Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha. Computertomografische Untersuchungen an zweischneidigen Schwertern aus Gräbern des 6. bis 8. Jahrhunderts in Westfalen

July 23, 2017 | Author: Ulrich Lehmann | Category: Archaeometry, Ancient Weapons and Warfare, Early Medieval Swords, Pattern Welded Sword, Swords, Pattern Welding
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Lisa Deutscher, Mirjam Kaiser und Sixt Wetzler (Hrsg.)

Das Schwert – Symbol und Waffe Beiträge zur geisteswissenschaftlichen Nachwuchstagung vom 19. – 20. Oktober 2012 in Freiburg/Breisgau

Verlag Marie Leidorf GmbH . Rahden/Westf. 2014

225 Seiten mit 91 Abbildungen und 18 Tabellen inkl. 2 Tafeln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Deutscher, Lisa / Kaiser, Mirjam / Wetzler, Sixt (Hrsg.): Das Schwert – Symbol und Waffe ; Beiträge zur geisteswissenschaftlichen Nachwuchstagung vom 19. – 20. Oktober 2012 in Freiburg/Breisgau / hrsg. von Lisa Deutscher ... . Rahden/Westf.: Leidorf, 2014 (Freiburger Archäologische Studien ; Bd. 7) ISBN 978-3-89646-795-9

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2014

Verlag Marie Leidorf GmbH Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65 . D-32369 Rahden/Westf. Tel: +49/(0)5771/ 9510-74 Fax: +49/(0)5771/ 9510-75 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.vml.de ISBN 978-3-89646-795-9 ISSN 1437-3327

Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, I n t e r n e t oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Titelvignette: Späturnenfelderzeitliches Vollgriffschwert aus Töging am Inn, Kr. Altötting; Archäologische Staatssammlung München - Umzeichnung Mirjam Kaiser, Freiburg/Breisgau Redaktion: Lisa Deutscher, Mirjam Kaiser und Sixt Wetzler, Freiburg/Breisgau Satz und Layout: Sven Krugielka, Freiburg/Breisgau Druck und Produktion: DSC Bevermann GmbH, Fleethweg 1, D-49196 Bad Laer

Inhaltsverzeichnis Danksagung

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Lisa Deutscher, Mirjam Kaiser, Sixt Wetzler Einführung

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Jan-Heinrich Bunnefeld Das Eigene und das Fremde – Anmerkungen zur Verbreitung der Achtkantschwerter

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Mirjam Kaiser Vogelbarken auf urnenfelderzeitlichen Vollgriffschwertern

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M. Fabian Wittenborn ‚Schwertfrauen’ und ‚Schwertadel’ in der Urnenfelder- und Hallstattzeit?

51

Lisa Deutscher Experimente zur Replizierung latènezeitlicher Schwertstempel

65

Peter Emberger Das Schwert im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius

77

Ines Klenner Schwerter als liturgische Waffen in den Mithrasmysterien

85

Marius Miche Die Goldgriffspathas der frühen Merowingerzeit

93

Ulrich Lehmann Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha

111

Ingo Petri Die Entwicklung der europäischen Schwertformen vom 3. bis zum 13. Jh.

127

Matthias Teichert Der Schwerttanz in der Germania des Tacitus und (göttliche) Waffenträger auf Bilddenkmälern

137

Herbert Schmidt Schwert & Buckler - Eine Erfolgsgeschichte

147

Roland Warzecha Form folgt Funktion

153

Matthias Johannes Bauer Fechten lehren „mitt verborgen vnd verdeckten worten”

163

Tilman Wanke Das Schwert im Spiegel der Fechtbücher

171

Friedrich E. Grünzweig Siegschwert und ál۠g

187

Günter Krüger "daz Swert ze tragen, ze furen und ze halden"

197

Christian Jaser Der Bürger und das Schwert

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AutorInnenverzeichnis

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Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha Computertomografische Untersuchungen an zweischneidigen Schwertern aus Gräbern des 6. bis 8. Jahrhunderts in Westfalen Ulrich Lehmann

The following paper discusses the usability of digital computed tomography as a non-destructive method to examine the construction of the early medieval Spatha focussing mainly on its blade. First results of these examinations are presented. Within a cooperation project of the Altertumskommission für Westfalen and the LWL-Archäologie für Westfalen 28 finds from graves in the Westfalian region, dated to the 6th - 8th century, were being analyzed. All examined blades were pattern-welded and consisted of both cutting edges and a changing number of composite rods, consisting of two distinct iron alloys. As these materials are affected differently by corrosion, it is possible to display the existing structures in the object layer-by-layer. Due to the certain development of the structures inside the composite rods, even once visible patterns on an already disintegrated surface of a blade can be reconstructed. One of the key results is the fact that the core of most Westfalian sword blades was made from two layers of halved composite rods. Instead of the often displayed herringbone patterns these weapons depicted mainly curving patterns on the surface.

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aum ein archäologischer Gegenstand hat die heutige Vorstellung von der kriegerischen Seite der Frühgeschichte so sehr geprägt wie das zweischneidige Langschwert, die Spatha. Einerseits handelt es sich um eine äußerst komplex aufgebaute Waffe, die völlig auf Funktionalität und die damalige Kampfesweise ausgelegt war. Zum anderen besitzt die Spatha auch einen ausgeprägten repräsentativen Aspekt. Der Fokus der archäologischen Erforschung – vor allem in Bezug auf die chronologische, qualitative und symbolische Ansprache der Funde – liegt dabei oftmals auf den metallenen Elementen von Griff und Schwertscheide.1 Besonders deutlich wird dies an den exzeptionellen Fundgruppen der merowingerzeitlichen Goldgriffspathen2 und Ringschwerter3, die unmittelbar durch derartige Attribute definiert sind. Für die Konzentration auf diese einzelnen Bereiche der Waffen gibt es vor allem zwei Gründe. Der erste besteht darin, dass metallene Griff- und Scheidenbestandteile, insbesondere wenn sie nicht aus Eisen bestehen, zumeist in einem sehr guten Zustand erhalten sind. Formenkundliche und materielle Informationen lassen sich somit auf einfachem Wege erfassen. Der zweite Grund wird deutlich, wenn man den repräsentativen Aspekt der Spatha betrachtet. In der Regel wurde das Schwert in der Scheide steckend am Wehrgurt getragen. Der Blick eines zeitgenössischen Betrachters fiel also die meiste Zeit lediglich auf die Schauseite von Griffpartie und Scheide. Zwangsläufig war jegliche (offensichtliche) Demonstration von Status 1

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Auch den metallenen Bestandteilen des Wehrgurtes kommt in dieser Beziehung eine wichtige Bedeutung zu. Mangels sicher zuweisbarer Funde im heutigen Westfalen soll an dieser Stelle allerdings nicht näher darauf eingegangen werden. Neben dem goldenen Griffblech besitzen die Schwertscheiden dieser Waffen kostbare Beschläge mit spezieller Formgebung, die auch eine zeitliche Unterscheidung ermöglicht. Zur Fundgruppe und dem sozio-kulturellen Kontext siehe etwa Ament 1970, S. 43–65; Müller 1976, S. 95–102; Böhme 1994. Siehe etwa Evison 1967; Evison 1976; Steuer 1987.

anhand der Spatha damit in erster Linie an diese Bereiche gebunden. Dass Griff und Scheide tatsächlich als ‚Darstellungsfläche’ verstanden und genutzt wurden, lässt sich zusätzlich zu den bereits genannten Schwertgruppen an zahlreichen weiteren Funden belegen.4 Hinzu kommt eine zeitliche Entwicklung des Erscheinungsbildes (Form und Verzierung) dieser Elemente, die zumindest teilweise einem modischen und – allerdings in geringem Maße – einem funktionellen5 Wandel unterworfen waren. Etwas anders stellt sich die Situation bei der Spathaklinge dar. Im Gegensatz zu Griff und Scheidenbeschlägen sind die offensichtlichen morphologischen Merkmale für die archäologische Ansprache von geringem Belang. Das zeigt sich z. B. bei der Datierung. In den gängigen Chronologiesystemen für Süddeutschland und das Rheinland findet die Klinge des zweischneidigen Schwertes wenig Beachtung.6 Ursache hierfür 4

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Viele organisch besser erhaltene Scheiden des Frühmittelalters weisen plastische Verzierungen aus Schnüren oder Schnitzwerk auf ( Lehmann 2007, S. 134–138). Experimente im Zusammenhang mit den Funden von Valsgärde legen zudem eine bunte Bemalung nahe ( Arwidsson 1977, S. 94), wenngleich bisher kein sicherer Nachweis dafür bekannt ist. Dass auch der Griff als wichtige Verzierungsfläche eingesetzt wurde, zeigt etwa die Spatha des 8. Jahrhunderts aus Grab 133 aus DorstenLembeck. Blechplattierungen und mit Edelsteinen besetzte Buntmetallrundeln an Knaufkrone und Griffplatten gaben den Ausschlag, den Verstorbenen der Adelsschicht zuzuordnen (Vierck 1980). Die Entwicklung von organischen zu massiv eisernen Griffplatten, die ab der beginnenden Karolingerzeit regelhaft vorkommen, führte durch das zusätzliche Gewicht zu einer Veränderung der Waffenbalance. Beide Chronologiesysteme für den Niederrhein behandeln die Spathaklinge nicht (Siegmund 1998, S. 84–87; Müssemeier u. a. 2003, S. 42–44). Lediglich zu Süddeutschland sind zwei Typen genannt, die sich auf die Konstruktion der Klinge beziehen ( Koch 2001, S. 61–62). Die „einteilige Klinge” (MCode 68) kommt hauptsächlich in den Phasen SD 1–2 vor, der „mehrbahnige Felderdamast” (MCode 10) ist auf die Phasen SD 5 und 6 beschränkt. Da Schwerter des 7. Jahrhunderts aus

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ist vermutlich, dass ihre äußere Form tatsächlich wenig Aussagekraft für die Datierung besitzt.7 Die Unklarheit wird jedoch zusätzlich durch verschiedene Korrosionseffekte und einige alt restaurierte Funde verstärkt, die teilweise erhebliche Ergänzungen aufweisen.8 Dennoch birgt die Spathaklinge eine große Menge an wichtigen Informationen zu den weniger offensichtlichen konstruktionstechnischen Merkmalen. Durch sie können nicht nur grundlegende Anhaltspunkte zu Herstellungsverfahren und ihrer technischen Entwicklung gewonnen werden, sondern auch zu qualitativen Unterschieden und zur symbolischen Bedeutung der Waffe. Die Erfassung dieser Kriterien hat jedoch in der Vergangenheit gewisse Probleme bereitet. Denn Verfahren, die sichere und detaillierte Ergebnisse zum Aufbau erbringen und sich gleichzeitig für Reihenuntersuchungen eignen, scheinen zu fehlen. Wie am Beispiel der westfälischen Spathafunde zu zeigen sein wird, bedeutet der Einsatz von 3-D-Computertomografie in dieser Beziehung einen entscheidenden Fortschritt.

Forschungsstand zur Spathaklinge und invasive Untersuchungsverfahren Das allgemeine schmiedetechnische Verfahren zur Herstellung der Spathaklingen ist mittlerweile gut bekannt. Detailstudien haben zudem tiefer gehende Einblicke zu verwendeten Materialien und Konstruktionsmöglichkeiten erbracht. In der Regel handelt es sich um metallografische und chemische Untersuchungen von Einzelstücken und Kleingruppen von Funden,9 seltener um die Analyse größerer Serien.10 Gute Ergebnisse hat in jüngster Zeit ebenfalls die Politur einer Spathaklinge aus Neudingen nach japanischem Vorbild ergeben.11 Einige Aufschlüsse zur schmiedetechnischen Herstellung lassen sich sogar mit bloßem Auge an bestimmten Schwertfunden erfassen. Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurde ein Teil der neu entdeckten Waffen mechanisch oder durch Säure von Korrosion befreit.12 Unter der ehemaligen Klingenoberfläche befindliche Schweißstrukturen und Konstruktionsnähte wurden somit sichtbar. Dieses Verfahren befreite die Spatha jedoch nicht nur von Korrosion, auch die organischen Rückstände der Schwertscheide gingen unwiederbringlich verloren.

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Italien dieselben Kriterien aufweisen, besitzt die Datierung des zweiten Typs jedoch keine Allgemeingültigkeit ( Koch 2001, S. 274). Für die Schwerter des 5. bis 7. Jahrhunderts sind allein die Scheidenbeschläge und die metallenen Griffelemente als chronologisch relevant herausgestellt worden ( Menghin 1983, S. 135–142). Trotz verschiedener Klingenformen bleibt auch im 8. Jahrhundert und in späterer Zeit das Gefäß das grundlegende Datierungskriterium (Geibig 1991, S. 150–154). Dies betrifft etwa die Spatha aus Grab 226 von BocholtLankern (Westphal 2002, S. 37). Siehe etwa Böhne/Dannheimer 1961; Gohlke 1994/1995, bes. S. 196–200. Tylecote/Gilmour 1986, S. 148–254. Mäder 2009, bes. S. 107–119. Stellvertretend für viele weitere Funde lassen sich einige Schwerter aus Schretzheim anführen ( Koch 1977, S. 97).

Abb. 1: Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Schweißmusterstabes (nach Ypey 1982).

Abb. 2: Veränderung der Schweißmuster eines Kompositstabes beim Abschleifen von voller Materialstärke (oben) bis zur Stabachse (unten) am Beispiel eines Versuchs mit Fimoplast (Bildnachweis: Eugen Müsch, LWL-Archäologie für Westfalen).

Abb. 3: Konstruktionsmöglichkeiten des Klingenkerns (Umzeichnung auf Grundlage von Emmerling 1972). – Oben: massive Stäbe; Mitte: halbe Stäbe ohne Kernmaterial; unten: halbe Stäbe mit Kernmaterial (Bildnachweis: Stefan Hofer, Altertumskommission für Westfalen).

Die Spathaklinge des frühen Mittelalters besteht aus einem Verbund mehrerer Elemente.13 Herausragendes Merkmal sind auf der Oberfläche sichtbare Strukturen, die durch Schweißmusterstäbe erzeugt werden. Sie machen den Hauptbestandteil des Klingenkerns aus. Diese Schweißmusterstäbe werden im aufwändigen und handwerklich anspruchsvollen Schweißverbundverfahren14 hergestellt (Abb. 1). 13

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Selten wurden Klingen identifiziert, die wie der Fund aus Grab 103 von Pleidelsheim ( Koch 2001, S. 34) aus einem einzigen homogenen Material bestehen. Nach Grabzusammenhang und Ausstattung soll es sich um Schwerter höchster Qualität aus Werkstätten spätrömischer Tradition handeln ( Menghin 1983, S. 18). Zumindest für das Beigabeninventar der Pleidelsheimer Bestattung dürfte dies nur eingeschränkt gelten ( Koch 2001, S. 452). Da Klingen aus homogenem Material in Westfalen nicht vorkommen, soll nicht näher auf diesen Waffentypus eingegangen werden. Aufgrund der vielfach angemerkten problematischen Wort-

Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha Ausgangspunkt sind zwei unterschiedliche Arten von Eisen- oder Stahlstücken, die immer abwechselnd zu einem Paket geschichtet und miteinander verschweißt werden. Oft besteht dieser Verbund aus sieben Metalllagen. Danach folgt das Ausschmieden des Pakets zu einem langen, dünnen Stab, der zuletzt vollständig oder in – meist regelmäßigen – Abschnitten tordiert wird.15 Schleift und poliert oder ätzt man einen solchen Kompositstab, so zeigen sich Schweißmuster im Metall. Auf der Außenfläche erscheinen schräge Linien, bei 75  % der ursprünglichen Materialstärke sind es X- oder sternförmige Figuren und in einer sehr dünnen Schicht in der Mitte kommen halbkreisartige Strukturen zum Vorschein (Abb. 2). Für die Konstruktion des Klingenkerns existieren im Prinzip drei Möglichkeiten16 (Abb. 3). Bei der ersten verbindet man massiv belassene Kompositstäbe zu einem Paket, an dessen Schmalseiten die Schneiden angeschweißt werden.17 Die zweite Konstruktionsart ist deutlich aufwändiger gestaltet. Mehrere Kompositstäbe werden bis zur Hälfte abgeschliffen und dann an den erhaltenen Außenseiten – sozusagen ‚back-toback’18 – miteinander verschweißt. Die ursprünglich im Zentrum der Stäbe befindlichen Schichten bilden nun die Oberfläche der Klinge. Schleifen und Polieren lassen schließlich halbkreisförmige Schweißmuster im Metall sichtbar werden.19 Korrosion hat die dünne Schicht, in der sich diese Strukturen befinden, meist zerstört, sodass heute erkennbare Muster kaum dem Originalzustand entsprechen.20 Die dritte Konstruktionsmöglichkeit wird häufig mit den Begriffen ‚Deckschichtentechnik’21 und – in Anlehnung an Holzverarbeitungstechniken – ‚Furnier’22 bezeichnet. Auf ein dünnes, homogenes Kernmaterial23 werden beidseitig Kompositstäbe aufgeschweißt. Je nach Art der verwendeten Stäbe, die 50  %24 oder weniger der ursprüng-

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herkunft von ‚Damast’ beziehungsweise ‚Damaszierung’ (siehe z. B. Hoyland/Gilmour 2006, S. 81–82; Mäder 2006, S. 3–5) finden diese Begriffe im Folgenden keine Verwendung. Für eine ausführlichere Darstellung des Verfahrens siehe z. B. Ypey 1982. Siehe Emmerling 1972, S. 303–308. Die dort beschriebenen Typen 3 und 4 unterscheiden sich nur durch den Schneidenaufbau, weshalb sie hier zu einer Konstruktionsart zusammengefasst werden. Ein Aufbau aus einem einzelnen Schweißmusterstab wie bei den Schwertern aus Grab 1 von Warburg-Ossendorf (Westphal 2002, S. 16) und Rhenen (Ypey 1984, S. 202) stellt eine Besonderheit dar. Tylecote/Gilmour 1986, S. 245. Dieser Arbeitsschritt erfolgte allerdings erst nach Fertigstellen der Klinge. Der Zeitaufwand für die Veredelung der Klingenoberfläche ist vergleichbar mit der Dauer des Schmiedens ( Mäder 2009, S. 119). Eine der wenigen Ausnahmen stellt die Klinge des Ringschwertes aus Beckum dar (Westphal 2002, S. 25, Abb. 1.1.14c). Böhne/Dannheimer 1961, S. 116. Menghin 1983, S. 18; Westphal 1991b, S. 92; 96. Dieselbe Konstruktionsweise lässt sich auch an einigen frühmittelalterlichen Saxen beobachten (Westphal 1991a, S. 309–311). Kernmaterial wurde verschiedentlich metallografisch nachgewiesen (siehe etwa Gohlke 1994/1995, S. 196), teilweise sogar in Form einer doppelten Lage ( Böhne/Dannheimer 1961, S. 116). Ypey 1982, S. 387.

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lichen Materialstärke aufweisen, zeigen sich nach dem Schleifen halbkreisförmige Muster oder schräge Linien auf der Oberfläche. An einigen Schwertern konnte eine Verarbeitung von bis zu zehn oder sogar zwölf Kompositstäben nachgewiesen werden.25 Verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten existieren auch für die Schneiden der Klinge. Sie werden in der Regel separat hergestellt und an den Kern angeschweißt. Schneiden aus einem, zwei oder mehr Elementen kommen gleichermaßen vor.26 In Ausnahmefällen dürfte auch das Kernmaterial, sofern es vorhanden ist, Teil der Schneiden gewesen sein.27 Weitere wichtige Aspekte der schmiedetechnischen Herstellung der Spathaklinge sind die Zusammensetzung des verwendeten Eisens bzw. Stahls – die größte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Elementen Kohlenstoff und Phosphor zu – sowie die Verfahren zur Aufbereitung und Härtung des Metalls. Eine ausführliche Besprechung muss bei dem gegebenen Rahmen unterbleiben, doch für die Bewertung der Funktionalität der Waffe sind einige Punkte von Bedeutung. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich die Basismaterialien der Kompositstäbe oftmals stärker durch den Phosphor- als durch den Kohlenstoffgehalt unterscheiden. Phosphor steigert die Härte des Eisens28 und kann sich bis zu einem bestimmten Maß positiv auf die Zähigkeit auswirken.29 Gleichzeitig wird die Diffusion von Kohlenstoff in das Metall verhindert, das somit nicht mehr aufgekohlt und gehärtet werden kann.30 Kohlenstoff erhöht ebenfalls die Härte des Metalls und ermöglicht zudem ab einem bestimmten Maß eine zusätzliche Härtung.31 Langes Glühen im Holzkohlefeuer kann den Kohlenstoffgehalt im Außenbereich des Metalls deutlich erhöhen.32 Um die Klinge – bzw. hauptsächlich die Schneiden – zu härten, wird sie zuerst erhitzt und dann in einem Wasser- oder Ölbad abgeschreckt.33 Diese Prozedur steigert 25

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Die Verarbeitung von zehn Kompositstäben belegen Fundzeichnungen der Waffen aus den Gräbern 153 und 327 von Schretzheim ( Koch 1977, Taf. 188,4–5). Radiografischen Aufnahmen zufolge weist eine Spathaklinge aus Acklam Wold sogar ein Dutzend Stäbe auf (Gilmour 2007, S. 100 Fig. 8). Metallografische Untersuchungen angelsächsischer Schwerter zeigten, dass alle Waffen des 5.–7. Jahrhunderts (18 Exemplare) angeschweißte Schneiden besitzen. Bei sechs Funden bestanden sie aus einem Metallstück, bei sechs weiteren aus zwei Elementen. Die restlichen Schwerter weisen Varianten komplizierterer und mehrteiliger Konstruktionen auf (Tylecote/ Gilmour 1986, S. 245). Emmerling 1972, S. 304 Abb. 10–11; S. 306. Schulz 1959, S. 47; Schulz/Pleiner 1965, S. 40; Gohlke 1994/1995, S. 199. Phosphor wirkt sich bis zu 0,8 % positiv in ferritischem Gefüge aus (Overbeck 2011, S. 274). Auf der anderen Seite wird oftmals eine deutliche Steigerung der Kaltbrüchigkeit angeführt (Schulz/Pleiner 1965, S. 46; Ypey 1982, S. 381; Ypey 1984, S. 192; Gohlke 1994/1995, S. 199). Emmerling 1972, S. 275; Overbeck 2011, S. 274. Dazu wird ein Gehalt von 0,3  % (Ypey 1984, S. 192) bzw. 0,35 % (Schulz 1959, S. 48) benötigt. Emmerling 1972, S. 295; Schulz 1959, S. 47. Emmerling 1972, S. 294.

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jedoch nicht nur die Härte, sondern auch die Sprödigkeit des Metalls. Deshalb sollte die Klinge anschließend durch leichtes Erhitzen angelassen werden, um die Elastizität wieder zu verbessern.34 Härtemessungen zufolge weisen der Klingenkern und weite Bereiche der Schneiden eine relativ geringe Härte auf.35 Lediglich die Schneidenkanten sind, vorwiegend im Ortbereich,36 vermutlich nach Aufkohlen gesondert gehärtet worden.37 Für die Funktionalität der Klinge lässt sich daraus ableiten, dass die Verschweißung von eher härteren und eher elastischen Metallarten durchaus positive Effekte auf die Materialeigenschaft der Kompositstäbe haben konnte. Insgesamt handelt es sich aber beim Klingenkern – und auch beim größten Teil der Schneiden – um weiches Material. Er verfügt zudem eigentlich über unnötig viele Schweißnähte, die potenzielle Gefahrenstellen für Fehler in der Verarbeitung darstellen.38 Von zentraler Bedeutung scheinen daher die Schweißmuster auf der Klingenoberfläche gewesen zu sein, die hauptsächlich durch die Unterschiede im Phosphorgehalt bei der Oberflächenveredelung zur Geltung kommen.39 Die Detailliertheit des Forschungsstandes kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auf einer relativ kleinen Datenbasis fußt. Die invasiven Untersuchungsmethoden verhindern größere Studien, insbesondere von Waffen mit Befundkontext. Viele Aspekte der Klingenkonstruktion entzogen sich durch das Fehlen von zerstörungsfreien Verfahren bisher der Kenntnis. Folglich streuen die untersuchten Schwerter über das gesamte Frühmittelalter und weite geografische Bereiche, sodass kleinräumige und kurzzeitige Phänomene kaum von Entwicklungsstufen zu unterscheiden sind.

Radiografie Die zu Recht seit Langem gebräuchlichste zerstörungsfreie Untersuchungsmethode zur Erforschung frühmittelalterlicher Schwerter ist die Radiografie. Bei diesem Verfahren wird ein Objekt mit Röntgenstrah-

len durchleuchtet. Ein Detektor misst, wie viel Strahlung vom Gegenstand in verschiedenen Bereichen absorbiert wird. Die Ergebnisausgabe erfolgt als Graustufenbild, das die Dichteverhältnisse innerhalb des Objektes wiedergibt. Die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Radiografie besteht im unterschiedlichen Korrosionsverhalten der, hauptsächlich in den Kompositstäben, zur Klinge zusammengefügten Materialien. In den verschweißten Lagen enthaltener Phosphor wirkt sich korrosionshemmend aus. Diese Schichten sind daher meist deutlich weniger angegriffen als phosphorfreie Bereiche.40 Letzere enthalten zudem oftmals etwas Kohlenstoff, der die Zersetzung eher verstärkt.41 Die unterschiedliche metallische Erhaltung ist auch die Ursache dafür, dass von Korrosion befreite Funde einen Eindruck von Klingenkonstruktion und Schweißmustern vermitteln.42 Die oftmals zu beobachtende ‚strähnige’ Struktur der hervorstehenden Lamellen ist als Kennzeichen für die Aufbereitung der Metallschichten durch Gärbung zu werten.43 Da Röntgenstrahlen von Korrosion erzeugte Dichteunterschiede in der Spathaklinge messen, bleiben Aufnahmen von Funden mit vollständig erhaltenem Metallkern ergebnislos.44 Heutzutage existieren große Serien radiografischer Aufnahmen von Schwertfunden45 und wohl jede neu entdeckte Spatha wird im Zuge der Restaurierung auf diese Weise untersucht. Trotz oftmals sehr deutlicher Strukturen bleibt die Interpretation des Klingenaufbaus anhand von Röntgenbildern problembehaftet, vor allem wenn keine zusätzlichen Untersuchungen erfolgen. Radiografische Aufnahmen stellen in der Regel die Schweißnähte zwischen den verschiedenen Konstruktionselementen dar, so dass etwa die Breite des Klingenkerns und die Anzahl der oberflächlich sichtbaren Kompositstäbe erfasst werden können. Streifige und X-artige Strukturen zeigen die Bereiche an, in denen die Stäbe tordiert und untordiert sind. Bereits die Anzahl der Klingenbestandteile ist jedoch kaum sicher zu bestimmen. Einige weitere konstruktionstechnische De40

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Westphal 2002, S. 5; Emmerling 1972, S. 294; Ypey 1984, S. 193. Die Schichten im Klingenkern sind kaum härter als 200 HV (Tylecote/Gilmour 1986, S. 156–158 Tab. N.; Gohlke 1994/ 1995, S. 200; Szameit/Mehofer 2002, S. 162 Abb. 17) und verglichen mit neuzeitlichen Damaststählen mit Härten von 370 HV oder 535 HV ( Pohl/Lindner 2000, S. 28) als weich einzustufen. Schulz 1959, S. 63. Die meisten angelsächsischen Schwerter wurden an der Wurzel oder in der Klingenmitte beprobt. Sofern Proben im Ortbereich entnommen wurden, zeigen diese jedoch fast alle stark erhöhte Härtewerte (Tylecote/Gilmour 1986, S. 151–155 Fig. 63; S. 156–158 Tab. N). Bei der Spatha aus Neudingen erfolgte keine Messung. Das Polieren machte Martensitpartikel im Ortbereich sichtbar, die belegen, dass die Schneide in diesem Bereich durch Abschrecken gehärtet wurde ( Mäder 2009, S. 112). Mäder 2009, S. 122. Tylecote/Gilmour 1986, S. 251; Gohlke 1994/1995, S. 199.

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Tylecote/Gilmour 1986, S. 254; Ypey 1984, S. 193. Bei den phosphorhaltigen Schichten der Spatha aus TuttlingenLudwigsthal wurde jedoch verstärkte Korrosion beobachtet (Gohlke 1994/1995, S. 199). Gut erhaltene kohlenstoffreiche Schneiden belegen, dass Kohlenstoff nicht der allein entscheidende Aspekt für den Korrosionsgrad ist. Vermutlich besteht hier ein Zusammenhang mit der Verdichtung und ausgiebigeren Raffination des Materials ( Mäder 2009, S. 107). Dies zeigte Joachim Emmerling an einer frühmittelalterlichen Lanzenspitze ( Emmerling 1972, S. 308–310; Taf. LXVII, S. 2–3). Mäder 2009, S. 115. Zum Verfahren des Gärbens siehe etwa Emmerling 1972, S. 275–276. Dies zeigten radiografische Aufnahmen rezenter Schmiedeversuche (Tylecote/Gilmour 1986, S. 251). Zu den Schmiedeversuchen siehe Anstee/Biek 1961. Auch vollständig korrodierte Funde mit dichter Oberflächenverkrustung sind radiografisch kaum zu untersuchen (Tylecote/Gilmour 1986, S. 251). Siehe etwa Koch 1977, bes. S. 94–99; Ankner 1996; Westphal 2002.

Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha tails, wie oberflächlich sichtbare Schweißmuster oder die Lagenanzahl der Kompositstäbe, sind den Bildern gar nicht zu entnehmen. Der Grund für die Interpretationsschwierigkeiten radiografischer Bilder ist verfahrensbedingt, denn die Dichteverhältnisse eines dreidimensionalen Objektes werden auf eine zweidimensionale Fläche projiziert. Die Körperlichkeit des Gegenstandes geht in der Aufnahme zwangsläufig völlig verloren. Verstärkend kommt hinzu, dass Phänomene mit höherer Dichte oder mit größerer Materialstärke klarer abgebildet werden und andere Erscheinungen überlagern können. Verdeutlichen lässt sich das am Beispiel der Kompositstäbe 46: Ein massiver tordierter Schweißmusterstab erscheint im Röntgenbild gefüllt mit X-artigen Linien. Sie werden durch die Wendelung des Materials verursacht. Das in der Stabmitte vorhandene halbkreisartige Muster schlägt sich in der Aufnahme nicht nieder, weil es nur in einer sehr dünnen Materialschicht vorkommt und daher völlig überlagert wird. Dasselbe Röntgenbild entsteht aber auch bei einer Konstruktion aus bis zur Mitte abgeschliffenen Schweißmusterstäben, die in derselben Richtung tordiert und ‚back-to-back’ verschweißt wurden. Obwohl ein völlig anderer Aufbau mit abweichendem Oberflächenmuster vorliegt, sind die Dichteverhältnisse und damit die radiografischen Aufnahmen dieselben. Die Konstruktion könnte sogar ein Kernmaterial aufweisen, auf dem dünne Außenbereiche von Kompositstäben mit weniger als 50 % der ursprünglichen Materialstärke und entsprechender Torsionsrichtung verschweißt sind. Die radiografischen Aufnahmen bildeten wiederum dieselben Strukturen ab. Einfache Radiografie eignet sich also kaum dazu, sichere und detaillierte Hinweise über den Aufbau von Spathaklingen zu erhalten. Dennoch handelt es sich um ein unverzichtbares Verfahren, das vor allem vorbereitend einzusetzen ist. Röntgenbilder geben Auskunft über die Metallkernerhaltung des Fundes und veranschaulichen, in welchen Bereichen die auffälligsten auf Dichteunterschieden basierenden Strukturen vorliegen. Dadurch lassen sich z. B. restauratorische Arbeiten an den Objekten besser planen und durchführen sowie geeignete Entnahmestellen für metallografische Proben bestimmen. Zudem liefern sie wichtige Informationen für weiterführende radiografiebasierte Untersuchungsverfahren.

3-D-Computertomografie Im Spannungsfeld zwischen detaillierten Informationen, die nur invasive Methoden liefern, und unsicheren, aber zerstörungsfrei gewonnenen Daten stellt die 3-D-Computertomografie zur Erforschung der frühmittelalterlichen Spatha einen entscheidenden Fortschritt dar. Dieses zerstörungsfreie Verfahren ermög46

Siehe hierzu auch Westphal 1991a, S. 309–311.

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licht es, Schicht für Schicht in das Innere eines Objektes hineinzublicken, ohne dass die Dichteverhältnisse in anderen nicht sichtbaren Ebenen die Bilder verunklaren. Die Computertomografie erlangte vor allem in der Medizin eine große Bedeutung. Erste Versuche, mit dieser Methode archäologische Fundstücke zu untersuchen, erfolgten in den späten 1970er Jahren.47 Seitdem wurden Anlagen und Rechnerleistung extrem weiterentwickelt, so dass mittlerweile Schnittbilder und 3-D-Datensätze der gescannten Objekte mit einer Auflösung von wenigen Mikrometern erzeugt und in Echtzeit am Computer analysiert werden können. In der Archäologie zeichnen sich bisher hauptsächlich drei Einsatzbereiche ab: Dendrochronologie und Holzbestimmungen,48 Dokumentation und Erfassung des Inhalts von Blockbergungen49 sowie die Analyse des Schichtaufbaus und technischer Merkmale von Objekten. Letzterem Bereich sind auch die Untersuchungen an den frühmittelalterlichen Schwertern zuzuordnen. Zur Erforschung archäologischer Objekte eignen sich am besten industrielle Anlagen, die meist zur Werkstoffprüfung eingesetzt werden. Im Gegensatz zu medizinisch genutzten Geräten können sie Datensätze mit besserer Auflösung erzeugen. Von Vorteil bei der Untersuchung von Metallen ist zudem, dass industrielle Anlangen leistungsstärker sind und so dichtere Materialien durchleuchten können. Für einen CT-Scan wird der archäologische Fund auf einem Drehteller montiert. Dieser befindet sich zwischen einer Röntgenstrahlenquelle und einem Detektor, die beide simultan höhenverstellbar sind (Abb. 4). Je geringer der Abstand zwischen Objekt und Strahlenquelle ist, desto kleiner wird der analysierbare Ausschnitt und desto besser wird die Auflösung. Der gegenteilige Effekt tritt ein, wenn man den Fund näher zum Detektor rückt. Während des mehrminütigen Scans rotiert das Objekt langsam um 360°. Aus den Messdaten wird ein virtuelles Abbild des Fundes beziehungsweise des gescannten Bereiches rekonstruiert. Ähnlich einem aus Pixeln aufgebauten digitalen Bild besteht das 3-D-Modell aus sogenannten ‚Voxeln’ (Volumen Pixeln). Jedes Voxel besitzt einen Grauwert, der die Dichte des Fundes an entsprechender Stelle angibt. Von dem Objekt können in jeder beliebigen Achse Schichtbilder erzeugt werden (Abb. 5). Wenngleich sie einfachen Röntgenaufnahmen gleichen, geben sie die Dichteverhältnisse nur in genau der gewünschten Ebene wieder. Die Bearbeitung der 47 48 49

Tout u. a. 1979; Miura 1980. Siehe z. B. Keefer 2005. Bedeutend ist hier das DFG-Projekt „Lauchheim – Dokumentation, Auswertung und Publikation der Befunde und Funde des bedeutendsten frühmittelalterlichen Gräberfeldes Südwestdeutschlands sowie der zugehörigen Siedlung” (siehe etwa Peek/Ebinger-Rist/Stelzner 2009; Ebinger-Rist/Peek/ Stelzner 2010).

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Ulrich Lehmann aus Bestattungen des 6.–8. Jahrhunderts im Gebiet des heutigen Westfalens aufgenommen.51 Damit ist das Fundmaterial dieses Gebietes vollständig erfasst. Die Gräber verteilen sich überwiegend auf zwei etwa gleich große zeitliche Gruppen. Die Frühere umfasst Bestattungen von der Mitte des 6. bis zum Anfang des 7. Jahrhunderts. Die späteren Gräber stammen aus dem 8. Jahrhundert. Lediglich Grab 68 aus Beckum I, das auch vor 550 n. Chr. angelegt worden sein kann,52 und eine weitere Bestattung aus Bergkamen, aus der Mitte des 7. Jahrhunderts,53 sind zeitlich etwas separiert.

Abb. 4: Für die Messung vorbereitete CT-Anlage (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen).

CT-Datensätze erfolgt mit einer speziellen Software. Die Schichtbilder lassen sich in allgemein lesbare Dateiformate exportieren.

Westfälische Schwerter – Fundmaterial und Untersuchung Zusammen mit anderen Verfahren, wie Mikroskopie, Radiografie und Reihenbestimmungen organischer Materialien, wurde die 3-D-Computertomografie in einem Kooperationsprojekt von Altertumskommission für Westfalen und LWL-Archäologie für Westfalen zur Erforschung frühmittelalterlicher Spathen eingesetzt.50 Das Vorhaben hat zum Ziel, durch zerstörungsfreie Erfassung vieler konstruktionstechnischer Merkmale den Aufbau und die Herstellungsweisen der Schwerter zu rekonstruieren. Außerdem werden Hinweise auf die Nutzungszeit und für eine verbesserte fundimmanente Datierung gewonnen. Auf einer übergeordneten soziokulturellen Interpretationsebene werden die Distribution von Waren und technologischem Wissen, die Möglichkeiten zur Eingrenzung von Werkstätten sowie die Qualität, Wertschätzung und symbolische Bedeutung der Spatha im frühen Mittelalter erforscht. Die Studie umfasst nur Schwerter, die gesichert aus einem Grabkontext stammen. Auf diese Weise lassen sich das Ende der Nutzungszeit der Waffen und ein Eindruck vom – im Grab repräsentierten – Status des Toten ermitteln. Insgesamt wurden 28 zweischneidige Schwerter 50

Zu diesem Projekt siehe auch Lehmann 2012.

Für möglichst detaillierte Informationen zum konstruktionstechnischen Aufbau der Spatha wurden begrenzte Bereiche der Funde mit einer hohen Bildauflösung computertomografisch untersucht.54 Die Scans betreffen die Griffkonstruktion und mindestens einen weiteren Klingenabschnitt. Es wurden konstruktionstechnisch besonders vielversprechende Bereiche ausgewählt, die deutliche Strukturen in den zuvor angefertigten Röntgenbildern aufwiesen. Für die Messung wurde die Spatha in einem Plexiglaszylinder fixiert und zusammen mit diesem in aufrechter Position auf dem Drehteller montiert. Die Höhe der gescannten Bereiche beläuft sich meist auf etwa 10 cm. Die Kantenlänge der Voxel des virtuellen 3-D-Modells beträgt maximal 100 µm. Bereits in den Röntgenaufnahmen erkennbare Strukturen wurden durch die CT-Scans deutlich sichtbar gemacht. Aber auch Bereiche, die in der Radiografie befundfrei blieben, können durch Computertomografie erfassbare Materialformationen besitzen. Als problematisch stellte sich teilweise die Metallkernerhaltung der Griffbestandteile bei jüngeren Schwertern heraus. Eiserne Elemente mit einer Stärke von ca. 15  mm und mehr erzeugten in den Aufnahmen erhebliche Strahlungsartefakte. Dasselbe dürfte für mehrere Millimeter dicke Buntmetallschichten und bereits dünne Auflagen aus Edelmetall gelten, die allerdings an den westfälischen Funden nicht vorlagen.

Erste Ergebnisse Jede Spatha aus einem frühmittelalterlichen Grab in Westfalen besitzt im Kern teilweise oder vollständig tordierte Kompositstäbe. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, weil immer wieder von 51 52 53 54

Viele der Funde wurden bereits eingehend radiografisch untersucht (Westphal 2002, bes. S. 11–52). Zum Grab siehe Capelle 1979, S. 33; Brieske in Vorb. Cichy/Aeissen 2011. Die CT-Scans, deren Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden, wurden von der Firma CTM-do in Dortmund durchgeführt. Die Datensätze wurden mit einer Evaluierungslizenz des Programms VG Studio Max., das die Firma Volume Graphics freundlicherweise zur Verfügung stellte, bearbeitet.

Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha

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Abb. 5: 4er-Ansicht des gescannten Ortbereiches der Spatha aus Wünnenberg-Fürstenberg, Grab 61. Unten rechts: 3-D-Modell des gescannten Bereiches; oben links: Querschnitt; oben rechts: Längsschnitt; unten links: Frontschnitt (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen) [Zur besseren Druckbarkeit wurden diese und die folgenden 2-D-Ansichten invertiert].

Klingen die Rede ist, die nicht im Schweißverbundverfahren hergestellt wurden.55 Der Grund hierfür scheint im angewendeten Untersuchungsverfahren zu liegen. Auch beim Schwert aus Grab 133 von DorstenLembeck zeigten sich die Schweißmusterstäbe erst in den CT-Scans, während die zuvor erstellten radiografischen Aufnahmen keinen Hinweis auf eine solche Konstruktion geliefert hatten.56 Alle drei Konstruktionsarten frühmittelalterlicher Schwertklingen konnten an den Funden beobachten werden. Mit Abstand am häufigsten kommt ein Aufbau aus vier, sechs oder acht halbierten Kompositstäben57 vor, die ‚back-to-back’ verschweißt wurden (Abb. 6).58

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Ypey 1984, 199. Westphal 2002, S. 29–30. Siehe auch Hernö 2007, S. 56–57. Als Beleg für die Herstellung der Stäbe durch Spaltung wurden eine Spatha aus Eekwert und Schmiedeversuche angeführt (Ypey 1960/1961, S. 370–372 mit Abb. 4–5; 389 Abb. 25; Ypey 1982, S. 387; Ypey 1984, S. 211). Die häufige Anwendung dieses Verfahren ist jedoch bezweifelt worden. ( Böhne/ Dannheimer 1961, S. 118–119; Emmerling 1972, S. 310). Da das Teilen der Stäbe die dünne Schicht mit halbkreisförmigen Mustern gefährdet, wurde sicherlich keine Spaltung durchgeführt, wenn auf der Klinge genau diese Muster sichtbar werden sollten. Ein solcher Aufbau wurde bereits häufiger nachgewiesen (siehe etwa Lehmann/Müsch 2010; Mäder 2009, bes. S. 113) oder lässt sich aus Fundzeichnungen erschließen.

Abb. 6: Rekonstruktion des Klingenaufbaus aus sechs halben Kompositstäben mit angeschweißten Schneiden. Die Oberfläche zeigt halbkreisförmige Schweißmuster in der Mitte der Stäbe (Bildnachweis: Gisela Helmich, LWL-Archäologie für Westfalen).

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Ulrich Lehmann

Die Anzahl der Stäbe auf Vorder- und Rückseite ist dabei immer identisch. Maximal ein halbes Dutzend Funde weist einen Aufbau mit Kernmaterial auf, das computertomografisch leichter auszuschließen als nachzuweisen ist.59 Auch hier wurde die gleiche Anzahl zumeist halber Kompositstäbe für Vorder- und Rückseite verwendet. In einem Fall handelt es sich jedoch um dünne Bahnen vom Außenbereich der Kompositstäbe. Der Klingenkern zweier weiterer Funde besteht ausschließlich aus massiven Stäben. Einen wesentlichen Aspekt für die Rekonstruktion des Aufbaus stellen die Schweißmuster der Klingenoberfläche dar, die aber meist vollständig und tiefgehend korrodiert ist. Im Zuge der Herstellung der Kompositstäbe entstehen jedoch Konstruktionsmerkmale, die ausgewertet werden können. Die Torsion der Stäbe erzeugt auf der Außenseite schräge Linien, die oft fast waagerecht, also im rechten Winkel zur Stabachse, verlaufen. Zum Innern des Stabes nähern sich die Linien immer mehr der Senkrechten an, bis sie in der dünnen Schicht mit halbkreisförmigen Mustern im Zentrum aufgehen. Durch die Schichtbilder der CT-Scans lässt sich die Veränderung der Neigung in den Ebenen beurteilen. Anhand dieser Information können die ehemals sichtbaren Schweißmuster erschlossen werden.60 Fast alle Klingen zeigten demnach halbkreisartige Strukturen. Lediglich drei Waffen wiesen sicher schräge Linien auf der Oberfläche auf. Es handelt sich um eine Spatha aus Grab 24 von Beckum II61, deren Aufbau ein Kernmaterial mit sehr dünnen Kompositstabauflagen aufweist, und die Schwerter aus Grab 1 von WarburgOssendorf62 und Grab 133 von Dorsten-Lembeck 63, deren Kern aus einem beziehungsweise drei massiv belassenen Stäben besteht. Die Schneiden bestehen basierend auf den Schichtbildern, vor allem denen des Querschnitts, aus einem homogenen Material.64 Durchgehende Konstruktionsnähte zum Klingenkern zeigen an, dass sie zumeist separat gefertigt und angeschweißt wurden.65 Nahe dem 59

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65

Die Ursache liegt einerseits in den Schichtbildern der Frontansicht, die – wohl durch das Verschweißen – im Klingeninnern unschärfer sind als an der Oberfläche. Zudem zeichnen sich keine Schweißnähte im Querschnitt ab. Als Beleg für ein Kernmaterial wurden daher längs der Klingenachse verlaufende Spuren von Gärbung mit geringer Stärke (zum Verfahren siehe z.  B. Emmerling 1972, S. 275–276) und das Fehlen von Schweißmustern in einer relativ starken Schicht im Innern gewertet. Der Grad der Torsion lässt sich hingegen nicht – wie teilweise beschrieben – anhand der Neigung der Linien erfassen, sondern nur durch Auszählen der Schweißmuster – insbesondere der halbkreisförmigen Strukturen (vgl. Emmerling 1972, S. 300–301). Zum Grab siehe Brieske in Vorb. Westphal 2002, S. 16; 17 Abb. 1.1.6a–b. Zum Grab siehe auch Doms 1986, S. 71. Dieser Aufbau ließ sich wie genannt erst durch die CT-Aufnahmen feststellen (vgl. Anm. 56). Da Schweißnähte – etwa um den Klingenkern – in den Querschnittbildern meist unsichtbar bleiben, ist es aber möglich, dass die Schneiden aus mehreren Elementen zusammengesetzt sind. Der Ort ist oftmals gestört oder nicht mehr erhalten, sodass sich kaum beurteilen lässt, ob die Schneiden aus einer oder zwei Bahnen bestehen (vgl. etwa Ypey 1984, 209 Abb. 22,h–i; m–n).

Kern sind häufig dünne Linien parallel zur Klingenachse erkennbar. Sie stammen von der Aufbereitung des Metalls durch Gärben. Zur Außenkante hin wird das Bild wohl durch eine Kombination aus Verdichtung und Korrosion unklarer.66 Die Schneiden bilden zum Großteil auch die Griffangel, denn die Kompositstäbe ziehen auf Höhe der Klingenschultern stark ein und die Torsion wird ausgesetzt.67 Entweder enden die Stäbe kurz darauf oder sie laufen als dünnes Band bis zum Ende der Griffangel. Nur bei der Spatha aus Grab 9 von Wünnenberg-Fürstenberg bilden die Klingenschultern das Ende der Schneiden.68 Ihre Griffangel besteht völlig aus Kompositstäben, die hier wie auf der Klinge abwechselnd tordiert und nicht tordiert sind, obwohl die organische Hilze die Schweißmusterfelder in diesem Bereich verdeckte. Die konventionelle Erfassung des ursprünglichen Klingenquerschnitts wird durch starke Korrosion und alte Ergänzungen69 sehr erschwert. Der Originalzustand ist oftmals an keiner Stelle mehr vorhanden. Er lässt sich aber in den Schichtaufnahmen durch die Metallkernerhaltung in einem größeren Klingenabschnitt erschließen.70 Demnach besitzen die westfälischen Funde fast ausschließlich einen linsenförmigen Querschnitt mit breiten planen Längsseiten (Abb. 7a). Diese Form ist für die Darstellung von Schweißmustern wie den halbkreisförmigen Strukturen, die nur in einer äußerst dünnen Schicht vorkommen, sehr gut geeignet. Jede Unebenheit, geschweige denn eine spanabhebend eingebrachte Hohlkehle, könnte die sichtbaren Muster entscheidend stören. Dennoch sind beidseitige Hohlkehlen schriftlich belegt71 und kommen auch an zwei westfälischen Funden vor (Abb. 7b): an den Schwertern aus Grab 9 von WünnenbergFürstenberg und aus Grab 16 von der Benhauser Straße in Paderborn.72 Beide Klingen bestehen im Kern aus halbierten Kompositstäben und zeigten ehemals auf der Oberfläche halbkreisförmige Muster. Die Hohlkehlen reichen im Querschnitt etwa bis zur Mitte der äußeren Stäbe. Da die CT-Bilder bei der besser erhal66 67 68

69

70 71

72

Ähnliches wurde etwa an der polierten Klinge aus Neudingen beobachtet ( Mäder 2009, S. 112). Zu verschiedenen Griffangelkonstruktionen siehe Mäder 2009, S. 141–142; 143 Abb. 74. Siehe auch Westphal 1991b, S. 96–100; Westphal 2002, S. 20–22. Die Schneiden werden allerdings nicht behandelt. Zum Grab siehe auch Melzer 1991, S. 53–56. So wurden etwa bei der Spatha aus Grab 129 von Soest die Schneiden stark ergänzt, während man den Kernbereich lediglich festigte (Westphal 2002, S. 35, Abb. 1.1.20a–b). Folglich weist die Klinge heute eine breite, unregelmäßige Hohlkehle auf beiden Seiten auf. Die CT-Bilder des Querschnitts ermöglichen hingegen die Rekonstruktion eines linsenförmigen Querschnitts. Ein ähnliches Vorgehen für die Querschnittrekonstruktion wurde bereits vorgeschlagen ( Mäder 2009, S. 119). Die Hohlkehle wird in einem Dankesbrief Theoderichs des Großen vom Anfang des 6. Jahrhunderts genannt. Die konkrete Textstelle lautet: „harum [gemeint sind die Schwerter] media pulchris alveis excavata […]” (Cassiodor, Variae ( Mommsen 1894), V, 1, S. 143). Westphal 2002, S. 18–22. – Die Spatha aus Paderborn ist versehentlich unter „Grab 13” aufgeführt.

Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha tenen Spatha aus Wünnenberg in allen Bereichen halbkreisartige Muster aufweisen, ist es wahrscheinlich, dass hier mit einem Gesenk gearbeitet wurde.73 Die wenigen Klingenmarken im westfälischen Fundmaterial besitzen einfache Formen. Einen Buntmetallring trägt die Spatha aus Grab 9 von Wünnenberg-Fürstenberg mittig im oberen Klingenbereich (Abb. 8a). Der kreisförmig gebogene Draht war zum Ort hin offen74 und weist an den Enden wohl vom Verbiegen stammende kleine Einbuchtungen auf. Die Marke der Spatha aus Grab 6 von Beckum I (Abb. 8b) ist in Form, Position und Material sehr ähnlich,75 sie besteht jedoch aus einem gefalteten Blech, das mehrfach im Kreis gelegt wurde. Ebenfalls zum Ort hin offen ist ein Ring aus verschweißten Eisenlagen der Spatha aus Grab 11 von Dortmund-Asseln (Abb. 8c). Die Marke zeichnete sich in den radiografischen Auf73

74 75

Auf diese Weise werden die Schweißmuster nicht spanabhebend zerstört, sondern nur verdrückt, sodass die Oberflächenzeichnung dieselbe bleibt. Westphal 1991b, S. 97–98; 100 Abb. 10–11. Westphal 2002, S. 13. – Nur zwei weitere kreisförmige Buntmetallmarken, aus Schretzheim, Grab 108, und Mindelheim, Grab 7, sind bekannt ( Koch 1977, S. 99; Taf. 185,6; Werner 1955, S. 25; Taf. 4; 24).

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nahmen nicht ab und kam erst durch die CT-Bilder zum Vorschein.76 Eventuell gibt es weitere Funde mit ähnlichen Merkmalen, die bisher unentdeckt sind. Vier Marken aus verschweißten Eisenlagen – zwei durch ein X getrennte gegenständige Omegas sowie eine Brezelform – finden sich auf der Spathaklinge aus Horstmar Leer (Abb. 8d).77 Sie sind breiter als der Klingenkern und wurden nicht sehr sorgfältig ange76 77

Vgl.Deutmann/Müsch/Wiemers 2007, S. 49–52. – Zum Grab siehe Sicherl 2011, S. 368–371. Drei der Marken waren bisher bekannt (Westphal 2002, S. 40; 42 Abb. 1.1.27a–d).

Abb. 7: Oben: Linsenförmiger Querschnitt der Spathaklinge aus Grab 1 von Beckum I. Unten: Querschnitt mit beidseitiger Hohlkehle der Spathaklinge aus Grab 9 von Wünnenberg-Fürstenberg (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen) .

Abb. 8: Frontschnitte der Spathaklingen aus a) Grab 9 von Wünnenberg-Fürstenberg, b) Grab 6 von Beckum I, c) Grab 11 von Dortmund-Asseln und d) Horstmar-Leer (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen).

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bracht, denn das Einhämmern beim Verschweißen verformte die Klinge, was sich durch größere Bögen in den Schweißnähten und den Schmiedestrukturen der Schneiden äußert. Neben den allgemeinen Beobachtungen lassen sich bereits chronologische Tendenzen im Klingenaufbau erkennen. Die Schwerter der Bestattungen Mitte des 6. bis Anfang des 7. Jahrhunderts sind innerhalb eines festen Rahmens eher individuell gestaltet. Abgesehen von einer Spatha, die nur einen massiven Stab aufweist, sind alle Waffen aus vier, sechs oder acht halben Kompositstäben ohne Kernmaterial mit halbkreisförmigen Strukturen auf der Klingenoberfläche aufgebaut. Allerdings kommen nur bei diesen frühen Funden78 verschiedene Varianten von Schweißmustern vor, die durch den Wechsel von tordierten und untordierten Bereichen in den Stäben entstehen. Aufbau und Erscheinungsform der jüngeren Schwerter sind einfacher und einheitlicher gestaltet. Der Klingenkern besteht aus vier halben Kompositstäben, die wiederum oberflächlich ein durchgehendes Muster aus Halbkreisen zeigen. Die Stäbe sind entweder ‚back-to-back’ oder mit einem Kernmaterial, das sich nur schwer computertomografisch nachweisen lässt, verschweißt. Echte Deckschichtentechnik mit dünnen Schichten tordierter Kompositstäbe, die ein fischgrätartiges Muster erzeugen, ist nur an einem Fund sicher zu belegen. Dieselbe Oberflächenzeichnung lässt sich an einer weiteren Spatha beobachten, allerdings besteht diese im Kern aus drei massiven Stäben. Die Konstruktion der Schwertklinge aus Grab 160 von Haltern-Flaesheim mit sechs halben tordierten Kompositstäben und halbkreisförmigen Mustern auf der Oberfläche79 ist ansonsten nur bei Waffen der älteren Bestattungsgruppe festzustellen.

78 79

Hierzu gehört auch die Mitte des 7. Jahrhunderts im Grab niedergelegte Spatha aus Bergkamen. Lehmann/Müsch 2010. – Zum Grab siehe Reuther 2002, S. 32–33.

An den Schwertern finden sich mehrere, zum Teil sehr offensichtliche Hinweise auf eine längere Nutzungszeit und Umarbeitungen.80 Die Kürzung der Spatha aus Grab 1 von Beckum I lässt sich bereits anhand der äußeren Form vermuten und durch Röntgenbilder belegen, denn der Ort wird nicht durch Schneiden, sondern im Zentrum direkt aus Kompositstäben gebildet. Dunkle Areale in den invertierten CT-Aufnahmen zeigen eine absichtliche, nachträgliche Verdichtung bei der Ausbildung der Klingenspitze an (Abb. 9). Da eine zusätzliche Härtung sicherlich kaum möglich war, dürfte die Funktionalität der Waffe begrenzt gewesen sein.81 Das Schwert aus Grab 160 von Haltern80

81

Lange Tragezeiten sind für die Spatha aus Grab 61 von Wünnenberg-Fürstenberg anhand der Wetzspuren des Knaufringpaares (Westphal 1991b, S. 93–94; 95 Abb. 5) und für das Beckumer Ringschwert festgestellt worden ( Brieske 2011, S. 127). In Grab 8 von Warburg-Ossendorf befand sich eine zum Webschwert umfunktionierte Waffe (Siegmund 1999, S. 257– 258). Kampfspuren wie an der Spatha aus Neudingen ( Mäder 2009, S. 108) kommen an den westfälischen Funden nicht vor. Die Umarbeitung wurde erst im Zuge der CT-Untersuchung festgestellt (vgl. Westphal 2002, S. 26–27). Leider existiert weder eine Befunddokumentation von der Ausgrabung im Jahre 1861 noch waren Knochen für eine anthropologische Untersuchung erhalten (Capelle 1979, S. 3; 6–7; Brieske in Vorb.).

Abb. 9: Frontschnitt des Klingenortes der Spatha von Grab 1 aus Beckum I (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen).

Abb. 10: Frontschnitte der Spathaklingen aus a) Grab 1 von Warburg-Ossendorf und aus b) Grab 61 von Wünnenberg-Fürstenberg (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen).

Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha Flaesheim weist die Form eines Langsaxes auf. Der fehlende Rücken und die Strukturen in den radiografischen Aufnahmen beweisen jedoch, dass es sich um eine ehemalige Spathaklinge handelt. Die lang gezogenen Schweißmuster des Wurzelbereiches in den CT-Bildern weisen darauf hin, dass die Ausbildung der für einen Sax typischen längeren Griffangel auf Kosten der Klinge erfolgte. Nach derzeitigem Forschungsstand ist es unmöglich, die Schwerter einzelnen Werkstätten zuzuweisen. Dennoch kann die Konstruktionsweise Indizien für eine Herstellung durch unterschiedliche Hände liefern. Es ist schwer vorstellbar, dass die im Kern aus nur einem massiven Stab bestehende Spatha aus Grab 1 von Warburg-Ossendorf82 (Abb. 10a) von derselben Person gefertigt wurde wie etwa das Ringschwert aus Grab 61 von Wünnenberg-Fürstenberg (Abb. 10b) derselben Zeitgruppe. Für dessen Herstellung wurden acht halbe in Teilen tordierte Kompositstäbe verwendet.83 Auch die Schweißmuster – einfache schräge Linien gegenüber Feldern von Halbkreisen und Streifen – unterscheiden sich deutlich. Noch klarer ist der Unterschied zwischen der Spatha aus Grab 9 von Wünnenberg-Fürstenberg (Abb. 8a) und beispielsweise dem Schwert des ähnlich zu datierenden Grabes 6 von Beckum I (Abb. 8b), wenngleich beide sogar eine ähnliche ringförmige Marke aus Buntmetall besitzen.84 Bei gleicher Konstruktionsart – halbe Kompositstäbe wurden ‚back-toback’ verschweißt – weist der Beckumer Fund mit vier Elementen nur halb so viele Kernbestandteile auf. Der größte Unterschied – auch zu den anderen Funden – besteht jedoch in der beidseitigen Hohlkehle und den 82 83

84

Siehe auch Westphal 2002, S. 16–17. Dieser Aufbau konnte erst durch die CT-Scans nachgewiesen werden. (vgl. Westphal 1991b, S. 91–96. Westphal 2002, S. 21–22). Zum Grab siehe Melzer 1991, S. 80–86. Siehe auch Westphal 1991b, S. 96–100; Westphal 2002, S. 11–13; S. 20–22.

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an den Klingenschultern endenden Schneiden der Wünnenberger Spatha. Abweichende Schneiden- und Griffangelgestaltung85 sowie der anhand von intakten Schweißmustern anzunehmende Einsatz eines Gesenks zur Schaffung der Hohlkehle lassen unterschiedliche Werkstätten vermuten. Aus dem Vergleich beider Waffen lässt sich außerdem folgern, dass Form und Material von Klingenmarken keine Aussagekraft für die Werkstattzuweisung besitzen.86 Bereits die Verarbeitung vieler verschiedener Konstruktionselemente macht deutlich, dass jede Spatha ein äußerst hochwertiges handwerkliches Produkt ist, das nicht nur zum Kampf, sondern auch zur Repräsentation bestens geeignet war.87 Die Beurteilung der Qualität beruhte bisher in erster Linie auf den Edelmetallbeschlägen von Griff und Scheide sowie teilweise auf der Metallzusammensetzung und der Härte der Schneiden. Doch auch die Sauberkeit der schmiedetechnischen Verarbeitung, die sich computertomografisch feststellen lässt, bietet wertvolle Ergänzungen. Die Beurteilung von Qualität kann hierbei aus dem Zusammenspiel von Schwierigkeitsgrad der Herstellung und Ausführung erfolgen. Neben der fehlerlosen Verschweißung der Bestandteile spielt auch die gleichmäßige Torsion der Kompositstäbe, beziehungsweise die genaue Einhaltung von tordierten und untordierten Abschnitten, eine Rolle. Die handwerkliche Qualität spiegelt sich direkt in den Schweißmustern der Klingenoberfläche und konnte auch vom zeitge85 86

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Siehe auch Mäder 2009, S. 141–142. In jüngster Zeit ist für omega- und hufeisenförmige Marken ein astronomischer Zusammenhang in Betracht gezogen worden ( Mäder 2009, S. 117). Eventuell ist eine der beiden Marken der westfälischen Funde als Imitationsversuch zu werten. Ob dieser aber – falls vorhanden – auf die Werkstatt- und Klingenqualität, die Symbolik oder ganz andere Aspekte abhebt, muss unbekannt bleiben. Die Schweißverbundtechnik wird teilweise als Veredelung und qualitätssteigernd angesehen ( Böhne/Dannheimer 1961, S. 110; Westphal 2000, S. 15). Konstruktionstechnisch bargen die vielen Schweißnähte hingegen ein großes Fehlerrisiko ( Mäder 2009, S. 122).

Abb. 11: Frontschnitte der Spathaklingen aus a) Grab 13 von Beckum II und aus b) Grab 11 von Dortmund-Asseln (Bildnachweis: Ulrich Lehmann, Altertumskommission für Westfalen).

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nössischen Betrachter bewertet werden.88 Der Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Klinge zeigt sich etwa an den Waffen des ‚Fürsten’ aus Grab 13 von Beckum II89 (Abb. 11a) und aus Grab 11 von Dortmund-Asseln (Abb. 11b). Beide Funde gleichen sich in Konstruktion und Schweißmustern. Bei der Dortmunder Spatha variiert jedoch die Stärke der Torsion. Auf einem Abschnitt von 5 cm weisen die drei Stäbe einer Seite sechs, sieben und acht vollständige Torsionen auf. Die auf der Oberfläche sichtbaren Halbkreise verschieben sich also gegeneinander und ergeben kein gleichmäßiges Muster. Bei der Beckumer Spatha stehen sich die halbkreisförmigen Schweißmuster direkt gegenüber.90 Der Grad der Torsion stimmt hier bei den Stäben also über weite Strecken völlig überein, was nur mit größtem handwerklichen Geschick zu erreichen war. Dass die Zeitgenossen die Schweißmuster als besondere Kennzeichen wahrnahmen, zeigt sich nicht zuletzt in einem Dankesbrief des Ostgotenkönigs Theoderich, der von „sich kräuselnden Würmchen”91 spricht. Vor allem Wellenlinien, die manche Klingen aufweisen, lassen sich mit der Schlangensymbolik in Verbindung bringen,92 die im Frühmittelalter vor allem im Totenkult von großer Bedeutung ist.93 Auch die, allerdings etwas spätere schriftliche Überlieferung stellt einen Bezug zwischen dieser Tierart und der Waffe her. So wird etwa in der Thidriks Saga zum Schwert Ekkisax 88 89 90 91

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So werden die Schweißmuster zu „optischen Kennzeichen einer meisterhaften Schmiedearbeit” (Westphal 2002, S. 6). Siehe auch Westphal 2002, 24–26. Eine Schlangenlinie wie an der Spatha aus Neudingen ( Mäder 2009, S. 115) ist hier nicht zu beobachten. Die Textstelle lautet: „[…] quibusdam [gemeint sind die Hohlkehlen] videntur crispari posse vermiculis […]” (Cassiodor, Variae ( Mommsen 1894), V, 1, S. 143). Mäder 2009, bes. S. 124–132. Dies belegen unter anderem die Darstellungen auf den Deckeln einiger Totenbäume aus Seitingen-Oberflacht ( Paulsen 1992, bes. 35–40).

berichtet, dass es aussähe, als winde sich eine Schlange die Klinge hinunter, wenn man dessen Spitze auf den Boden aufsetzt.94 Insbesondere der duale Charakter des Schlangenwesens, das nicht nur mit seinem Biss Leben beenden kann, sondern gleichzeitig eine beschützende Funktion besitzt und in der Form einer Acht auch Unendlichkeit symbolisiert, lässt sich sehr gut mit der ideellen Bedeutung der Spatha vereinbaren. Es wird jedoch künftig zu prüfen sein, wie die konkrete Verbindung zwischen Schweißmustern und frühmittelalterlicher Bilder- und Vorstellungswelt beschaffen ist.

Fazit und Ausblick Die 3-D-Computertomografie liefert entscheidende Daten zur Erforschung der Spathaklinge. Sie eignet sich, nicht zuletzt weil es sich um ein zerstörungsfreies Verfahren handelt, besonders für die Analyse größerer Serien von Objekten. Erst solche Reihenuntersuchungen werden es ermöglichen, die Funde in einem größeren Kontext zu bewerten. Außerdem sind die Griffkonstruktion, die Schwertscheide und der Wehrgurt elementare Bestandteile des ‚Konzeptes’ der Spatha im frühen Mittelalter, da sie wichtige Flächen für die Statusrepräsentation bieten und selbst einen vielschichtigen Aufbau besitzen. Eine umfassende Studie zur Spatha ist daher auf die Betrachtung aller konstruktionstechnischen Bereiche95 mit verschiedenen möglichst nicht zerstörenden oder minimalinvasiven Verfahren angewiesen. Auf diese Weise wird es in einem stärkeren Maße möglich sein, Funde mit bekanntem Kontext – in der Regel das Grab – zu untersuchen. Die konstruktionstechnische Analyse der Waffen kann und sollte folglich in großer Breite mit den Untersuchungsergebnissen zum Befund, die etwa die Datierung oder die sozio-kulturelle Ansprache des im Grab Bestatteten betreffen, verbunden werden. 94 95

Siehe etwa Davidson 1962, bes. S. 166–167. Auch zur Griffkonstruktion und zur Schwertscheide liefert die 3-D-Computertomografie wichtige Informationen. Zur Schwertscheide siehe etwa Lehmann 2009.

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Die Klinge der frühmittelalterlichen Spatha

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