Die Hausbauten der Älteren und Ältesten Linearbandkeramik
Seminararbeit
Sommersemester 2011 SE: Die ersten Häuser Europas Leitung: Univ. Doz. Dr. Eva Lenneis Vorgelegt von: Alexander Minnich Vereinsgasse 6/2, 1020 Wien Matrikelnummer.: a1068189
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Gliederung:
1.
Übersicht
2.
Ausgewählte Fundplätze
2.1
Mohelnice
2.1.1 Gebäude 6 2.2
Eitzum
2.2.1 Gebäude 18 2.3
Schwanfeld
2.3.1 Gebäude 15 2.3.2 Gebäude 16 2.4
Gerlingen
2.4.1 Haus 2 2.4.2 Haus3 2.4.3 Haus 22
3.
Charakteristika und funktionale Unterteilung altbandkeramischer Häuser
3.1
Der Südteil
3.2
Der Mittelteil
3.3
Der Nordteil
4.
Die Außengräben
4.1
Allgemein
4.2
Deutung
5.
Ausblick: Brunn
6.
Literaturliste
2
1.) Übersicht: In der folgenden Seminararbeit des Seminars „Die ersten Häuser Europas“ werden die Hausbauten der ältesten und älteren Linearbandkeramik vorgestellt. Neben einzelnen Fundplätzen, wie Mohelnice in Tschechien, Eitzum in Niedersachsen, Schwanfeld in Bayern, Gerlingen in Baden-Württemberg und Brunn am Gebirge in der näheren Umgebung von Wien sollen auch die typischen Merkmale der dort gefundenen Häuser beschrieben werden. So steht in dieser Arbeit das Haus und damit auch alle Eigenschaften, die es zu einem solchen machen, im Vordergrund. Um bandkeramische Gebäude zu beschreiben, bedarf es zunächst einer Klärung, aus wie vielen Teilen diese bestehen. Am geeignetsten dafür ist das sogenannte Modderman-Schema, das nach dem gleichnamigen Forscher benannt ist. Dieses Schema unterteilt allgemein Gebäude in drei verschiedene Typen. So werden dreiteilige Großbauten als Typ 1 beschrieben, zweiräumige Bauten als Typ 2 und Typ 3 bezeichnet die lediglich aus einem Mittelteil bestehenden Kleinbauten. Die Bauten der ältesten und älteren Linearbandkeramik lassen sich in alle drei Typen unterteilen, da sowohl der Bau eines Nordteils als auch der Bau eines Südteils nicht zwingend notwendig gewesen ist. Dennoch lässt sich durch den Vergleich der verschiedenen Fundstellen eine Dominanz der Großbauten, also des Typs 1, feststellen. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit einigen interessanten Fragen, zum Beispiel der nach der Lage der Feuerstelle innerhalb des Gebäudes. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte diese noch nicht geortet werden, genauso wie der exakte Eingangsbereich, für den es verschiedene Lösungsansätze gibt, die von einem im zentralen Mittelteil gelegenen Eingang bis hin zu einem überdachten Eingangsbereich im Südteil reichen. Des Weiteren liefern die für die Bauten der ältesten und älteren Bandkeramik typischen Außengräben genug Stoff für umfangreiche Diskussionen und Interpretationsvorschläge, die jedoch auf Grund der bisweilen unklaren Sachlage überdacht werden müssen. Die Quellenlage für dieses Thema ist umfangreich, neben Übersichtswerken wie dem Werk von Stäuble zum Hausbau und zur Datierung der ältesten Linearbandkeramik, gibt es zahlreiche Beschreibungen von einzelnen Fundplätzen oder Sammlungen von mehreren Fundstellen. Obwohl diese sehr übersichtlich geschrieben sind, sind die ein oder anderen Mängel festzustellen. So sucht man oft vergeblich nach den Profilen der Pfostengruben, der Längsgruben oder der Außengräben. In den Fällen, wo diese dann aufgeführt werden, fehlt meistens der dazugehörige Maßstab und 3
so ist es schwer, die einzelnen eingetieften Elemente der zu untersuchenden Häuser miteinander zu vergleichen. 2.1) Mohelnice: Der Fundplatz in der Nähe des Dorfes Mohelnice liegt in Mähren in 267 m ü. NN an der Einmündung der Mírovka in die March am westlichen Ufer des Flusses und wurde in mehreren Grabungskampagnen in den 1950er und 1960er Jahren von Tichy ausgegraben. Durch die Ergebnisse der Grabungen wurde für die Gebäude der ältesten und älteren Linearbandkeramik der Begriff „Haus vom Typ Mohelnice“ geprägt, der den Außengraben als wichtiges Merkmal dieser Gebäude charakterisiert.1 2.1.1) Gebäude 6 (Abb. 1): Der Mittel- und der Südteil dieses Gebäudes wurden während der zweiten Grabungskampagne im Jahre 1956 von Tichy entdeckt und als Haus II2 beschrieben. Zwei Jahre später folgte die Freilegung des Nordteil und so konnte die gesamte Länge von 20 Metern erfasst werden. Der Nordteil lässt sich durch die Querpfostenreihe 3 20, den Pfostengruben 59 bis 61, deutlich vom Mittelteil abgrenzen, dagegen ist die Bestimmung der Querpfostenreihe 30, der Grenze des Mittelteils zum Südteil hin, nicht eindeutig. So könnte sie einerseits durch die Stellen 51 und 52 markiert sein, die zur Querpfostenreihe 20 einen Abstand von vier Metern haben, andererseits jedoch durch die Stellen 43 bis 45, da diesen Pfostengruben die Doppel- bzw. Mehrfachpfosten des Südteils folgen.4 Die Länge des Nordteils misst mit seinen vier Querpfostenreihen, von denen die Querpfostenreihe 18 von mehreren Pfostengruben gebildet wird, insgesamt neun Meter. Die Länge des Mittelteils beträgt weniger als sieben Meter. Er besteht aus einem verhältnismäßig großen, pfostenfreien Raum, der durch die Doppel- bzw. Mehrfachpfosten der Querpfostenreihe 30 begrenzt wird. Ihm schließt sich der Südteil mit einer Länge von 4,5 Metern an. Östlich des Mittelteils taucht in der 14 Meter langen und bis zu fünf Meter breiten Längsgrube ein deutlich hervortretender Außengraben auf. Die entsprechenden
1
vgl. Stäuble 2005, 127 Die neuere Literatur kennzeichnet dieses Haus als Gebäude 6 (Anm. des Autors) 3 Der Begriff „Querpostenreihe“ wird an einigen Stellen im Text mit der Kurzform QPR abgekürzt (Anm. des Autors) 4 vgl. Stäuble 2005, 131 2
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westlichen Befunde lassen sich jedoch nicht so deutlich ausmachen, so könnte zum Beispiel die Stelle 1088 das entsprechende westliche Gegenstück sein.
Abb. 1: Mohelnice, Gebäude 6 (Tafel 85, Stäuble 2005)
2.1.2) Gebäude 18 (Abb.2): Das in einer späteren Grabungskampagne des Jahres 1960 freigelegte Gebäude wurde von Tichy in seinem Bericht als Haus XII publiziert5. Es handelt sich hierbei um einen nahezu vollständig erhaltenen Grundriss, der ähnlich wie Gebäude 6, knapp über 20 Meter lang ist. Die Querpfostenreihe 20, auszumachen in den Pfostengruben 30, 36 und 43, kennzeichnet die Trennlinie zwischen Mittel- und Nordteil. Die Länge des aus zwei schrägen Querpfostenreihen bestehenden Nordteils misst nahezu vier Meter. Eine Besonderheit weisen die östlichen Pfosten der Hauswand auf, die aus größeren Gruben als die östlichen Pfosten des Mittelteils bestehen. Des Weiteren ist ihre Flucht um etwa einen halben Meter 5
Die neuere Literatur kennzeichnet dieses Haus als Gebäude 18 (Anm. des Autors)
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nach innen versetzt, was darauf hindeuten könnte, „(...) dass der gesamte Nordteil erst später angebaut worden ist.“6 Die Länge des neben der Querpfostenreihe 20 aus zwei weiteren Querpfostenreihen, der abknickenden Querpfostenreihe 21 und der schrägen Querpfostenreihe 22, bestehenden Mittelteils beträgt neun Meter. In den beiden QPR 21 und 22 könnte man auch „(...) eine ,Y´Konstruktion mit weiteren abstützenden Pfostengruben sehen (...).“ 7 Es wird aber auch gleichzeitig deutlich, wie unsicher eine solche Bestimmung ist, da bei Gebäude 18 nicht das typische Bild einer Y-Konstruktion zu sehen ist. Der Südteil, die interessanteste Struktur innerhalb des Gebäudes, misst ebenfalls neun Meter und ist damit genauso lang wie der Mittelteil. Seine Pfostengruben sind im Vergleich mit anderen Häusern der Siedlung deutlicher ausgeprägt. Es handelt sich ausschließlich um Mehrfachpfostengruben, „(...) deren Pfostenzahl steigt, je weiter man nach Süden kommt, und zwar von zunächst 2-3 (QPR 30) über 3-4 (QPR 31) bis schließlich 4-7 (QPR 32).“8 Diese Konstruktion erweckt den Eindruck von drei in Nord- Südrichtung verlaufenden Wänden. „Wichtig sind auch die beiden Pfostengruben 27 und 55, die zusammen mit einem weiteren Pfosten in Stelle 2012 die Zwischenräume der QPR 30 schließen und auf eine Querwand verweisen.“9 Der Durchgang lässt sich im Abschnitt zwischen der westlichen Pfostenreihe und der Firstpfostenreihe rekonstruieren, eine Besonderheit, die auch die Gebäude 15 und 16 in Schwanfeld, Landkreis Ludwigsburg, aufweisen, auf die im späteren Verlauf des Textes noch eingegangen wird.
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Stäuble 2005, 133 Stäuble 2005, 133 8 Stäuble 2005, 133 9 Stäuble 2005, 133 7
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Abb.2: Mohelnice, Gebäude 18; Die Trennwand zwischen Mittel- und Südteil ist rot eingezeichnet (Abb. 87, Stäuble 2005)
Der Sinn und Zweck einer solchen Vielzahl an Wandkonstruktionen ist unbekannt, da der ohnehin schon geringe Platz im Raum somit noch verkleinert wurde. Die Außengräben verlaufen östlich und westlich jeweils entlang des Mittelteils und sind etwas kürzer als dieser. Ihre Länge beträgt sieben Meter für den östlichen und 7,5 Meter für den westlichen Graben. An Hand von Getreidekörnern, die in der östlichen Längsgrube (Stelle 54) gefunden wurden, konnte das Haus mittels C-14 Methode in den Bereich von 5414 – 5223 cal BC datiert werden und deckt sich somit mit der typologischen Einordnung der Funde der Längsgruben (Stelle 53, 54, 55) in die Älteste Linearbandkeramik. Bemerkenswert bei diesem Gebäude sind der pfostenarme Mittelteil und der im Vergleich zum Mittelteil überaus pfostenreiche Südteil, der sogar durch eine eigene Trennwand vom Rest des Hauses abgetrennt war.
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2.2) Eitzum: Der Fundplatz im Ortsteil Eitzum, Stadt Schöppenstedt, Landkreis Wolfenbüttel, befindet sich in Niedersachsen. Das im folgenden Abschnitt beschriebene Gebäude 4 konnte im Verlauf der Ausgrabungen vollständig freigelegt werden.
2.2.1) Gebäude 4 (Abb. 4): Wie bereits in Mohelnice beschrieben, definiert die Querpfostenreihe 20 (Abb. 3) die Grenze des Mittelteils nach Norden hin. Bei Gebäude 4 ist sie durch die Stelle 15, 16 und 17 definiert. Bei der QPR 20 handelt es sich mit einer Tiefe zwischen 0,42 und 0,55 Metern eindeutig um die am tiefsten eingegrabenen Pfostengruben, die bei Gebäude 4 in Eitzum aufgedeckt werden konnten.10 Eine nähere Beschreibung der QPR 20 sowie deren Funktion folgt im Punkt 7.2, bei der Erläuterung des Mittelteils. Die Wandpfosten 110 und 111 stellen möglicherweise das südliche Hausende dar, da sie sich in direkter Verlängerung der Hauswände befinden und die äußersten Befunde darstellen. Somit lässt sich eine Gesamtlänge von 25,5 Meter rekonstruieren, die lediglich sechs bis sieben Querpfostenreihen aufweist. Die Breite des Gebäudes misst im Bereich der QPR 20 über zehn Meter.11 Ähnlich wie in Mohelnice befinden sich die Außengräben wieder im Bereich des Mittelteils. Daneben befinden sich „(...) auf beiden Seiten anschließende Längsgruben (...), (die) das Gebäude in seiner ganzen Länge (...).“ 12 begleiten. Bemerkenswert ist, dass der östliche Außengraben an seinem unteren Ende vier waagrechte Strukturen aufweist, die ihn schneiden. Ähnliche Strukturen weist Haus 3 in Gerlingen auf, auf das später noch eingegangen wird. Jedoch konnte nicht genauer geklärt werden, um was für eine Konstruktion es sich gehandelt haben könnte. Der Südteil besteht bei diesem Gebäude wieder aus den typischen Doppelpfosten, die jedoch nur eine Querpfostenreihe bilden.
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vgl. Stäuble 2005, 33 gemeint ist die Breite von der Innenseite des einen Außengrabens bis zur Innenseite des gegenüberliegenden Außengrabens (Anm. des Autors) 12 Stäuble 2005, 34 11
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Abb. 4: Eitzum, Gebäude 4 (Tafel 30, Stäuble 2005)
Abb. 3: Die QPR 20 mit den dazugehörigen Profilen (Beilage 18, Stäuble 2005)
2.3) Schwanfeld: Obwohl das unterfränkische Dorf Schwanfeld, Landkreis Schweinfurt, als das älteste Dorf Deutschlands gilt, konnte eine durchgehende Besiedlung über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren nicht lückenlos bewiesen werden. Die Ausgrabungen brachten jedoch mehrere gut erhaltene Hausgrundrisse der Ältesten und Älteren Linearbandkeramik zu Tage.
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2.3.1) Gebäude 15 (Abb. 5): Bei Gebäude 15 handelt es sich „(...) um einen vollständig aufgedeckten und verhältnismäßig sehr gut erhaltenen, 21 Meter langen, dreiteiligen Bau mit einem etwa fünf Meter langen, südlichen Anbau.“13 Die Länge des Nordteils beträgt 9,5 Meter, die des pfostenfreien Mittelteils 8,4 Meter. Sowohl die Pfostengruben 709 und 710, als auch die Gruben 711 bis 714 und 731 suggerieren eine Abtrennung des Südteils zum Mittelteil hin mit einer „(...) etwa 1,5 Meter breiten Öffnung zwischen Stelle 710 und 711.“14 Das Erscheinungsbild ist somit das gleiche wie bei dem im Punkt 2.2 beschriebenen Gebäude 18 in Mohlenice. „Die Länge des Südteils variiert (...) zwischen knapp drei Metern (zwischen QPR 30 und 41) und fast vier Metern, wenn man bis zum Ende des Außengrabens bzw. dem letzten Pfosten der Hauswand misst (Stelle 735).“15 Der südliche Anbau wird von einer Reihe wenig eingetiefter Pfostengruben gebildet, die von ihrer Größe her im Planum eher den Wandpfosten ähneln. Zwei Außengräben umfassen das Gebäude jeweils auf einer Länge von 15 Metern, wobei der Westliche an seinem unterem Ende noch eine Teilung aufweist. Insgesamt konnten auf der östlichen Hauswand 15, auf der westlichen jedoch nur zwei Pfostengruben nachgewiesen werden. Es stellt sich natürlich die Frage, ob es sich hierbei um ein erhaltungsbedingtes Fehlen der Pfosten handelt, oder ob die Hauswand andersartig konstruiert wurde. Interessant ist auch die Grube 624 am nordwestlichen Ende des Gebäudes. „Dass diese Grube auf der westlichen anstatt der auf diesem Fundplatz üblichen, östlichen Hausseite ausgehoben wurde, könnte durch den geringen Abstand zu Gebäude 16 erklärt werden. Das würde bedeuten, dass letzteres älter ist, und entweder noch in Benutzung oder aber als Ruine noch ganz deutlich zu sehen war.“16
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Stäuble 2005, 61 Stäuble 2005, 61 15 Stäuble 2005, 61 16 Stäuble 2005, 64 14
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Abb. 5: Schwanfeld, Gebäude 15; Die Trennwand, die den Mittelteil vom Südteil abgrenzt, ist rot eingezeichnet (Tafel 147, Stäuble 2005)
2.3.2) Gebäude 16 (Abb. 6): Das Gebäude 16 schließt sich in sieben Metern Abstand an das westlich gelegene Gebäude 15 an, so dass sich die Längsgruben nahezu berühren. Mit einer Länge von 17,2 Metern ist es deutlich kürzer als das benachbarte Gebäude 15, „(...) was hauptsächlich an dem nur aus zwei anstelle von drei Querpfostenreihen bestehenden Nordteil liegt.“17 Der pfostenlose Mittelteil beginnt mit der QPR 20, den Stellen 736 bis 738, und endet an der QPR 30, den Stellen 742, 743 und 745. Ähnlich wie bei Haus 15 befindet sich hier zwischen der westlichen Pfostenreihe und der Firstpfostenreihe eine etwa 1,3 Meter weite Öffnung. De facto ist bei dem älteren Gebäude 16 auch schon eine Trennwand vom Südteil zum Mittelteil errichtet worden. Insgesamt betrachtet sind die südlichen Querpfostenreihen mit 3,8 Metern breiter als im Norden mit drei Metern. So kann dem Gebäude eine leichte Fluchtverschiebung zugewiesen werden, die ein trapezförmiges Erscheinungsbild hervorruft. Ablesen lässt sich dies auch an den 13 Meter langen Außengräben, deren „(...)
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Stäuble 2005, 66
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Breitenunterschied auf zwei Meter ansteigt und die Trapezform hier am deutlichsten hervortritt.“18
Abb. 6: Schwanfeld, Gebäude 16; Sowohl der Verlauf der Außengräben, als auch die zunehmende Breite der Querpfostenreihen von Nord nach Süd verdeutlichen die Trapezform, die hier rot umrandet dargestellt ist. (Tafel 148, Stäuble 2005)
2.4) Gerlingen: Gerlingen, Landkreis Ludwigsburg, liegt am südlichen Rand des Neckarbeckens und grenzt westlich an Stuttgart an. Die Lage der Siedlung an der Grenze „(...) eines Lößgebietes mit Zugang zu andersartigen Nutzungsräumen ist für die Bandkeramik geradezu kennzeichnend.“19 Erwähnenswert wären in diesem Zusammenhang zum Beispiel der Sandstein von den Höhen des benachbarten Glemswalds, der für die Herstellung von Getreidemühlen verwendet wurde oder der leichte Zugang zu Holz, Wasser und Weideland. Das Grabungsgelände fällt von ihrem höchsten Punkt im Süden (332,30 m ü. NN) bis zu ihrem nördlichen Rand (315 m ü. NN) um neun Meter ab. Somit ergibt sich eine recht steile
18 19
Stäuble 2005, 66 Nerth 1999, 14
12
Hangneigung von 3%. Insgesamt ließen sich aus den Pfostengruben und Wandgräben 36 Hausgrundrisse rekonstruieren, die alle Kriterien des Modderman-Schemas20 beinhalten.
Abb. 7: Querprofil vom Strohgäu über die Keuperberge NW Stuttgart zum Neckartal bei Stuttgart-Bad Cannstatt (Abb. 2, Nerth 1999)
2.4.2) Haus 3 (Abb. 9): „Von den vier Hausgrundrissen der ältesten Bandkeramik ist Haus 3 der am besten erhaltene.“21 Das mindestens 13 Meter lange Gebäude umfasst einen Mittelteil und einen Südostteil mit länglichen Pfostengruben. Auffällig ist, dass von „(...) den Pfosten der eigentlichen Hauswand keine Spuren erhalten geblieben (sind). Die zusätzlichen den Mittelund Südostteil flankierenden Außengräben (2/4, 2/14, 2/9) zeichnen sich dagegen noch deutlich ab.“22 Ähnlich wie bei Gebäude 4 in Eitzum, zeigt das Längsprofil durch den Außengraben 2/9, „(...) dass der Graben aus mehreren länglichen Mulden besteht, die über flache Stege miteinander verbunden sind.“23 Jedoch konnte wiederum der genaue Sinn dieser Konstruktion nicht näher erörtert werden. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass nichts auf die Existenz eines Nordteils hindeutet. Für den Mittelteil, der aus zwei Querpfostenreihen besteht, ergibt sich eine gesamte Länge von acht bis neun Metern, der Südostteil ist vier Meter lang, vorausgesetzt man rekonstruiert das Ende von Haus drei kurz hinter der Doppelpfostenreihe. Verbindet man die Außengräben miteinander, so lässt sich wiederum klar ein trapezförmiger Grundriss erkennen.
20
vgl. 1.) Übersicht Nerth 1999, 30 22 Nerth 1999, 31 23 Nerth 1999, 32 21
13
Abb. 9: Gerlingen, Haus 3; Die Trapezform ist hier rot umrandet eingezeichnet (Abb. 13, Nerth 1999)
2.4.1) Haus 2 (Abb. 8): Mit seiner Länge von 31 Metern und seiner Dreiteiligkeit, ist der Großbau dem Bautyp 1b der älteren Bandkeramik zuzuordnen. „Der Nordwestteil ist von einem 30-70 cm breiten Wandgraben (4/2) umgeben, dessen Seitenlängen 9,2 m und 7,0 m betragen. Die Breite des Hauses mißt über der leicht ausschwingenden Schmalseite 5,6 m.“24 Eine Besonderheit stellt das Diagonalgräbchen in der Nordecke dar, welches eine Verstärkung oder eine nachträgliche Ausbesserung der Hausecke sein könnte. Die Pfostengruben 4/13, 4/46 und 4/47a bilden die QPR 20 und somit die Grenze zwischen Nord- und Mittelteil. Die Stellen 4/49, 4/62, 4/61 und 4/37 bilden die klassische Y-Pfostenstellung des Mittelbaus, wobei die Stellen 4/79, 4/80 und 4/84a die Grenze zwischen Mittel- und Südteil bilden, der keine Doppelpfosten aufweist. Diesen Übergang bildet somit die Querpfostenreihe 30. Den Außengraben stellt die Stelle 4/45 dar, das entsprechende westliche Gegenstück könnte in der Stelle 4/71 auszumachen sein.
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Nerth 1999, 29
14
Abb. 8: Gerlingen, Haus 2 (Abb. 10, Nerth 1999)
2.4.3) Haus 22 (Abb. 10): Der Großbau des Typs 1b ist insgesamt 23,4 Meter lang, 5,4 Meter breit und ist weitgehend vollständig erhalten geblieben. Der Wandgraben, der den Nordwestteil mit seinen drei Querpfostenreihen und einer Länge von sieben Metern umgibt, hat eine durchschnittliche Breite von 40 cm. Die für den Mittelteil charakteristische Querpfostenreihe 20 wird durch die Pfostengruben 171, 173 und 174 gebildet. Darüber hinaus wird sie durch einen weiteren Pfosten, erkennbar in der Pfostengrube 172, verstärkt. „Im weiteren Verlauf des 9,8 m langen Mittelteils lassen sich vier Pfostengruben (C 170, C 162, C 161, C 164) zu einer schmalen, aber symmetrischen Y-Stellung verbinden.“25 Die benachbarten Stellen 169 und 170 müssen als zusätzliche Stützen für den Mittelteil angesehen werden. Als Querpfostenreihe 30 und somit als Trennung zwischen Mittel- und Südteil fungieren die Pfostengruben 157 bis 159. Ihnen schließt sich der 6,6 Meter lange Südteil mit den typischen Doppelpfosten an.
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Nerth 1999, 58
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Abb. 10: Gerlingen, Haus 22(Abb. 38, Nerth 1999)
3.) Charakteristika und funktionale Unterteilung altbandkeramischer Häuser: Im folgenden Abschnitt sollen zum einen die Ergebnisse der vorgestellten Gebäude zusammengetragen werden, andererseits jedoch soll versucht werden, typische Merkmale von Häusern der ältesten und älteren Linearbandkeramik herauszuarbeiten. Dazu werden die einzelnen Teile, aus denen ein bandkeramisches Haus bestand, vorgestellt und ein genauer Blick auf die charakteristischen Merkmale der einzelnen Teile geworfen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Querpfostenreihen den Hauptanteil der Befunde ausmachen. „Die am wenigsten eingegrabenen Querpfostenreihen liegen tendenziell im Nordteil der Gebäude (QPR 16-19). Dagegen waren die südlichen und die wenigen Beispiele von Querpfostenreihen im zentralen Mittelteil (...) um 0,2 m tief erhalten. QPR 20 ist stets deutlich tiefer eingegraben und scheint identisch zu sein mit der QPR 21 von jüngerbandkeramischen Häusern, (...).“26 Die Querpfostenreihen 20 und 30 bieten darüber hinaus die Möglichkeit einer Unterteilung der Häuser in ein bis drei Teile. „Die Häuser der Ältesten Bandkeramik (Hausgruppe 1) besitzen im Mittel- und im Südteil meist eine Querpfostenreihe weniger als jene der anderen Gruppen.“27 Eine weitere Besonderheit ältestbandkeramischer Häuser ist der trapezförmige Grundriss, der am besten am Verlauf 26 27
Stäuble 2005, 148 Stäuble 2005, 149
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der Außengräben zu erkennen ist (vgl. Gerlingen, Haus 3), deren Breite in nord-/südlicher Richtung ansteigt. Neben der „(...) Breite der Querpfostenreihen (...) spiegelt auch die Hausbreite die zwar schwache, aber stets vorhandene Trapezförmigkeit der ältestbandkeramischen Bauten“28 wieder. 3.1) Der Südteil: Für den Südteil charakteristisch sind vor allem die Doppelpfosten, die in einigen Fällen auch durch Mehrfachpfosten ersetzt werden können. Eine Besonderheit stellt sicherlich das Gebäude 18 in Mohelnice dar, dessen Pfostenzahl auf bis zu vier bis sieben Pfosten in der südlichsten Querpfostenreihe (QPR 32) steigt. Diese Konstruktion erweckt den Eindruck von drei in nord-/südlicher Richtung verlaufender Wände oder Korridore, die durch die mit Pfosten verschlossene Querpfostenreihe 30 begrenzt wurden. Der Sinn und Zweck dieser eher platzverschwenderischen Bauart bleibt dabei offen. Auch bei den Gebäuden 15 und 16 in Schwanfeld, Landkreis Ludwigsburg, konnte eine Trennwand zwischen Mittel- und Südteil dokumentiert werden, die sich nicht nur an derselben Stelle, der Querpfostenreihe 30 befand, sondern auch die Öffnung im selben Bereich wie in Mohelnice aufwies. Offen blieb nur ein schmaler Eingang zum Mittelteil, der sich zwischen der westlichen Pfostenreihe und der Firstpfostenreihe befand. Wegen der häufigen Verschiebung des Südteils wird er oft als nachträglich angebauter Teil des Hauses angesehen.29 Neben der Deutung seiner Funktion als erhöhter Speicher30, gibt es auch solche einer offenen Konstruktion mit Dach. Stäuble beschreibt zum Beispiel, dass ein nach Süden hin offener Südteil, „(...) ausreichend Licht für die vielfältigen, draußen zu verrichtenden Tätigkeiten (...)“31 bot, gleichzeitig aber auch genügend Schutz vor schlechter Witterung und Regen gewährte und „(...) dadurch eine Anpassung älterer Gewohnheiten an das hiesige Klima zu sein (...)“32 scheint. Er führt jedoch nicht weiter aus, um was für Gewohnheiten es sich hierbei gehandelt haben könnte und warum man genau eine solche Konstruktion errichtete. Die allgemeine Rekonstruktion eines erhöhten Geschosses über den Doppelpfosten scheint am plausibelsten zu sein, jedoch weisen sowohl Architekten, als auch Statiker darauf hin, „(...) dass es für einen eingezogenen Dachboden einer solchen 28
Stäuble 2005, 155 vgl. Stäuble 2005, 194 30 vgl. Stäuble 2005, 192 31 Stäuble 2005, 194 32 Stäuble 2005, 194 29
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Konstruktion nicht bedarf.“33 Nachzudenken ist des Weiteren über einen im Süden gelegenen Eingangsbereich, der jedoch noch nicht archäologisch bewiesen werden konnte. Der Südteil kann also „(...) als kleiner Vorraum zum eigentlichen Wohn- und Arbeitsraum angesehen werden, der nicht zwingend geschlossen gewesen sein muss.“34 3.2) Der Mittelteil: Den Kern des Mittelteils bildet die Querpfostenreihe 20, die Grenze des Mittelteils zum Nordteil hin. Diese ist „(...) bei den ältestbandkeramischen Häusern stets am tiefsten eingegraben worden.“35 Die Breite der Pfostengruben lässt den Schluss zu, dass es sich hierbei um die massivsten Stämme gehandelt haben muss, die im Gebäude verbaut wurden. Vergleicht man den Erhaltungszustand der Innenpfosten mit dem der Querpfostenreihe 20, so fällt gleich auf, dass diese um einiges tiefer eingelassen war, als die Wandpfosten. Bei Gebäude 15 in Schwanfeld waren zum Beispiel die Wandpfosten in einer Tiefe zwischen 0,07 und 0,15 Metern erhalten geblieben, die Pfostengruben der Querpfostenreihe 20 waren jedoch noch zwischen 0,6 und 0,8 Meter tief erhalten geblieben.36 Die niedrige Tiefe der Wandpfosten ist zwar der Tatsache zu verdanken, dass die Wandpfosten wegen ihrer geringen Größe weniger tief eingegraben wurden und daher der Erosion weitgehend zum Opfer fielen, dennoch lässt dieser Vergleich den Schluss zu, dass die QPR 20 neben den Außengräben die am tiefsten eingegrabene Struktur eines Hauses der Ältesten und Älteren Bandkeramik war (vgl. Abb. 14). Auch die Pfostengruben der Querpfostenreihe 20 von Haus 22 in Gerlingen zeigen dies deutlich.37 So konnte bei dem Pfosten C 174 ein Durchmesser von 0,60 m und eine Tiefe im Profil von 0,21 m nachgewiesen werden. Die Pfosten C 173 und C 171 verhalten sich mit Durchmessern von 0,64m und 0,63 m und einer Tiefe von 0,28 m und 0,30 m ähnlich. Im Vergleich zu den Pfostengruben der anderen Querpfostenreihen und zu den Wandpfosten stellt sich heraus, dass sie nicht nur doppelt so groß im Durchmesser waren, sondern auch nahezu doppelt so tief eingegraben waren. Ein erneuter Blick auf die Profile der Pfostengruben der QPR 20 des Gebäudes 4 in Eitzum hebt dies noch einmal hervor.
33
Stäuble 2005, 192 Stäuble 2005, 194 35 Stäuble 2005, 166 36 Stäuble, 61 37 vgl. Nerth 1999, 57 34
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Abb. 11: Die Pfostengruben 15, 16 und 17 der QPR 20 des Gebäudes 4 in Eitzum. Die Profile weisen Tiefen zwischen 0,42 und 0,55 Metern auf. Damit handelt es sich um die tiefsten Pfostengruben des Gebäudes. (Beilage 18, Stäuble 2005)
So ist es durchaus vorstellbar, „(...) dass der Bau eines ältestbandkeramischen Hauses an dieser Stelle begann.“38 „Das tiefe Eingraben von Querpfostenreihe 20 ist auch deshalb sinnvoll, weil die Pfosten nicht zusätzlich gestützt werden müssen, bis die restlichen Bauelemente um sie herum aufgebaut und damit verbunden sind und somit einen Zusammenhalt gewährleisten.“39 Für die Konstruktion des Mittelteils ergeben sich verschiedene Szenarien, von einer pfostenlosen Innenkonstruktion, bei der während der Ausgrabungen keine Innenpfostengruben dokumentiert werden konnten, bis zur sogenannten Y-Pfostenstellung in ihrer klassischen oder degenerierten Form. Die Konstruktion einer Y-Pfostenstellung schuf im Innenraum mehr Platz und lässt auch die Annahme eines seitlichen Eingangs zu, der jedoch nicht sicher bewiesen werden kann. Charakteristisch sind auch die den Mittelteil begleitenden Außengräben, die sich teilweise auch in die benachbarten Hausteile erstrecken. Allgemein kann der Mittelteil als eigentlicher Wohn- und Arbeitsraum gedeutet werden, dessen Größe je nach Ausführungsart schwanken kann. Die Wandkonstruktionen des Süd- und Mittelteils „(...) lassen sich zu mit Lehm verstrichenen Flechtwerkwänden ergänzen, von denen jedoch lediglich das Gerüst aus eingegrabenen Pfosten überliefert ist.“40 Ein Vergleich zwischen Gebäuden der Älteren und der Ältesten Linearbandkeramik zeigt, „(...) dass es keine umlaufenden Wandgräben in der Hausgruppe 1, der Ältesten Bandkeramik, gibt.“41
38
Stäuble 2005, 166 Stäuble 2005, 166 40 Nerth 1999, 93 41 Stäuble 2005, 162/163 39
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3.3) Der Nordteil: „In der ältesten Bandkeramik war wie beim Südteil auch der Nordteil nicht unbedingt gleich ausgeprägt bzw. der Bau eines solchen an sich nicht zwingend.“42 Die oftmals den Nordteil umlaufenden Wandgräben sprechen gegen die Annahme des Eingangs im Norden, da sie als ein deutlicher Hinweis auf eine durchgehende Holzwand zu betrachten sind43. Am ehesten lässt sich die Wand als eine Bohlen- oder Bretterwand mit Spältlingen rekonstruieren, wie sie in Fällen mit guter Spurenhaltung, zum Beispiel bei dem Gebäude 29 in Stein, nachgewiesen werden konnte.44 „An einigen Grundrissen konnte im Befund (sogar) ihr Aufbau aus Bohlen und in regelmäßigen Abständen eingesetzten, im Querschnitt runden oder dreikantigen Pfosten nachgewiesen werden.“45 Es muss sich hierbei um eine reine Bretterwand ohne Lehmverputz gehandelt haben, da „(...) der Lehm nicht ohne weiteres daran haften (würde), so dass man zusätzliche Baumaßnahmen hätte ergreifen müssen.“46 Außerdem wäre eine kombinierte Wand von ihrer Konstruktion her derart aufwendig, dass sich die Frage nach ihrem Sinn stellen würde. Der Nordteil wird als der am weitesten zurückgezogene Raum beschrieben, dem deswegen eine Funktion als „(...) Aufbewahrungsort (Schuppen, Scheune usw.) aber auch als potentieller Ort für Kultnischen (...)“47 zugewiesen wird. Die ältere Deutung als Viehstall kann sowohl durch die Erwartungen, die eine Viehhaltung mit sich bringen würde48, als auch durch eine Reihe von Phosphatanalysen, die an den Fundplätzen Schwanfeld, Eitzum etc. gemacht wurden49, widerlegt werden. 4.) Die Außengräben (Abb. 12-14): Im folgenden Abschnitt soll näher auf die Funktion der Außengräben eingegangen werden, deren besondere Bedeutung schon Tichy bei seinen Ausgrabungen in Mohelnice auffiel, so dass er den Begriff „Haus vom Typ Mohelnice“ formulierte, der den Außengraben als wichtiges Merkmal der ältestbandkeramischen Bauten definiert.
42
Stäuble 2005, 196 vgl. Nerth 1999, 92 44 vgl. Stäuble 2005, 81 45 Nerth 1999, 92 46 Stäuble 2005, 198 47 Stäuble 2005, 198 48 Zum Beispiel ausreichend Platz für die Im Nordteil gehaltenen Tiere, der durch die enge Pfostenstellung der pfostenreichen Nordteile nicht gegeben gewesen wäre (Anm. des Autors) 49 Stäuble 2005, 196/197 43
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4.1) Allgemein: Insgesamt betrachtet sind die tendenziell parallel zur Hauswand verlaufenden Außengräben „(...) bei den ältestbandkeramischen Bauten nicht nur länger und tiefer, sondern auch deutlich weiter von den Hauswänden entfernt, als bei den jüngeren.“50 So „(...) sind die hausdefinierenden Merkmale der hier behandelten Zeit nicht wie sonst in erster Linie die Pfostensetzungen (...)“51, sondern die schmalen, hausbegleitenden Außengräben. Da sie stets tiefer als alle anderen baulichen Strukturen des Hauses eingegraben sind, kann ein Gebäude sogar nur über die Außengräben bestimmt werden, auch wenn keine inneren Pfosten dokumentiert werden können. Sie erstrecken sich regelmäßig entlang der Mittelteile und dehnen sich manchmal auch in die benachbarten Süd- und Nordteile aus. Eine weitere Besonderheit stellt die Tatsache dar, dass die Außengräben oftmals unterbrochen sind. So weisen „(...) über 50% der Gebäude (...) zwei oder mehr Abschnitte pro Seite auf.“ 52 Mit was die Außengräben jedoch verfüllt waren, kann nicht eindeutig geklärt werden, da die benötigten Spuren fehlen. So konnten zum Beispiel „Pfostenspuren oder solche anderer Substrukturen (...) trotz intensiver Beobachtung während der Grabung(en) nicht erkannt werden.“53 4.2) Deutung: Das oftmalige Abknicken der Gräben zeigt, dass keine Absicht verfolgt wurde, „(...) einen einheitlichen, durchlaufenden Graben auszuheben.“54 Dies würde dafür sprechen, „(...) dass die dort eingelassene Konstruktion nicht unmittelbar mit dem Dach zusammenhängt“55, wie es in der älteren Literatur interpretiert wird. Diese deutet die Außengräben als eine Konstruktion entlang des Mittelteils, auf der das Dach auflag. Somit wäre die Fläche des Innenraums des Mittelteils vergrößert worden, was sich mit den Befunden der sogenannten Y-Konstruktionen decken würde, deren Aufgabe ebenfalls darin bestand, im Innenraum mehr Platz zu schaffen. Gegen eine Konstruktion als Regentraufe oder als ausladende Wand im Bereich des Mittelteils, auf der das Dach ruhen würde, spricht der oftmals ungerade Verlauf der Gräben. Im Vergleich zu anderen eingegrabenen Strukturen des Hauses, wie zum 50
Stäuble 2005, 172 Stäuble 2005, 17 52 Stäuble 2005, 169 53 Stäuble 2005, 168 54 Stäuble 2005, 175 55 Stäuble 2005, 175 51
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Beispiel den Pfostengruben der Innenkonstruktion, waren die Außengräben im Profil deutlich tiefer nachweisbar. So wurden „An dem ältestbandkeramischen Siedlungsplatz Buchenbrücken (...) trotz relativ schlechter Erhaltung - gemessen an den Pfostengruben der Hauskonstruktion – Außengräben von bis zu 0,8 m Tiefe ausgegraben (...).“56
Abb. 12: Rekonstruktion der im Brunn am Gebirge gefundenen Hausbauten. In dieser Darstellung sieht man die im Bereich des Mittelteils weiter ausladenden Dächer, die auf einer Konstruktion im Außengraben ruhen. (Fig. 4, Stadler 2005)
Auf Grund der Tiefe der Außengräben spricht sich Stäuble aber dafür aus, dass es sich „(...) um eine aus statischen Gründen wichtige Konstruktion gehandelt haben muss.“ 57 Einer der Gründe für eine statische Konstruktion könnte der Stabilisierung des Baugrundes dienen, um so alle Bauwerkslasten aufzunehmen. Dafür würde zum Beispiel auch die Tatsache sprechen, dass der Außengraben nur entlang einzelner, besonders belasteter Gebäudeteile, wie dem Mittelteil, verläuft und aus einzelnen, separaten Abschnitten besteht.58 So dürften die „(...) Längsgruben, auch hausbegleitende Gruben genannt, (...) einer der Hauptgründe für die Anlage von Außengräben gewesen sein. Deren Lage in der Nähe der Hauswände bedeutete – auch im verfüllten Zustand – mit Sicherheit eine Schwächung des Baugrundes.“59 Die Aufgabe der Längsgruben, für die „(...) es keine Regel für das Verhältnis von der Größe einer Längsgrube zu ihrer Tiefe gibt“60, ist sicherlich in der Lehmentnahme und in der Vorbereitung des Lehms für den Wandverputz auszumachen. Wahrscheinlich wurde der Lehm in erster Linie nur für den Wandverputz hergenommen, da man „Für die Herstellung
56
Stäuble 2005, 174 Stäuble 2005, 174 58 vgl. Stäuble 2005, 176 59 Stäuble 2005, 177/178 60 Stäuble 2005, 179 57
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eines gestampften Fußbodens von fünf Zentimetern Dicke (...) für ein Haus, das 150 m² Fläche umfasst, (...) weitere 7-8 m³ ungemagerten Lehm (bräuchte). Für bandkeramische Hausfußböden kann man sich demnach eine Kombination aus Löß und Holz vorstellen, wie sie am Beispiel des frühneolithischen Baus von Sofia-Slatina nachgewiesen ist.“61 Von den Fußböden ist aber erosions- und erhaltungsbedingt nichts erhalten geblieben. Die Breite der Außengräben lässt am ehesten eine Rekonstruktion mit in ihnen liegenden, ganzen Baumstämmen zu. „Die Stützfunktion ergibt sich (dann) aus dem Eigengewicht und dem Verkanten der im Außengraben übereinandergelegten Baumstämme.“62
Abb. 13: Außengraben. Rekonstruktionsversuch nach Stäuble (Abb. 133, Stäuble 2005)
Durch den erhaltungsbedingten Zustand der Gräben, in denen weder Holzreste, noch klare Abdrücke von Pfosten oder Holzspältlingen festgestellt werden konnten, kann jedoch weder eine Bohlenwand, auf der das Dach auflag, sowie eine statische Konstruktion aus einzelnen Baumstämmen zweifelsfrei bewiesen werden.
61 62
Stäuble 2005, 180 Stäuble 2005, 177
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Abb. 14: Außengräben mit unterbrochenen und ungeraden Verlauf ( Abb. 132, Stäuble 2005)
8.) Ein Ausblick: Brunn am Gebirge: Im folgenden Abschnitt soll der Fundplatz Brunn am Gebirge in der Nähe von Wien kurz vorgestellt werden. Hierbei handelt es sich für die Bauten der Ältesten Linearbandkeramik um eine überaus wichtige Fundstelle, da an Hand von C-14 Analysen eine Siedlungstätigkeit bewiesen werden konnte, die sich über 500 Jahre hinweg von 5600 v. Chr. bis 5100 v. Chr. erstreckt. Somit handelt es sich um einen der ältesten Plätze für bandkeramische Bauten. Zwischen den Jahren 1989 und 2005 konnten in Brunn die Überreste von ca. 75 Langhäusern ausgegraben werden, die fünf unterschiedlichen zeitlichen Gruppen zugeordnet werden konnten. Alle Gebäude sind Süd-Nord orientiert, im Durchschnitt 20 Meter lang und zwischen sieben und acht Metern breit. Eine Besonderheit ist die Tatsache, dass in den ältesten Phasen die typische Linearbandkeramik fehlt, stattdessen wies die gefundene Keramik Ähnlichkeiten mit der Keramik der späten Starcevo-Kultur in Ungarn auf. Dies wirft natürlich zwei Fragen auf, nämlich ob die Brunner Siedler aus Ungarn einwanderten oder ob durch Handel die lokale Bevölkerung derart beeinflusst wurde, dass sie die fremden Traditionen adaptierte.
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Abb. 15: Überblick der Fundstellen I bis V. Deutlich zu erkennen sind die rechteckigen Hausgrundrisse (Fig. 5, Stadler 2005)
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9.) Literaturliste:
BANFFY 2004
E. Banffy, The 6th millennium BC boundary in Western Transdanubia and its role in the Central European Neolithic transition, Archaeologica Hungarica XV, 2004
MEYER-CHRISTIAN 1976 W. Meyer-Christian, Die Y-Pfostenstellung in Häusern der Ältesten Linearbandkeramik, Bonner Jahrbücher 176, 1976 MODDERMAN
P.J.R. Modderman, Die Hausbauten und Siedlungen der Linearbandkeramik in ihrem westlichen Bereich, Fundamenta A/3, Teil Va
NETH 1999
A. Neth, Eine Siedlung der frühen Bandkeramik in Gerlingen, Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in BadenWürttemberg 19, Stuttgart 1999
STADLER
P. Stadler, Settlement of the Early Linear Ceramics Culture at Brunn am Gebirge, Wolfholz site, Documenta Praehistorica XXXII, 2005
STÄUBLE 2005
H. Stäuble, Hausbau und absolute Datierung der Ältesten Linearbandkeramik, Bonn 2005
INERNETQUELLEN: http://winserion.org/Brunn/index.html
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Abbildungsnachweis: Titelbild: Fig. 6, Stadler 2005 Abb.1: Tafel 85, Stäuble 2005 Abb.2: Abb. 87, Stäuble 2005 Abb.3: Beilage 18, Stäuble 2005 Abb.4: Tafel 30, Stäuble 2005 Abb.5: Tafel 147, Stäuble 2005 Abb.6: Tafel 148, Stäuble 2005 Abb.7: Fig. 4, Stadler 2005 Abb.8: Abb. 133, Stäuble 2005 Abb.9: Abb. 132, Stäuble 2005 Abb.10: Abb. 2, Nerth 1999 Abb.11: Abb. 10, Nerth 1999 Abb.12: Abb. 13, Nerth 1999 Abb.13: Abb. 38, Nerth 1999 Abb.14: Beilage 18, Stäuble 2005 Abb.15: Fig. 5, Stadler 2005
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