Sonderdruck aus:
Pubertal Development Scale Diagnostica, 55, Heft 1, 55–65
© Hogrefe Verlag Göttingen 2009 55
Die Erfassung des Pubertätsstatus anhand der Pubertal Development Scale Erste Schritte zur Evaluation einer deutschen Übersetzung Meike Watzlawik
Zusammenfassung. Die körperliche Entwicklung im Jugendalter hat auch für psychologische Fragestellungen eine große Bedeutung. Es liegen mehrere Verfahren vor, um den Pubertätsstatus ohne Rückgriff auf medizinische Verfahren, die oft teuer und Psychologen nicht direkt zugänglich sind, zu erfassen. Die amerikanische Pubertal Development Scale (PDS, Petersen, Crockett, Richards & Boxer, 1988) ist eines dieser Verfahren. Sie ermöglicht, fünf Entwicklungsstadien bei Jungen und Mädchen anhand von jeweils drei Kriterien zu differenzieren. Die vorliegende Studie überprüft verschiedene Gütekriterien einer deutschen Übersetzung. 106 Jungen und 108 Mädchen, im Durchschnitt 11,23 Jahre alt (SD = 0.89), wurden im häuslichen Kontext zu ihrer körperlichen Entwicklung befragt. Eine Fremdeinschätzung des Pubertätsstatus erfolgte durch die Eltern. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass sowohl die interne Konsistenz als auch verschiedene Maße der Kriteriumsvalidität zufriedenstellende Werte erreichen. Zum anderen zeichnen sich jedoch auch systematische Geschlechterunterschiede und Unterschiede in der Fremd- und Selbstbeurteilung ab, die bei der Anwendung und Interpretation der PDS zur Vermeidung von Fehleinschätzungen beachtet werden sollten. Weitere notwendige Validierungsschritte werden diskutiert. Schlüsselwörter: Pubertät, Pubertätsstatus, Adoleszenz, körperliche Entwicklung, Pubertal Development Scale Assessing pubertal status with the Pubertal Development Scale: First steps towards an evaluation of a German translation Abstract. Pubertal transitions are accompanied by psychological transitions. Different methodological approaches exist to identify which pubertal stages adolescents are in. One of them is the American Pubertal Development Scale (PDS; Petersen, Crockett, Richards & Boxer, 1988). With the help of the PDS, psychologists can – without assistance of any medical staff – differentiate five different pubertal stages. Both scales, the one for boys and the one for girls, consist of only three items. This study examines the quality of a German translation of the PDS. 106 boys and 108 girls (average age 11.23 years, SD = 0.89) and their parents (external ratings) were asked to fill out the PDS in their home environments. Results show that reliability and validity of the German translation are satisfactory. Nevertheless, systematic gender differences and differences in self and external ratings were found that need to be considered when applying the PDS. The necessity of further studies is being discussed. Key words: puberty, pubertal status, adolescence, body changes, pubertal development scale
“Puberty may be defined as the process of becoming physically and sexually mature and developing the characteristics of one’s gender, such as physical build, genitals, and body hair.” (Kimmel & Weiner, 1985, S. 60) Der Begriff der Pubertät bezieht sich vor allem auf die biologischen Veränderungen in der Adoleszenz (Steinberg, 2002). Dabei ändern sich nicht nur Körpergröße, innere sowie äußere Geschlechtscharakteristika, Körperproportionen, Körperkraft und Motorik, sondern auch das HerzKreislauf-System, die Atmung, der Stoffwechsel, die Gehirnstruktur, die Gehirnfunktion und der Hormonhaushalt. Neben diesen Aspekten sind darüber hinaus psychologiDOI: 10.1026/0012-1924.55.1.55
sche Auswirkungen der körperlichen Veränderungen zu beobachten. Der Jugendliche, der sich in der Adoleszenz immer differenzierter wahrnimmt und beschreiben kann (Greve, 2000), steht durch die Pubertät vor der Aufgabe, sich und seinen sich ändernden Körper zu akzeptieren und diese Wahrnehmung in sein Selbstbild zu integrieren (Oerter & Dreher, 2002) – eine Aufgabe, die bei Jungen meist von positiveren Gefühlen begleitet wird als bei Mädchen (Weichold & Silbereisen, in press). Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen werden die psychologischen AuswirDank geht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die das Projekt zum dritten Messzeitpunkt gefördert hat, die teilnehmenden Familien und Annika Paliokas für ihre Unterstützung bei diesem Artikel. mm mm m
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kungen der Pubertät durch den Zeitpunkt des Pubertätsbeginns sowie individuelle Persönlichkeits- und Umweltfaktoren moderiert. Empirische Befunde belegen, dass ein abweichendes Entwicklungstempo Auswirkungen auf zahlreiche Aspekte der psychosozialen Anpassung des Jugendlichen haben kann. Aus diesem Grund beschäftigt sich eine Vielzahl von Studien insbesondere mit dem Tempo der körperlichen Entwicklung – dem „Pubertal timing“ – und seinen Konsequenzen. So wird zum Beispiel postuliert, dass frühentwickelte Mädchen und spätentwickelte Jungen größere Schwierigkeiten bei dem Aufbau eines positiven Körperschemas aufweisen als normalentwickelte Kinder (Stice, 2003; Weichold & Silbereisen, in press). Darüber hinaus weisen frühentwickelte Jugendliche beiderlei Geschlechts verstärkt externaliserende Verhaltensprobleme auf, da sie aufgrund ihres Körperstatus im Gegensatz zu Gleichaltrigen mit normativer oder verzögerter Reife eher Anschluss an ältere Jugendliche oder deviante Peers finden (Oerter & Dreher, 2002). Unter anderem sind delinquentes Verhalten, frühere sexuelle Kontakte (Flannery, Rowe & Gulley, 1993) und ein stärkerer Alkoholkonsum, insbesondere bei Jungen (Wichstrom, 2001), zu beobachten. Mädchen mit früher Reife zeigen darüber hinaus auch verstärkt internalisierende Verhaltensauffälligkeiten. Befunde bestätigen, dass frühpubertierende Mädchen ein negativeres Körperbild, einen geringeren Selbstwert (Williams & Currie, 2000) und eher Essprobleme (Wichstrom, 1995) aufweisen. Auch ist ein früher Pubertätsbeginn mit Depressionen assoziiert. Für die Jungen hingegen stellt neben dem frühen Pubertätseintritt auch ein verzögerter Pubertätsbeginn einen Risikofaktor für depressive Verstimmungen dar (Kaltiala-Heino, Kosunen & Rimpelä, 2003). Generell führen die Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Pubertätsbeginn, Verhalten,
Anpassung und Psychopathologie zu einem uneinheitlichen Bild, das Huddleston und Ge (2003) zu dem Schluss veranlasst, die Zusammenhänge seien von Wechselwirkungen geprägt und demnach durchaus komplex. Um diese komplexen Zusammenhänge zu analysieren, müssen u. a. Maße gefunden werden, die die fortschreitenden körperlichen Veränderungen quantifizieren oder zumindest qualitativ beschreiben. Erfassung des pubertären Status im deutschsprachigen Raum. Bei der Erfassung des pubertären Status kann zwischen medizinischen und psychologischen Verfahren unterschieden werden. Medizinische Verfahren erstrecken sich von der Bestimmung des Knochenalters, Speichelproben zur Messung bestimmter Hormonkonzentrationen, Blutproben zum gleichen Zwecke, Messungen von Körpergewicht, Körpergröße, Körperfett und Muskelmasse (4-Punkte-Messung) bis hin zur Messung des Hodenvolumens anhand des Orchidometers (Papachristou & Papachristou, 2005). Nur einige davon sind Psychologen zugänglich, da sie z. B. nicht befugt sind, Röntgenaufnahmen zu machen oder Blut abzunehmen. Bei der Suche nach psychologischen Messverfahren stößt man meist auf die Sexual Maturation Scale (SMS), mit Hilfe derer die Tanner Stadien bestimmt werden können (Tanner, 1962). Für beide Geschlechter wurden von Tanner und Kollegen fünf Stadien festgelegt (präpubertär, beginnende Pubertät, mitten in der Pubertät, fortgeschrittene Pubertät, postpubertär) und fotografisch dokumentiert, wobei für die Mädchen Brüste und Schambehaarung als entscheidende Kriterien festgelegt wurden, für Jungen das Wachstum der Schambehaarung, des Penis, der Hoden und des Hodensacks. Der Abgleich der körperlichen
Abbildung 1. Beurteilung des Busenwachstums bei Mädchen (Morris & Udry, 1980, nach Papachristou & Papachristou, 2005)
Pubertal Development Scale
Entwicklung eines Kindes bzw. eines Jugendlichen mit den Tanner-Foto-Karten kann entweder durch Fachpersonal, durch die Eltern, aber auch durch Selbstauskünfte erfolgen. Korrelationen zwischen Fremd- und Selbsteinschätzungen liegen für die Tanner-Foto-Karten zwischen 0.77 und 0.91 (Duke, Litt & Gross, 1980; Dorn et al., 1990). Da die Differenzierung der ersten Stadien auf den Fotografien vielen Probanden schwer fiel und die Konfrontation mit realistischen Fotos für manche der Probanden peinlich war, entwarfen Morris und Udry (1980) schematische Zeichnungen, um die fünf oben postulierten Stadien grafisch darstellen zu können. Zusätzlich ergänzten sie die Skizzen durch Begleittexte, die noch einmal wörtlich darlegen, was auf den Skizzen zu sehen ist (siehe hierzu Abbildung 1). Neben der Verwendung von Skizzen sind Fragebögen eingesetzt worden, um den Pubertätsstatus zu bestimmen. In Deutschland stehen jedoch kaum standardisierte
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Messinstrumente zur Verfügung, um die pubertäre Entwicklung auf diese Weise zu erfassen. Zum einen haben einige, weniger bekannte Skalen Anwendung gefunden, z. B. die Adolescence Scale (AS-ICSM, Kaiser & Gruzelier, 1999; umfasst: ein Item für Mädchen, drei für Jungen & ein gemeinsames), zum anderen wurden auch einzelne Indikatoren als zentral betrachtet, wie z. B. die Menarche bei den Mädchen, um zu bestimmen, ob die Pubertät schon eingesetzt hat oder nicht. Am häufigsten wird hier im deutschsprachigen Raum jedoch auf die Pubertal Development Scale (PDS; Petersen, Crockett, Richards & Boxer, 1988) zurückgegriffen (vgl. u. a. Wiesner & Ittel, 2002; Weichold & Silbereisen, in press). Diese verzichtet völlig auf bildliche Darstellungen und verwendet Beschreibungen verschiedener Körpermerkmale. Für jedes Geschlecht werden dabei drei Indikatoren herangezogen, um den Pubertätsstatus zu bestimmen. Tabelle 1 stellt die entsprechenden Items und die Punktvergabe für Jungen und Mädchen vor.
Tabelle 1. Für die Bestimmung des Pubertätsstatus’ relevante Items der PDS (Petersen, Crockett, Richards & Boxer, 1988, zitiert nach Papachristou & Papachristou, 2005) (Punktwerte in Klammern) Kriterien für Mädchen
Kriterien für Jungen
In der Pubertät bekommt man Haare unter den Achseln und im Schambereich. Hat bei dir das Wachsen der Haare an den genannten Stellen schon begonnen?
In der Pubertät bekommt man Haare unter den Achseln und im Schambereich. Hat bei dir das Wachsen der Haare an den genannten Stellen schon begonnen?
Hat noch nicht begonnen. (1)
Hat noch nicht begonnen. (1)
Fängt langsam an. (2)
Fängt langsam an. (2)
Hat auf jeden Fall schon angefangen. (3)
Hat auf jeden Fall schon angefangen. (3)
Meine Körperbehaarung entspricht schon der einer erwachsenen Frau. (4)
Meine Körperbehaarung entspricht schon der eines erwachsenen Mannes. (4)
In der Pubertät bekommen Frauen langsam einen Busen. Hat bei dir das Wachstum deiner Brüste schon begonnen?
Hat bei dir das Wachsen der Barthaare bereits begonnen?
Hat noch nicht begonnen. (1)
Hat noch nicht begonnen. (1)
Fängt langsam an. (2)
Ja, ein paar Barthaare wachsen an vereinzelten Stellen. (2)
Hat auf jeden Fall schon angefangen. (3)
Ja, viele Barthaare wachsen an mehreren Stellen. (3)
Meine Brüste sehen schon so aus wie bei einer erwachsenen Frau. (4)
Mir wächst ein richtiger Bart wie bei einem erwachsenen Mann. (4)
Hast du schon deine Tage (Monatsblutung) bekommen?
In der Pubertät kommen Jungen in den Stimmbruch. Ihre Stimme wird langsam tiefer. In der Übergangsphase ändert sich dabei die Stimmlage manchmal ganz unerwartet. Hat sich deine Stimme schon verändert?
쏔 Ja (4)
쏔 Nein (1)
Meine Stimme hat sich noch nicht verändert. (1) Meine Stimme hat sich etwas verändert. (2) Meine Stimme hat sich deutlich verändert. (3) Ich habe den Stimmbruch schon hinter mir. Meine Stimme entspricht der eines erwachsenen Mannes. (4)
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Bei den Jungen ist der Gesamtpunktewert entscheidend, um den Pubertätsstatus zu bestimmen, bei den Mädchen ist die Menstruation das Kriterium, das am stärksten gewichtet wird (vgl. Papachristou & Papachristou, 2005). Die amerikanische Version der PDS weist im Mittel ein Cronbach Alpha von 0.77 auf. Korrelationen zwischen den Ergebnissen der PDS und den Ratings von medizinischem Fachpersonal liegen zwischen 0.61 und 0.67; Selbstauskünfte der Jugendlichen und die Ratings von Interviewern korrelieren mit 0.41 bis 0.79. Auch mit den Tanner-Skizzen wurde die PDS in Bezug gesetzt. Es zeigen sich Korrelationen zwischen 0.72 und 0.80 (Petersen et al., 1988). In der vorliegenden Studie wurde eine deutsche Übersetzung der PDS verwandt, was zur Fragestellung der vorliegenden Studie führt: Handelt es sich bei der deutschen Version der PDS um ein reliables und valides Messinstrument?
Methode Messinstrumente. Die PDS wurde in der oben beschriebenen Form (vgl. Tabelle 1) als Fremd- und Selbsteinschätzungsverfahren vorgelegt. Die Kinder und ein Elternteil, meist die Mütter, füllten den Fragebogen im häuslichen Kontext allein aus. Ein geschulter Interviewer stand für eventuelle Rückfragen zur Verfügung, wartete jedoch außerhalb des Befragungsraumes, um die Intimsphäre des/ der Befragten zu wahren. Zusätzlich zur PDS wurden den Kindern die Skizzen von Morris und Udry vorgelegt (vgl. Abbildung 1). Stichprobe. Im Rahmen des Braunschweiger Zwillingsprojekts wurden 214 deutschsprachige Kinder im häuslichen Kontext wiederholt interviewt. Dabei handelte es sich um 24 eineiige, 21 gleichgeschlechtliche und 20 gegengeschlechtliche zweieiige Zwillingspaare sowie um 22 gleichgeschlechtliche und 20 gegengeschlechtliche Geschwisterpaare mit einem max. Altersabstand von 24 Monaten. Zum ersten Messzeitpunkt (T1) waren die Kinder im Durchschnitt 11,23 Jahre alt (SD = 0.89). Es nahmen
106 Jungen und 108 Mädchen an der Befragung teil, die sich nicht signifikant im Alter unterschieden (T[212] = 0.34; p = 0.73). Die Mädchen waren, ebenso wie die Jungen, zwischen 9 und 13 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Mädchen betrug zu T1 11,21 Jahre (SD = 0.93; 25%Perzentil = 10.25, 50%-Perzentil = 11.00, 75%-Perzentil = 12.00), das mittlere Alter der Jungen 11,25 Jahre (SD = 0.85; 25%-Perzentil = 11.00, 50%-Perzentil = 11.00, 75%-Perzentil = 12.00). Für drei Kinder konnte aufgrund fehlender Daten kein Pubertätsstatus bestimmt werden. 105 Mütter und zwei Väter füllten die PDS als Fremdeinschätzungsverfahren aus. Auch hier konnte für zwei Kinder kein Pubertätsstatus ermittelt werden. Zum zweiten Messzeitpunkt (ein Jahr später) reduzierte sich die Stichprobe durch Drop Out auf 204 Kinder (fünf Familien nahmen nicht mehr an der Studie teil): 99 Jungen und 105 Mädchen. Zum dritten Messzeitpunkt reduzierte sich diese Zahl durch zwei weitere Drop Outs auf 200 Kinder: 95 Jungen und 105 Mädchen. Besonderheiten der Studie. Da die Daten aus dem Braunschweiger Geschwisterprojekt stammen, sind immer Daten zweier Kinder einer Familie in die Stichprobe eingegangen. Besondere Interaktionen bzw. Abhängigkeiten der Daten sind deshalb nicht ausgeschlossen. Um zu überprüfen, ob sich vor allem im Fall der eineiigen Zwillinge die Elterneinschätzung von denen der anderen Kinder unterscheidet, wurden Korrelationen zwischen den Elternurteilen für Kind 1 (Erstgeborener) und Kind 2 (Zweitgeborener) für alle Geschwistergruppen getrennt errechnet. Für die ein- und zweieiigen gleichgeschlechtlichen Zwillinge sowie für die gleichgeschlechtlichen Geschwisterkinder ähneln sich die Urteile für die Kinder gleichermaßen signifikant, was bei dem geringen Altersabstand bzw. dem gleichen Alter zu erwarten war. Sobald jedoch ein Junge und ein Mädchen beurteilt werden sollten (Pärchenzwillinge und gegengeschlechtliche Geschwisterkinder), findet man keine signifikanten Zusammenhänge mehr. Die Ergebnisse legen demnach nicht nahe, dass Zwillingseltern die körperliche Entwicklung ihrer Kinder anhand der vorgegebenen Kriterien anders beurteilen als Eltern von Nicht-Zwil-
Tabelle 2. Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen der Items der PDS (Selbsteinschätzung) Mädchen
Schambehaarung Busenwachstum Menarche
Itemmittelwerte (SD) T1
T2
T3
T1
T2
T3
2.08 (.77) 2.13 (.69) 1.48 (1.11)
2.55 (.75) 2.53 (.64) 2.00 (1.42)
2.91 (.64) 2.83 (.59) 3.18 (1.34)
.647 .535 .484
.519 .556 .464
.566 .500 .414
Jungen
Schambehaarung Bartwuchs Stimmbruch
Trennschärfen
Itemmittelwerte (SD)
Trennschärfen
T1
T2
T3
T1
T2
T3
1.79 (.66) 1.19 (.44) 1.38 (.60)
2.12 (.79) 1.38 (.55) 1.53 (.68)
2.55 (.77) 1.67 (.64) 1.97 (.79)
.550 .320 .361
.500 .466 .555
.675 .649 .627
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Pubertal Development Scale
Tabelle 3. Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen der Items der PDS (Fremdeinschätzung) Mädchen
Schambehaarung Busenwachstum Menarche
Itemmittelwerte (SD) T1
T2
T3
T1
T2
T3
1.96 (.97) 2.01 (.78) 1.50 (1.13)
2.60 (.92) 2.54 (.73) 2.00 (1.42)
3.01 (.87) 3.02 (.71) 3.18 (1.34)
.703 .650 .677
.637 .668 .629
.634 .643 .561
Jungen
Schambehaarung Bartwuchs Stimmbruch
Trennschärfen
Itemmittelwerte (SD)
Trennschärfen
T1
T2
T3
T1
T2
T3
1.50 (.72) 1.06 (.23) 1.16 (.50)
1.90 (.94) 1.23 (.45) 1.54 (.88)
2.32 (1.01) 1.49 (1.02) 1.92 (.79)
.508 .543 .578
.651 .643 .717
.681 .549 .683
lingen, was auch dadurch bestätigt wird, dass sich bei Kontrollberechnungen die Korrelationen zwischen Fremdund Selbstbeurteilungen der Kinder bei Ausschluss spezifischer Gruppen (z. B. der eineiigen Zwillinge) nicht bedeutsam verändern. Eine spezifische gegenseitige Beeinflussung der Geschwisterkinder ist bei den hier erhobenen Daten ebenfalls unwahrscheinlich, so dass auf spezifische Auswertungsverfahren verzichtet wurde. Zukünftige Untersuchungen sollten allerdings vollständig unabhängige Datensätze einbeziehen.
Ergebnisse Reliabilität Selbstbeurteilung. Die PDS der Mädchen erreicht bei T1 insgesamt ein Cronbach Alpha von .71 (Cronbach Alpha zu T2: .63, Cronbach Alpha zu T3: .59). Das Cronbach Alpha für die PDS der Jungen beträgt zu T1 .59 (Cronbach Alpha zu T2: .68, Cronbach Alpha zu T3: .80). Die Mittelwerte und Trennschärfen der relevanten Items für die PDS beider Geschlechter sind Tabelle 2 zu entnehmen.
Tabelle 4. Pubertätsstatus aus Kinder- und Elternsicht Selbstbeurteilung % der Mädchen Pubertätsstatus PDS präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
T1 (N = 106) 11.3 17.0 56.6 15.1 –
T2 (N = 105) 3.8 4.8 58.1 31.4 1.9
% der Jungen T3 (N = 103) – 1.9 24.8 65.7 5.7
T1 (N = 105) 29.5 53.3 17.1 – –
T2 (N = 99) 17.2 44.4 38.4 – –
T3 (N = 95) 7.4 29.5 53.7 9.5 –
Fremdbeurteilung % der Mädchen Pubertätsstatus PDS präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
T1 (N = 107) 17.8 30.8 35.5 15.0 0.9
T2 (N = 104) 18.3 31.7 34.6 14.4 1.0
% der Jungen T3 (N = 103) 1.9 6.7 18.1 57.1 14.3
T1 (N = 105) 61.9 30.5 7.6 – –
T2 (N = 98) 63.3 29.6 7.1 – –
T3 (N = 92) 22.1 28.4 35.8 10.5 –
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Meike Watzlawik
Tabelle 5. Korrelationen zwischen der Statuseinschätzung anhand der PDS (Selbsteinschätzung) und verschiedenen Kriterien zur Validitätsbestimmung Selbstbeurteilung PDS Mädchen Kriterium Fremdbeurteilung Skizzen Busen Skizzen Penis und Hoden Skizzen Schambehaarung
PDS Jungen
T1
T2
T3
T1
T2
T3
.639** .562** – .636**
.828** .569** – .604**
.778** .479** – .507**
.394** – .569** .542**
.585** – .623** .682**
.549** – .597** .637**
Anmerkung: ** p < 0.01.
Reliabilität Fremdbeurteilung. Die PDS der Mädchen erreicht bei T1 insgesamt ein Cronbach Alpha von .81 (Cronbach Alpha zu T2: .76, Cronbach Alpha zu T3: .74). Das Cronbach Alpha für die PDS der Jungen beträgt zu T1 .64 (Cronbach Alpha zu T2 und T3: .78). Die Mittelwerte und Trennschärfen der relevanten Items für die PDS beider Geschlechter sind Tabelle 3 zu entnehmen. Kriteriumsvalidität. Zur Bestimmung der Kriteriumsvalidität wurden zum einen Zusammenhangsmaße für die Selbst- und Fremdbeurteilung, zum anderen für die PDS und die Statusbestimmung über die Skizzen von Morris und Udry (1980) überprüft. Wie sich die Kinder selbst sehen und wie sie durch ihre Eltern eingeschätzt wurden, ist Tabelle 4 zu entnehmen. Da es sich bei den Statusangaben um ordinalskalierte Daten handelt, wurden nichtparametrische Korrelationen berechnet. Diese sind Tabelle 5 zu entnehmen. Trotz der durchgehend signifikanten Zusammenhangsmaße wurden die Häufigkeitsunterschiede der Stadien in der Selbst- und Fremdbeurteilung und in der Selbstbeurteilung anhand der PDS und den Skizzen von Morris und Udry noch einmal auf ihre Signifikanz geprüft. Aufgrund der Ordinalskalierung wurden hierzu Kreuztabellen berechnet. Selbst- und Fremdbeurteilungen. Vergleicht man die Selbsteinschätzung der Kinder aus der PDS mit der Fremdbeurteilung durch die Eltern anhand von Kreuztabellen (Arten der Einschätzung [2] × Pubertätsstadien [max. 5]), zeigen sich für Jungen und Mädchen unterschiedliche Ergebnisse. Bei den Jungen ist zu allen drei Messzeitpunkten ein signifikanter Unterschied zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung zu verzeichnen (T1: F2 [2] = 18.05; p < .001; T2 [Ausschluss: fortgeschrittene Pubertät1]: F2 [2] = 21.54; p < .001; T3: F2 [3] = 10.43; p < .05). Die Jungen beurteilen die eigene Entwicklung im Gegensatz zu ihren Eltern (bzw. Müttern) generell als weiter fortgeschritten: Sie ordnen sich häufiger höheren Stadien zu, als dies die Angaben der Eltern (Mütter) erlauben würden. 1 Angegeben werden hier die Stadien, die aufgrund zu geringer Zellenbesetzungen von der Analyse ausgeschlossen werden mussten.
Bei den Mädchen ist lediglich zu T1 ein signifikanter Unterschied festzustellen (T1 [Ausschluss: postpubertäres Stadium]: F2 [3] = 11.14; p < .05; T2 [Ausschluss: beginnende Pubertät und postpubertär]: F2 [2] = 1.50; p = .47; T3 [Ausschluss: beginnende Pubertät und postpubertär]: F2 [2] = 5.33; p = .07). Auch hier schätzten sich die Mädchen in ihrer Entwicklung weiter fortgeschritten ein als dies die Eltern taten. Beurteilung anhand der PDS und den Skizzen von Morris und Udry. F2-Tests ergaben, dass die Jungen ihren körperlichen Entwicklungsstand anhand der Bilder zu allen Messzeitpunkten, mit Ausnahme der Beurteilung des Peniswachstums zum ersten Erhebungszeitpunkt, signifikant höher einschätzen als anhand der PDS (vgl. Tabelle 6). Bei den Mädchen waren die Unterschiede ebenfalls durchgehend signifikant, jedoch war die Richtung des Unterschiedes bei der Einschätzung des Pubertätsstatus anhand des Busenwachstums genau umgekehrt: Die Mädchen schätzten sich hier anhand der PDS weiter in ihrer Entwicklung ein als anhand der Skizzen. Bei der Schambehaarung können die signifikanten Unterschiede auf keinen einheitlichen Trend zurückgeführt werden (vgl. Tabelle 6). Überprüfung der Entwicklungsrichtung. Die PDS wird zur Status- und Veränderungsmessung eingesetzt. Anhand der vorgestellten Kriterien (vgl. Tabelle 1) sollte in der vorgestellten Studie das Fortschreiten der körperlichen Entwicklung erfasst werden. Durch die Gegenüberstellung der Statuseinteilungen von T1 und T2 bzw. T2 und T3 (vgl. Tabellen 7 bis 10) wurde überprüft, ob tatsächlich progressive Entwicklungsverläufe abgebildet werden können (Validitätsnachweis). In der Diagonalen der Tabelle sind die Fälle aufgeführt, bei denen von T1 auf T2 (T2 auf T3) keine Veränderungen zu beobachten waren. Oberhalb der Diagonalen sind die Fälle zu finden, bei denen anhand der Statuseinteilung der PDS Entwicklungsrückschritte festgestellt wurden und unterhalb der Diagonalen werden Messungen entsprechend der Annahme (Entwicklungsfortschritte) abgebildet. Bei den Mädchen ist bei der Selbstbeurteilung von T1 auf T2 (T2 auf T3) in zwei (drei) Fällen ein Entwicklungsrückschritt, in 55 (49) Fällen keine Entwicklung und in 46 (51) Fällen ein Entwicklungsfortschritt zu beobachten.
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Pubertal Development Scale
Tabelle 6. Statuseinschätzung anhand der PDS (Selbsteinschätzung) im Vergleich mit der Einschätzung anhand von den Skizzen nach Morris und Udry (1980); Stadien, die eine erwartete Häufigkeit kleiner als 5 hatten, wurden von der Analyse ausgeschlossen (vgl. df) Statuseinschätzung der Mädchen anhand der PDS im Vergleich mit Skizzen Busen Kriterium F2 [df]
T1
T2
T3
T1
T2
T3
25.00 [3]
13.97 [2]
9.05 [3]
30.41 [3]
19.19 [3]
11.33 [2]
**
**
*
**
**
**
PDS>Skizze
PDS>Skizze
PDS>Skizze
Skizze>PDS
uneindeutig
p Richtung des Unterschieds
Skizzen Schambehaarung
PDS>Skizze
Statuseinschätzung der Jungen anhand der PDS im Vergleich mit Skizzen Penis Kriterium F2 [df]
Skizzen Schambehaarung
T1
T2
T3
T1
T2
T3
4.52 [2]
36.41 [3]
42.02 [4]
9.18 [2]
45.61 [3]
52.13 [4]
.10
**
**
**
**
**
–
Skizze>PDS
Skizze>PDS
Skizze>PDS
Skizze>PDS
p Richtung des Unterschieds
Skizze>PDS
Anmerkungen: ** p < 0.01, * p < 0.05.
Tabelle 7. Pubertätsstatus (PDS) der Mädchen aus Kindersicht Pubertätsstatus T1 Pubertätsstatus T2 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
4 3 5 0 0
0 0 16 2 0
0 2 38 18 0
0 0 0 13 2
0 0 0 0 0
Pubertätsstatus T2 Pubertätsstatus T3 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
0 0 4 0 0
0 0 3 1 0
0 2 19 38 1
0 0 0 29 4
0 0 0 1 1
Bei den Jungen ist bei der Selbstbeurteilung von T1 auf T2 (T2 auf T3) in vier (sechs) Fällen ein Entwicklungsrückschritt, in 52 (45) Fällen keine Entwicklung und in 38 (44) Fällen ein Entwicklungsfortschritt zu beobachten. Aus Sicht der Eltern ist für die Mädchen von T1 auf T2 (T2 auf T3) in einem Fall (fünf Fällen) ein Entwicklungs-
rückschritt, in 40 (43) Fällen keine Entwicklung und in 63 (55) Fällen ein Entwicklungsfortschritt zu beobachten. Aus Sicht der Eltern ist für die Jungen von T1 auf T2 (T2 auf T3) in keinem Fall (zwei Fällen) ein Entwicklungsrückschritt, in 53 (54) Fällen keine Entwicklung und in 40 (35) Fällen ein Entwicklungsfortschritt zu beobachten.
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Tabelle 8. Pubertätsstatus (PDS) der Mädchen aus Elternsicht Pubertätsstatus T1 Pubertätsstatus T2 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
8 1 10 0 0
0 2 29 2 0
0 0 18 17 1
0 0 1 11 3
0 0 0 0 1
Pubertätsstatus T2 Pubertätsstatus T3 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
2 3 3 0 0
0 1 1 1 0
0 3 14 36 5
0 0 1 22 6
0 0 0 1 4
Tabelle 9. Pubertätsstatus (PDS) der Jungen aus Kindersicht Pubertätsstatus T1 Pubertätsstatus T2 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
13 14 2 0 0
2 27 22 0 0
0 2 12 0 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
Pubertätsstatus T2 Pubertätsstatus T3 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
5 8 2 0 0
2 16 25 0 0
0 4 24 9 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
Diskussion Reliabilität. Die Reliabiltäten und Trennschärfen der PDS können für beide Zeitpunkte und für beide Geschlechter als zufriedenstellend bezeichnet werden. Gemittelt über alle drei Messzeitpunkte liegen das Cronbach Alpha für die Mädchen (.64) und das Cronbach Alpha für die Jungen (.69) zwar unter dem in den USA erreichten Durchschnittswert von .77, bleiben aber gerade hinsichtlich der recht kleinen Stichprobengröße und geringen Itemzahl pro
Skala (jeweils 3) in einem durchaus akzeptablen Bereich. Dass die Reliabilität bei den Jungen zum ersten Messzeitpunkt und bei den Mädchen zum letzten Messzeitpunkt mit jeweils .59 den geringsten Wert aufweist, kann als Hinweis daraufhin gedeutet werden, dass die PDS vor allem im Bereich der mittleren Entwicklungsstufen (beginnende und mitten in der Pubertät) gut differenziert. Zu T1 befinden sich die Jungen zu fast einem Drittel noch im präpubertären Stadium, was eine Differenzierung erschwert. Zu T3 sind dann fast zwei Drittel der Mädchen bereits im fortgeschrittenen Stadium, was sich ebenfalls auf die Reliabi-
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Tabelle 10. Pubertätsstatus (PDS) der Jungen aus Elternsicht Pubertätsstatus T1 Pubertätsstatus T2 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
41 12 4 0 0
0 8 20 1 0
0 0 4 3 0
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
Pubertätsstatus T2 Pubertätsstatus T3 präpubertär beginnende Pubertät mitten in der Pubertät fortgeschrittene Pubertät postpubertär
präpubertär
beginnende Pubertät
mitten in der Pubertät
fortgeschrittene Pubertät
postpubertär
21 16 2 0 0
0 9 11 0 0
0 1 20 6 0
0 0 1 4 0
0 0 0 0 0
lität auswirkt. Diese sinkt aber nicht so stark, dass von einer Anwendung in fortgeschrittenen Stadien abzuraten wäre. Kriteriumsvalidität: Selbst- und Fremdbeurteilung. Die Korrelationen zwischen der Fremd- und Selbstbeurteilung weisen zu allen Messzeitpunkten signifikante Zusammenhänge auf, was als Beleg der Kriteriumsvalidität gewertet werden kann. Die hier erreichten Werte schwanken zwischen .39 (Jungen, T1) und .83 (Mädchen, T2) und weisen damit eine nur geringfügig größere Variabilität als in den USA auf (Werte zwischen .41 und .79). Auffällig ist in der vorliegenden Studie, dass die Korrelationen zwischen Fremd- und Selbstbeurteilung bei den Jungen zu allen drei Messzeitpunkten niedriger ausfallen als bei den Mädchen. Jungen tendieren dazu, sich bereits in der Entwicklung weiter einzuschätzen (vgl. Gegenüberstellung von Fremd- und Selbstauskünften), wohingegen Mädchen und Eltern (meist Mütter) eher übereinstimmen. Möglich ist, dass Jungen, die sich im Vergleich zu den Mädchen später entwickeln, hier dazu neigen, Wünsche nach schnellerer Entwicklung in ihre Bewertung mit einfließen zu lassen. Weiterhin möglich ist, dass die Mütter, die hier hauptsächlich die Fremdeinschätzung vorgenommen haben, einen direkteren Zugang zum Entwicklungsstand ihrer Töchter haben, als dies bei ihren Söhnen der Fall ist. Oft teilen sich Mütter und Töchter noch die Umkleidekabine im Schwimmbad oder benutzen zu Hause gemeinsam das Bad, was bei Müttern und Söhnen weniger häufig oder kaum zu beobachten ist. Hinzu kommt, dass die ersten Merkmale der Pubertät bei Mädchen leichter zu beobachten sind als bei Jungen. Beginnt die Pubertät bei Mädchen meist mit einer Vergrößerung der Brüste, die auch von Außenstehenden leicht erkannt werden kann, sind Veränderungen bei Jungen, wie
das Wachstum der Hoden und des Penis, leichter durch Kleidung zu kaschieren und entziehen sich so oft einer objektiven Begutachtung. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist, dass Jungen das Fortschreiten ihrer körperlichen Entwicklung meist positiver beurteilen als Mädchen und damit eher herbeisehnen, wohingegen Mädchen der Entwicklung oft kritisch gegenüberstehen und bei Annahme eines subjektiven Bias wohl eher „tiefstapeln“ würden (vgl. Weichold & Silbereisen, in press). Kriteriumsvalidität: Vergleich Skizzen und PDS. Die Selbstbeurteilungen anhand der PDS und die Selbstbeurteilungen anhand von Skizzen korrelieren signifikant. Auch in der deutschen Übersetzung sind also schriftliche Abfragen mit der Abfrage über visuelles Material vergleichbar, obwohl die Werte niedriger ausfallen als in der amerikanischen Studie (D: .48–.68; USA: .72–.80). Zu beachten ist, dass eine visuelle Darbietung der Entwicklungsstadien bei Jungen dazu führt, dass sie sich weiter in der Entwicklung einstufen als bei einer rein schriftlichen Abfrage (vgl. Argumentation des vorherigen Abschnitts), wohingegen sich Mädchen zumindest bei der visuellen Darbietung der Brustentwicklung als weniger weit entwickelt beurteilen. Möglich ist, dass Mädchen zumindest bei dem Vergleich des eigenen Busens mit dem von anderen Frauen eine größere Vergleichsgruppe zur Verfügung steht, als dies bei Jungen in Bezug auf den Penis der Fall ist. Zum einen ist anzunehmen, dass sich im Umkreis der Mädchen weiter entwickelte Peers befinden als bei den Jungen, die selbst erst am Anfang der Pubertät stehen. Zum anderen bieten die Medien und die Mode Mädchen mehr Möglichkeiten, den Busen anderer Frauen im Vergleich zu der eigenen Brustentwicklung zu beurteilen, als dies analog für den Penis oder die Schambehaarung der Fall wäre. Dies erklärt u. a. auch das uneindeutige Ergebnis bezüglich des Vergleichs von PDS und Schambehaarungsskizzen bei den Mädchen. Kritisch anzumerken ist,
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dass die Skizzen zur Brustentwicklung vor allem die Größe des Busens als Kriterium betonen. Objektiver wäre die vorrangige Beurteilung der Entwicklung bzw. Veränderung der Brustwarzen, da die Größe des Busens auch bei abgeschlossener Entwicklung interindividuell stark variiert. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die Tatsache, dass sich die durch die Skizzen abgefragten Kriterien bei den Mädchen in der PDS wiederfinden, bei den Jungen hingegen hauptsächlich andere Kriterien abgefragt werden. Zwar wird bei den Jungen bei beiden Abfragen die Schambehaarung (Achseln und Schambereich gemeinsam) mit einbezogen, die weiteren Kriterien in der PDS sind aber der Stimmbruch und das Wachstum der Barthaare; Penis- und Hodenwachstum werden nicht erhoben. Der Stimmbruch setzt bei den Jungen meist erst ein, wenn sich der pubertäre Wachstumsspurt auf seinem Höhepunkt befindet (Stadium der fortgeschrittenen Pubertät, vgl. Stier & Weissenrieder, 2006), einem Entwicklungsabschnitt, der in unserer Stichprobe erst zu T3 von einer geringen Anzahl von Jungen erreicht wird (vgl. Tabelle 4 und „Bodeneffekt“ der Itemmittelwerte in Tabelle 3). Auch der Bartwuchs setzt erst ab dem Stadium „mitten in der Pubertät“ ein (Hefti, 2006, vgl. „Bodeneffekte“ Tabelle 3), wohingegen Veränderungen der Schambehaarung wesentlich früher zu beobachten sind (vgl. Tabelle 11). Die Einschätzung anhand der Skizzen lässt also für Jungen aufgrund der Auswahl der Kriterien eine weiter fortgeschrittene Entwicklung vermuten, da die PDS Kriterien erst in höheren Entwicklungsstufen an Relevanz gewinnen. Dies erklärt auch die steigenden Reliabilitätswerte für die PDS der Jungen über die drei Messzeitpunkte hinweg. Validität: Überprüfung der Entwicklungsrichtung. Für alle drei Messzeitpunkte und für die Geschlechter getrennt wurde sowohl für die Fremd- als auch für die Selbstbeurteilungen überprüft, ob die PDS das Fortschreiten der pubertären Entwicklung in dem von uns untersuchten Zeitfenster abbilden kann. Fälle, bei denen Entwicklungsrückschritte zu beobachten waren, negieren hierbei die Validität des Instruments. Der Anteil solcher Fälle liegt bei den Jungen zwischen 0% (Fremdeinschätzung T1/T2) und 6.3 % (Selbstbeurteilung T2/T3) und bei den Mädchen zwischen 1.0 % (Fremdeinschätzung T1/T2) und 4.9 % (Fremdeinschätzung T2/T3). Die 6.3% sind u.a. darauf zurückzuführen, dass die Einschätzung der Jungen mit der Zeit realistischer und damit im Vergleich zu früheren Messzeitpunkten relativiert wird. Ein Teil der Fehlervarianz in der Fremdbeurteilung ist mit Sicherheit darauf zurückzuführen, dass sich die Eltern bei dem Ausfüllen des Fragebogens absprechen konnten, aber nicht mussten, so dass die Einschätzungen zum einen Messzeitpunkt auf dem Konsensurteil beider Eltern, zum anderen nur auf dem Urteil der Mutter beruhen können. Die Konstanz der Beurteiler sollte in zukünftigen Studien – wenn möglich – stärker überprüft werden. Die Ergebnisse zu den Entwicklungsrückschritten machen auf mögliche Fehlerquellen des Instruments aufmerksam, die bei der Beurteilung des Entwicklungsstatus anhand der PDS beachtet werden sollten. Da die Werte insgesamt und unter Berücksichtigung der möglichen Er-
klärungen aber einen relativ geringen Anteil an der Gesamtstichprobe ausmachen, ist aufgrund der Befunde nicht von einer Anwendung der PDS abzuraten. Entwicklungsfortschritte und gleichbleibende Entwicklung sind bei der Selbstbeurteilung zu allen Messzeitpunkten für Jungen und Mädchen zu fast gleichen Anteilen zu beobachten. Bei den gewählten Kriterien der Schambehaarung, des Brustwachstums, der Menarche bzw. der Schambehaarung, des Stimmbruchs und des Bartwachstums entspricht dies bei einem Untersuchungszeitraum von zwei Jahren (T1 zu Beginn, T2 nach einem Jahr und T3 am Ende des zweiten Jahres) den Erwartungen (vgl. vorheriger Abschnitt; „Bodeneffekte“ bei Jungen). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass z. B. das Brustwachstum von Beginn bis zur Vollendung (beginnende Pubertät bis postpubertär) zwar nur ca. 3,1 Jahre dauert, die Entwicklung jedoch aufgrund großer interindividueller Variabilität, also unter Berücksichtigung der Standardabweichung, in der Altersspanne von 8,5 bis 16,4 Jahren stattfindet. Der Erhebungszeitraum der vorliegenden Studien deckt somit in Bezug auf dieses und auch andere Kriterien nur ein kleines Zeitfenster innerhalb dieses Entwicklungsspielraumes ab. Aufgrund des kurzen Erhebungszeitraumes und der für Validierungszwecke recht kleinen Stichprobe kann die vorliegende Studie nur erste Hinweise zur Validität der deutschen Version der PDS liefern, da die hohe interindividuelle Varianz des Pubertätsverlaufs durch das geringe N nur bedingt abgebildet werden kann. Auch wurden weitere Einflussgrößen (Stress in der Familie, Ernährung), die den pubertären Entwicklungsverlauf ebenfalls mitbestimmen, nicht kontrolliert. Neben einer größeren Stichprobe und der Berücksichtigung zusätzlicher Variablen sollten in zukünftige Validierungsstudien außerdem weitere Fremdurteile (z. B. von medizinischem Fachpersonal) und physiologische Kriterien (wie z. B. Hormonkonzentrationen) untersucht bzw. einbezogen werden, um die Aussagekraft der Ergebnisse zu erhöhen und um eine höhere Objektivität der Außenkriterien zu gewährleisten.
Fazit Insgesamt stellt die PDS ein leicht anzuwendendes Erhebungsinstrument dar, dessen Reliabilität und erste Validitätshinweise (weitere sind notwendig) positiv zu bewerten sind. Die geringe Anzahl der verwendeten Kriterien lässt die PDS einerseits zu einem ökonomischen Verfahren werden, führt aber auch andererseits dazu, dass – gerade bei den Jungen in frühen Entwicklungsstadien – Fehleinschätzungen auftreten können. Bei der Anwendung und Interpretation sind deshalb gewisse Einschränkungen zu berücksichtigen.
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Meike Watzlawik Technische Universität Braunschweig Abteilung für Entwicklungspsychologie Spielmannstraße 19 38106 Braunschweig E-Mail:
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