Die Kolonialbestrebungen der Habsburger im späten 18. Jahrhundert. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht in den Jahren 1777-1781.
Die Kolonialbestrebungen der Habsburger im späten 18. Jahrhundert. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Verfasser Andreas Grantner
Angestrebter akademischer Grad Bachelor der Internationalen Entwicklung (Bachelor of Arts)
Wien, im April 2015
Studienkennzahl: 033 579 Leitthema: Geschichte (außer-)europäischer Expansionsbestrebungen seit dem Jahre 1500 Betreuer: Univ. Prof. Dr. Friedrich Edelmayer
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Wien, am 14. April 2015
Andreas Grantner (Andreas Grantner)
Inhaltsverzeichnis Zeittafel ..................................................................................................................................... 4 A. Der Kaiser von Madagaskar .................................................................................................. 5 B. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781 ......................................................................................................... 7 I. Persönliches Interesse....................................................................................................... 7 II. Wissenschaftliches Interesse und Forschungsstand .......................................................... 7 III. Die erste österreichisch-ostindische Handelskompanie von Ostende 1722-1731 ............ 8 1. Der spanische Erbfolgekrieg und seine Folgen für das Habsburgerreich ....................... 8 2. Die Vorherrschaft der englisch-niederländischen Handelskompanien ........................... 9 3. Pragmatische Sanktion und Zerfall der Ostender Kompanie ........................................ 10 IV. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest 1775-1785 ........... 11 1. Kameralismus & Kaiserhof im 18. Jahrhundert ........................................................... 11 2. Die Entwicklung Triests unter österreichischer Herrschaft .......................................... 14 3. William Bolts und die Antwerpener Gruppe ................................................................ 15 4. Die Kompanie im Wellengang ..................................................................................... 18 V. Die Kolonie in der südostafrikanischen Delagoa-Bucht 1777-1781 .............................. 23 1. Geographische Lage und natürliche Begebenheit der Bucht ........................................ 23 2. Afrikanische und europäische Herrschaftsperioden ..................................................... 23 3. Die Reise des Schiffes „Joseph und Theresia“ ............................................................. 25 4. Die Kolonie auf der Suche nach ihrer Bestimmung .................................................... 29 5. Niedergang der Kolonie und Zerfall der Triester Kompanie ........................................ 30 VI. Schlussbetrachtungen: Österreich als Kolonialmacht? .................................................. 33 C. Geschichtsforschung als Schattenbeschwörung .................................................................. 35 Historisches Personenregister ............................................................................................... 36 Schiffsregister der Triester Kompanie ................................................................................. 38 Kartenverzeichnis................................................................................................................... 40 Bibliographie........................................................................................................................... 41
Zeittafel 1701-13/14
Spanischer Erbfolgekrieg
1711
Tod des Kaisers Joseph I. Karl VI. wird neuer Kaiser
1713
Spanische Niederlande fällt im Frieden von Utrecht an Österreich Pragmatische Sanktion
1717
Geburt Maria Theresia
1719
Triest und Fiume werden zu Freihäfen erklärt
1721-30
Holländische Besetzung der Delagoa-Bucht
1722
Gründung der Ostender Kompanie
1731
Zerfall der Ostender Kompanie
1740
Tod des Kaisers Karl VI. Maria Theresia wird neue Kaiserin
1740-48
Österreichischer Erbfolgekrieg
1741
Geburt Joseph II.
1756-63
Siebenjähriger Krieg
1765
Tod des Kaisers Franz I. Joseph II. wird Mitregent seiner Mutter (Haus Habsburg-Lothringen)
1775
Gründung der Triester Kompanie
1775-83
Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg
1777
Gründung der Kolonie in der Delagoa-Bucht
1778
Gründung der Kolonie auf den Nikobaren
1778-80
Bayerischer Erbfolgekrieg
1780
Tod der Kaiserin Maria Theresia Joseph II. alleiniger Kaiser
1781
Ende der Kolonien in der Delagoa-Bucht und auf den Nikobaren
1785
Zerfall der Triester Kompanie
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
A. Der Kaiser von Madagaskar
"Gewalt der Menschen hat mit der allgewaltigen Natur sich gegen uns verbunden. Auf dieser Seite trennen wüste Steppen, grenzenlose Schneegefilde, auf jener ungebahnte Meere uns von der bewohnten Welt. Ohne Schiffe, ohne Wegweiser, ohne Waffen, ohne Brot, heute gegen Menschen, morgen gegen Hunger kämpfend, heute frei und morgen todt - " 1 Graf Moritz August von Benjowsky2 in August von Kotzebues Drama „Graf Benjowsky oder Die Verschwörung auf Kamtschatka“ (1794)
Wien. Abend des 8. August 1779. Ein heftiges Gewitter ist vorige Nacht niedergegangen; bis in den Mittag des Folgetages hinein drängte der Regen durch die Hauptstadt des Habsburgerreiches. Der Gouverneur von Triest Karl Graf von Zinzendorf diniert beim befreundeten Reichsfürsten Johann Wenzel Graf von Paar zusammen mit seinem Berater Sternberg und einem ihm noch unbekannten ungarischen Brigadier in den Diensten Frankreichs mit dem Namen Benjowsky. Dessen schicksalsträchtige Geschichte wird der Graf später in sein minutiös geführtes Tagebuch3 notieren und ihn mit respektvoller Ungläubigkeit einen homme d‘esprit heißen. Es verwundert wenig, dass Graf Zinzendorf an diesem energiegeladenen Zeitgenossen Gefallen fand, war dessen Biographie doch eine ersehnte Blaupause für die oftmals romantisch verklärten Ruhmbestrebungen des 18. Jahrhunderts. Graf Moritz August von Benjowsky, geboren am 20. September 1741 nahe dem kleinen Orte Vrbové in der heutigen Slowakei, ging bereits in jungen Jahren nach Litauen, um das Erbe seines Onkels anzutreten. Nach Auseinandersetzungen mit den dort herrschenden russischen Besatzern wurde er gefangen genommen und nach Kamtschatka verbannt. In Haft erschlich er sich das Vertrauen des wachhabenden Generals und dessen Tochter, die er zudem ehelichte,
1
Kotzebue, August von (1794). Graf Benjowsky, oder: Die Verschwörung auf Kamtschatka. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen. siehe auch Benjowski, Moritz August von (1790). Des Graf Moritz August von Beniowski Reisen durch Sibirien und Kamtschatka über Japan und China nach Europa. Berlin: Voss Verlag. 2
In anderen Schreibweisen: Beniofsky, Beňowský, Benyovszky, Beniowsky/-i, Benjowsky/-i, Benyowsky/-i. Der Name des Adelsgeschlechtes leitet sich vom heutigen südtschechischen Orte Beňov ab. 3
Zinzendorf, Karl Graf von; Faber, Eva et. al. (Hg.) [1779-1782] (2009). Europäische Aufklärung zwischen Wien und Triest. Die Tagebücher des Gouverneurs Karl Graf Zinzendorf 1776-1782. Die Tagebücher 1. Jänner 1779 bis 11. Februar 1782, pp. 478ff.
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
bemächtigte sich einer Flotte und segelte über die Kurilen und Aleuten, Japan und Kalifornien, Niederländisch Formosa und Kanton bis nach Südostafrika, wo er den französischen Kolonialisten die Eroberung Madagaskars vorschlug und sich nach Genehmigung seiner Eroberungspläne am 11. Februar 1776 von den Eingeborenen zum Kaiser der Insel wählen ließ. Die Farbe der Flagge unter der er segelt und mit deren Hilfe er sich in den Geschichtsbüchern verewigt, ist ihm zweitrangig. Er will sich mit aller Macht emanzipieren, will keine Randfigur der Historie bleiben.4 Nach den enttäuschenden Erfahrungen mit den Franzosen, die seine widerspenstige Natur nicht zu zügeln wissen, wendet er sich hilfesuchend zuerst nach England und später nach Österreich. Die habsburgischen Verantwortlichen Kaiser Joseph II. und Reichsfürst von Kaunitz-Rietberg liebäugeln sehr wohl mit den Expansionsplänen des Ungarn, können und wollen aber die Entspannungspolitik gegenüber Frankreich und die bestehende Ostindienkompanie nicht aufs Spiel setzen. So teilt man Benjowsky mit, dass man zwar an Kolonien interessiert sei, ihm aber keine finanzielle Unterstützung bieten könne. Die Bemühungen Benjowskys in Wien verlaufen im Sande. Er muss sich anderen Mächten zuwenden. Nichtsdestotrotz zeigt diese Episode die Internationalität und Komplexität der europäischen Expansionsbestrebungen des 18. Jahrhunderts. Monarchen, Financiers und Abenteurer finden oftmals erst durch langwierige (private) Verhandlungen zusammen, ehe Planung und Durchführung der Schifffahrten geregelt werden können. Neben etwaigen Referenzen und historischen Rahmenbedingungen entscheidet auch der Zufall über Gedeih und Verderb. Diese Arbeit konzentriert sich auf die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest (auch wenn der Name Missverständnisse hervorrufen kann, wie ich später zeigen werde) und die damit verbundene Besetzung der Delagoa-Bucht in den Jahren 1777-1781. Zu Beginn werde ich kurz mein persönliches Interesse am Thema sowie das wissenschaftliche Interesse und den Forschungsstand schildern, ehe die politischen, wirtschaftlichen und personellen Dynamiken des angehenden 18. Jahrhunderts beschrieben werden, die zur Entstehung der Kompanie geführt haben. Auch das Aufkommen und der Zerfall der ersten österreichisch-ostindischen Handelskompanie von Ostende werden geschildert.
4
Heuss, Theodor (1950). Schattenbeschwörung. Randfiguren der Geschichte. 2. Auflage. Tübingen / Stuttgart: Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins.
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
B. Die Kolonialbestrebungen der Habsburger im späten 18. Jahrhundert. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781
I. Persönliches Interesse
Diese Arbeit entstand im Rahmen des Bachelorseminars Geschichte der (außer-)europäischen Expansionen von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis heute (Stand: 2015) des Studiums Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Die Frage nach der österreichischen Beteiligung an diesen Expansionen schien mir aus zwei Gründen besonders interessant: Zum einen aufgrund der räumlichen Nähe der Universität Wien, der ansässigen Bibliotheken und auf das Themengebiet spezialisierten Professoren, zum anderen aufgrund der Feststellung, dass mir persönlich nur sehr wenig über Österreich und seine Kolonialbestrebungen bekannt war. Wenn man über Kolonialisierungsprozesse spricht, so meist über Portugiesen, Spanier, Engländer, Holländer, Franzosen oder Deutsche – selten aber über
Österreicher.
Das
vermeintliche
Schweigen
über
die
österreichische
Kolonialvergangenheit war also der erste Faktor, der mein Interesse weckte. Des Weiteren entwickelte sich während meines dreimonatigen Praktikums (Juli – September 2014) an der Deutschen Botschaft in Pretoria, Südafrika, ein geographisches Interesse für den ostafrikanischen Raum. Die habsburgische Besetzung der Delagoa-Bucht, in der sich heute die mosambikanische Hauptstadt Maputo befindet, war nur die logische Verbindung beider Faktoren.
II. Wissenschaftliches Interesse und Forschungsstand
Der Forschungsstand bezüglich der zweiten österreichisch-ostindischen Handelskompanie ist sehr begrenzt, bezüglich der Besetzung der Delagoa-Bucht praktisch nicht vorhanden. Das Standardwerk aus dem Jahre 1927, welches auch von den Experten des Wiener Staatsarchivs empfohlen wird, stammt von Franz von Pollack-Parnau. Seine Beschreibung konzentriert sich jedoch auf das chronologische Zustandekommen und Funktionieren der Kompanie an sich, wobei die Wirkungsweisen der tatsächlich errichteten Kolonien nur wenig Beachtung finden. Pollack-Parnau nutzt zahlreiche Primärquellen aus dem Staatsarchiv (was die häufige Zitation seines Beitrages erklärt), aber auch Werke seines Doktorvaters Heinrich Ritter von Srbik sowie
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
die zahlreichen sehr gut dokumentierten Bände über die Zeit von Maria Theresia und Joseph II. von Alfred Ritter von Arneth. Josef Ritter Rechberger von Rechcron hat mit seiner Geschichte der k.k. Kriegsmarine aus dem Jahre 1882 in umfassender Manier die maritime Perspektive dargelegt. Einige spätere Journalbeiträge haben sich auf die Kolonialversuche Österreichs im 18. Jahrhundert konzentriert – wie die Artikel von Bernhard Struck (1927), Friedrich Trupp (1977) und Eva Faber (2001). Zudem erschienen einige Dissertationen – u.a. von Peter Gasser zum Handel über Triest unter Maria Theresia und Joseph II, von Stefan Meisterle zur Triester Kompanie und von Franziska Kasper zur österreichischen Kolonie auf den Nikobaren -, die allerdings nicht alle Lücken schließen können. Die Stellung der Delagoa-Bucht wurde vor allem in Bänden beschrieben, die die mosambikanische / ostafrikanische Geschichte bzw. portugiesische Kolonisation zum Thema haben. Malyn Newitt (1995) beschreibt die Entwicklung der Bucht sehr detailliert. Fritz Hoppe (1965) kann mit umfangreichen Statistiken zu Portugiesisch Ostafrika in der Zeit des Marquis von Pombal aufwarten. Die Primärquellen – hervorzuheben ist hier das Tagebuch des Schiffsarztes Niccoló Fontana (1777-1783) - bleiben neben dem Werk von Pollack-Parnau die wichtigsten Zugänge zu einem Teilbereich der österreichischen Geschichte, der bisher ungerechtfertigter Weise vernachlässigt wurde.
III. Die erste österreichisch-ostindische Handelskompanie von Ostende 1722-1731
1. Der Spanische Erbfolgekrieg und seine Folgen für das Habsburgerreich
Als der Friede von Utrecht am 11. April 1713 den Spanischen Erbfolgekrieg zu einem Ende brachte, wurde dem österreichischen Hause Habsburg – als Teil der siegreichen Haager Großen Allianz (neben dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, England und den Niederlanden) – zahlreiche Territorien zugestanden. Dazu zählten die Königreiche Neapel und Sardinien, das Herzogtum Mailand und die strategisch nützlichen Spanischen Niederlande, die sich in etwa auf dem Gebiet des heutigen Belgiens und Luxemburg befanden. Trotz der besonders für den Seehandel günstigen Lage, blieb die wirtschaftliche Entfaltung durch die Sperrung des Flusses Schelde und den sogenannten Barrieretrakt aber zunächst gehemmt. Besonders die Handelsstadt Antwerpen hatte unter diesen Fesseln zu leiden. 8
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Nach dem unerwarteten Ableben des habsburgischen Kaisers des Hl. Römischen Reiches Joseph I. am 17. April 1711, trat dessen Bruder Karl (zu diesem Zeitpunkt als Karl III. König von Spanien) als Karl VI. die Herrschaft über ein großes Reich an. Die anderen europäischen Mächte fürchteten das Entstehen einer europäischen Hegemonie und tatsächlich suchte der neue Kaiser nach Möglichkeiten, seinen neu gewonnen Einflussbereich5 zu festigen. Die Begründung einer Handels- und Kriegsmarine war nur ein logischer Schritt. Bereits seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) waren den Habsburgern immer wieder Pläne zur Errichtung einer Handelskompanie nach Indien vorgetragen worden. Am 8. Jänner 1723 wird die Handelskompanie zu Ostende als Generale Indische Compagnie gegründet und mit einem Startkapital von sechs Millionen Gulden (6000 Aktien à 1000 Gulden) und einem auf 30 Jahre ausgelegten Oktroi ausgestattet. In den folgenden Jahren unternahmen 21 Schiffe von Ostende aus 55 Fahrten; die Besatzungen stammten hauptsächlich aus den österreichischen Niederlanden, aber auch aus Irland, Frankreich und England. 6 Bereits ein Jahr zuvor war durch das Schiff „Stadt Wien“ eine Faktorei an der Mündung des Ganges angelegt worden, welche erst 1744 aufgegeben wurde. 7
2. Die Vorherrschaft der englisch-niederländischen Handelskompanien
Der Konkurrenzdruck, der von Beginn an auf der jungen Kompanie lastete, war enorm. Die alteingesessenen Handelskompanien der Engländer und Niederländer wurzelten bis in die Anfangsjahre des 17. Jahrhunderts8, im Laufe dessen sich beide Nationen zu voller Blüte entwickelten. Der Kaiser reagiert auf die Übermacht der englischen Importe mit einer harschen Zollpolitik, die auch das eigene Reich trifft, darunter besonders den Kupferhandel.9 Obwohl die Ostender Kompanie einige Rückschläge - wie die Kaperung von sieben Schiffen (drei durch Piraten, vier durch Engländer) – hinnehmen musste, konnte sie vielversprechende Erfolge verbuchen und so den argwöhnischen Blick der beiden “großen Brüder” auf sich ziehen. Die Holländer beriefen sich gar auf den Westfälischen Frieden und bezeichneten Österreich als 5
Die Pax Austriaca hatte seit dem Katastrophenjahr 1640 eine mehrere Dekaden andauernde Phase des Niedergangs erlebt. Der Spanische Erbfolgekrieg kann als Wende gelten. – vgl. Randa, Alexander (1966), p. 45 6
vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 3 ; vgl. Horvath/ Zimmermann (1995), pp. 49ff.
7
vgl. Sokol, Anthony E. (1972), p. 13
8
Die englische East India Company (EIC) gründete sich am 31. Dezember 1600, die niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) am 20. März 1602. Siehe auch: Bonnassieux, Pierre (1892) 9
vgl. Srbik, Ritter Heinrich von (1907), pp. 296f.
9
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Rechtsnachfolger Spaniens, was ihnen den Handel westlich der Phillipinen untersagt hätte. Zusammen mit England und Frankreich (vorübergehend auch Preußen) tritt Holland später einem Bündnis bei, dessen einer Vetragsartikel “den Ausschluß der österreichischen Niederlande vom Handel mit Indien” als Ziel hatte. 10
3. Pragmatische Sanktion und Zerfall der Ostender Kompanie
Die utopischen Pläne von großen Handelskompanien mussten früher oder später ob der übermächtigen Konkurrenz fehlschlagen. Die Ideen eines organisierten Sklavenhandels und der Errichtung von Kolonien, welche in den Jahren 1726-28 innerhalb der Kompanie kursierten, wurden nie verwirklicht. 11 Seit dem Jahre 1719 existierte zudem eine Orientalische Kompanie mit Sitz in Wien, die sich besser entwickelte und über Triest exportierte. Kaiser Karl VI. benötigte die Unterstützung der beiden Seemächte bei der internationalen Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, die der am 13. Mai 1717 geborenen Maria Theresia den Thron sichern sollte, weshalb er im Mai 1727 die Charter der Kompanie – auch der Erhaltung des europäischen Friedens wegens - für sieben Jahre aussetzt. Die Kompanie sollte sich davon nicht mehr erholen – 1731 kommt es zu ihrer endgültigen Auflösung im Zweiten Wiener Vertrag, wobei der Kaiser zumindest formell die Faktoreien in Besitz nahm.
12
Die Aktiengesellschaft
blieb bestehen und schüttete noch bis 1745 Gelder an die Aktionäre aus.13 Trotz des raschen Endes der Ostender Kompanie konnte man Teilerfolge verbuchen, hatte man doch die eigenen Ansprüche im internationalen Wettbewerb unterstreichen sowie diplomatische Netzwerke ausbauen können. Karl VI hatte seinen europäischen Widersachern – allen voran Preußen unter Friedrich II. – durch die Pragmatische Sanktion allerdings eine ideale Verhandlungsposition verschafft. Die militärische Auseinandersetzung, die auf seinen Tod folgen sollte, konnte er nicht verhindern: in den Jahren 1740 bis 1748 tobt der Österreichische Erbfolgekrieg, in dessen Folge man das wertvolle Schlesien verliert.14
10
vgl. Horvath, Michael; Zimmermann, Hans (1995), p. 52
Am 15. August 1723 sind die Aktien bereits mit 112% notiert (bei einem gleichzeitigen Fall der Aktien der Niederländischen Ostindienkompanie um 5%) – vgl. Struck, Bernhard (1927), pp. 188f. 11
vgl. Everaert, John G. (1975), p. 185
12
vgl. Nagel, Jürgen (2011), p. 138
13
Laut Struck 11,79 Mio. Gulden – vgl. Struck, Bernhard (1927), p. 190; laut Pollack-Parnau 6 Mio. Gulden – vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 4 14 vgl. Durchardt, Heinz (1997), p. 127
10
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IV. Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest 1775-1785
1. Kameralismus und Kaiserhof im 18. Jahrhundert „Ohne System regieren, heißt ein Schiff ohne Steuerruder und Compaß den Wind und Wellen überlassen.“ - Graf Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, 1766.15
Im Staate Leopolds I (1658-1705) hatten die Frühmerkantilisten Johann Joachim Becher, Friedrich Wilhelm Freiherr von Schröder und Philip Wilhelm von Hörnigk maßgeblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Denken der Zeit. Der Fokus lag dabei auf der Beschränkung der Einfuhr, der Ausnützung aller natürlichen Vorteile des Staatsbodens, der Steigerung der Produktion, der Schaffung neuer Großbetriebe des Gewerbes und der Erhöhung der Steuerkraft der Bevölkerung sowie des Exports, im Grunde also der Maximierung der Staatseinnahmen und der Bildung einer aktiven Handelsbilanz.16 Hörnigk war ein glühender Verfechter der Lehren seines Schwagers Becher, was auch in seinem Hauptwerk Österreich über alles, wenn es nur will deutlich wird. Becher empfahl tatsächlich die Errichtung von Kolonien, allerdings mit dem bestimmten Zweck, die Entstehung von Monopolen bzw. Polypolen zu verhindern.17 So war es nur konsequent, dass die Frühmerkantilisten den Ausbau von Land- und Wasserstraßen des Staates und seiner Häfen forderten. Unter Maria Theresia (1740-1780) wurde ein weiterer Kameralist, J.H.G. Justi, durch den früheren Staatsmann für das Innere, Graf Haugwitz, an den Hof berufen, was zur Etablierung einer systematischen Staats-,
Wirtschafts- und Bevölkerungslehre führte.18 Bis zum
Spanischen Erbfolgekrieg hatte sich der Kaiser bei der Finanzierung seiner Kriege an sog. Hofjuden wenden müssen. Erst jetzt – genauer im Jahre 1749 – errichtete Graf Haugwitz eine
15
Khevenhüller-Metsch, Johann Joseph von [1764-67], p. 503
16
vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 1; vgl. Hausherr, Hans (1960), p. 267; vgl. Hassinger, Hugo (1950), p. 89 17
vgl. Erdberg-Krczenciewski, Ritter von (1896), pp. 131f., 139f. ; vgl. Hassinger, Herbert (1951), pp. 174f.
18
vgl. Hassinger, Hugo (1950), p. 90
11
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Art Generaldirektorium nach preußischem Vorbild, was die merkantilistischen Maximen der Vereinheitlichung der Wirtschaft und des Heranziehens eines Standes gewerblicher Unternehmer (zuerst aus dem Adel, dann aus dem Bürgertum) ermöglichte.19 Im Jahre 1752/53 organisierte Kaunitz eine allgemeine Reform des Staates, wodurch auch der außenpolitische Apparat effizienter gestaltet wurde. Im Jahre 1760 rief er den Staatsrat ins Leben. Der kameralistische Grundsatz, dass Politik eine exakte Wissenschaft zu sein habe, sah sich verwirklicht.20 Während der Regentschaft Josephs II.21 (1765-1790), der die ersten fünfzehn Jahre gemeinsam mit seiner Mutter regierte, kam der Kameralismus zu voller Blüte. Das Österreich des aufgeklärten Absolutismus hegte Befürchtungen vor einer preußisch-türkischen Allianz, was sich in einer aggressiven Außenpolitik äußerte.22
Einflussreiche Denker wie Josef von
Sonnenfels (der einzige Österreicher unter den genannten Kameralisten) betonten in dieser Zeit die Bedeutung einer statistischen Erforschung der Bevölkerungsgröße mit dem Zweck der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, was sowohl an die zeitgenössischen Schriften von Thomas Robert Malthus als auch an Physiokraten wie Francois Quesnay erinnert. Während jedoch Justi für eine autarke, abgeschlossene Wirtschaft eintrat, befürwortete Sonnenfels aus populationistischen Gründen, um Zahl und Wohlstand der Bevölkerung zu mehren, einen möglichst großen Export Österreichs.23 Joseph II selbst galt als nüchterner Reformer, der dem Gottesgnadentum eine rational begründete Herrschaft entgegensetzte und sein Selbstbild als Diener des Staates durch die Schaffung von Pensionen, dem Toleranzedikt von 1781, der Einführung des Allgemeinen Strafgesetzbuches und der Abschaffung der Todesstrafe 1787 unterstrich.24 Mit Graf Wenzel Anton Fürst von Kaunitz-Rietberg hatte man zudem eine Art drittes Staatsoberhaupt, das sich auf uneigennützige Art Preußen entgegenwarf, die Beziehungen mit England nicht gefährden wollte und die Versöhnungspolitik gegenüber Frankreich als seine Lebensleistung betrachtete. 19
vgl. Hausherr, Hans (1960), p. 268
20
vgl. Vocelka, Karl (2001), p. 105
21
Einen hervorragenden Überblick der im Laufe der Jahrhunderte entstandenen Joseph-Biographien bietet Franz Szabo. – siehe Szabo, Franz A. J. (2011) 22
vgl. Ingrao, Charles W. (1994), p. 192
23
Dies scheint auch im Sinne des Kaisers und dessen Maxime „le pouvoir absolu de pouvoir faire tout le bien à l’état“ gewesen zu sein. - Vocelka, Karl (2001), p. 39 24
vgl. Reinalter, Helmut (2011), pp. 22ff.
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Als Spiegelbild dieser Ideen kann die Auslandspolitik Leopolds I, Karls VI, Maria Theresias und Joseph II gelten. Sie führte naturgemäß zu einer Erweiterung des geographischen Horizontes in Österreich. Freilich erfuhren diese Bestrebungen ständige Rückschläge und Hemmungen durch die politischen Ereignisse und Kriege auf dem europäischen Kontinent. Österreich hatte vor den Gebietsgewinnen durch den Spanischen Erbfolgekrieg hauptsächlich Absatzmärkte entlang der Donau im Südosten und im Orient gesucht – so auch mit der bereits 1667 errichten ersten Orientalischen Handelskompanie. Im Jahre 1719 wurden neue Grundsteine für eine Ausweitung der wirtschaftlichen Netzwerke gelegt. Triest und Fiume erklärte man zu Freihäfen; Prag, Wien und Triest wurden durch eine neue Staatsstraße verbunden und die zweite Orientalische Handelskompanie gegründet. Nur drei Jahre später folgte die erste Ostindische Handelskompanie.25 Im Jahre 1762 sieht sich Österreich nach sechs Jahren des Krieges zu einer Verminderung des kämpfenden Heeres und zur Aufnahme von Friedensverhandlungen gezwungen. Dazu kommt die Abwesenheit eines Großbürgertums, welches daran gewöhnt gewesen wäre, der Krone gegen die üblichen hohen Zinsen Kredite zu gewähren und sich durch Pfandnahme aus Kronvermögen oder Kroneinkünfte schadlos zu halten. 26 Der Merkantilismus erreicht Mitte des 18. Jahrhunderts in Preußen, Österreich und Russland seinen Höhepunkt; auch in England und Frankreich blieb er scheinbar unangefochtene Staatsdoktrin. Allerdings entstand in Frankreich mit der durch Francois Quesnay, Leibarzt der Madame de Pompadour, begründeten Physiokratie eine die Bedeutung der Landwirtschaft hervorhebende Bewegung und jenseits des Atlantiks begründet 1776 Adam Smith mit seinem Hauptwerk „The Wealth of Nations“ die Klassik der Wirtschaftstheorie. 27
2. Die Entwicklung Triests unter österreichischer Herrschaft
Die gemeinsame Geschichte Triests und Österreichs begann am 30. Dezember 1382 mit der freiwilligen Unterwerfung der Stadt unter Herzog Leopold III. von Österreich auf der Burg von Graz. Ein Jahr zuvor hatte der Turiner Frieden, welcher den Vierten genuesisch-venezianischen
25
vgl. Hassinger, Hugo (1950), pp. 90f.
26
„Im Gegensatz zu England und Holland verfügte Österreich über keine eingesessene, in Geschäften groß gewordene Bourgeoisie, die bereit gewesen wäre, in Handel und Gewerbe Risiken zu übernehmen, um noch mehr dabei zu gewinnen.“ - Hausherr, Hans (1960), p. 267 27
Hausherr, Hans (1960), pp. 277f.
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Krieg (auch: Chioggia-Krieg) beendete, die Unabhängigkeit und Freiheit der Hafenstadt besiegelt. Der im Spanischen Erbfolgekrieg unterlegene Karl VI. erkannte das große, nicht ausgeschöpfte Potenzial der Stadt und ließ im Jahre 1719 einen Freihafen errichten. Ein Gedanke bei der Förderung Triests war stets auch dessen Konkurrenz zum nahen Venedig. Sowohl die Proklamation der freien Schifffahrt auf der Adria im Jahre 1717 als auch der Friede von Passarowitz 1718 hatten die Stadt gestärkt. Mit der Erschließung des Semmering 1728, welche Triest durch eine ordentliche Straße mit der Hauptstadt Wien verband, fungierte die Küstenstadt als wichtiger Export- und Importhafen. Die Bevölkerung des Freihafens verdreifachte sich ob der infrastrukturellen Subventionierung innerhalb kürzester Zeit.28 Während der Regierungszeit Maria Theresias erblühte die Stadt dann regelrecht. Die Monarchin war fest entschlossen, aus dem Erben des römischen Tregeste eine bedeutende Handelsmetropole zu schmieden. 29 Am 18. Oktober 1766 und am 2. April 1775 traten jeweils neue – für Triest günstige – Zollreglements in Kraft, ehe am 25. September 1777 die Gegenseitigkeit des Handelsverkehrs zwischen Triest und den Niederlanden ausgesprochen wurde.
30
Diese Maßnahme wurde später auch durch die Verpflichtung des Antwerpener
Bankiers Prolis, eine Filiale seiner Bank in Triest zu errichten, gefestigt. Am 15. Juli 1775 wurde eine neue Zollordnung für die deutsch-österreichischen Länder (mit Ausnahme von Tirol, Triest und Fiume) installiert. Ein- und Ausfuhrverbote galten zu der Zeit als das wichtigste Mittel zur Förderung der Industrie und zur Hebung des inneren Handels.31 Die alte Kaufmannschaft, die bis dahin bevorzugt bessere Qualität im Ausland eingekauft hatte,
28
vgl. Faber, Eva (2001), p. 57; vgl. Hausherr, Hans (1960), p. 271
29
Kapitalwerte des Triester Ex- und Imports: 1752 (4 Mio. Gulden), 1760 (6 Mio.), 1764 (8 Mio.), 1780 (> 15 Mio.) – vgl. Rechcron, Ritter Rechberger von (1882), pp. 119f. 1758: Triest zählt 6424 Einwohner (5911 Katholiken, 79 Zimmerleute, 57 Schmiede, 91 Schneider, 93 Schuhmacher, 16 Schuhmacherlehrlinge, 119 Facchini, 130 männliche und 512 weibliche Dienstboten, 62 Maurer, 23 Fleischer und 404 andere Handwerker und Arbeiter) – vgl. Löwenthal, Jakob (1857), p. 191 30
Löwenthal, Jakob (1857), pp. 44f, 182, 195, 198
„Kaunitz made a sustained attempt in the years 1768-76 to promote mutual trade. The relevance of this to the voyages planned by Bolts and Proli is clear.” – Dickson, Peter George Muir (1987), p. 77 31
Beer, Adolf (1891), pp. 1f.
14
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
sah sich gezwungen, ob der Abschaffung der Binnenzölle ihre Geschäftspraktiken zu anzupassen. 32 Im Zeitraum von 1748 – 1774 übernahmen zunächst die Präsidenten der Intendanz die Regierungsangelegenheiten, ehe 1776 Karl Graf von Zinzendorf zum ersten Gouverneur der Stadt ernannt wird.
33
Dessen akribisch geführte Tagebücher gelten als eine der besten
Zeitzeugendokumente des 18. Jahrhunderts und können so auch für seinen Aufenthalt in Triest im Zeitraum 1776-1782 wichtige Anhaltspunkte liefern. In diesen finden sich allerdings nur wenige Hinweise auf die Tätigkeiten der Kompanie. Pollack-Parnau führt dies auf seine Überzeugungen zurück: als Schüler von Physiokraten wie André Morellet stand er dem Ostindienhandel kritisch gegenüber. 34 Bereits im Jahre 1780 hatte Joseph II. Pläne zur Errichtung einer Flotte in Auftrag gegeben. Diese scheitern allerdings am Widerstand Triests, das die Kosten hätte tragen sollen. Erst am 4. Oktober 1786 kommt es mit der Ankunft der beiden angekauften Schiffe „La Juste“ und „La Ferme“ nach Wallisch zur „Geburtsstunde der österreichischen Flotte“.35
3. William Bolts und die Antwerpener Gruppe
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie entsprang den Ideen des englischen Seefahrers William Bolts (1740 – 1808). Bolts wurde als Sohn Heidelberger Eltern in Amsterdam geboren, zog aber bereits als 15-Jähriger nach England und später nach Lissabon. Nachdem er im dortigen Erdbeben von 1755 Hab und Gut verloren hatte, trat er in die englische Ostindienkompanie (EIC) ein und erwirtschaftete sich als führender Bediensteter in Bengalen einen beachtlichen Reichtum. Ein besonderes Zeitzeugnis des Aufenthaltes in Bengalen sind seine biographischen Aufzeichnungen Considerations on Indian Affairs (1772), mit denen er seine jähe Entlassung als Mitglied der hohen Verwaltung der Provinz Benares rächte und scharfe Kritik an der
32
Hausherr, Hans (1960), p. 270
33
Laut Rechcron „eine glückliche Wahl“ - Rechcron, Ritter Rechberger von (1882), p. 124
Mit dem Grafen Zinzendorf leitete von nun ein weltgereister Verfechter des Freihandels die Geschicke der Handelsstadt, während in Wien mit Joseph II. ein „Anhänger der strengsten wirtschaftlichen Abschließung“ den Kaiserthron hütete. – vgl. Csapodi, Csaba (1959), p. 322 34
vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 12
35
Wallisch, Friedrich (1956), pp. 33f.
15
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
englischen Herrschaft übte.
36
Diese Aufzeichnungen wurden zunächst ins Französische und
anschließend sehr frei ins Deutsche übersetzt, wodurch gewisse Fehler und Lücken Einzug in den Text gehalten haben mögen. Nichtsdestotrotz scheint das Werk geeignet, um den Menschen Bolts und dessen Weltanschauung kennenzulernen. Wir lernen ihn als fähigen Geschäftsmann mit ausgeprägtem Entdeckerdrang kennen, der sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst ist und so auch Kritik an Autoritäten nicht scheut. Es finden sich bereits Anzeichen von Überzeugungen, die zur späteren Okkupation der Delagoa-Bucht beigetragen haben könnten, wie der fast mythisch beschriebene Reichtum der ostafrikanischen Küste.
37
Bolts merkt zu
Beginn an, dass nur Manufakturen im Stande seien, ein Land zu „bereichern und zu bevölkern“ und die Schifffahrt einem Lande „mehr Macht als Reichtum“ brächte.38 Gegen Ende resümiert er dann fast zynisch: „Um ein weit entferntes Land in einer ruhigen Unterwerfung zu erhalten, mus der Sieger Gefühle der Menschenliebe und der Gerechtigkeit haben.“39 Die Unterdrückung einheimischer Bevölkerungen, deren Vereinbarkeit mit dem Moralverständnis des aufgeklärten Europäers konzipiert wird, zeugt von der Abwesenheit jedweder Selbstreflexion – die Kolonisation wird zum naturgegebenen Phänomen, zum inneren Zwang des Entdeckergeistes. Bereits im Jahre 1774 trat er an den habsburgischen kaiserlichen Gesandten in London Louis Charles Marie Graf Barbiano di Belgiojoso (1728 – 1801) mit der Bitte heran, eine durch das Hause Habsburg protegierte Unternehmung gen Indien beginnen zu dürfen. Der Fokus dieses Kommuniqués lag auf der ihm bekannten Malabar-Küste, wo die Abwesenheit englischer und holländischer Kaufmänner in einigen Gebieten hohe Profite versprach.40 Der bevollmächtigte Minister Belgiojoso zeigte sich begeistert von der Expertise des Weltreisenden und leitete dessen Schreiben sogleich an Staatskanzler Kaunitz-Rietberg weiter, welcher wiederum dem dafür zuständigen Hofkommerzienrat Kolowrat –Krakowsky 36
Langendorf, Jean-Jacques (1996), pp. 36f.
37
„Auf der östlichen Küste Afrika’s, die sich von dem Kap der guten Hoffnung bis zum rothen Meer erstrekt, findet man einige Häfen und unter anderem den von Sofala und Melinde. Es ist bekannt, daß das Land von Monomataa, welches an Soffala gränzt, sehr reich an Goldminen und Elephanten ist, und daß man hier einen sehr vorteilhaften Handel treiben könnte. Dies Land, welches dem Vorgebirge der guten Hoffnung gegen Osten ligt, ist mit unter den Ländern begriffen, worauf die Englische Kompagnie ein ausschliessendes Handlungsrecht hat. Ob sie gleich dies Land zu nichts nuzte, als auf ihren Reisen Wasser und Lebensmittel einzunehmen, so verbietet sie doch andern hier zu handlen; sie will nicht, daß jemand einen Handel treibt, der nicht für sie ist. Dieser Gegenstand verdient von der Englischen Regierung beherzigt zu werden.“ - Bolts, William [1772] (1780), p. 125 38
Bolts, William [1772] (1780), pp. 1f.
39
Bolts, William [1772] (1780), p. 360
40
Rechcron, Ritter Rechberger von (1882), p. 144
16
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berichtete. Beide sahen sie keinen Grund die Unternehmung abzulehnen, betonten aber zugleich, dass diese auf eigene Kosten und Gefahren hin durchzuführen sei. Am 27.12.1774 trägt der Staatskanzler schließlich das Projekt der Kaiserin Maria Theresia vor, die mit seinen Ausführungen bereitwillig übereinstimmt.
41
Freilich mussten diese Pläne zunächst im
Geheimen halten werden, wollte man doch keinen Zwist mit England riskieren. William Bolts kann allerdings erst im Jahre 1775 nach Wien reisen, da er sich in einem Rechtsstreit mit der englischen Ostindienkompanie befindet, den er verliert und der ihn finanziell ruiniert, wovon die österreichischen Verantwortlichen aber erst später erfahren sollen. Auf seiner Reise durch Europa gibt er sich als portugiesischer Kaufmann Lopez aus. Die Geheimhaltung ging sogar so weit, dass Maria Theresia in einem Schreiben an Diplomaten im Ausland etwaige Gerüchte über eine Kompanie als „geboren aus dem Müßiggang von Kaffeehauspolitikern und verbreitet von Journalisten – sogar hiesigen – […]“42 bezeichnete. Die Kaffeehauspolitiker und Journalisten sollten Recht behalten. In ersten Konferenzen im Mai des Jahres mit den Staatsräten Johann Karl KolowratKrakowsky, Friedrich Freiherr Binder von Krieglstein und Franz Anton Raab zu Ravenheim legt Bolts seine Absichten dar: von Triest aus soll ein Schiff mit erbländischen Waren nach Indien segeln, ein halbes Jahr später ein zweites. Es gelingt ihm, die Verantwortlichen zu überzeugen. Am 5. Juni 1775 erhält Bolts ein auf zehn Jahre begrenztes Oktroi. 43 Der vertraglichen Einigung muss die Sicherstellung der Finanzierung folgen. Der Staatsrat hatte eine Kaution gefordert, bevor er dem Unternehmen seinen Segen erteilte. Zu diesem Zwecke reist Bolts Ende 1775 nach Holland, wo ihn der dortige österreichische Minister Georg Adam von Starhemberg an den Bankier und Admiral der Schelde Karl Proli weiterleitet. Dieser erklärte sich zusammen mit seinen beiden Geschäftspartnern J.C.J. Borrekens und Dominik Nagels dazu bereit, eine Summe von 180.000 fl. beizusteuern, was exakt dem Warenwert pro Schiff entsprach. Die Antwerpener Gruppe war geboren und die finanziell prekäre Situation 41
Pollack, Parnau (1927), pp. 16f.
42
zit. nach Randa, Alexander (1966), pp. 73f.
43
Vorgeschlagene Exportwaren: vor allem Kupfer, Quecksilber, Eisen, Kanonen, Munition, Gewehre (evtl. auch Gewebe, Glaswaren, u.ä.); Vorgeschlagene Importwaren: Tee, Gewürze, Reis, Salpeter, Farbhölzer, Porzellane, Musseline – vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 20f. „C’est plutôt un contrat entre deux marchands, avec la difference que l’un des deux marchands étant souverain […]“ – Zinzendorf, Karl Graf von (1778), 8. Jänner 1778, p. 114 Wallisch irrt sich, wenn er schreibt, dass 1) Bolts in England geboren und 2) die Kompanie 1774 gegründet wurde. – vgl. Wallisch, Friedrich (1956), p. 33
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vorerst gesichert. Die Zahlung einer Kaution lehnte Proli jedoch ab.
44
Proli nahm dabei kein
geringes Risiko auf sich, war er doch von den Erfolgen des Engländers abhängig. Zudem stand die Unternehmung unter großem Zeitdruck. Obwohl man vertraglich zugesichert hatte, dass Triest der Stützpunkt der Kompanie werden sollte, entschieden sich die Verantwortlichen bereits in der Frühphase dazu, dass der Hafen Livorno im Gebiet des Großherzogs der Toskana Leopold I. (von 1790-1792 als Leopold II. Kaiser) größere Erfolgschancen versprach. Während die Antwerpener Gruppe die Geschicke der Kompanie in Europa leitete, sollten Bolts und sein Sozius Ryan aktiv an den Fahrten gen Indien teilnehmen.
4. Die Kompanie im Wellengang Das Schiff „Joseph und Theresia“ eröffnet am 26. September 1776 von Livorno aus den Reigen an Fahrten der Handelskompanie. Auf die anfängliche Phase der Reise des Schiffes bis zur Delagoa-Bucht wird später detaillierter eingegangen. Am 21. Juli 1777 verlässt es Ostafrika. Das Schiff – mit Bolts an Bord - erreicht am 6. September 1777 nach sechswöchiger Überfahrt die Koromandel-Küste, wobei Skorbut fünf Soldaten dahingerafft hatte. Niccoló Fontana berichtet, dass das geplante Ziel die Rhede von Surat war, welche damals größtenteils der englisch-ostindischen Handelskompanie unterworfen war. Die Engländer verweigern Bolts das Einlaufen in den bedeutenden Hafen. Das Schiff setzt die Reise daher nach dem Golf von Combay (auch: Khambhat) fort, wo sie sich vom 18. September 1777 bis zum 15. Jänner 1778 aufhalten. Am 20. Mai 1778 verlassen sie schließlich die Malabar-Küste, wobei sie noch Surat, Taman, Bombay, Goa, Mangalore und Balliapatam ansteuern. Mit der Genehmigung des im Krieg gegen England befindlichen Hyder-Ali, dem Herrscher von Myssore, errichtet Bolts in den drei Hafenorten Carwar, Mangalore und Balliapatam unbefestigte Faktoreien. Nach Zinzendorf plante er zudem eine Niederlassung am Ganges im Nordosten Indiens.
45
Die
neutrale österreichische Flagge beweist sich bei den Verhandlungen als äußerst nützlich. Später, im Jahre 1782, lässt Joseph II. dem Sultan edle Tücher der Brünner Tuchfabrik sowie Porzellan im Wert von 2170 fl. mit dem Schiffe „Graf Cobenzl“46 senden. Das Schiff war nach dem Vizestaatskanzler (ab 1792 Staatskanzler) Johann Philipp von Cobenzl benannt. Der
44
„Le chevalier du Borkens d’Anvers et le principal intéressé dans cette Compagnie des Indes de Toscane pour 7/9mes des fonds.“ - Zinzendorf, Karl Graf von (1778), 6. November 1778, p. 297 45
vgl. Zinzendorf, Karl Graf von (1779), 10. September 1779, p. 509
46
vgl. King, Robert J. (2011)
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Hofkriegsrat sträubt sich jedoch gegen den Vorschlag der Kompanie, auch Kanonen und Munition zu liefern. Man wollte die Engländer nicht unnötig provozieren.47 Während Bolts seine diplomatischen Beziehungen zum mächtigen Hyder-Ali auszuweiten versucht, schickt er das Schiff zu den Nikobarischen Inseln im Golf von Bengalen mit dem erklärten Ziel, sie in Besitz zu nehmen. Es gab nach Pollack-Parnau zwei gewichtige Argumente für die Expedition: die strategisch günstige Lage für den Handel nach Indien und China sowie fehlende Ansprüche anderer europäischer Mächte, die die schwierigen klimatischen Bedingungen scheuten.48 Allerdings schiffen sie zunächst vom 1. Juni 1778 bis zum 4. September 1778 die nördlichen Teile Sumatras entlang, so lange die Regenzeit in Bengalen und an der Küste von Malabar herrscht. Mittlerweile hatte Frankreich am 26. Juli 1778 ein Edikt erlassen, dass sie jedes Schiff mit einer Besatzung von mehr als 1/3 einer ihr feindlichen Macht als Beute betrachten. Als sie schließlich auf den Nikobaren ankommen, nehmen sie dort „mit Genehmigung der Eingeborenen“ die vier Inseln Mancaveri, Souri, Iricutte und Tatchiout im Namen Joseph II. in Besitz. Bolts selbst sollte die Kolonie nie zu Gesicht bekommen. 49 Die Kolonie auf den Nikobaren stand seit ihrer Errichtung unter schlechtem Vorzeichen. Schon die dänische Annexion vom 1. Jänner 1756 unter Federführung des Leutnants Tanck scheiterte kläglich an grassierenden Krankheiten und der Disziplinlosigkeit der fünfzig stationierten Soldaten. Die Kolonie wird 1772 aufgegeben, worauf eine kurze Missionierungsphase der in Tranquebar ansässigen Herrnhutterbrüder folgt. Es ist eine Laune der Geschichte, dass der Gründervater der Herrnhutter, Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der Onkel des späteren Gouverneurs von Triest Karl Graf von Zinzendorf war. Auch der österreichische Resident Gottfried von Stahl flieht bereits 1781/82 wieder und berichtet in Europa von den lebensfeindlichen Umständen auf den Inseln.50 Zuvor hatte er aus Verzweiflung bereits seinen Vertrauten Jakob Hegner nach Wien geschickt, um Unterstützung zu erhalten. Hegners Bericht 47
Rechcron, Josef Rechberger von (1882), p. 151
48
vgl. Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 40ff.
49
Fontana, Niccoló (1777), p. 14ff.
50
„The poetry was about as great a failure as the colony.” schrieb gar ein Zeitgenosse über die zur Feier der Errichtung komponierte dänische Hymne – vgl. Langendorf, Jean-Jacques (1996), p. 36 „The imperial Company, by the advice of Mr. Bolts, established a factory upon one of these Islands a few years ago, but no support was given to the first settlers, who being ill-supplied with every necessary for a hot climate and miserably lodged, mostly all perished, probably more from the above causes than from the badness of the climate.” – Captain Alexander Kyd zit. nach Temple, Sir R. C. (1917), p. 277
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– zitiert von Trupp – spricht Bände: Die Eingeborenen seien „wild, ohne Religion oder Götzendienst, ohne Gesetze, Obrigkeit, Polizey, Künste oder Wissenschaften“, zudem von „unnatürlichen Lüsten und dem Trunke“ eingenommen, „träge“, „feige“ und „verrätherisch“. Er bemängelt zudem, dass „man in Europa die Schwierigkeiten, die mit einem solchen Unternehmen verknüpft sind, wenig kennt, und daß man oft aus Mangel an gehöriger Vorsicht eine Menge Leute aufopfert, zuletzt die Sache als unmöglich aufgibt.“ 51 Der Bankier Proli schmiedet aus Misstrauen gegenüber Bolts derweil eigene Pläne. Im Februar 1779 verlässt das Schiff „Fürst Kaunitz“ ohne Zustimmung des Teilhabers Bolts den Hafen in Cadix mit dem Ziel Kanton. Die Verantwortlichen hatten sich bereits von Triest abgewendet, was dem Kaiserhaus nur missfallen konnte. Auch Bolts hatte in Indien ein bedeutend kleineres Schiff namens „Fürst Kaunitz“ nach Europa entsandt. Der doppelte „Fürst Kaunitz“ sorgt in den folgenden Jahren für einige Verwirrung bei den Zeitgenossen. Proli, Borrekens und Nagels hatten bereits 1779 erneut um die Erlaubnis ersucht, auf ihre Rechnung hin zwei Schiffe ausrüsten zu dürfen, um diese im Frühjahr 1780 von Triest und Livorno aus nach China zu senden. Dies sollte zum einen den Glauben in die Beständigkeit der Kompanie festigen, als auch den Fokus auf Kanton lenken, wo man sich hohe Profite versprach. Zu diesen Zwecken suchten Karl Proli und sein Neffe Pierre Proli verstärkt die Gesellschaft von Gouverneur Zinzendorf, der davon in seinen Tagebüchern berichtet.52 Im Jahre 1780 tritt Österreich der bewaffneten Seeneutralität bei, wodurch Unternehmer ein in Triest ausgestelltes Dokument benötigen, welches bestätigt, „dass kein Unterthan der kriegsführenden Mächte“ als Teilhaber fungiert. Maria Theresia überschätzt in den Augen Rechcrons das Potenzial der Kompanie, die sie als Mittel zur Förderung des Littorales betrachtet. Der von Kaunitz gegründete Staatsrat sieht keinen Grund, die Privatinteressen der Financiers und Handelsreisenden einzuschränken. 53 Bolts reist am 6. April 1780 aus Indien ab. Zuvor hatte ihm der Gouverneur von Tranquebar einen feierlichen Protest gegen die Besitznahme der Nikobaren überreicht. Auf der Rückfahrt der „Joseph und Theresia“ nach Europa zählt die Besatzung 165 Mann. Es sind auch Passagiere an Bord. Es stirbt in dieser Zeit einer der Matrosen aus Livorno, als ein Tau reißt und er mit
51
Jakob Hegner zit. nach Trupp, Friedrich (1977), p. 13
52
vgl. Zinzendorf, Karl Graf von (1780), 2. – 5. Februar 1780, p. 592ff.
53
Rechcron, Rechberger Ritter von (1882), p. 144f.
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
dem Kopf auf das Deck stürzt. Die Überfahrt zieht sich über 13 Monate hin, wobei 8 Monate auf See verbracht werden. Die gesamte Reise dauerte somit 4 Jahre, 7 Monate und 10 Tage.54 Kaiser Joseph II. tritt im Jahr 1781 eine Reise nach Ostende an. Neben Karl Proli trifft er dort auf den im Sklavenhandel tätigen Transit- und Transportunternehmer Friedrich von Romberg, der ihm „mit Stolz die lange Liste von 94 Schiffen“55 zeigt. Die Episode fällt in die Zeit, zu der die Befreiungskriege in Nordamerika toben und nach Rechcron der Kampf um den großen Welthandel das größte Ziel der Staatengemeinschaft war. Nur risikobereite Akteure konnten dabei reüssieren. 56 Zahlreiche Quellen sprechen von folgenden Ostindienfahrern der Kompanie im Jahre 1783: „Joseph und Theresia“, der „große Kaunitz“, der „kleine Kaunitz“, „Kolowrath“, „Baron Binder“, „Graf Belgiojoso“, „Erzherzog Maximilian“, „Stadt Wien“, „der Ungar“, „der Kroat“ und „Graf Neni“. Erstaunlicherweise vertrauen sowohl Josef Rechberger Ritter von Rechcron, Bernhard Struck, Adolf Beer und Anton Johann Gross-Hoffinger auf Schweighofer, der zwölf Schiffe zählt. Tatsächlich sind es aber nur elf – man hat die „Joseph und Theresia“ fälschlicherweise als „Joseph“ und „Theresia“ gelesen und als zwei Schiffe gewertet, was umso mehr verwundert, da die Schiffe namentlich erwähnt wurden und den Autoren dieses Detail bewusst gewesen sein musste. 57 Nicht inbegriffen in diese Liste sind zudem die beiden Schiffe „Les deux Soeures et deux Frères“, um die Proli 1781 um Flaggenpatente ansucht, sowie der „Graf Cobenzl“ und der „Prinz Ferdinand“. Im Jahre 1783 soll darüber hinaus das Schiff „La Capricciosa“ nach Amerika segeln. Die Namensgebung diente vor allem dem Zweck, Vertrauen bei Investoren zu erwecken. Der offizielle Charakter der Kompanie sollte hervorgehoben werden. Außerdem konnten sich die österreichischen Mächtigen, deren Namen nun auf Schiffen in fernen Weltmeeren prangten, geehrt und geschmeichelt fühlen. Um den Anschein einer unmittelbaren Beteiligung des Habsburgischen Kaiserhauses zu wahren, sollten zudem die Kapitäne zu österreichischen Offizieren ernannt werden. Joseph II. ziemte sich allerdings gegen
54
vgl. Fontana, Niccoló (1777), p. 29f.
55
Weber, Klaus (2004), p. 195
56
vgl. Rechcron, Rechberger Ritter von (1882), p. 142f.
“On sait que Bolts est arrive heureusement à la côte de Coromandel.” - Zinzendorf, Karl Graf von (1777), 4. Oktober 1777, p. 48 57
vgl. Schweighofer, Johann Michael (1783), p. 78; vgl. Gross-Hoffinger, Anton Johann (1837), p. 581; vgl. Rechcron, Rechberger Ritter von (1882), p. 147
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eine leichtfertige Vergabe dieser Titel, was mehr als einmal die Überzeugungskünste des Staatskanzlers auf den Plan rief. Als sich Bolts im Herbst 1782 für zahlungsunfähig erklärte, begann man in Wien zunehmend misstrauisch zu werden. Die Krise innerhalb der Kompanie spitzte sich zu. Das konkurrierende Führungsduo Bolts und Proli konnte zu keiner Stabilisierung beitragen. Auch Joseph II entging nicht, dass sich die beiden so unterschiedlichen Charaktere Bolts und Proli gegenseitig die Verantwortung für ausbleibende Erfolgsnachrichten zuschoben.58 Kurz vor Ende des Oktrois spitze sich die Lage zusehends zu. Die zahlungsunfähige Kompanie musste Anfang des Jahres 1785 einen Verlust von 3-4 Millionen Gulden verkünden. Das einst so mächtige Bankhaus Proli war ruiniert. Karl Proli selbst, vor den Trümmern seines Lebenswerkes stehend, beging daraufhin Selbstmord. Bolts hingegen wendet sich bereits kurz nach dem Zusammenbruch der Kompanie neuen Zielen zu. Er träumt von Amerika, aber der Handel nach Ostindien bleibt weiter sein natürliches Betätigungsfeld. Zu diesem Zweck bittet er um die Unterstützung des französischen Königs Louis XVI. ehe er am 3. Oktober 1786 nach Stockholm reist, um am dortigen Königshaus seine Pläne vorzutragen. 59 Die Gründe für den Zusammenbruch der Kompanie werden in Kapitel VI näher erläutert. Zunächst beschäftigen wir uns mit der Kolonie in der Delagoa-Bucht.
V. Die Kolonie in der ostafrikanischen Delagoa-Bucht
1. Geographische Lage und natürliche Begebenheit der Bucht Die Delagoa-Bucht grenzt mit einer Lage von 25° 59‘ südlicher Breite, 32° 42‘ östlicher Länge an den südlichen Wendekreis und befindet sich in den wechselfeuchten Subtropen. In der Regenzeit von Oktober bis März fallen ca. 80% der Niederschläge des Jahres. Dies ist zugleich die Zeit des Sommers, wo die Temperaturen ihre Höchstwerte erreichen. Der Süden des heutigen Mozambiks ist zudem größeren Temperatur- und Niederschlagsschwankungen unterworfen als der Norden. Trotz wasserreicher Flüsse wie des nördlich gelegenen Limpopo war die Küste südlich des Flusses Sabi mit ihren flachen, sandigen Ufern und der von den Monsunen des Indischen
58
„Joseph an Kaunitz. Bruxelles, le 27 Juillet 1781. […] Les deux personnes [Anm.: Bolts & Proli], qui paroissent si éloigné l’une de l’autre, s’étant trouvés mutuellement des torts, […]“ – Beer, Adolf (1891), p. 98f. 59
vgl. Furber, Holden (1997), p. 8
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Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Ozeans gepeinigten Landschaft nie besonders geeignet für Schifffahrer, die nach natürlichen Häfen suchten. Das Regenwasser des Lebombo Gebirges (höchster Gipfel: Mount Mananga mit 776m) ließ acht befahrbare Flüsse60 entstehen, die alle in der Delagoa-Bucht enden. Die herausragende Stellung der Bucht, in der alljährlich auch gebärende Wale zu finden sind, zog über die Jahre nicht nur Fischer, Händler und Siedler an. Auch Kolonialmächte streckten die Hand nach einer Bucht aus, die als Schlüssel zum strategisch wichtigen Südafrika gelten konnte. 61
2. Afrikanische und europäische Herrschaftsperioden
Die strategische Lage der Bucht und die Mythen vom goldreichen Hinterland weckten im Laufe der Jahrhunderte die Begierde verschiedener Mächte. Das Gebiet südlich des Flusses Sabi bis hin zur Delagoa-Bucht wurde durch ethnische Gruppen der südöstlichen Bantu dominiert, die kulturell mit den Nguni und den Xhosa verwandt sind. Die patriarchalische Gesellschaft betrieb im Umkreis der Bucht vor allem Viehzucht, was eine dichtere Bevölkerung ermöglichte und das Entstehen stabiler Stammesfürstentümer begünstigte. Bis in das 16. Jahrhundert hinein blieb die Bedeutung der Bucht als Handelsplatz jedoch gering.62 Erst mit der portugiesischen Herrschaft (1544-1690) sollte sich dies ändern. Der Seefahrer Lourenço Marques (nach dem die Bucht bis ins 20. Jahrhundert benannt war) erkannte als einer der ersten das Potential der Region. Im Jahre 1560 traf zudem die erste jesuitische Mission in Ostafrika unter Goncalo da Silveira in Inhambane (ca. 300km nördlich der Bucht) ein. Afrikanische und europäische Kulturen begannen zu verschmelzen. Die ersten Eingeborenen, auf die die Portugiesen im Küstengebiet südlich des Flusses Zambesi trafen, nannten sie Tonga. In der Bucht spürte man aber auch die Einflüsse der Munhumatapa-Kultur (auch: Karanga). Die Tonga wurden mit dem 16. Jahrhundert von anderen ethnischen Gruppen überlagert, die die Portugiesen Tsonga (auch: Thonga) nannten, und welche oft sehr unterschiedliche Dialekte sprachen. Die Tsonga errichteten aber nie ein zentralistisches Reich, das mit dem der Munhumatapa vergleichbar gewesen wäre.
60
Darunter vier Hauptflüsse nach Newitt. – vgl. Newitt, Malyn (1995), p. 153. Die Anzahl und Bezeichnung der Flüsse variieren stark. Zum Vergleich: Rose Monteiro spricht von fünf Flüssen (Uncomata bzw. Manissa bzw. St. George’s River; Matollo; Umvoloos; Tembe; Usutu bzw. Maputa) – Monteiro, Rose (1891), p. 5f. Niccoló Fontana spricht hingegen von nur drei Flüssen. – Fontana, Niccoló (1777), p. 8 61
vgl. Jessett, Montague George (1891), p. 12; vgl. Newitt, Malyn (1995), p. 147f.
62
Die Delagoa-Bucht taucht erstmals 1502 auf der Cantino-Planisphäre auf. – Newitt (1995), p. 152
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Die Portugiesen stießen zudem auf zahlreiche Anzeichen früherer arabischer Handelseinflüsse, wie der Existenz eines Scheichs. Später sollte auch Bolts diese Erfahrung machen, als die Eingeborenen seine Verträge mit arabischen Schriftzeichen signieren. Die portugiesische Ankunft in Ostafrika revolutionierte den Handel in der Delagoa-Bucht zwar nicht vollständig, fügte jedoch neue, bedeutende Komponenten hinzu – darunter besonders den Handel mit Elfenbein. Die Portugiesen nützten ihre königliche Faktorei auf Mosambik, um zu viermonatigen Handelsreisen nach der Bucht aufzubrechen, wobei sie auf den befahrbaren Flüssen ins Hinterland gelangten und mit den verschiedenen Tsonga-Fürsten Handel betrieben, ohne dabei eine feste Siedlung zu errichten. Die Tsonga mussten zudem ihre Kultur öffnen, um in diplomatische Beziehungen mit den Portugiesen treten zu können. 63 Die beiden großen Stammesfürstentümer Inhaca und Tembe befanden sich in steter Konkurrenz, begründete sich ihre Macht doch stark auf dem Handel mit den Portugiesen, die Perlen, Kleidung und Eisenwaren importierten. Obwohl die Tsonga-Reiche einen gewissen Grad an Zentralität erreichen konnten, verhinderten interne Konflikte zwischen Erblinien die Entstehung langfristiger Institutionen. Das schwindende Interesse der Portugiesen am Elfenbein gegen Ende des 17. Jahrhunderts, die zunehmende Konkurrenz durch Niederländer und Engländer und die Expansion der Tsonga gen Norden führten zu einer Abnahme des Handels in der Delagoa-Bucht. Im Jahre 1721 beschloss die niederländische Ostindienkompanie (VOC) die Anlage einer Faktorei am Nordufer der Bucht, die sich in der Anfangszeit sowohl Krankheiten als auch englischen Piraten ausgesetzt sah und bereits im Dezember 1730 scheiterte. Dabei war die Delagoa-Bucht mit ihren tiefen Wassern und dem fruchtbaren Hinterland der ideale Ort für eine europäische Kolonie. Allerdings war das Gebiet auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts infrastrukturell und wirtschaftlich kaum entwickelt, was das Reüssieren einer Handelsfaktorei beträchtlich erschwerte. Im Gegenteil: Die Faktorei mit ihrer steten Nachfrage nach Elfenbein dürfte die lokalen Kapazitäten überstrapaziert haben. Selbiges galt für Sklaven64, Kupfer und Gold. In diese Periode nachlassender europäischer Bemühungen fiel das Tembe-Reich von Mangobe, der nach einer siegreichen Fehde in den 1730ern ein großes Gebiet für sich erobern konnte,
63
vgl. Newitt, Malyn (1995), pp. 147-153
64
Vor dem Jahre 1823 wurden jedoch trotz widersprüchlicher Behauptungen kaum Sklaven aus der DelagoaBucht geschifft. - vgl. Thompson, Leonard (2000), p. 84
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welches bis zu seinem Tod im Jahre 1765 bestand hatte. Seine Linie gilt als Namensgeber des heutigen Maputo. Ostafrika erreichte bereits im Jahre 1752 die Unabhängigkeit von Goa. Nach der Unabhängigkeit waren in den Jahren 1755, 1756, 1763, 1765 und danach öfter unter Pereira do Lago von Mozambique aus portugiesische Handelsfahrten nach der Bucht unternommen worden.65 Dieser reduzierte 1767 den Zoll für die von der Insel Mosambique nach der Bucht exportierten Güter, um Versuchen der Engländer und Holländer dort Fuß zu fassen, zuvorzukommen. 66 Zudem trafen seit den 1750ern auch englische Schiffe unter der Federführung des Kaufmanns Edward Chandler aus den indischen Faktoreien ein. Ein holländisches Schiff, das 1757 in der Bucht Leck gelaufen war, fand aber ebenso wenig wie später William Bolts eine portugiesische Siedlung vor, obwohl eine solche zwei Jahre zuvor am Südufer der Bucht errichtet worden war. 67
3. Die Reise des Schiffes „Joseph und Theresia“
Ende Februar 1776 ist das in London angekaufte, unter englischer Flagge segelnde und 32 Geschütze führende Schiff „Earl of Lincoln“68 segelfertig und begibt sich am 14. März 1776 unter strengster Geheimhaltung nach Livorno. Die privaten Entscheidungsträger hatten dem für sie unrentabel gelegenen Triest den Rücken gekehrt und Livorno als Hauptstützpunkt des Unternehmens erkürt. Die englische Schiffsmannschaft war über das Ziel ihrer Reise hinweggetäuscht worden. Bei einer Zwischenstation in Lissabon meuterte sie unter Führung des Offiziers Butler – einem Verwandten von Bolts. Portugal und England hegten zu dieser Zeit enge Beziehungen, weshalb sich Bolts am 29. März im Hafen von Lissabon dazu gezwungen sieht, die österreichische Flagge zu hissen und sich unter österreichischem Schutz zu begeben. Dass dies schlussendlich tatsächlich gelingt, ist zum einen dem Verhandlungsgeschick des österreichischen Gesandten in Portugal Adam von Lebzeltern zu verdanken, zum anderen aber auch dem völligen Desinteresse der englischen Regierung, die das österreichische Unternehmen 65
vgl. Hoppe, Fritz (1965), pp. 42, 324
66
vgl. Hoppe, Fritz (1965), p 132
67
vgl. Struck, Bernhard (1927), p. 191
68
Proli, Borrekens und Nagels stellten 900.000 Gulden zur Verfügung. Die „Earl of Lincoln“ kostete 28.000 Pfund. – vgl. Langendorf, Jean-Jacques (1996), p. 38
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als unbedeutend einstuft. Staatskanzler Kaunitz bringt das englische Verhalten zur Rage; er sieht sich in seinem Stolz verletzt. Bereits auf See war die „Earl of Lincoln“ in „Joseph und Theresia“ 69 umbenannt worden. Für die Fahrt des kaiserlichen Schiffes nach Ostafrika und Indien hatte der österreichische Forschungspionier Nikolaus Josef Jacquin (1727-1817) ein Programm entworfen, das jedoch nicht zur Anwendung kam. Jacquin, dessen Entsendung in die Neue Welt 1755 durch die Kaiserin als Beginn der österreichischen Forschungsreisen gilt, war nichtdestotrotz „für das wissenschaftliche Leben Österreichs“ und wohl auch für die Expansionsbestrebungen „eine mächtige Triebfeder“.70 Am 24. September 1776 verlässt das Schiff mit 155 Mann (größtenteils Italiener)71 den Hafen von Livorno in Begleitung der Fregatte „Toskana d’Etruria“, welche sich in der Meerenge von Gibraltar trennt. Die folgenden Ereignisse konnten durch das von Joseph Eyerel aus dem italienischen übersetzte Tagebuch des Schiffswundarztes Niccoló (eingedeutscht: Nikolaus) Fontana rekonstruiert werden. Dieser hatte seine Aufzeichnungen später dem Leibwundarzt des Kaisers Herrn Brambilla überlassen. Die Reise führt das Schiff zuerst nach Madeira, wo man am 24. Oktober in der Funchal-Bay eintrifft. Dort soll Wein geladen werden, was der portugiesische Gouverneur (wohl auf Weisung Englands hin) verhindert. Heftige Winde veranlassen die Mannschaft dazu, bereits am 29. Oktober wieder Segel zu setzen und am 1. November 1776 verlassen sie Madeira mit dem Ziel Heilige Dreifaltigkeitsinsel. Allerdings treiben heftige Seeströme das Schiff vom eigentlichen Kurs ab und man landet an Weihnachten 1776 in Rio de Janeiro.72 Am 2. Jänner 1777 setzt man die Fahrt mit Ziel Kap der Guten
69
Wie bereits gezeigt, missverstanden zahlreiche Autoren die Taufe. Im Übrigen herrscht weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in der zeitgenössischen Rezeption Einheitlichkeit hinsichtlich der Schiffskatalogisierung vor. So bemerkt die Wiener Zeitung erst am 14. Juni 1783, dass sie in allen vorherigen Artikeln den „Kleinen“ mit dem „Großen“ Fürst Kaunitz verwechselt hat, und dies auch nur, da der „Große“ Fürst Kaunitz am 20. April an einer Klippe der Azoreninsel Corvo zerschellt war. 70
Hassinger, Hugo (1950), p. 125
71
Den Wert des Schiffes beziffert Pollack-Parnau mit 72.000 Pfund (1/2 Mio. Gulden), wovon 4/5 versichert waren. - Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 35 Unter der Besatzung befanden sich auch 20 Soldaten. Sokol spricht fälschlicherweise von 25 Soldaten. – vgl. Sokol, Anthony E. (1972), p. 14 72
Rechcron führt dies auf den „vorzüglichen maritimen Instinkt“ eines Bolts zurück und bemerkt: „Heute noch führt der Weg von Gibraltar nach dem Cap der guten Hoffnung knapp an Südamerika vorbei.“ – vgl. Rechcron, Josef Rechberger von (1882), p. 149
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Hoffnung fort, am 2. Februar erreicht man die Inseln Tristan und d’Aucugna und am 15. März das Capo corrente. Von da entlang segelt man die ostafrikanische Küste gen Norden bis man am 25. März in der Delagoa-Bucht eintrifft, wo man auf eine Sandbank aufläuft und so zu einem längeren Aufenthalt gezwungen wird. Eine Karte, die Bolts bei seinem Aufenthalt in der Bucht mithilfe eines Sextanten und eines Kompasses erstellte, findet sich im Anhang. Bereits seit Anfang März grassiert Skorbut und seit Anfang April leiden fast zwei Drittel der Mannschaft an epidemischem Faulfieber, wofür Fontana die „Unbeständigkeit der Jahreszeit“ sowie die „anerkannte Ungesundheit der Atmosphäre“ verantwortlich macht, eine Erklärung wie man sie später auch bei auf den nikobarischen Inseln ausbrechenden Krankheiten gebraucht. 73 Der Arzt beschreibt Delagoa als zwischen Natal und Soffala gelegene Bucht gegenüber der Bucht mit dem Namen „Laurent de Marquez“. Drei Flüsse fließen in den indischen Ozean, wobei der mittlere – Mafumo (auch: Heiliger Geist Fluss, Mahumo, Mafoumo, Mahuma, Mapute) – nur für Schiffe mit hohem Bord geeignet sei. Auch die eingeborenen „Wilden mit Mißwachs“ können keine frischen Lebensmittel liefern.
74
Allerdings ist Bolts gewillt, den Radschas
Gebiete abzukaufen. So entstehen am 3. Mai Verträge mit Mohaar Capell Rajah und am 7. Mai mit Chibanzaan Matola und Bilene Mafumo über den Erwerb von Besitzungen eines Gebietes namens Tembe westlich des Mafumo-Flusses.75 Fraglich bleibt, inwiefern diese Abkommen tatsächlich auf Freiwilligkeit beruhten. Indes kommt es zu einer Auseinandersetzung mit den Briten John Cahill und John McKeney, den Kapitänen zweier Ketschen aus Bombay, die William Bolts detailliert in einem späteren Brief an den britischen Gouverneur von Bombay Hornby beschreibt. John Cahill suchte der österreichischen Besitznahme durch die Errichtung eines Hüttenfundaments und eines Flaggenmasts entgegenzuwirken, welche sich nur neun Meter vom österreichischen Flaggenmast entfernt befand. Bolts sieht sich nach eigenen Angaben dazu veranlasst, zuerst förmlich zu protestieren und später den Antizipationsversuch durch Niederreißen der Bauten aus Straucherbsenholz zu unterbinden. Die Engländer – vor
73
Fontana, Niccoló [1777] (1982), pp. 7-11.
74
“[…] so lang das dichte Gesträuche, womit die Ufer dieses Flusses bewachsen sind, nicht ausgehauen wird, die Luft den Einwohnern allzeit schädlich bleiben muss […]” - Fontana, Niccoló [1777] (1982), p. 12 Interessanterweise bezeichnet 1858 der britische Konsul McLead die Siedlung fast wortgleich als „protected from any breeze of fresh air from the river“ – McLead zit. nach Bixler, Raymond W. (1934), p. 425 75
Trupp nennt das Schiff “Joseph und Maria” und die errichteten Forts “St. Josef“ und „St. Maria“ - anstatt „Joseph und Theresia“ und „St. Josef“ und „St. Theresa“ - Trupp, Friedrich (1977), p. 11
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allem auch die Verantwortlichen in Indien – wollen die österreichischen Bestrebungen von nun an im Keim ersticken.
76
Die „Joseph und Theresia“ setzt ihre Fahrt am 21. Juli fort. William Bolts hinterlässt den Deutschen Andreas Daniel Pollet als Hauptmann der Kolonie sowie zehn Mann und ein paar Kanonen – die erste Niederlassung von Österreichern auf afrikanischem Boden steht in ihren Anfängen begriffen, während Bolts wie bereits oben ausgeführt am 6. September Surat, den bedeutendsten Hafen der indischen Westküste nördlich von Bombay, erreicht. Die Kolonisten in der Delagoa-Bucht hingegen errichten aufgrund der schwierigen Bedingungen auf dem Festland ihre Wohnungen auf der strategisch nützlichen Inhaca-Insel (auch: Iniaca) nahe der Mündung des Mafumo-Flusses.77 Das Faulfieber tritt auch noch lange nach der Landung auf. Die Kaiserin sorgt sich derweil um die Kosten der Bolt‘schen Expedition. Ihre Befürchtungen hingegen fokussieren sich nicht zu Unrecht auf die Aufteilung des Osmanischen Reiches.78
4. Die Kolonie auf der Suche nach ihrer Bestimmung
Die für Österreich besetzte Bucht sollte vor allem gegenüber Ansprüchen anderer europäischer Mächte verteidigt werden – so wurde Ende 1777 ein englisches Schiff mit Gewalt zur Anerkennung der österreichischen Siedlung gezwungen. Die von Bolts erdachten Pläne über die Zukunft der Bucht waren allerdings allzu utopisch. 79
Die strategisch günstige Position als Handelsfaktorei war sicherlich gegeben, lag die Bucht
76
Hallward, Leslie Norman (1920), p. 175f.
77
Bereits die Portugiesen hatten, um der Errichtung einer festen Siedlung auf dem Festland zu entgehen, die eine aufwendige politische Beziehung mit den zahlreichen Tsonga-Herrschern nötig gemacht hätte, auf Inhaca und den Xefina-Inseln im Norden zeitlich begrenzte Camps errichtet. Auf diese Weise konnten sie die einzelnen Fürsten gegeneinander ausspielen, die stetig um die Gunst der Portugiesen konkurrieren mussten. – vgl. Newitt, Malyn (1995), p. 153 78
Maria Theresia an Mercy-Argenteau. Schönbrunn. 31. Juli 1777: „Pour le commerce sur la mer Noire, je me doute fort que jamais nous pourrions le soutenir vis-à-vis des Francais, Anglais et même Russes. Apparemment tout finira au bout du compte par la perte des frais, comme il arrivera encore avec l’expédition de Bolts. Mais le partage de l’empire turc serait de toutes les entreprises la plus hasardeuse et la plus dangereuse, par les suites qu’il y en aurait à craindre.” - Arneth, Alfred Ritter von (1874), p. 98ff. 79
„Es sollen ca. 200 Kolonisten (keine Sträflinge!) nach der Delagoa-Bay gesandt werden. Darunter 50 Soldaten verschiedenster Distinktion, 20 „matelots pecheurs“, Schneider, Müller, Bauarbeiter, Zimmerleute, ein Arzt, je ein katholischer und protestantischer Geistlicher. Die Verwaltung hätte ein Gouverneur zu besorgen, dem drei Räte und einige Schreiber zur Seite stehen würden.“ – Staatsratsprotokoll vom 12. Juni 1780, zit. nach PollackParnau, Franz von (1927)
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doch sowohl in Reichweite des Kaps der Guten Hoffnung als auch Madagaskars und der östlich gelegenen maskarenischen Inseln Isle de France (heutiges Mauritius) und La Réunion. Auch der große europäische Transithandel nach Indien passierte die Straße von Mosambik, zumal der Weg über das rote Meer bis dato nur in verwegenen Plänen mancher Kaufleute existierte. Auch an Bolts war solch ein Vorhaben herangetragen worden, wie Zinzendorf berichtet.80 Die Idee, ergiebigen Plantagenbau einzuführen, war allerdings mit dem vorhandenen Personal und Material nicht durchführbar, auch wenn vereinzelt Gärten angelegt wurden.81 Zudem war die zwölf Mann starke Besatzung des Schiffes „Prinz Ferdinand“ von den Eingeborenen im Streit erschlagen worden. Je weiter man in das Hinterland vordringen wollte, desto schwieriger wurde es, Freund und Feind zu unterscheiden.
82
Die Portugiesen forderten
mittlerweile immer vehementer die Durchsetzung ihres historischen Anspruches, was den Vizekönig von Goa dazu veranlasste, ein Schiff zur Vertreibung der österreichischen Okkupanten auszusenden. Laut Struck war dies der psychologische Wendepunkt im Denken der habsburgischen Herrscher, die der Kolonie die staatliche Raison absprechen, sie von nun an als Privatangelegenheit betrachten und so ihrem Schicksal überlassen. 83
5. Niedergang der Kolonie und Zerfall der Kompanie
Über die genauen Ursachen des Niedergangs der Kolonie und des Zusammenbruchs der Kompanie herrschen durchaus unterschiedliche Ansichten vor. Während Jakob Löwenthal beim Zwist innerhalb der Kompanie Partei des „genialen und unternehmenden“84 Bolts ergreift, und die Aufgabe der indischen Faktoreien und die gleichzeitige Hinwendung gen China als fatalen Schlüsselmoment betrachtet, kommen Autoren wie Josef Ritter Rechberger von Rechcron zu einer radikaleren Schlussfolgerung. Zum einen sei der Gedanke, dass sich die 80
„Belleti me porta un mémoire qui tend à proposer au Sr Bolts de faire échelé à Suez dans la mer Rouge, à l’instar des Anglois, Carlo Rossetti lui ayant cet agrément.“ - Zinzendorf, Karl Graf von (1778), 1. November 1778, p. 294 81
Zu den angebauten Pflanzenarten zählten „Indigo, Kaffee, Pfeffer, Weizen, Gewürze, Seide, Opium, Maulbeeren, Kokospalmen, Orangen, Wein, Bambus und verschiedene Obstsorten“ - Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 38f. 82
Ein Beispiel hierfür liefert die Geschichte des britischen Entdeckers Dr. Andrew Cowan, der im Jahre 1808 den Landweg vom Kap der Guten Hoffnung bis zur Delagoa-Bucht erkunden will, dort aber nie ankommt. - vgl. Crampton, Hazel (2012) 83
Struck, Bernhard (1927), p. 191
84
Löwenthal, Jakob (1857). S. 201
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Monarchen Maria Theresia oder Joseph II je mit Kolonialplänen beschäftigt hätten, nichts als ein „Mythos“, eine „utopische Träumerei“.85 Zweitens sei der Untergang der Kompanie – und somit auch der Kolonien – bereits im Entstehen eingeschrieben gewesen, da aufgrund mangelnder erbländischer Expertise ausländische Kaufmänner und Seefahrer die Basis der Unternehmungen bildeten, welche auf reinem Eigeninteresse und nicht auf österreichischpatriotischen Gedanken beruhten.86 Eine Erklärung wie sie übrigens schon mehr als ein Jahrhundert vor Bestehen der Kompanie durch den Merkantilisten Hörnigk aufgebracht wurde, welcher ausländischen Kaufleuten vorhielt, sich „wenig um das Wohl und Wehe des lieben Vaterlandes“87 zu kümmern. Auch die Konzeption der Kompanie, aufgrund Unkenntnis der fremden Absatzmärkte lediglich Bares abzusetzen und über die Rückfracht Gewinne zu erwirtschaften, widerstrebte dem kameralistischen Denken zutiefst. 88 Bernhard Struck sieht weniger interne, als vielmehr externe Faktoren für den Niedergang verantwortlich und betrachtet das Ende des amerikanischen Befreiungskrieges als Todesstoß für die Kompanie. Schon Pollack-Parnau wies auf den einschneidenden Frieden von Paris vom 3. September 1783 hin, welcher den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg beendete und die wirtschaftlichen Fesseln der drei Handelsmächte England, Frankreich und Holland schlagartig löste.89 Auch die wachsenden portugiesischen Ansprüche dürften den Zerfall beschleunigt haben. William Bolts verarbeitete die Zeit unter österreichischer Flagge in seinen Recueil de pièces authentiques, relatives aux affaires de la ci-devant Société impériale asiatique de
85
Rechcron, Josef Ritter Rechberger von (1882). S. 147, 149 „Was nun die von der österreichischen Regierung angestrebten Versuche, überseeische Kolonien zu gründen, betrifft, so gehören dieselben völlig in das Reich der Fabel […]“ Dafür spricht, dass andere politisch brisante Begebenheiten die volle Aufmerksamkeit des Kaisers beanspruchten – darunter vor allem der Antagonismus mit Preußenkönig Friedrich II. So schreibt Joseph II. am 14. März 1778 bezüglich des Bayerischen Erbfolgekrieges: „Es handelt sich um nichts Geringeres als um den Verlust unseres Hauses und Reiches und sogar um einen gäntzlichen Umsturz in Europa. Kein Opfer ist zu groß, um dieses Unheil noch rechtzeitig zu verhüten.“ – Berglar, Peter (1892), p. 118 86
Rechcron, Josef Ritter Rechberger von (1882). pp. 154f.
87
“[Der] Kaufleute Finesse ist unendlich, fürnehmlich deren, die in fremden Gras weiden.“ - Hörnigk, Philipp Wilhelm (1648), pp. 56, 68: 88
Hörnigk stellte 9 Regeln des Handels auf. Regel Nr. 4: „Gold und Silber in keinerlei Weis noch Wege wieder hinaus zu vertragen.“ - Hörnigk, Philipp Wilhelm (1648), p. 70 89
Pollack-Parnau, Franz von (1927), p. 91
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Trieste, gérées à Anvers. Dort beklagt er sich vor allem über die seiner Ansicht nach unrechtmäßigen Eingriffe der Franzosen und Portugiesen. 90 Die Wahrheit liegt wohl in der Schnittmenge der verschiedenen Erklärungen. Struck ergriff eine weniger extreme Position als Rechcron, indem er einen Gesinnungswandel der Habsburgermonarchie zu erkennen glaubte, welche zunächst der Errichtung von Kolonien nicht abgeneigt war, sich aber nach zahlreichen Enttäuschungen und wachsenden Ansprüchen anderer europäischer Mächte dazu gezwungen sah, die Handelskompanie als private Unternehmung zu bezeichnen und somit deren Untergang zu besiegeln. Die „Delagoa- und Nikobarenepisode“ sei somit nichts weiter gewesen als eine „Liebhaberei Maria Theresias“.91 Trupp weist zudem auf die für das Scheitern der Unternehmung mitverantwortliche mangelnde Kommunikation zwischen den Lenkern der Gesellschaft und der österreichischen Regierung hin.92 Der Zusammenbruch der österreichischen Kolonien im Laufe des Jahres 1781, die missliche Lage der Faktoreien sowie die Zahlungsschwierigkeiten des entmachtenden Bolts‘ hatten nur wenig Einfluss auf die Geschäftsführung der am 27. August 1781 gegründeten Aktiengesellschaft. Allerdings häuften sich in dieser Zeit die Unglücksfälle – 1781 wurde die „Grand Duc“ von französischen Seefahrern gekapert, 1783 sinkt der „Große Kaunitz“ bei den Azoren und auch der „Graf Belgiojoso“ erleidet Schiffbruch. Rechcrons Beurteilung der Beziehung zwischen Monarchie und Kompanie scheint überzogen, zumal neben einem großen Teil der Öffentlichkeit auch zahlreiche Staatsmänner und der Kaiser sofort nach dem Zusammenbruch der Kompanie an die Errichtung einer neuen dachten und sich keineswegs vom Ostasienhandel abwendeten.93 Joseph II hatte zwar schon zu Beginn Bedenken über die verworrenen Pläne eines Bolts und eines Proli. Zu Beginn des Jahres 1785 kommt er zu dem Schluss, die Unterstützung der Kompanie endgültig aufzugeben.94 90
„Quant à la déprédation des Portugais faite à nôtre établissement de Delagoa sor la Rivière Masoûmo, j'eus l'honneur de présenter à Son Altesse Monseigneur Le Prince de Kaunitz, en datte du 13 Juillet 1781, un Mémoire dans lequel j'ai incontestablement prouvé que cette Nation n'y avoit jamais eu aucun établissement & ne pouvoit pas avoir le moindre droit de nous déloger, à main armée, du nôtre.“ - Bolts, William (1787), p. 10 91
Struck, Bernhard (1927), pp. 191f.
92
vgl. Trupp, Friedrich (1977), p. 15
93
vgl. Pollack, Parnau (1927), p. 97
94
So schrieb er bereits auf die Gründungsurkunde der Kompanie: „Dem Bolts, so weng als ich auf sein gantzes Unternehmen halte, ist dennoch der Obristlieutenantstitel zu ertheilen.“ – zit. nach Sokol (1972), p. 14 Am 27. Februar 1785 schreibt er schließlich an Belgiojoso “Il faut laisser mourir cette compagnie.” – zit. nach Houtman-De Smedt, Helma (1999), p. 237
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Die österreichische Faktorei war Malyn Newitt zufolge bei einem jährlichen Umsatz von 75.000 Pfund an Elfenbein durchaus erfolgreich – vor allem im Vergleich mit ihrem holländischen Pendant von 1721. Dies lag zum einen an der Bereitschaft der Österreicher, höhere Preise zu zahlen, zum anderen aber auch am unbeständigen Klima in der Region, welches über die Verhandlungsposition der Eingeborenen entschied.95 Auch die nationalen und internationalen Zeitungen griffen den Zusammenbruch der Kompanie auf und machen vor allem Proli bzw. Absatzschwierigkeiten für den Niedergang verantwortlich. Das Wienerblättchen schreibt am 8. März 1785: „Wien. Briefe aus Triest und Ostende bestättigten die Nachricht, daß die vom ersten Orte her bekannte Handelssocietät, deren vorzüglichsten Theilnehmer die Häuser Proli, Borkens, von Eupen u.a. in den Niederlanden sind, bey dem Ertrage der letzthin zugleich aus Indien eingetroffenen 5 Handelsschiffe, die meistens Thee beladen waren, dessen Absatz durch die England letzthin erfolgte Erniedrigung des Preises, weit weniger als man erwarten konnte, einbrachte, so grosse Einbusse gelitten hab, daß sie sih in der Nothwendigkeitbefunden hat, ihre Zahlungen durch 12 Monate einzusellten, um unterdessen, wo möglich, neue Kräfte zu sammeln.“96
Die Münchner Zeitung bemerkt am selben Tag: „Das Falliment der Ostindischen Kompanie von Ostende und die Flucht des Grafen Proli, Admiral der Schelde, macht noch immer den Gegenstand des allgemeinen Gesprächs aus.“97
Die Kompanie kann aufgrund der sich verbreitenden Nachrichten nicht mehr auf ihre alte Taktik vertrauen, die daran bestanden hatte, die Lage trotz roter Zahlen zu beschönigen. Dass die Zeitgenossen lange Zeit über die tatsächliche Situation der Unternehmung hinweggetäuscht worden waren, beweist auch Schweighofers Versuch über den gegenwärtigen Zustand der österreichischen Seehandlung aus dem Jahre 1783.98
Belgiojoso hatte über die Jahre die Gunst des Kaisers verspielt. In einem Brief an Kaunitz am 4. Juli 1787 spricht Joseph II. ein vernichtendes Urteil über ihn aus: „[…] que j’ai toujours regardé comme un pauvre espèce […] un fou d’italien […] sans tête“ – Arneth, Alfred Ritter von (1891), p. 109 95
vgl. Newitt, Malyn (1995), pp. 159f.
96
Wienerblättchen vom 8. März 1785
97
Münchner Zeitung vom 8. März 1785
98
vgl. Schweighofer, Johann Michael (1783)
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VI. Schlussbetrachtungen: Österreich als Kolonialmacht?
Der Triester Ostindienkompanie war also wie zuvor der Ostender Ostindienkompanie nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Kann Österreich – immerhin anerkannter Part der europäischen Mächtepentarchie - in Folge dieser Episoden auch als Kolonialmacht gelten? Nach Walter Sauer beanspruchten staatliche Institutionen der k.u.k. Habsburgermonarchie in nur fünf Fällen – alle erfolglos – Kolonien: Suqutra 1857/58, Nikobaren 1858, Salomonen 1895/96, Westsahara 1899 und Südostanatolien 1913. Die Nikobaren sind neben der DelagoaBucht eine der beiden Episoden der österreichischen Geschichte, in denen die Monarchie tatsächlich staatliche Gebietshoheit in außereuropäischen Territorien erwerben konnte und so als Kolonialmacht fungierte. Die zweite erstreckte sich von 1901-1914, als die österreichischungarische Armee ein 6km² großes Stück Land im chinesischen Tientsin okkupierte. Der eigene Anspruch auf die Errichtung von Kolonien konnte nur durch eine stete Interessensabwägung aufrechterhalten werden. Nichts Geringeres als der europäische Friede stand dabei auf dem Spiel.99 Obwohl beide Annektionen außenpolitische Randepisoden blieben, zeigen sie doch, dass weder die österreichische Öffentlichkeit noch die Monarchie die Errichtung von Kolonien prinzipiell ablehnten. Somit nahm Österreich im Concert Européen eine zwiespältige Rolle ein: weder war es Kolonialstaat, noch antikoloniale Kraft. 100 Die Konkurrenz der englischen und niederländischen Kolonialmaschinerie im 18. Jahrhundert war erdrückend. Lediglich Frankreich unter dem genialen Colbert konnte in diese Phalanx einbrechen, wobei Einvernehmen darüber bestand, dass eine Kolonialisierung nur über Handelskompanien in Form von Aktiengesellschaften durchführbar war.101 Jürgen Nagel merkt an, dass der Weltmarkt ob seiner Größe durchaus mehreren Nationen eine Beteiligung am Handel ermöglicht hätte. Allerdings bedeutete die auf Konkurrenz ausgelegte Marktstruktur einen enormen Aufwand, den sich nur wenige europäische Nationen im 17. und 18. Jahrhundert 99
Maria Theresia schrieb am Neujahrstag des Jahres 1780 an ihre Tochter Maria Antoinette angesichts des Seekrieges mit England: „Vous savez ce que je souhaite comme bonne Francaise et mère de leur chère reine: la paix.“ – Arneth, Alfred Ritter von (1865), 1. Jänner 1780 100
Sauer, Walter (2002), pp. 17f.
Bernhard Struck erhebt den Zeigefinger in ähnlicher Manier: „Das deutsche Volk darf und kann nicht vergessen, dass es von jeher ein Kolonialvolk gewesen ist.“ – Struck, Bernhard (1927), p. 192 101
vgl. Hausherr, Hans (1960), p. 184
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auflasten wollten. Voraussetzungen einer lebensfähigen Kolonie bzw. Faktorei waren das Vorhandensein eines langfristigen Netzwerks an Stützpunkten, eine fähige Flotte, genügend (einheimisches) Personal, militärische Ausrüstung sowie eine „investitionswillige, risikobereite und kapitalstarke Kaufmannschaft“.102 Österreich verfügte weder über ein System an stabilen Niederlassungen, noch über eine größere Flotte, einheimische Expertise im Seehandel, zeitgemäße militärische Ausrüstung oder eine Kaufmannschaft, die in großem Umfang Kolonialunternehmungen finanziert hätte. Die Auswahl der möglichen Kolonialwarenimporte aus Indien und China war zudem begrenzt, was die Konkurrenz nur noch zusätzlich verschärfte. Die Produkte mussten haltbar bzw. konservierbar und für den Transport geeignet sein. Einige Handelskompanien verfügten über Monopolrechte. Zu Beginn der großen Kompanien waren die gehandelten Produkte zumeist asiatische Gewürze (wie Nelken, Muskat, Piment, Curry), dann Tabak, Tee, Kaffee, Kakao, Farben (wie Indigo), Lacke, Fasern, Hölzer (wie Rattan), Metalle, Porzellan und Exotika wie Tierhörner, Meeresschnecken und Muscheln. 103 Bezeichnend für die österreichischen Kolonialbestrebungen ist eine Begebenheit, die Friedrich Wallisch in seinem Werk Die Flagge Rot-Weiss-Rot schildert: Als im Jahre 1858 die berühmte österreichische Fregatte Novara auf ihrer Expeditionsfahrt die Nikobaren ansteuert, fehlt von der einstigen österreichischen Siedlung jede Spur. Neben dem Namen der Insel Teressa erinnert lediglich ein Häuptling die Besatzung an eine längst vergangene Zeit: er trägt einen alten Uniformrock der Triester Nationalgarde.104
C. Geschichtsforschung als Schattenbeschwörung Graf Moritz August von Benjowsky verstarb am 23. Mai 1786 auf Madagaskar – eine französische Kugel hatte seine Brust durchbohrt. August von Kotzebue wird sechs Jahre nach Veröffentlichung des Benjowsky-Schauspiels selbst nach Sibirien deportiert. In Wien, Aspern, erinnert bis heute die Benjowskigasse an das nach Graf Benjowsky benannte Infanterieregiment Nr. 31, welches in der siegreichen Schlacht bei Aspern 1809 gegen Napoleon kämpfte. Bereits ein Jahr zuvor war William Bolts seiner Träume beraubt in einem Pariser Armenhaus verstorben.
102
Nagel, Jürgen (2011), p. 143
103
vgl. Wendt, Reinhard (2007), p. 181ff.
104
vgl. Wallisch, Friedrich (1956), p. 95
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Benjowsky ist schließlich zu der Randfigur der Geschichte geworden, die er nie hatte sein wollen. Und so bleiben auch die österreichischen Kolonialbestrebungen des 18. Jahrhunderts genau das - Randgeschichten. Doch auch sie sind Teil des großen Mosaiks der europäischen Expansion der Neuzeit. Sie helfen uns bestimmte Persönlichkeiten, bestimmte Räume und Zeiten, sowie spezifische Dynamiken auszuleuchten, die bisher im Schatten der Geschichte verborgen geblieben waren. Die Versuchung dieser Schattenbeschwörung ist augenscheinlich, da sie den zufälligen, opportunistischen Charakter der Expansionen herausstreicht. In Geschichtsbüchern werden einzelne Privatpersonen oft subsumiert. Es sind die großen Nationen mit ihren Monarchen, die durch ihren Drang nach Macht Kolonien errichten. Allerdings ist gerade die Zeit der Kompanien geprägt vom wachsenden Einfluss der Kaufleute. Die Namen von William Bolts und Karl Proli werden mit diesem Teilbereich der österreichischen Geschichte auf ewig verbunden bleiben.
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Historisches Personenregister Becher, Johann Joachim (1635-1682)
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Belgiojoso, Louis Charles Marie Barbiano di (1728 – 1801)
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Mangobe (?-1764)
25
Mc Keney, John
28
Mafumo, Bilene (18. Jhdt.)
27
Malthus, Thomas Robert (1766-1834)
12
Marie Antoinette (1755-1793)
33
Maria Theresia (1717-1780)
4,8,10,13,14,17,21,28,20, 31,33
Marques, Lourenço (16. Jhdt.)
24
Marquis, Pombal de (1699 – 1782)
8
Matola, Chibanzaan (18. Jhdt.)
27
Morellet, André (1722-1819)
12
Nagels, Dominik (18. Jhdt.)
18,20,25
Paar, Johann Wenzel Graf von (18.Jhdt.)
5
Pollet, Andreas Daniel
28
Pompadour, Madame de (1721-1764)
13
Proli, Karl Andreas Melchior (1723-1786)
14,18,20,21,22,25,32,33
Proli, Pierre
20
Quesnay, François (1694-1774)
12,13
Raab, Franz Anton zu Ravenheim (1722-1783)
17
Rajah, Mohaar Capell
27
Romberg, Friedrich von
21
Ryan, Francois
18
Ungern-Sternberg, Johann Adolph (1726-1793)
5
Schröder, Wilhelm von (1640-1688)
11
Schweighofer, Johann Michael (1755-1812)
21,33,28,47
Silveira, Goncalo de
24
Smith, Adam (1723-1790)
13
Stahl, Gottfried von
20
Starhemberg, Johann Georg Adam von (1724-1807)
18
Tanck, Jörgen Bartholomäus
19
Zinzendorf, Karl Graf von (1739-1813)
5,15,17,18,19,20,21,29
Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von (1700-1760)
20
37
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Schiffregister der Triester Kompanie Die Schiffe entstammten unterschiedlichen Häfen – aus England, den Niederlanden, der Triester Flotte und sogar aus Ankäufen in Indien. Im Jahre 1783 waren nach Schweighofer zwölf Ostindienfahrer auf den Weltmeeren zu Gange. Wie bereits oben beschrieben wurde die „Joseph und Theresia“ fälschlicherweise doppelt gezählt, wodurch die ersten elf Schiffe der folgenden Liste die tatsächliche Kauffahrteiflotte bildeten. Die zusätzlichen Schiffe werden allerdings ebenfalls erwähnt, was den Schluss aufkommen lässt, dass es sich hierbei um Schiffe anderer Besitzer handelt, die nur zeitweise in Kontakt mit dem Handel der Kompanie standen.
Schiff Joseph und Theresia
„Großer“ Fürst Kaunitz
„Kleiner“ Fürst Kaunitz
Kolowrat
Baron Binder
Benannt nach Joseph II (1741 – 1790) und dessen Mutter Maria Theresia (1717 – 1780) Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg (1711 – 1794) Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg (1711 – 1794) Staatskanzler Graf Leopold von KolowratKrakowský (1727 1773) Directorial-Minister, böhmischer oberster Kanzler, Chef des Finanz-Departements aller österreichischen Staaten Friedrich Freiherr Binder von Krieglstein (1708– 1782) Referent der Geheimen Staatskanzlei, Staatsrat und Geheimer Rat; Vertrauter des Staatskanzlers Kaunitz 38
Herkunft gebaut in England als „Earl of Lincoln“; segelt im März 1776 von Liverpool aus von Proli 1781 angekauft
Schicksal erste Fahrt der Kompanie; Errichtung der beiden Kolonien; später aussortiert
von Bolts in Indien angekauft
sinkt auf Rückreise aus Westindien bei Madeira
-
1781 nach China bestimmt
-
1781 nach Goa bestimmt
1781 nach China bestimmt; sinkt 1783 bei den Azoren
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781. Belgiojoso
Maximilian
Stadt Wien
Der Ungar
Der Kroate
Graf Neny
Louis Charles Marie Graf Barbiano di Belgiojoso (1728 – 1801) Kaiserlicher Gesandter in Schweden, England und den österreichischen Niederlanden Maximilian Franz Xaver Joseph Johann Anton de Paula Wenzel von Österreich (1756 – 1801) Erzherzog, Hochmeister des Dt. Ordens, Kurfürst und Erzbischof von Köln Stadt Wien Hauptstadt des Habsburgerreiches Stellvertretend für den ungarischen Teil der Erblande Stellvertretend für den kroatischen Teil der Erblande (in der sich u.a. die Hafenstadt Fiume befand) Graf PatriceFrancois de Neny (1716 – 1784) Ratspräsident der Österreichischen Niederlande
in Liverpool gebaut
Sinkt 1783 vor Dublin auf der Fahrt nach China
-
Sinkt 1783
einziges k.k. Triester Handlungsschiff -
1781 nach China bestimmt
-
Fahrten nach Indien
-
-
Fahrten nach Indien
Sonstige erwähnte Schiffe: La Trieste, Les deux soeures et les deux frères, La Capricciosa, Graf Cobenzl
39
Die zweite österreichisch-ostindische Handelskompanie von Triest und die Besetzung der Delagoa-Bucht 1777-1781.
Kartenverzeichnis Karte der Delagoa-Bucht von William Bolts (Staatsarchiv) – zit. nach Carlson, Sven H. (1984), p. 150f.
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