zu erhaltender Kulturdenkmäler sowie die persönliche Einstellung jedes Polens zum „Feind“, zum Deutschordensstaat, sowie die Kenntnis der damit verknüpen historischen Ereignisse, Städte und Ordensburgen.⁴ Derselbe Autor verweist in seinen Publikationen auch auf die „Großzügigkeit der Sieger“ gegenüber dem ewigen und besiegten Feinde, was die eigene Geschichte der Polen erhöhen und veredeln würde.⁵ Das Problem ist jedoch komplexer. In Wirklichkeit wiesen die polnischen Historiker und Denk³ Tomasz Torbus, Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen, München 1998, S. 50. ⁴ Ebd., S. 51. ⁵ Ders., Wczoraj i dziś zamków krzyżackich Warmii i Mazur [Vergangenheit und Gegenwart der Deutschordensburgen in Warmia und Masuren], Borussia (2007), Nr. 42, S. 184 – 185.

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malschützer nationale Antipathien in ihre Schranken und betrachteten die Burgen und Schlösser des Ordens (sowie jene der Bischöfe) als einzigartige Baudenkmäler der Militärarchitektur. Das Problem bestand jedoch darin, jene Menschen von dieser Argumentation zu überzeugen, die nach Pommern, Warmia und Masuren gekommen waren, jene Menschen also, die die nun die „wiedergewonnenen Gebiete“ bewohnten. Dieser Begriff, der zu Propagandazwecken geprägt wurde, sollte den Neuansiedlern aus Zentral- und Ostpolen dabei helfen, sich mit dem fremden Kulturraum vertraut zu machen und in ihnen den Eindruck erwecken, dass sie gewissermaßen zu sich selbst zurückkehrten, auf seit alters her polnisches Gebiet. Dieser Begriff tritt sogar in der Verfassung der Volksrepublik Polen des Jahres 1952 in Erscheinung.⁶ Bei den Burgen und Schlössern wurde ebenso argumentiert, der Beitrag der Polen bei deren Errichtung sowie die Epochen der polnischen Herrscha im Laufe der Geschichte der Bauwerke wurden betont.⁷ Diese Aspekte betonend, trat die Zeit des Deutschens Ordens und, was wohl noch wichtiger war, die preußische und deutsche Zeit, in den Hintergrund. Besonders charakteristisch in dieser Hinsicht ist die Marienburg – die größte und bedeutendeste der erhaltenen Ordensburgen, ein Bauwerk, das von der deutschen Ideologie, omals in einem antipolnischen Kontext, auf besonders offensichtliche Art und Weise genutzt wurde.⁸ Die Kriegshandlungen verursachten enorme Verwüstungen in der Gebäudesubstanz und betrugen nach Schätzungen ein Ausmaß von 50 %. Unverzüglich wurde daher klar, dass enorme Mittel für den Wiederaufbau von Nöten waren. In den Informationsbroschüren sowie in Pressemitteilungen der Jahre 1945 – 1950 finden sich zahlreiche Stimmen, die die Notwendigkeit eines Wiederaufbaus in Frage stellten. Geschrieben wurde etwa, dass „die Malrienburg ein Symbol des militanten Deutschtums“ wäre.⁹ In der Zwischenzeit, also bereits im Juni 1945 und somit drei Monate nach der Eroberung der Deutschordensburg durch die Rote Armee, unternahm die örtliche Verwaltung (Kreis / ⁶ Robert Traba, Historia jako przestrzeń dialogu [Geschichte als Dialograum], in: Ders., Historia -- przestrzeń dialogu, Warszawa 2006, S. 95 – 97. ⁷ Izabela Lewandowska, Zamki państwa krzyżackiego w północno-wschodniej Polsce po II wojnie światowej (1945 – 12005) [Die Ordensburgen des Deutschen Ordens im nordöstlichen Polen nach dem Zweiten Weltkrieg (1945 – 12005)], in: Zakon Krzyżacki w historii, ideologii i działaniu – symbole dziejowe [Der Deutsche Orden in Geschichte, Ideologie und Wirken], hrsg. von Jan Gancewski, Olszyn 2010, S. 213 – 214. ⁸ Udo Arnold, Die Marienburg als politisches Symbol in Deutschland in der ersten Häle des 20. Jahrhunderts, in: „Preaterita Posteritati“. Studia z historii sztuki i kultury ofiarowane Maciejowi Kilarskiemu [Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte zu Ehren von Maciej Kilarski], hrsg. von Mariusz Mierzwiński, S. 33 – 40. ⁹ Mariusz Mierzwiński, Zamek Malborski w latach 1945 – 1960 [Die Marienburg in der Zeit von 1945 – 1960], Studia Zamkowe 1 (2004), S. 16 – 18.

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Powiat in Malbork) Bemühungen zur Sicherung des Bauwerks und begann mit der Inventarisierung der erhalten gebliebenen beweglichen Kulturgüter. Am 22. August kam die Ordensburg unter die Obhut der Armee und wurde zu einer Abteilung des Museums der Polnischen Armee in Warschau. Diese rechtliche Situation währte bis zum Jahr 1950, zum einen war dies eine Phase intensiver Restaurierungs- und Sanierungsarbeiten, zum anderen aber kam es auch in diesem Zeitraum zu einem umfangreichen Abtransport beweglicher Kulturgüter und Bücher. Ungeachtet dieses Exodus wurde die Ordensburg jedoch aufgeräumt und wiederaufgebaut, bereits im Jahr 1946 war sie Ziel von Besuchermassen (10 000 Besucher). Im Jahr 1947 wurde unter der Schirmherrscha des Marszałeks von Polen, Michał Rola-Żymierski, der 490. Jahrestag der Übernahme der Ordensburg durch Kazimierz Jagiellończyk feierlich begangen. Im Jahr 1949 wurde die Marienburg in die Liste der Kulturdenkmäler der Wojewodscha Pommern aufgenommen.¹⁰ Offiziell anerkannt wurde der kunsthistorische und historische Wert des Bauwerks, es fehlte jedoch weiterhin an Ideen für dessen weitere Zukun. Nach der Rückgabe der Marienburg seitens des Museums der Polnischen Armee wurde die Ordensburg nun der Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze (dem Polnischen Tourismusverband) übergeben. Der neue Hausherr machte den Touristen das Gebäude auf vielfältige Weise zugänglich, er richtete sogar Nächtigungsmöglichkeiten ein, war jedoch nicht dazu in der Lage, die fachlich adäquaten Restaurierungsarbeiten auf jenem Niveau zu überwachen und zu leiten, derer ein Bauwerk dieses Ranges und dieser Bedeutung bedur hätte. Nach dem im Jahre 1959 ausgebrochenen Brand entstand der Gedanke, in der Marienburg ein Museum einzurichten, dessen Hauptaufgabe die denkmalpflegerische Aufsicht über das Bauwerk sein sollte. Eine solche Idee ist jedoch bereits früher aufgetaucht. Auf die erste Konzeption, ein Museum in der Ordensburg einzurichten, stoßen wir bereits in der Publikation „Malbork wczoraj i dziś“ („Malbork gestern und heute“), die anlässlich der so genannten „Tydzień Malborka“ („Malborkwoche“) in der Zeit von 7. – 15. Juni 1947 sowie anlässlich der bereits erwähnten Begehung des 470. Jahrestages der Übernahme der Burg durch Kazimierz Jagiellończyk herausgegeben wurde. Entwickelt wurde diese Idee von Zofia Hendzel, die in der Zeit von 1946 bis 1950 Kustodin des Museums war, sie leitete also die entsprechende Abteilung des Museums der Polnischen Armee. Es sollte ein panslawisches Museum sein, das „den ewigen Kampf der germanischen Welt gegen die slawische Welt widerspiegelt, […], eines Kriegs zweier Stämme, die sich ihrem Blute nach sowie in ih-

¹⁰ Ebd., S. 30 – 32.

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rem Charakter voneinander unterschieden“.¹¹ Es ist jedoch nicht bekannt, ob diesem Postulat konkrete Schritte folgten. Die ersten Unterlagen, die die Entwicklungsrichtungen des Wiederaufbaus der Ordensburg sowie Konzepte für deren künige Funktion formulieren, gehen auf das Jahr 1960 zurück. Diese Unterlagen waren Bestandteil der Denkmalschutzkommission für den Wiederaufbau und die Nutzung der Deutschordensburg, die am 18. Mai 1959 vom Minister für Kultur einberufen wurde, die unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Bohdan Guerquin tagte. In diesem Dokument wurde eindeutig festgehalten: 1. Das Ensemble der Deutschordensburg Marienburg ist von architektonischem, kunsthistorischem und historischem Wert von gesamteuropäischer Bedeutung, daher sollte sie wiedererrichtet und ihrer Bedeutung und ihres Ranges als Kulturdenkmal gemäß genutzt werden. 2. Wie oben festgestellt soll das gesamte Ensemble der Ordensburg in ein Museum, dem natürlich die entsprechende Inastruktur und Hilfseinrichtungen beigestellt und untergeordnet sind, umgestaltet werden. Indem man die Organisationsstruktur der Ordensburg in zwei Teile gliederte, wurde auch diese bis heute bestehende Struktur vorgeschlagen, innerhalb derer das gesamte Hochschloss und der größere Teil des Mittelschlosses dazu bestimmt wurden, als Museum zu dienen, während die übrigen Teile als Hilfs- und Wirtschaseinrichtungen dienen sollten. Zur Begründung der Notwendigkeit der umfangreichen Investitionen für die Ordensburg mit dem Ziel ihrer Nutzung sowie der Einrichtung eines Museums formulierten die Urheber des Projekts folgenden Leitgedanken: „Die oben erwähnte Motivation enthält die Hauptbestrebung, in der polnischen Bevölkerung eine Überzeugung davon zu schaffen, dass die Geschichte der Marienburg innerhalb der Grenzen von Polen-Litauen vor den Teilungen sowie der Volksrepublik Polen erhaltenswert ist und die Eroberungsgelüste des Deutschen Ordens und des Preußentums in ihrer Bedeutung verringert. Die Verbreitung dieser Wahrheit außerhalb der Grenzen Polens ist in gleichem Maße eine wissenschaliche und politische Aufgabe, denn sogar die uns gegenüber eundschalich eingestellten ausländischen Kreise sind sich der Gesamtgeschichte der Deutschordensburg nicht bewusst und stützen sich aus¹¹ Zofia Hendzel, Zamek w Malborku [Die Deutschordensburg in Malbork], in: Malbork wczoraj i dziś. Tydzień Malbork 7 – 15 czerwca 1947 [Malbork gestern und heute. Malborkwoche 7. – 15. Juni 1947], o. O., S. 15 – 17.

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schließlich auf falsche und uns gegenüber feindselig eingestellte Quellen aus deutschen Publikationen der Vorkriegszeit.“¹² Kurz gesagt, das künige Museum sollte sich auf die polnische Zeit konzentrieren, und im wissenschalichen Bereich der Politik des Staates folgen, die danach strebte, das Polentum der so genannten „wiedererlangten Gebiete“ unter Beweis zu stellen. Diesen Leitlinien folgend wurden vor der Eröffnung des Museums die Ausstellungsräume entsprechend eingerichtet, indem man sämtliche deutsche Inschriften sowie einen Teil der zur Zeit der Preußen entstandenen Malereien übermalte. Im Zuge des Wiederaufbaus wurden auch die zur selben Zeit hergestellten Möbel sowie die Ausstattung der Säle der Ordensburg entfernt. Dieser Konzeption folgten auch die Austellungen, die vor der offiziellen Eröffnung des Museums besucht werden konnten. Im Jahr 1960, zur Unterstreichung des 500-jährigen Jubiläums der Angliederung der Marienburg an die Polnische Krone, wurden drei Ausstellungen organisiert. Die größte von ihnen „Dzieje Zamku i Ziemi Malborskiej“ („Die Geschichte der Ordensburg sowie der Region Malbork“) sollte mittels 241 Exponaten „die politische und militärische Bedeutung der Deutschordensburg Marienburg und ihre administrative Funktion zur Zeit der Jagiellonen, Wasas und Wahlkönige unterstreichen sowie das Schicksal des Malborker Landes nach dem Zerfall von Polen-Litauen zeigen.“ Der zeitliche Rahmen der Ausstellung war äußerst weit gesteckt – von der Mission des Hl. Adalbert (997) bis zum Jahr 1945. Die Zeit des Deutschen Ordens wurde ausschließlich im Kontext von Konflikten mit Polen-Litauen dargestellt, die Ordensritter selbst wurden als Bewohner des Deutschordensstaates dargestellt. Die zweite Ausstellung „Ziemia, ludzie, sprawy w dokumencie historycznym“ („Länder, Menschen und Angelegenheiten in historischen Dokumenten“) basierte auf ähnlichen Grundannahmen, jedoch unter Nutzung von Archivmaterial aus dem 13. Jhdt. bis zum Beginn der Vierzigerjahre des 20. Jhdt. Nach vielen Jahren beurteilte die langjährige Kustodin des Museums Bogna Jakubowska, die auch Autorin der umfangreichsten Zusammenstellung der Ausstellungstätigkeit des Museums ist, die Ausstellungen so: Sie „waren wichtig, da es ihre Aufgabe war, zu erinnern – oder eher bewusst zu machen – dass die Übernahme der Ordensburg im Jahr 1457 sowie nach dem letzten Krieg kein zufälliges Schicksal war. Die Darstellung der Rechte der Polen in diesem Bereich sollte eine Funktion erfüllen und erfüllte diese wichtige Funktion auch – sie führte vor Augen, dass wir im Jahr 1945 zu den Erben der drei¹² Założenia projektowe odbudowy i adaptacji zamku w Malborku [Konzepte zum Wiederaufbau und Adaptierung der Marienburg], bearb. von Bohdan Guerquin et al., 1961, Maschinschri im Archiv des Museums Marienburg, Sign. Z/II/42, S. 28.

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hundert Jahre währenden polnischen Herrscha über die Marienburg wurden“.¹³ Die ese der beiden Ausstellungen war dechiffrierbar. Eine solche Sichtweise und Art, die Geschichte der Ordensburg darzustellen, stand im Einklang mit den Ansichten der öffentlichen Personen, die den Wiederaufbau der Burg durch die preußischen Denkmalschützer höchst negativ beurteilten. Zu diesen gehörte auch der Direktor des Warschauer Nationalmuseums (Muzeum Narodowe), Prof. Stanisław Lorentz, der, sich auf die Zeit von 1945 – 1960 beziehend, u.a. schrieb: „Fünfzehn Jahre hindurch bewahrten wir an den Saalwänden der Burg große deutsche Gemälde vom Ende des 19. und vom 20. Jhdt., die eine Apotheose der Eroberungen des Deutschen Ordens darstellten und kultivierten falsche Holzvertäfelungen mit Gestühl, wo angeblich der Großmeister und germanische Würdenträger saßen. In merkwürdiger Verblendung, wenngleich natürlich unbewusst, förderten und beiedigten wir das Interesse an jene Zeit, die am weitesten zurückliegt, an jene 170 Jahre, als die Marienburg unter der Herrscha des Deutschens Ordens stand, und mit vagen Informationen quittierten wir einen doppelt so langen Zeitraum von 320 Jahren, als hier polnische Statthalter regierten und polnische Könige die Burg besuchten.“¹⁴ Im Einklang mit diesen Ansichten wurde in den Jahren 1960 – 1961 die so genannte „Sanierung“ durchgeführt. Zu dieser Zeit wurden die Gemälde aus dem 19. Jhdt. sowie aus der ersten Häle des 20. Jhdt. übermalt, die Ausstattung aus dieser Zeit wurde entfernt. Indem man die Wände verkleidete und sämtliches Mobiliar aus den Räumlichkeiten entfernte, wurde versucht, den architektonischen Wert des Gebäudes zu unterstreichen und sich gleichzeitig auf die Ausstellungsfläche selbst zu konzentrieren. Nicht immer ging man dabei konsequent vor. Aus dem so genannten Kapitelsaal auf dem Hochschloss wurde das von S.Lorentz erwähnte Gestühl entfernt, die Porträtgalerie der Großmeister an den Wänden jedoch verblieb. Übermalt hingegen wurden die zur gleichen Zeit angebrachten Inschrien, die die einzelnen Großmeister identifizierten. Diese Vorgangsweise wurde von der Autorin einer Dokumentation der Ordensburg, Hanna Domańska, kritisiert, die diese im Jahr 1962 im Aurag der Werkstatt für Denkmalschutz verfasst hatte. Die Ansicht der Autorin wurde in der Rezension dieser Arbeit von dem bekannten Architekturwissenschaler des Ordens in Preußen, Jerzy Frycz, bestätigt. In diesem äußerst wichtigen (und gänzlich unbekannten) Text bewertete er das Fehlen eines denkmalschütze¹³ Bogna Jakubowska, Zbiory i wystawiennictwo Muzeum Zamkowego w Malborku w latach 1961 – 1980 [Die Sammlungen und das Ausstellungswesen des Schlossmuseums der Marienburg in den Jahren 1961 – 1980], Studia Zamkowe 1 (2004), S. 55 – 63. ¹⁴ Stanisław Lorentz, W Malborku [In der Marienburg], Nowa Kultura vom 23. X. 1960.

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risches Konzeptes in der Zeit von 1954 bis 1961 negativ. Sich auf das Beispiel des Kapitelsaals berufend, stellte er fest, dass im Inneren „die Rekonstruktion von Steinbrecht misslungen war, ohne sich für eine eigene Vorstellungsweise des mittelalterlichen Innenraums zu entscheiden. Auf diese Weise ist das, was im Kapitelsaal gezeigt wird, keine Exemplifizierung des Denkens und der Denkmalkunst des letzten Viertels des 19. Jhdt., und sie steht auch nicht im Einklang mit unserem Wissen über das Mittelalter. Es entstand ein vor dem Hintergrund der zeitgenössischen denkmalschützerischen Ansichten anachronistisches Konstrukt. Ein zentrales und höchst subtiles Problem bei den denkmalschützerischen Aufgaben in der Marienburg ist unser Verhältnis zu der seitens der Deutschen durchgeführten Restaurierung. Es ist hier wohl dem Grundsatz zu folgen, dass wir die historische Rekonstruktion erhalten, die auf wissenschalichen Voraussetzungen beruht, und beseitigen, was nationalistisches preußisches beziehungsweise nationalsozialistisches Werk war. An dieser Stelle ist unverzüglich darauf hinzuweisen, dass das Wirken Steinbrechts in den Achtzigerjahren auf einer soliden wissenschalichen Grundlage basierte und zu dieser Zeit (nach dem Tod von Viollet-le-Duc) das höchste Niveau der Restaurierungsarbeiten in Europa hatte.“¹⁵ Es ist weiters deutlich sichtbar, dass bereits zu dieser Zeit von politischer Einflussnahme unabhängige Urteile geäußert wurden. Doch waren diese anfangs selten. Allmählich jedoch überwogen sie – mehr noch, das am 1. Jänner 1961 eröffnete Museum beschritt einen Weg, der bereits anlässlich der dritten im Jahr 1960 eröffneten Ausstellung angedacht wurde. Diese präsentierte die Architekturgeschichte der Ordensburg. Deren Kurator, Maciej Kilarski, bediente sich eines architektonischen Details des Gesamtensembles, der einzigen Sammlung der Vorkriegszeit, die beinahe zur Gänze den Krieg sowie die unmittelbare Nachkriegszeit überstand und die durch von ihm sorgfältig gesammelte und systematisierte Exponate ergänzt wurde. Diese Ausstellung war unabhängig von politischen esen und aus zeitlichem Abstand betrachtet lässt sich klar feststellen, dass die ematik der Denkmalpflege und die damit verbundene Ausstellung ein guter Vorwand dafür war, eine objektive Geschichte der Ordensburg, sowohl während der Epoche endes Deutschen Ordens als auch während der polnischen und der preußischen Epoche, zu präsentieren. Die Umsetzung dieses Wegs erfuhr von der UNESCO eine entsprechende Wertschät¹⁵ Zu diesem ema – siehe Janusz Trupinda, Der Wandel der Marienburg vom Denkmal der „Krzyżacy“ (Kreuzritter) zum Weltkulturebe, Vortrag, gehalten im Rahmen der Konferenz „Die Erbe des Deutschen Ordens in Europa“ in Malbork (2008) – im Druck.

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zung, sie nahm die Ordensburg im Jahr 1997 auf die Liste des Weltkulturerbes auf. In der Begründung ist zu lesen: „Die Ordensburg Marienburg war fast zweihundert Jahre hindurch ohne Unterbrechung das bedeutendste – in europäischem Maßstab – Objekt von großer Faszination für die Geschichte des Mittelalters und gleichzeitig Gegenstand denkmalpflegerischer Unternehmungen, die in herausragender Weise zur Entwicklung der Forschungsmethoden und Denkmalpflege der mittelalterlichen Architektur in Europa (Interdisziplinarität des denkmalpflegerischen Wirkens, Methoden zur Sondierung der Bausubstanz, archäologische Methoden, grafische und photographische Dokumentation usw.) beitrugen. Im Zuge dieser Arbeiten wurden viele vergessene kunsthandwerkliche und handwerkliche Techniken wiederentdeckt. In diesem Sinne wurde die Deutschordensburg Malbork auch zum Denkmal des Denkmalschutzes selbst und gleichzeitig auch zu einem gesellschalichen Phänomen und einer wissenschalich-kunsthandwerklichen Disziplin.“ Der Restaurierungspozess in Marienburg ist noch nicht abgeschlossen. Jedes Jahr werden der Öffentlichkeit neue Räumlichkeiten zugänglich gemacht, wenngleich es zum Stand des Jahres 1944 noch ein weiter Weg ist. Ähnlich verhält es sich mit den weiteren Ordensburgen, wo archäologische und architektonische Arbeiten sowie Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten durchgeführt werden. An diesen sind in erster Linie die lokalen Institutionen sowie Unternehmen und auch Privatpersonen beteiligt. Auch wenn in den letzten Jahren unter marktwirtschalichen Bedingungen die Folgen dieser Bemühungen vom wissenschalichen und ästhetischen Standpunkt nicht immer zufriedenstellend waren, ist festzuhalten, dass die Deutschordensburgen nicht mehr in nationalen Kategorien wahrgenommen werden. Sie sind Teil des gemeinsamen Erbes, das sich für immer in die Landscha von Nordpolen eingeschrieben hat – nicht nur europäisches Erbe, sondern auch Welterbe, und seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Polen die Ehre, dieses zu verwalten. Die Deutschordensburgen können aus der Perspektive der komplizierten Geschichte der polnisch-deutschen Beziehungen betrachtet darauf stolz sein. Daher ist es wichtig, anlässlich der Gelegenheit des Jahrestages, zu der das Wissenschaliche Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaen in Wien am 5. Oktober 2010 eine Ausstellung und eine Konferenz veranstaltet hat, daran zu erinnern.

Janusz Trupinda ist Historiker und stellvertretender Direktor des Schlossmuseums der Marienburg.



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