Die lebendige Statue Gottes. Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte, in: B. Janowski, Die Welt als Schöpfung. Beiträge zur Theologie des Alten Testament 4, Neukirchen-Vluyn 2008, 140-171 (= FS O. Kaiser, 183-214)

July 26, 2017 | Author: Bernd Janowski | Category: Old Testament Theology, Old Testament Anthropology
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Die lebendige Statue Gottes Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte Bernd Janowski (Tübingen)

»Ein degradiertes Erbe wird die Erben mit degradieren. Die Hütung des Erbes in seinem ›ebenbildlichen‹ Ansinnen ... ist Sache jeden Augenblicks; ... sie ist, wenn nicht die Zusicherung, gewiß die Vorbedingung auch künftiger Integrität des ›Ebenbildes‹. Seine Integrität aber ist nichts anderes als das Offensein für den immer ungeheuerlichen und zu Demut stimmenden Anspruch an seinen immer unzulänglichen Träger.« Hans Jonas1

1. Vorbemerkungen Vor wenigen Jahren hat die abendländische Welt zweitausend Jahre ihrer Geschichte hinter sich gebracht und damit einen Weg zurückgelegt, auf dem die von ihr gestifteten Weltdeutungen nach und nach zur Disposition gestellt wurden. »Vorstellungen einer kontinuierlich, heilsam oder unheilvoll verlaufenden Geschichte, eindeutiger Normen und eines minimalen Kanons von Werten; von Moral, Utopie und Geschichte; von Glaube, Liebe und Hoffnung, all dies«, so urteilte 1994 M. Brumlik in seiner Studie zum Bilderverbot, »ist von den Mühlen des historischen Prozesses kleingemahlen, zerstört und entwertet worden. Im Rückblick erst wird deutlich, welches die Züge einer geistigen Physiognomie gewesen sind, die sich – mißverständlich oder nicht – auf biblischem Monotheismus und hellenistischer Bildungswelt ge-

1 H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, 1979, 393. – Der Jubilar, den ich mit den folgenden Überlegungen herzlich zu seinem 80. Geburtstag grüße, hat das Thema »Gottebenbildlichkeit des Menschen« immer wieder aufgegriffen, s. etwa O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken. Theologie des Alten Testaments 2: Jahwe, der Gott Israels, Schöpfer der Welt und des Menschen, UTB 2024, 1998, 301ff u.ö., vgl. bereits ders., Der Mensch, Gottes Ebenbild und Statthalter auf Erden (1991), in: ders., Weisheit Gottes und der Menschen, BZAW 261, 1998, 43-55.

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gründet hat«2. Dadurch, daß sich die abendländische Kultur: ihre Philosophie, ihre Ästhetik und ihre Religion, auf wenige, aber wirkmächtige Motive gegründet hat, sind wesentliche Entscheidungen geprägt worden, die Kultur im Sinn eines Ensembles symbolischer Artikulationen von Lebensweisen erst möglich machen. Zu diesen Grundmotiven zählt bekanntlich auch die biblische Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen3, die in Gen 1,26-28 ihren klassischen Schriftbeleg hat. Sie erfährt hier aber eine Ausformulierung, die seit je kontroverse Diskussionen ausgelöst hat. Anstoß nimmt man an dem doppelten Herrschaftsauftrag (dominium animalium et terrae), der über R. Descartes' Dictum vom Menschen als »maître et possesseur de la nature«4 noch hinauszugehen scheint, weil er einer despotischen Anthropozentrik verpflichtet zu sein scheint. Daß dieser Herrschaftsauftrag im Genesis-Text überdies in einem Atemzug mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen genannt wird, macht die Sache nur noch schlimmer. Denn nun werden alle problematischen Aspekte, die sich im Zuge der Wirkungsgeschichte von Gen 1,26-28 angesammelt haben und neuerdings unter dem Begriff des »anthropozentrischen Denkens« zusammengefaßt werden5, einem Gott angeheftet, der den zu seinem »Bild« erschaffenen Menschen in den Mittelpunkt gestellt und damit mehr belastet als ausgezeichnet hat.6 Ich will im folgenden versuchen, dieses Knäuel von Schuldzuweisungen zum einen durch eine Exegese der alttestamentlichen Imago Dei-Texte (2) und zum anderen durch einen differenzierteren Gebrauch des Anthropozentrismusbegriffs (3) zu entwirren. Vielleicht lassen sich dabei Aspekte (wieder-)entdecken, die es erlauben, eine Interpretation der Imago Dei-Aussagen

2 M. Brumlik, Schrift, Wort und Ikone. Wege aus dem Verbot der Bilder, 1994, 7. 3 Strenggenommen müßte man von der »Gottesbildlichkeit« des Menschen sprechen, weil der Begriff »Ebenbild« eine genaue bildhafte Wiedergabe von jemandem suggeriert, s. dazu unten 189ff. Aus pragmatischen Gründen bleibe ich im folgenden aber bei dem traditionellen Sprachgebrauch. 4 S. dazu O. Höffe, Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt, stw 1046, 1993, 196ff. Zur Wirkungsgeschichte des Herrschaftsauftrags s. U. Krolzik, Die Wirkungsgeschichte von Genesis 1,28, in: G. Altner (Hg.), Ökologische Theologie. Perspektiven zur Orientierung, 1989, 149-163 und zuletzt U. NeumannGorsolke, Herrschen in den Grenzen der Schöpfung. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Anthropologie am Beispiel von Psalm 8, Genesis 1 und verwandten Texten, WMANT 101, 2004, 1ff.7ff. 5 S. dazu O. Höffe, Art. Anthropozentrisch, in: ders. (Hg.), Lexikon der Ethik, 51997, 1517; St. Feldhaus, Art. Anthropozentrik, in: W. Korff u.a. (Hg.), Lexikon der Bioethik 1, 1998, 177-184 und aus exegetischer Sicht O. Keel / S. Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, 2002, 35f.237 u.ö. Zur Anthropozentrismus-Kritik von Keel / Schroer s. unten 210ff. 6 C. Améry, Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums, 1972.

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jenseits der üblichen Schwarz-weiß-Malerei mit ihren schlichten Alternativen zu formulieren.

2. Gott, Welt und Mensch in der priesterlichen Urgeschichte Der »Spitzenaussage alttestamentlicher Anthropologie«7, der Mensch sei als »Bild Gottes« erschaffen und zur Herrschaft über die Tiere bestimmt (Gen 1,26f.; 5,1 und 9,6Pg8), kommt seit dem antiken Christentum zentrale Bedeutung zu9. Vornehmlich auf die körperliche Gestalt, die Geistnatur oder die Ansprechbarkeit des Menschen bezogen und seit Irenäus von Lyon (2. Jh. n.Chr.) mit Hilfe der Unterscheidung der beiden Lexeme eivkw,n und o`moi,wsij bzw. imago und similitudo ausgelegt und spekulativ weiterentwickelt, gehört die Gottebenbildlichkeitsaussage seit jeher zu den Fundamentalsätzen einer theologischen Anthropologie10. In der christlichen Überlieferung gilt sie als »die entscheidende theologische Aussage über den Menschen, die ihn einerseits von allen anderen Geschöpfen unterscheidet, ihn andererseits aber auch zu allen anderen Geschöpfen in Beziehung setzt«11. Wichtig ist dabei, daß die Gottebenbildlichkeit nicht eine physische oder metaphysische Eigenschaft des Menschen, sondern eine ihm zugesagte und auch zugemutete Bestim-

7 W. Groß, Art. Gottebenbildlichkeit, LThK3 4, 1995, 871-873, hier: 871. Zur alttestamentlichen Anthropologie s. den Überblick bei B. Janowski, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, 2003, 1ff. 8 Vgl. die Sachparalle Ps 8,6-9 und dazu jetzt R. Oberforcher, Biblische Lesarten zur Anthropologie des Ebenbildmotivs, in: A. Vonach / G. Fischer (Hg.), Horizonte biblischer Texte, FS J.M. Oesch, OBO 196, 2003, 131-168, hier: 149f. und NeumannGorsolke, Herrschen (s. Anm.4), 79ff., jeweils mit der älteren Lit. Rezeptionsgeschichtlich wichtig sind Sir 17,3-7 und Weish 2,23f., s. dazu B. Trimpe, Von der Schöpfung bis zur Zerstreuung. Intertextuelle Interpretationen der biblischen Urgeschichte (Gen 1-11), 2000, 123ff.; W. Groß, Gen 1,26.27; 9,6: Statue oder Ebenbild Gottes? Aufgabe und Würde des Menschen nach dem hebräischen und griechischen Wortlaut, JBTh 15 (2000), 11-38, hier: 36f. und Oberforcher, a.a.O. 150ff.153ff. 9 S. dazu C. Westermann, Genesis 1-11 (BK I/1), 1974/41999, 203ff.; G.A. Jónsson, The Image of God. Gen 1:26-28 in a Century of Old Testament Research, CB.OT 26, 1988; L. Ruppert, Genesis. Ein kritischer und theologischer Kommentar. 1.Teilband: Gen 1,111,26, fzb 70, 1992, 83ff. und Chr. Markschies, Art. Gottebenbildlichkeit II, RGG4 3, 2000, 1160-1163. 10 S. dazu den Überblick bei W. Härle, Dogmatik, 1995, 434ff., ferner M. Welker, Schöpfung, Gottebenbildlichkeit und Herrschaftsauftrag, in: ders., Schöpfung und Wirklichkeit, NBST 13, 1995, 89-106. 11 Härle, a.a.O. 434 (Hervorhebung im Original).

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mung ist, die sich als »eine gelebte Veranschaulichung, ... ja eine Verwirklichungsform des Wesens Gottes«12 fassen läßt. Allerdings: Die hohe Bedeutung dieses Theologumenons auf der einen und die anhaltende Kritik seiner Wirkungsgeschichte auf der anderen Seite provozieren die Frage nach seinem Ursprungssinn. Diese hat ihren Ausgang von einer Interpretation des locus classicus Gen 1,26-28 (und der anschließenden Nahrungszuweisung Gen 1,29ff.) und dessen Kontext, dem Schöpfungsbericht der Priesterschrift (Gen 1,1-2,4a), zu nehmen13: 26 Und Gott sagte: »Wir wollen Menschen machen als unser Bild/unsere Statue unseresgleichen, damit sie herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über alles ‹Getier›14 der Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.« 27 Und Gott schuf den Menschen als sein Bild/seine Statue, als Bild/Statue Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie. 28 Und Gott segnete sie, und Gott sagte zu ihnen: »Seid fruchtbar und werdet zahlreich und füllt die Erde und (›betretet sie‹ =) nehmt sie in Anspruch, und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das auf der Erde kriecht.« 29 Und Gott sagte: »Siehe, hiermit gebe ich euch alles Samen spendende Kraut, das auf der Oberfläche der ganzen Erde ist, und alle Bäume, an denen Samen spendende Baumfrüchte sind: euch soll es zur Nahrung dienen. 30 Und allem Getier der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, was Lebendigkeit in sich hat, (gebe ich) alles Blattwerk des Krautes zur Nahrung.« Und dementsprechend geschah es. 31 Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe: es war sehr gut. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag.

12 Ders., a.a.O. 436. Diese Formulierung läßt sich als systematisch-theologischer Versuch verstehen, den Zusammenhang von Funktions- und Wesensbestimmung der Gottebenbildlichkeit zu umschreiben, s. dazu unten 189ff. 13 Im folgenden sind die Bild- und die Herrschaftsaussagen kursiv gesetzt. 14 So mit Syr (+ h[jwt) ), vgl. V.24.25.28.

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»Niemals in der bisherigen Diskussion« – so charakterisierte C. Westermann vor 30 Jahren die damalige Forschungssituation – »ist m.W. versucht worden, aus dem engeren Zusammenhang, d.h. aus dem Abschnitt Gn 1,2630 selbst, die Kritierien für die Deutung von 1,26f. zu gewinnen«. Und er fuhr fort: »Vielmehr wurde erklärt: dieser enge Zusammenhang sage nichts über den Sinn der Gottebenbildlichkeit; es werde im Text vorausgesetzt, daß die Hörer wüßten, was gemeint sei (so z.B. H. Gunkel)«15. Wenn man demgegenüber – und in Weiterführung der Ergebnisse Westermanns – versucht, Kriterien für die Deutung der Gottebenbildlichkeit aus Gen 1,26-31 selbst und darüberhinaus aus dem Aussagegefälle der priesterlichen Urgeschichte zu gewinnen, also text- und kontextbezogen zu argumentieren, so sind vorab zwei Aspekte zu berücksichtigen: – Innerhalb des priesterlichen Schöpfungsberichts Gen *1,1-2,4aPg schildern V.26-31 die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau (V.26-28) sowie die Nahrungszuweisung an Mensch und Tier (V.29f., mit abschließender Billigungs- und Tagesformel V.31). Die gesamte Schöpfung ist als Sieben-Tage-Werk gestaltet (*1,3-2,3), innerhalb dessen die Tage I-IV (1,3-19) einen thematisch selbständigen Textabschnitt bilden, von dem die Tage V-VI (1,20-31) als ein zweiter, durch eine Reihe von Besonderheiten ausgezeichneter Abschnitt abgesetzt sind.16 Wie sich zeigen wird, ist der Kontext Gen 1,1-2,4a für das Verständnis der Imago Dei-Aussage V.26-28 von entscheidender Bedeutung. – Der Schlüsselsatz über den göttlichen Beschluß zur Erschaffung des Menschen (V.26ab.b, mit der Redeeinleitungsformel V.26aa), der Gott im reflexiv-pluralischen Kohortativ (»Laßt uns machen ...«)17 einführt (1), gebraucht nicht nur zwei suffigierte Substantive (Bildbegriffe) und zwei Präpositionalbestimmungen (B. »als«18 und K. »wie«), mit denen die Imago DeiAussage formuliert wird (2), sondern er enthält auch eine finale19 Fortsetzung (»damit sie herrschen ...«), die den Menschen mit der Herrschaft über die Tiere (dominium animalium) beauftragt (3), schematisch dargestellt: ...

15 Westermann, Genesis 1-11 (s. Anm.9), 215. 16 S. dazu die Skizze unten 199f. mit Anm.66. 17 S. dazu zuletzt Oberforcher, Biblische Lesarten (s. Anm.8), 134; Neumann-Gorsolke, Herrschen (s. Anm.4), 168ff. und E. Jenni, Untersuchungen zum hebräischen Kohortativ, ZAH 15/16 (2002/2003), 19-67, hier: 45f. O. Loretz nimmt neuerdings wieder einen polytheistischen Hintergrund des Plurals an, s. dazu unten Anm.50. 18 S. dazu im folgenden. 19 S. dazu W. Groß, Die Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in: ders., Studien zur Priesterschrift und zu alttestamentlichen Gottesbildern, SBAB 30, 1999, 11-36, hier: 30 mit Anm.61. Allerdings impliziert die finale Verknüpfung nicht notwendig, daß der Herrschaftsauftrag »die einzige inhaltliche Füllung der Gottebenbildlichkeit (ist), die P nennt« (ders., a.a.O. 30), s. dazu unten 188f.

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Schöpfungsaussage »Wir wollen Menschen machen« Kohortativ pl. von hf'[' »machen« + Objekt ~d"a' »Menschen«.

Bildaussage »als unser/e Bild/Statue unseresgleichen/etwa wie unsere Ähnlichkeit« Beth (B.) essentiae »als« + Objektprädikat Wnmel.c; »unser Bild/unsere Statue« + desemantisiertes Präpositionalattribut WnteWmd>Ki »(wie etwas Ähnliches zu uns =) unseresgleichen« oder vollsemantisches Lexem WnteWmd>Ki »etwa wie/gemäß unsere/r Ähnlichkeit«.

Herrschaftsaussage »damit sie herrschen über die Fische des Meeres ...« Finalsatz: Verb des sozialen Kontakts hdr »herrschen« + 3mal Beth (B.) des Bereichs »über«.

Aufgrund der Struktur dieses Satzes geht die Blickrichtung von Gott zum Menschen und von diesem zu den Wesen unter ihm. V.26ab.b setzt demnach drei Grössen in Beziehung zueinander: – die Erschaffung des Menschen (V.27b: »männlich und weiblich«)20 durch Gott, – seine Bestimmung zum/r »Bild/Statue« Gottes, – seine Beauftragung zur Herrschaft über die Wasser-, die Flug- und die Landtiere. Als »Bild/Statue« Gottes steht der Mensch somit in der doppelten Rückbindung bzw. Ausrichtung auf Gott und auf die Welt hin, d.h. »Gottes- und

20 Die Formulierung »männlich und weiblich« weist darauf hin, daß »nicht an ein Urmenschenpaar zu denken (ist). Es geht um die ganze Menschheit« (N. Lohfink, Die Gottesstatue. Kreatur und Kunst nach Genesis 1, in: ders., Im Schatten deiner Flügel. Große Bibeltexte neu erschlossen, 1999, 29-48, hier: 30) oder anders gesagt: Der Mensch/die Menschheit besteht aus der Zweiheit von Mann/männlich und Frau/weiblich, vgl. M. Weippert, Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. dominium terrae in Genesis 1, in: H.-P. Mathys (Hg.), Ebenbild Gottes – Herrscher über die Welt. Studien zu Würde und Auftrag des Menschen, BThSt 33, 1998, 35-55, hier: 35 Anm.2; 39.42; K. Koch, Imago Dei – Die Würde des Menschen im biblischen Text, 2000, 11; Groß, Statue (s. Anm.8), 29ff. und D.J.A. Clines, ~da, the Hebrew for »human, humanity«. A response to James Barr, VT 53 (2003), 297-310.

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Weltbezug charakterisieren das Wesen des Menschen«21. Dabei steht die Bildaussage in der Mitte zwischen der Schöpfungs- und der Herrschaftsaussage: Während die Bildaussage durch das auf den Kohortativ hf,[]n: (»wir wollen machen«) zurückbezogene Suffix Wn- (1.c.pl.) der beiden Bildbegriffe ~l,c, und tWmD> mit der Schöpfungsaussage verbunden ist, ist die Herrschaftsaussage durch das final aufzulösende waw-copulativum von WDr>yIw> (»damit sie herrschen«) auf die Schöpfungs- und die Bildaussage zurückbezogen. Die Herrschaftsaussage steht demnach in einem engen Zusammenhang mit der Aussage über die Erschaffung des Menschen als »Bild/Statue Gottes«. Wenn wir Aufschluß über den Menschen, so wie die Priesterschrift ihn sieht, gewinnen wollen, müssen wir diesen Zusammenhang in den Blick nehmen. 2.1. Die priesterlichen Bild- und Herrschaftsaussagen 2.1.1. Der Mensch als Statue Gottes Von den beiden asyndetisch aufeinander folgenden Bildaussagen in V.26ab stellt Wnmel.c;B. die Leitformulierung dar, zu der WnteWmd>Ki als desemantisiertes Präpositionalattribut oder als vollsemantisches Lexem hinzutritt22. Der Bildbegriff ~l,c, (+Suffix) wird dabei durch die Präposition B. eingeführt, die nicht als Beth normae (»nach unserem Bild«, vgl. Gen 1,26.27LXX: kata,23), sondern als Beth essentiae (»als/zu unserem Bild«) zu verstehen ist24. Wie die neuere Forschung deutlich gemacht hat, bedeutet ~l,c, »Statue, Rundplastik« (17mal)25, wobei ein Relief/eine reliefierte Stele, eine kleinere oder eine grössere Rundplastik26 gemeint sein kann. Zusatzangaben aus dem Kontext (z.B. Ez 23,14: Wandrelief) oder ein Attribut (z.B. Num 33,52: twOkSem; ymel.c; »Schmiedebilder«) präzisieren Material und Bildträger. Der Gegenstand der Darstellung (Tiere, Menschen oder »Greuel« [Ez 7,20]) wird öfter genauer bestimmt. Für einige Belege läßt sich geltend machen, daß bei ~l,c, »weniger das Moment der genauen Reproduktion einer dargestellten Wirklichkeit als 21 Oberforcher, Biblische Lesarten (s. Anm.8), 136. Anders Groß, Gottebenbildlichkeit (s. Anm.19), 29ff., der aufgrund seiner – verständlichen! – Kritik an einer bestimmten Auslegungstradition (‹Wesensmetaphysik›) den Gottesbezug außer acht läßt, s. dazu auch unten 195 mit Anm.50. 22 S. dazu im folgenden. 23 S. dazu M. Rösel, Übersetzung als Vollendung der Auslegung. Studien zur GenesisSeptuaginta, BZAW 223, 1994, 48ff.; Groß, Statue (s. Anm.8), 35ff. und Oberforcher, Biblische Lesarten (s. Anm.8), 150ff. 24 S. dazu E. Jenni, Die hebräischen Präpositionen, Bd.1: Die Präposition Beth, 1992, 84f., vgl. Groß, Gottebenbildlichkeit (s. Anm.19), 20ff.; ders., Art. Gottebenbildichkeit (s. Anm.7), 871 und ders., Statue (s. Anm.8), 12 Anm.3. 25 S. dazu S. Schroer, In Israel gab es Bilder. Nachrichten von darstellender Kunst im Alten Testament, OBO 74, 1987, 322ff. u.a. 26 Zu den übrigen Bildtermini des AT s. dies., a.a.O. 301ff. und Chr. Uehlinger, Art. Bilderkult III, RGG4 1, 1998, 1565-1570, hier: 1567ff.

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vielmehr die machtvolle Repräsentation des Dargestellten«27 im Vordergrund steht. Da in dem ~l,c, genannten Kunst- oder Bildwerk das Abgebildete wirkmächtig präsent ist, läßt sich das Wort am besten mit »Repäsentative Darstellung« oder »Repräsentationsbild« wiedergeben28. Das dürfte auch für die Imago Dei-Belege anzunehmen sein. Diese Annahme findet darin eine Stütze, daß auch in der altorientalischen Umwelt Israels der König als »Bild Gottes« bezeichnet wird. In Ägypten ist die Gottebenbildlichkeitsaussage seit der 2. Zwischenzeit integraler Bestandteil der Königsideologie.29 Entscheidend ist dabei der Sachverhalt, daß das »Bild« (der König) nicht das Abbild einer vorgestellten Gestalt (der Gottheit) ist, sondern ein Körper, der der Gottheit eine leibliche Gestalt gibt.30 Als lebendiges »Bild Gottes« erscheint der König deshalb als Repräsentant der Gottheit auf Erden. Für gewöhnlich ist der König, ebenso wie das Kultbild eines Gottes im Tempel, in der Abgeschiedenheit seines Palastes verborgen – »Aber wenn er heraustritt und seinen Untertanen ›erscheint‹, wird er für die staunende und jubelnde Welt zum deus praesens, läßt er sie die Gegenwart des Schöpfergottes spüren und wiederholt dessen Taten. Denn das, was er tut, ist ›nicht Menschenwerk‹, sein Wort ist ›der Ausspruch eines Gottes selbst‹«31.

Zur Ähnlichkeit in der Erscheinung tritt die Ähnlichkeit im Handeln, aufgrund deren der König wie Month (Kriegsgott) oder Re (Sonnengott) auf Erden wirkt.32 Seit der 2. Zwischenzeit haben sich in Ägypten im Rahmen der Königsideologie zwei Gruppen von Bildbegriffen herausgebildet, die man als Gottebenbildlichkeitstermini (twtw, h{ntj u.a.) und als Gottähnlichkeitstermini (mjtj, tjt u.a.) voneinander unterscheiden kann33. Während die erste Gruppe den König als konkretes Bild des (Sonnen-)Gottes bezeichnet, charakterisiert ihn die zweite Gruppe als dem (Sonnen-)Gott im Wesen oder im Handeln ähnlich. Die vor allem auf die Ausübung des Amtes bezogene Ähnlichkeitsbestimmung kommt auch Privatleuten (Beamte, Priester) bzw. den Menschen insgesamt zu. Die verschiedenen Bezeichnungen für »Bild« (Gruppe 1) diffe27 Schroer, a.a.O. 324. 28 S. dazu H. Wildberger, Art. s[ælæm, THAT 2, 1976, 556-563, hier: 558, vgl. Schroer, ebd. u.a. 29 S. dazu B. Ockinga, Die Gottebenbildlichkeit im Alten Ägypten und im Alten Testament, ÄAT 7, 1984, ferner Groß, Statue (s. Anm.18), 13f. und zuletzt Neumann-Gorsolke, Herrschen (s. Anm.4), 177ff. 30 Zur ägyptischen (Kult-)Bildtheologie s. J. Assmann, Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, UB 366, 1984, 50ff., bes.56f. 31 E. Hornung, Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, 51993, 129, vgl. 125ff. 32 Vgl. ders., a.a.O. 129. 33 S. dazu Ockinga, Gottebenbildlichkeit (s. Anm.29), 125ff.

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renzieren dieses nicht nach dem Aussehen, sondern nach der Funktion (twtw »Abbildung, Nachbildung«, h{ntj »[Prozessions-]Statue«, s]zp »[Empfänger-] Statue« u.a.). Entsprechend wird auch die Funktion des Königs gesehen und die so legitimierte Herrschaft als positiv gewertet. Neben der sozialen Kompetenz (»Rettung« des Schwachen: Text 1) wird vor allem die politische Kompetenz des Königs (»Herrschaft« über Ägypten [Innen] und die Fremdländer [Außen]: Text 2) und in umfassender Weise seine »wohltätige Herrschaft für alle Menschen« (Text 3) hervorgehoben: – Rede der Höflinge zum König Als sein Abbild (h{ntj ) hat Re dich eingesetzt, zur Rettung des Schiffbrüchigen (d.h. des Schwachen). – Rede des Sonnengottes zum König Dieses Land (sc. Ägypten) habe ich in seiner Länge und Breite geschaffen, um auszuführen, was mein Ka wünscht; dir habe ich gegeben //// meine //// insgesamt; du beherrschst es so wie (zu der Zeit), als ich König von Ober- und Unterägypten war; du bewirtschaftest es für mich aus liebendem Herzen, denn du bist mein geliebter Sohn, der aus meinem Leib hervorgegangen ist, mein Abbild (h{ntj ), das ich auf Erden gestellt habe. In Frieden lasse ich dich das Land regieren, indem du die Häupter aller Fremdländer tilgst. – Der Name Hatschepsuts in Karnak Erstgeborene Kamutefs, die Re erzeugt hat, um gute Früchte für ihn auf Erden hervorzubringen, zum Wohle der Menschen; sein lebendes Abbild (h{ntjf (nh~).34

34 Übersetzungen nach Ockinga, a.a.O. 21f. (Text 21 und 22).147 (Text 153), dort auch die entsprechenden Nachweise der Erstveröffentlichung. Der oben an zweiter Stelle zitierte Text (Ockinga, a.a.O. 21f.: Text 22) ist auch deshalb von Interesse, weil hier die auf den König bezogene Bildaussage in einem Schöpfungskontext (Erschaffung des Landes) begegnet und insofern Gen 1,26-28 nahesteht, s. dazu auch Groß, Statue (s. Anm.8), 14 Anm.8. Er unterscheidet sich von den priesterlichen Imago Dei-Texten aber dadurch, daß Gen 1,26f.; 5,1.3; 9,6 – und auch sonst das Alte Testament – nicht vom König, sondern vom Menschen als »Bild/Statue« Gottes sprechen. Ein weiterer interessanter Text, der allerdings ebenfalls auf den König und nicht auf den/die Menschen bezogen ist, ist die in ägyptischen Hieroglyphen geschriebene Inschrift auf der Kolossalstatue Darius I. aus Susa (terminus a quo 495 v.Chr.), s. dazu Neumann-Gorsolke (s. Anm.4), 179ff.

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Während die sumerische Religion die Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit nicht kennt35, ist sie in akkadischen Texten mehrfach belegt36. Zwar bieten auch diese Texte keinen Beleg für die Vorstellung, der Mensch/die Menschen sei(en) als/zum Bild eines Gottes erschaffen worden, dafür aber die Auffassung, daß der König – z.T. auch der Beschwörungspriester – das »Ebenbild, Abbild« (mus]s]ulu), die »Statue, Figur« (s[almu, vgl. hebr. ~l,c), oder der »Schatten« (s[illu) des Gottes sei. Der älteste s[almu-Beleg findet sich in einer Siegeshymne auf Tukulti-Ninurta I. (1244-1208 v.Chr.), die den König als »bleibendes Bild (s[almu) des (Gottes) Enlil« bezeichnet.37 Die Hauptbelege stammen aber aus neuassyrischer Zeit, und zwar aus Briefen von Hofastrologen und Beschwörungspriestern an Asarhaddon (681-669 v.Chr.) und Assurbanipal (669-629 v.Chr.), z.B.: – Brief des Beschwörungspriesters Adad-s]umu-usur an Asarhaddon Der König, der Herr der Länder (= der Welt), das Bild/die Statue (s[almu) des S0amas] (ist) er! – Brief des Beschwörungspriesters Adad-s]umu-usur an Assurbanipal Was (das betrifft, daß) der König, mein Herr (= Assurbanipal) mir schrieb: ›Ich habe gehört aus dem Mund meines Vaters (= Asarhaddon), daß ihr eine loyale Familie seid – doch jetzt weiß ich es aus meiner (eigenen) Erfahrung!‹ – – der Vater des Königs, meines Herrn (= Asarhaddon), das Bild (s[almu) des (Gottes) Be4l (war) er und der König, mein Herr (= Assurbanipal) (ist) das Bild (s[almu) des (Gottes) Be4l. – Omen aus der Bibliothek Assurbanipals Wenn der Mond im Monat S0aba4t@ (am) 14. Tag oder (am) 15. Tag vor der Sonne nicht erscheint – Hochwasser, ein gewaltiges, wird kommen, die Ernteerträge werden gering. Der Apkallu der Weisheit 35 S. dazu A. Angerstorfer, Gottebenbildlichkeit des Menschen bzw. des Königs – ein sumerisches Theologumenon?, BN 27 (1985), 7-10. 36 S. dazu Groß, Statue (s. Anm.8), 15ff. und zuletzt Neumann-Gorsolke, Herrschen (s. Anm.4), 181ff. 37 S. dazu mit den entsprechenden Nachweisen der Erstveröffentlichung A. Angerstorfer, Ebenbild eines Gottes in babylonischen und assyrischen Keilschrifttexten, BN 88 (1997), 47-58, hier: 47ff.; Th. Podella, Das Lichtkleid JHWHs. Untersuchungen zur Gestalthaftigkeit Gottes im Alten Testament und in seiner altorientalischen Umwelt, FAT 15, 1996, 254ff.; Groß, a.a.O. 15f.; D. Bonatz, Was ist ein Bild im Alten Orient? Aspekte bildlicher Darstellung aus altorientalischer Sicht, in: M. Heinz/D. Bonatz (Hg.), Bild – Macht – Geschichte. Visuelle Kommunitkation im Alten Orient, 2002, 9-20, hier 11ff. und Neumann-Gorsolke, ebd.

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Be4l, der Barmherzige, der Held des Marduk, (ist) in der Nacht erzürnt, am Morgen hat er sich (wieder) geklärt. König der (gesamten) Welt, das Bild (s[almu) des Marduk (bist) du! Zu Herzen werden wir, deine Knechte, wenn du zornig bist, den Zorn des Königs, unseres Herrn, uns nehmen, und das Wohlwollen des Königs werden wir (wieder) schauen. Für was (sind wir denn) Diener (des Königs).38

Trotz offener Fragen hinsichtlich des Überlieferungswegs39 dürfte die alttestamentliche Imago Dei-Vorstellung ihren Ursprung in der altorientalischen Königsideologie haben. Sie ist aber kaum das Ergebnis einer innerisraelitischen »Demokratisierung« des Königsbildes40, sondern – nach dem Ende des judäischen Königtums – vielmehr das Resultat einer Universalisierung der Herrschaftsvorstellung, in die durch die Priesterschrift offenbar absichtsvoll königsideologische Metaphern eingebaut wurden (»Royalisierung« des Menschenbildes, vgl. Ps 8,6f.)41. Königsideologische Züge sind, wie wir

38 Übersetzungen nach Angerstorfer, a.a.O. 50f.53 mit den entsprechenden Nachweisen der Erstveröffentlichung. 39 Es fehlt als traditionsgeschichtliches Zwischenglied vor allem die alttestamentliche Bezeichnung des Königs als »Bild/Statue Gottes«. Der (judäische) König wird »Erwählter« (Ps 89,4.20, vgl. Ps 45,5), »Sohn« (II Sam 7,14; Ps 2,7) oder »Erstgeborener« Gottes (Ps 89,28) genannt, s. dazu B. Janowski, Art. Königtum II, NBL 2, 1995, 516-519.520, hier: 517 und zur Frage der Adaption altorientalischer Bildterminologie durch das Alte Testament Groß, Statue (s. Anm.8), 13.17f. 40 So aber Koch, Imago Dei (s. Anm.20), 23; E. Otto, Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium, BZAR 2, 2002, 179ff. u.a. Koch spricht der Priesterschrift sogar eine »antiroyalistische Haltung« zu (ebd.), s. dazu aber die folgende Anm. 41 S. dazu bereits B. Janowski, Herrschaft über die Tiere. Gen 1,26-28 und die Semantik von hdr, in: ders., Die rettende Gerechtigkeit. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 2, 1999, 33-48, hier: 38ff., vgl. auch H. Spieckermann, Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen, FRLANT 148; 1989, 234f.; Podella, Lichtkleid (s. Anm.37), 252ff. und Neumann-Gorsolke, Herrschen (s. Anm.4), 313ff.317ff.322f.353f. u.ö. Die eine Vorstellung – der König als »Bild/Statue« Gottes – wurde dabei nicht einfach durch die andere – der Mensch als »Bild/Statue« Gottes – ›ersetzt‹, sondern im Kontext konzeptioneller Umakzentuierungen transformiert, die sich besonders im Blick auf die Herrschaftsvorstellung auch in Ez 34; Ps 8; 72; 110 u.a. niedergeschlagen haben. Die Klärung dieses Transformationsprozesses bedürfte umfassenderer Überlegungen. So wäre etwa zu fragen, in welchem Verhältnis die Vorstellung vom königlichen Menschen von Gen 1,26-28 zu den priesterlichen Königserwartungen von Gen 17,6 und 35,11 steht, s. dazu W. Groß, Israels Hoffnung auf die Erneuerung des Staates, in: ders., Studien zur Priesterschrift und zu alttestamentlichen Gottesbildern, SBAB 30, 1999, 65-96, hier: 65ff., s. zur Sache auch Neumann-Gorsolke, a.a.O. 314f.

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Bernd Janowski

sehen werden, auch sonst in Gen 1,26-28 auszumachen und vor allem mit der Herrschaftsaussage verbunden. 42 Kehren wir nach diesem Seitenblick auf die altorientalischen Imago DeiTexte zu Gen 1,26-28 zurück. Neben den ersten Bildbegriff ~l,c,, wonach der Mensch das/die lebendige, zum »Herrschen« über die Tiere erschaffene »Bild/Statue« Gottes ist, tritt in Gen 1,26a mit tWmD> ein zweiter Bildbegriff, der mit der Präposition K. »wie, entsprechend« eingeführt wird: Wir wollen Menschen machen als unser Bild/unsere Statue (Wnmel.c;B.) unseresgleichen/etwa wie unsere Ähnlichkeit (WnteWmd>Ki).

Während die Wortbedeutung des von hm'D" »gleich sein« abgeleiteten Verbalabstraktums tWmD> (23mal im AT)43 mit »was jemandem ähnlich, gleich ist; etwas wie > Ähnlichkeit, Gleichheit, Entsprechung«44 zu bestimmen ist, ist die Deutung von WnteWmd>Ki strittig, und zwar weniger hinsichtlich der Präposition K. als vielmehr im Blick auf das Verhältnis von tWmD> zu ~l,c., Gegenüber dem Vorschlag von Chr. Dohmen, ~l,c, eigne ein relationaler, d.h. ein auf Gott verweisender Aspekt (der Mensch vertrete Gott in einem bestimmten Rahmen in der Welt) und tWmD> eigne ein qualifizierender, d.h. ein Gott wiedergebender Aspekt (der Mensch erhalte zur Ausübung dieser Funktion quasi [K. »wie«!] göttliche Qualitäten)45, spricht die Austauschbarkeit der beiden Präpositionen in Gen 1,26a.27a einerseits und in Gen 5,3a (vgl. 5,1b) andererseits für deren semantische Synonymität. Zumindest liegt »auf dem semantischen Unterschied beider Präpositionen ... nach Ausweis ihrer Vertauschbarkeit hier kein Nachdruck«46. Gilt das auch für die beiden Lexeme ~l,c, und tWmD>? Da das Hebräische keine Abstufung der Gleichheit ausdrücken kann, also nicht unterscheidet, ob etwas »gleich« oder nur »ähnlich« ist 47, intendiert die Wendung WnteWmd>Ki 42 S. dazu unten 196ff. 43 S. dazu H.-D. Preuß, Art. hmd usw., ThWAT 2, 1977, 266-277, hier: 274ff.; Schroer, Bilder (s. Anm.25), 326ff.; E. Jenni, Pleonastische Ausdrücke für Vergleichbarkeit (Ps 55,14; 58,5), in: ders., Studien zur Sprachwelt des Alten Testaments, 1997, 206-211, hier: 207f.210f. u.a. 44 Vgl. Jenni, Präposition Beth (s. Anm.24), 84. 45 S. dazu Chr. Dohmen, Das Bilderverbot. Seine Entstehung und seine Entwicklung im Alten Testament, BBB 62, 21987, 278ff., vgl. ders., Art. Ebenbild, NBL 1, 1991, 453455, hier: 454, s. dazu die Kritik von Groß, Statue (s. Anm.8), 19 Anm.19. 46 Groß, Gottebenbildlichkeit (s. Anm.19), 21. Da tWmD> in Gen 5,1b.3a aber die Präposition B. bei sich hat, dürfte es hier vollsemantisch gebraucht sein. Die Übersetzung von Gen 5,3a würde demnach lauten: »und er (sc. Adam) zeugte (einen Sohn) als etwas ihm Ähnliches (AtWmd>Bi), (das) wie sein Bild (war)« (Aml.c;K). , s. dazu Oberforcher, Biblische Lesarten (s. Anm.8), 145ff.; Th. Hieke, Die Genealogien der Genesis, HBS 39, 2003, 71f. u.a. 47 S. dazu Jenni, Pleonastische Ausdrücke (s. Anm.43), 210, vgl. ders., Die hebräischen Präpositionen 2: Die Präposition Kaph, 1994, 44.

Die lebendige Statue Gottes

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offenbar weder eine Abschwächung noch eine Verstärkung der konkreten ~l,c-, Aussage (»Statue, [Rund-]Plastik«). Sie dürfte vielmehr ein pleonastischer Ausdruck für Vergleichbarkeit (»wie etwas Ähnliches zu uns/unseresgleichen«) oder ein vollsemantisches Lexem (»etwa wie/gemäß unsere/r Ähnlichkeit«) sein, das die Ähnlichkeit/Entsprechung (nicht die Identität!) zweier Größen – A (Gott) und B (Mensch) – zum Ausdruck bringt.48 Aufgrund des engeren Kontextes, d.h. der Verbindung der beiden Bildaussagen mit der folgenden Herrschaftsaussage49, wird deshalb auch bei tWmD> der funktionale Aspekt im Vordergrund stehen und nicht etwa eine physische (Aussehen, Gestalt) oder innere/metaphysische Ähnlichkeit (Wesen) des gottebenbildlichen Menschen mit dem Schöpfergott gemeint sein.50 D.h.: 48 S. zur Diskussion Jenni, Pleonastische Ausdrücke (s. Anm.43), 210f. und Groß, Statue (s. Anm.8), 18ff. Ein ähnlicher grammatischer Sachverhalt wie in Gen 1,26a liegt in dem Syntagma ADg>n


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