“Die Bedeutung der Post-Josephica für eine Datierung des Buches Genesis”, in: Junker, Reinhard (Hg), Genesis, Schöpfung und Evolution. Beiträge zur Auslegung und Bedeutung des ersten Buches der Bibel, Studium Integrale Theologie, Holzgerlingen: Hänssler Verlag, 2015, p. 219-239.

June 4, 2017 | Author: Hendrik Koorevaar | Category: Book of Genesis, Genesis, Dating OT Books
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Die Bedeutung der Post-Josephica für eine Datierung des Buches Genesis Hendrik J. Koorevaar

1.  Einleitung: Der Abschluss der Genesis mit dem Tod Josefs Das Buch Genesis beginnt mit der Schöpfung des Himmels und der Erde durch Gott (1,12,3) und endet mit dem Tod Josefs, des Sohnes Jakobs, in Ägypten. Josef wird einbalsamiert und sein toter Leichnam wird in einen Sarg oder Sarkophag gelegt. Er hatte den Israeliten den Auftrag gegeben, seine Mumie mitzunehmen, wenn sie in der Zukunft Ägypten verlassen und nach Kanaan zurückkehren werden (50, 24-26). Wer schrieb das Buch Genesis? Das Buch ist anonym, genauso wie die acht Bücher, die im hebräischen Kanon auf das Buch Genesis folgen (Exodus bis Könige).1 Die Autoren scheinen bewusst anonym bleiben zu wollen. Forschungsarbeiten haben in der Vergangenheit Vorschläge zu den Autoren gemacht. Wird damit die Absicht des Autors respektiert? Es ist möglich, dass es ihm nicht vollständig gelungen ist, sich zu verbergen. Aber wie stark sind unsere Argumente, wenn wir versuchen, ihn aufzuspüren? Wenn wir den Autor der Genesis nicht kennen, können wir dann etwas über die Zeit wissen, in der er geschrieben hat? Das zuletzt erwähnte Ereignis ist der Tod Josefs.

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Da die Bücher Exodus – Leviticus – Numeri literarisch nur ein Buch sind, gibt es von Genesis bis Könige sieben Bücher. Siehe Henrdrik J. Koorevaar, „The Books of Exodus – Leviticus – Numbers and the Macro-Structural Problem of the Pentateuch“. In: Thomas Römer (ed.), The Books of Leviticus and Numbers. Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 215. Leuven: Peeters, 2008, S. 423-453. 2 Langer Aufenthalt: 430 Jahre zwischen Ankunft und Auszug aus Ägypten (Exodus 12,40-41, MT). Frühe Datierung: 480 Jahre zwischen Auszug aus

Josef muss im Jahr 1807 v. Chr. gestorben sein, wenn wir von einer frühen Datierung des Auszugs aus Ägypten (1447 v. Chr.) und von einem langen Aufenthalt (430 Jahre) Israels in Ägypten ausgehen.2 Josefs Tod muss so bedeutsam gewesen sein, dass der Autor dies als Abschluss einer langen Periode sah, die mit der Schöpfung begonnen hatte. Das erstaunt. Der Tod von irgendeinem Unterkönig von Ägypten als Abschluss einer Episode, die mit so etwas Großem wie der Schöpfung begann? Warum ist Josefs Tod so wichtig für den Autor gewesen? Ein Schlüssel kann die Aussage von Josef seinen Brüdern gegenüber gewesen sein: „Ich sterbe nun. Gott aber wird sich euer annehmen, und er wird euch aus diesem Land hinaufführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat. Und Josef ließ die Söhne Israels schwören und sprach: Wenn Gott sich euer annehmen wird, dann führt meine Gebeine von hier mit hinauf“ (50,24-25; Neue Zürcher Bibel). Die Verheißung Gottes finden wir u. a. in 12,1-3.7 (Abraham); 26,4-6 (Isaak) und 28,13-15 (Jakob). Diese Bundesväter lebten als Fremdlinge im Land Kanaan, und nicht als rechtmäßige Eigentümer (23,34). Abraham bekam selbst die Perspektive, dass seine Nachkommen das Land Kanaan in der Zukunft verlassen und in einem anderen

Ägypten und Beginn Tempelbau (1Kö 6,1, MT), bei einer Datierung von 1447 v. Chr. für den Auszug ist die Ankunft Jakobs in Ägypten 1447 + 430 = 1877 v. Chr. Josef muss damals 40 Jahre alt gewesen sein. Er war 30 Jahre alt, als er als Verwalter über Ägypten eingesetzt wurde (Gen 41,46). Danach folgen die sieben Jahre des Überflusses und noch ungefähr 3 Jahre Hungersnot, bevor Jakob und seine Familie nach Ägypten umzogen. Danach lebte Josef noch 70 Jahre, bevor er mit 110 Jahren starb (Genesis 50,26). 1877 – 70 = 1807 v. Chr.

Junker, Reinhard (Hg.) Genesis, Schöpfung und Evolution. Beiträge zur Auslegung und Bedeutung des ersten Buches der Bibel. SCM Hänssler, Holzgerlingen, 2015.

220 Land wohnen werden (15,13-16). Erst nach 400 Jahren soll die vierte Generation das Land verlassen und nach Kanaan (zurück)gehen. Das andere Land scheint Ägypten zu sein. Josef wird gegen seinen Willen dorthin gebracht und verkauft (37,25-28). Sein Vater Jakob und seine Brüder folgten ihm später (46,1-7). Als Jakob / Israel Kanaan verlässt, ist eine einmalige Periode abgeschlossen. Sie wiederholt sich nicht mehr. Wenn Israel später nach Kanaan geht, sollen sie das als Eigentümer tun, nicht als Fremdlinge. Als Josef auf Gottes Verheißung der Rückkehr hinweist und den Auftrag erteilt, seinen Leichnam mitzunehmen, wird deutlich, dass der Aufenthalt in Ägypten eine Art Exil ist. Es gibt eine zukünftige Perspektive, nicht nur für die Lebenden, sondern sogar für einen Toten wie Josef. Aber warum ist die Erwartung der Rückkehr von Israel nach Kanaan von so großer Bedeutung, dass die der Schöpfung folgende Weltgeschichte im Buch Genesis mit dem Tod Josefs endet? 3 Ist Israel eine Schlüsselfigur für die ganze Welt? Verschiedene Aussagen Gottes weisen darauf hin. Israel soll in Kanaan zum Segen für alle Völker werden (12,1-3; 26,4; 28,14). Die Israeliten sind ein Volk mit einem Weltauftrag, und zwar vom Land Kanaan ausgehend, das damit die Funktion eines Schlüssellandes für die ganze Erde bekommen soll. Der erste Abschnitt in der Vorbereitung des Weltauftrags ist durch den Umzug von Israel nach Ägypten abgeschlossen, und zwar mit der Perspektive einer Rückkehr. Damit konnte das Buch abgeschlossen werden. War der Tod Josefs dann der Auslöser, das Buch Genesis zu schreiben? Es liegt auf der Hand, das als erste Möglichkeit zu betrachten. In der alttestamentlichen Forschung wird diese Möglichkeit jedoch nicht einmal als Vorschlag in Betracht gezogen. Die Gründe dafür können in zwei Punkten zusammengefasst werden.

1. Genesis ist kein Buch für sich selbst, sondern gehört zu einem großen literarischen Komplex. 2. Es gibt mehrere redaktionelle Bemerkungen im Buch Genesis, die auf eine viel spätere Zeit nach Josef hinweisen, sogar Jahrhunderte später. Sie werden meistens als PostMosaica bezeichnet, weil es sich um Eingriffe in der Zeit nach Mose handeln soll. Diese zwei Probleme werden wir nun betrachten.

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Siehe ausführlicher dazu den Beitrag „Der Aufbau des Buches Genesis und die literarisch theologische Bedeutung der Entwicklungsformel Toledot“ in diesem Band ab S. 199.

2.  Das Problem der Genesis als Teil eines großen literarischen Komplexes Die Mehrzahl der Wissenschaftler betrachtet das Buch Genesis nicht als selbstständiges Buch. Die Entstehung des Buches wird im Rahmen eines großen literarischen Komplexes, nämlich des Pentateuchs (Genesis – Deuteronomium), des Hexateuchs (Genesis – Josua) oder des Enneateuchs (Genesis – Könige) untersucht. Die traditionelle Urkundenhypothese oder Quellenscheidungshypothese ist besonders bekannt geworden. Es werden literarische Quellen angenommen und diese wurden auch datiert. Nach Julius Wellhausen (1878) sind dies: J (950 v. Chr.), E (850 v. Chr.), D (621 v. Chr.) und P (550450 v. Chr.). Die Endredaktion soll 400 v. Chr. in der Perserzeit erfolgt sein. Diese Hypothese war ein Jahrhundert lang die Ansicht der akademischen Mehrheit. Seit der Arbeit von Rolf Rendtorff im Jahr 1977 wurde diese Hypothese jedoch methodisch prinzipiell in Frage gestellt.4 Seit dieser Zeit gibt es in der alttestamentlichen Forschung die Pentateuchkrise. Der breite (nicht totale) Konsens ging verloren. Die Hypothese Wellhausens hat aber noch immer Anhänger und es werden immer wieder neue Varianten aufgestellt. Sie sind nicht sehr R. Rendtorff, „Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch“, Beiheft zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, 147, Berlin: Walter de Gruyter 1977.

221 überzeugend. In der Folge kam es zu einer Änderung im Verständnis, was das Wesen der hypothetischen Quellen sei. Es geht nicht mehr um Dokumente, sondern um theologische Strömungen, z. B. eine D-Theologie und eine P-Theologie. Außerdem gibt es eine Strömung, die den Pentateuch in die Zeit der Makkabäer / Hasmonäer von 160-100 v. Chr. datieren will. Neue Vorschläge, die ganz andere Wege beschreiten, erhalten keine große Unterstützung. Es gab aber auch keinen neuen Konsens, der eine Mehrheit der Wissenschaftler überzeugen könnte. Die vorgeschlagenen Hypothesen sind ein vielstimmiger Chor von Meinungen. Es sieht nicht danach aus, dass sich daran etwas ändern wird.5 Es gibt m.E. drei Hauptgründe, warum das Unternehmen der Quellenfindung und -scheidung missglückt ist, ja missglücken musste. 1. Die angenommenen Quellen sind hypothetisch. Es handelt sich um hypothetische, rückprojizierte Dokumente. Die damit verbundenen Datierungen sind ebenfalls durch Rückprojektion zustande gekommen. 2. Die verschiedenen Zeugnisse im Pentateuch über die Entstehung einiger seiner Teile wurden nicht in die Entstehungshypothese aufgenommen oder ihr informativer Wert wurde nicht anerkannt. 3. Es gibt keine deutliche Unterscheidung zwischen dem Pentateuch als Buch oder als Buchreihe. Nach einer Übersicht über die Geschichte der Erforschung des Pentateuchs muss Römer am Anfang seiner Zusammenfassung ehrlich zugeben: „Die heutige Situation der Pentateuchforschung wird von vielen Studierenden als verwirrend empfunden werden.“

Er versucht diese Situation anschließend zu relativieren mit der Aufforderung: „Man sollte auf die Vielfalt der Hypothesen und Modelle aber nicht mit Resignation oder Verzicht auf den historisch-kritischen Ansatz reagieren. Vielmehr sollte man hier eine Chance sehen, selbstständig die biblischen Texte zu befragen, ohne sich gleich der einen oder anderen Lehrmeinung anschließen zu müssen. Zudem lassen sich trotz der großen Bandbreite der Meinungen doch einige Punkte eruieren, die weitgehend konsensfähig sind.“6 Es zeigt sich aber, dass sogar die wenigen konsensfähigen Punkte, die er danach nennt, nicht unumstritten sind. Daher stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob die herkömmliche akademische Dokumentenhypothese in der Pentateuchforschung mit ihren vielen Varianten in den letzten 2½ Jahrhunderten wirklich mit gesunder historischer Kritik kompatibel ist.7 Die widersprüchliche Vielfältigkeit der Ergebnisse weist jedenfalls nicht in diese Richtung. Anschließend schreibt Römer: „Die zukünftige Forschung sollte die Frage stellen, ob für alle Bücher des Pentateuchs dasselbe Entstehungsmodell anwendbar ist. Bekanntlich war die Urkundenhypothese immer ausgehend vom Buch Genesis entwickelt worden. Wie Frevel, ein Anhänger der Urkundenhypothese, zu Recht feststellt, ist diese ‚für Levitikus und Numeri […] weitestgehend unbrauchbar‘ (78). Vielleicht sollte man das eigenständige Profil der fünf Teile der Tora ernster nehmen, und die Einteilung des Pentateuchs in fünf Bücher nicht nur als ein spätes aus praktischen Gründen geschehenes Zerstückeln einer ursprünglichen großen Rolle

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Stuttgart: Kohlhammer 2014, (I.1. Die Geschichte der Erforschung des Pentateuchs) S. 52-83. Zitat in „j) Zusammenfassung“ auf S. 82. 7 H. J. Koorevaar / J. Steinberg, „2. Methodiek voor een theologie van het Oude Testament“, in: H. J. Koorevaar / M.-J. Paul (red.), Theologie van het Oude Testament: de blijvende boodschap van de Hebreeuwse Bijbel. Zoetermeer: Boekencentrum 2013, S. 51-86, besonders S. 69-74 (2.4.1 Diverse soorten historische kritiek).

G. J. Wenham, „Pondering the Pentateuch: The Search for a New Paradigm“, in: D. W. Baker / B. T. Arnold (eds.), The Face of Old Testament Studies: A Survey of Contemporary Approaches, Grand Rapids: Baker 1999, S. 116-144; R. Rendtorff, Directions in Pentateuchal Studies. Currents in Research: Biblical Studies 5, Sheffield: Sheffield Academic Press 1997, S. 43-65. 6 Th. B. Römer, „B. Der Pentateuch“, in: W. Dietrich / H.-P. Mathys u. a., Die Entstehung des Alten Testaments. Theologische Wissenschaft, Band 1.

222 ansehen (warum ist dann Levitikus nur halb so groß wie die Genesis?).“8 Aufgrund dieser Schwierigkeiten nehmen wir das oben in Punkt 3 erwähnte Problem auf: Es gibt keine deutliche Unterscheidung innerhalb des Pentateuchs als Buch oder als Buchreihe. Im Folgenden soll darauf weiter eingegangen werden. Es gibt dazu mehrere Positionen.9 1. Die Tora oder der Pentateuch ist ein einziges Buch und die Fünfteilung ist ein späterer Eingriff. So Eissfeldt.10 2. Die Fünfteilung wurde ursprünglich innerhalb des Rahmens einer Buchreihe entworfen. So Olson.11 3. Die Grenzen zwischen Exodus – Leviticus – Numeri sind weniger scharf als die Grenzen zwischen Genesis – Exodus und zwischen Numeri – Deuteronomium. So Blenkinsopp.12 4. Exodus – Leviticus – Numeri wurden in einer Reihe (seriell) entworfen. So Auld.13 5. Exodus – Leviticus – Numeri bilden ein einziges Buch. So Wenham.14 Hier wird das makrostrukturelle Problem des Pentateuchs sichtbar. Die Argumente, dass Exodus – Leviticus – Numeri literarisch ein einziges Buch darstellen, sind stark. In diesem

Fall handelt es sich beim Pentateuch um eine Sammlung aus drei Büchern und nicht um ein Buch im Sinne eines intellektuellen Konzepts oder einer metaphysischen Einheit.15 Die Wissenschaft hat in der Vergangenheit am falschen Ende angefangen, nämlich mit der Gesamtheit der Bücher und nicht mit jedem Buch für sich. Das geschah nicht nur im Rahmen historisch-kritischer Hypothesen wie der Dokumentenhypothese, sondern auch schon in der jüdischen Orthodoxie, die den Pentateuch/die Tora als literarisches Einheitswerk durch Moses betrachtete. Die christliche Orthodoxie hat sich hier angeschlossen und datierte das Werk auf ca. 1400  v. Chr. Die Datierungsvorschläge reichen somit von Moses ca. 1400 v. Chr. über die Perserzeit ca. 400 v. Chr. bis in die Zeit der Makkabäer / Hasmonäer von 160-100 v. Chr. Das entspricht dem enormen Zeitunterschied von dreizehn Jahrhunderten. Die oben angesprochene Pentateuchkrise ist jedoch Motivation, die Datierung der Genesis in zwei Punkten methodisch anders anzugehen. 1. Die Genesis ist ein eigenes literarisches Werk, das Teil einer Pentateuch- oder

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the Old Testament Supplement Series 227, Sheffield: Sheffield Academic Press 1996, S. 40-51 (+ Discussion, S. 52-64). 14 G. J. Wenham, Numbers: An Introduction and Commentary, The Tyndale Old Testament Commentaries 4, Leicester: Inter-Varsity Press 1981, S. 15-18. 15 H. J. Koorevaar, „The Books of Exodus – Leviticus – Numbers and the Macro-Structural Problem of the Pentateuch“, in: Th. Römer (ed.), The Book of Leviticus and Numbers, Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 215, Leuven: Peeters 2008, S. 423-453; K. Gutzwiller, „Comments on Rolph Rendtorff“, in: J. F. A. Sawyer (ed.), Reading Leviticus: A Conversation with Mary Douglas, JSOTSup 227, Sheffield: Sheffield Academic Press 1996, S. 36-39, v. a. S. 37; J. Barton, „What is a Book? Modern Exegesis and the Literary Conventions of Ancient Israel“, in: J. C. De Moor (ed.), Intertextuality in Ugarit and Israel: Papers read at the Tenth Joint Meeting of the Society for the Old Testament study and het Oudtestamentisch Werkgezelschap in Nederland en België Held at Oxford, 1997, OTS, 40, Leiden: E. J. Brill 1998, S. 1-14.

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Th. B. Römer, „B. Der Pentateuch“, in: Walter Dietrich / Hans-Peter Mathys u. a., Die Entstehung des Alten Testaments. Theologische Wissenschaft, Band 1, Stuttgart: Kohlhammer 2014, (I.1. Die Geschichte der Erforschung des Pentateuchs) S. 52-83. Zitat in „j) Zusammenfassung“ auf S. 83. H. J. Koorevaar, „The Torah as One, Three or Five Books: An Introduction to the Macro-Structural Problem of the Pentateuch“, Hiphil 3 [http://www. see-j.net/hiphil], 2006. O. Eissfeldt, The Old Testament: An Introduction including the Apocrypha and Pseudepigrapha, and also the works of similar type from Qumran. The History of Formation of the Old Testament, New York, Evanston: Harper and Row 1965, S. 135, 156-157. D. T. Olson, The Death of the Old and the Birth of the New: The Framework of the Book of Numbers and the Pentateuch, Brown Judaic Studies 71. Chico: Scholars 1985, S. 43-44, 48-49. J. Blenkinsopp, The Pentateuch: an Introduction to the First Five Books of the Bible London: SCM Press 1992, S. 134-138. G. Auld, „Leviticus at the Heart of the Pentateuch?“ in: J. F. A. Sawyer (ed.), Reading Leviticus: A Conversation with Mary Douglas. Journal for the Study of

223 Enneateuch-Reihe im hebräischen Kanon ist. Wir stehen erneut vor einer Herausforderung, um die Entstehung des Blocks zu erforschen. Methodisch müssen wir nicht am Ende (bei der Ganzheit), sondern am Anfang beginnen: Jedes einzelne Buch muss bezüglich seiner Entstehung eigens untersucht werden. Erst dann und erst wenn außerdem die Endredaktion untersucht wurde, können wir Schlüsse ziehen über die Entstehungsgeschichte der Reihe als Ganze. Die Resultate sollten in eines der drei folgenden Erklärungsmodelle passen:16 • Ein geschlossenes serielles Modell. Alle Bücher tragen redaktionelle Spuren einer bestimmten (gleichen) Zeit. Somit wurde Genesis – Könige seriell entworfen. Geschlossen bedeutet, dass die Redaktion es als abgeschlossene Reihe entworfen hat, zu der später kein neues Buch hinzugefügt werden darf, um die Reihe fortzusetzen. • Ein offenes serielles Modell (oder Stapelmodell). Alle Bücher haben einen unterschiedlichen Entstehungszeitpunkt. Das erste Buch war der Anfangspunkt, an den im Laufe der Geschichte immer wieder ein Buch angehängt wurde. Es stellt sich die Frage, ob das erste Buch mit der Erwartung geschrieben wurde, dass später weitere Bücher folgen sollten, die als Fortsetzung des ersten Buches angesehen werden, oder ob das nicht der Fall ist. • Eine Kombination aus einem offenen und einem geschlossenen seriellen Modell. Einige Bücher sind zeitlich getrennt und andere sind gleichzeitig entstanden. Dabei sind verschiedene Varianten möglich. Es ist auch möglich, dass zwei oder mehr Serien zusammengefügt wurden. 2. Diese Überlegungen machen den Weg frei, die historischen und chronologischen Zeugnisse der Genesis selbst zu untersuchen und zu skizzieren. Die Idee, dass der Inhalt der Ereignisse die spätere Zeit widerspiegelt, in der das Buch zusammengestellt wurde

(Rückprojektionshypothese), konnte mich nicht überzeugen. Das widerspricht dem Grundsatz, dass die Vergangenheit selbst eine wertvolle Information für die Zeit der Entstehung des betreffenden Buches und danach bietet.17 Der Autor der Genesis hat die Menschen seiner eigenen Zeit im Auge. Er will das Publikum über die Vergangenheit informieren. Die Vergangenheit besitzt ihren eigenen Inhalt und Wert unabhängig vom späteren Publikum, dem er das erzählen wollte. Aus der Sicht des Autors ist die Vergangenheit bedeutsam für das Publikum seiner Zeit. Darum formt er die vorhandene Information in spezifischer Weise. Die Information aus der Vergangenheit behält auch in dieser Form ihren eigenen Wert. Gleichzeitig können wir damit rechnen, dass der Autor die Zeit, in der er selber lebt, indirekt durch verschiedene redaktionelle Bemerkungen verrät (bewusst oder unbewusst). Genau diese Bemerkungen liefern den Schlüssel für die Datierung. Das ist Thema des folgenden Kapitels.

H. J. Koorevaar, The books of Exodus – Leviticus – Numbers. 2008, S. 450-453. 17 Vgl. D. W. Baker, „Source Critisism“, In: Desmond T. Alexander / David W. Baker, Dictionary of the Old

Testament: Pentateuch, Downers Grove, Leicester: InterVarsity 2003, S. 798-805; H. G. M. Williamson, „The History of Israel Or: Twos into One Won’t Go“, The Expository Times, 119, 2007-2008, S. 22-26.

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3.  Texte mit Datierungshinweisen aus der Zeit der Redaktion 3.1  Einleitung in die Datierungsmethodik und das Problem der Post-Mosaica Unter einem Post-Mosaicum versteht man einen Text in der Genesis (und in den anderen Büchern des Pentateuchs), der ein Ereignis oder einen Zeitpunkt nach dem Tod Moses bezeugt. In der Genesis finden sich sieben solcher Texte (s. u.). Die Forschung hat diese Post-Mosaica unterschiedlich eingeordnet. a. Historisch-kritische Forscher benutzen Post-Mosaica als Beweis, dass der Pentateuch erst nach Mose geschrieben sein müsse, und als Rechtfertigung für eine andere Entstehungserklärung wie z. B. die Doku-

224 mentenhypothese. Man meint, genug Gründe dafür zu haben, den Pentateuch als idealisierte Rückprojektion aus dem 5. Jh. v. Chr. nach Moses Zeit zu betrachten. Als konkretes Hilfsmittel für die Datierung des Pentateuchs werden bei diesem Ansatz die Post-Mosaica selten verwendet. b. Ein bedeutender Anteil der historischkanonisch orientierten Exegeten sieht im Pentateuch das Werk Moses. Spätere Abschreiber fügten einige kleine und erklärende Bemerkungen in das Werk ein. Die Absicht war, das Werk für ihre Zeit verständlich zu machen und einige Dinge zu erklären, die sonst in ihrer Zeit nicht mehr verstanden werden konnten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei einem Werk, das definitiv kanonisiert und maßgeblich ist, solche Zusätze überhaupt möglich sind.18 Bei dieser Position gibt es keinen deutlichen Unterschied zwischen abschließender Kanonisierung und Auslegung des Kanons. Außerdem müssten wir im Pentateuch viel mehr derartige Erklärungen finden, da die Zeit nicht stillsteht und Situationen und Gebräuche einem steten Wandel unterworfen sind, so dass immer mehr Dinge im Pentateuch erklärungsbedürftig sind. Das fand aber nicht statt. Bei dieser Position stellt sich eine kritische Frage: Warum hatte man in der Anfangszeit keine Bedenken, neue Informationen einzufügen, und später aber schon? c. Verschiedene historisch-kanonisch orientierte Wissenschaftler sehen gleichfalls in den Post-Mosaica den Beweis, dass der Pentateuch nach Moses geschrieben sein musste. Der Inhalt des Pentateuchs wird demnach als historisch zuverlässig angesehen und wurde größtenteils durch mosaische Quellen überliefert. Diese Quellen wurden vom Autor verwendet, um den Pentateuch zu schreiben. Die meisten Wissenschaftler machen keine Angaben dazu, wann der Pentateuch tatsächlich geschrieben sein soll. Eine Ausnahme ist Aalders. Er sieht Gen 36,31 als das jüngste

Post-Mosaicum und benutzt dieses für eine konkrete Datierung, nämlich in die Zeit von Saul und David. Die Einführung des Königtums müsse der Grund gewesen sein für die Kanonisierung des Pentateuchs.19 d. Einige historisch-kanonisch orientierte Wissenschaftler kommen zu der Schlussfolgerung, dass kein einziger Text, der als PostMosaicum eingestuft wurde, aus der Zeit nach Mose kommt, außer Dtn 34. Einige angenommene Post-Mosaica im Buch Genesis beinhalteten überhaupt kein Zeitelement, sondern hätten eher theologischen Charakter. Andere weisen zwar auf einen späteren Zeitpunkt als Josef hin, sind aber nicht später als Mose. Den ganzen Pentateuch betreffend ist nur Dtn 34 post-mosaisch. Wenn der Pentateuch eine literarische Einheit ist, dann muss der ganze Pentateuch nach Mose geschrieben worden sein. Wenn der Pentateuch ein Triptychon ist (1. Genesis, 2. Exodus – Leviticus – Numeri, 3. Deuteronomium), dann ist nur das Buch Deuteronomium post-mosaisch. In der alttestamentlichen Forschung wurden wie oben bereits erwähnt sieben Texte im Buch Genesis als post-mosaisch ausgewiesen. Es wurden noch weitere Vorschläge gemacht, doch diese finden kaum Akzeptanz. Die sieben Texte sind: 12,6 (die Kanaaniter waren damals im Land), 14,14 (Abram verfolgte bis Dan), 22,2 (das Land Morija), 34,7 (eine Schandtat in Israel), 36,31 (vor der Regierung eines Königs über die Israeliten), 40,15 das Land der Hebräer und 50,10-11 (die Dornentenne jenseits des Jordan).Vier davon beinhalten keine konkreten Datierungshinweise: 12,6; 22,2; 40,15; aus den drei anderen Texten können dagegen Datierungshinweise entnommen werden: 14,14; 36,31; 50,10-11. Für die folgenden Abschnitte habe ich meine Arbeit in Rahmen der höheren Studien über die Post-Mosaica von 1986 in Brüssel verwendet.20 Dort finden sich ausführliche Literaturhinweise. In diesem Kapitel zitiere

So auch G. Ch. Aalders, Oud-Testamentische Kanoniek, Kampen: J. H. Kok 1952, S. 136. 19 G. Ch. Aalders, Oud-Testamentische Kanoniek, 1952, S. 129; G. Ch. Aalders, A Short Introduction to the

Pentateuch, London: The Tyndale Press 1949. S. 137-138. 20 H. J. Koorevaar, De Post-Mosaica in Genesis. Aangeboden aan de Universitaire Faculteit voor Protes-

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225 ich die Literatur nur beispielhaft. Bei meinen weiteren Nachforschungen in neuerer Literatur über diese Texte stellte sich heraus, dass keine grundsätzlich neuen Beiträge geliefert wurden. Manchmal verwende ich sie aber zur Vervollständigung. Durch den Begriff „Post-Mosaica“ wird die Zeit Moses zum Referenzpunkt gemacht. Das verschmälert den Fokus der Untersuchung. Es geht darum, die Texte aufzuspüren, die die Zeit nach Josef widerspiegeln. Mit ihm schloss ja das Buch Genesis ab. Deshalb wollen wir die Texte Post-Josephica nennen. Es ist ja nicht von Bedeutung, auf welche Zeit nach Josef die Texte hinweisen: nach Mose, nach David oder nach wem auch immer. Es ist auch unvermeidlich, den Begriff Post-Mosaica regelmäßig zu verwenden, weil dieser Ausdruck in der Vergangenheit üblich war. Außerdem wollen wir Texte behandeln, die nicht zu den Post-Mosaica gerechnet werden, die aber die Zeit der späteren Redaktion widerspiegeln. Dazu scheint der Text Gen 13,10 zu gehören.21 Ab und zu kommen neue Vorschläge, dass auch noch andere Texte in der Genesis eine spätere Zeit reflektieren, die aber nicht zu den gängigen Post-Mosaica gehören. Beispielsweise ist T. D. Alexander der Meinung, dass die Redaktion der Genesis in 37,50 die davidische Dynastie kannte, verbunden mit der Linie von Peres und dem Verwerfen der Linie von Ephraim. Das weist nach seiner Auffassung auf eine Datierung ab der Reichsteilung ins Jahr 930 v. Chr. oder sogar nach dem Untergang Israels im Jahr 722 v. Chr. hin.22 Dieser Vorschlag ist eher suggestiv als konkret begründet. 49,10 über Juda ist eine Prophetie Jakobs, die unerfüllt ist und rätselhafte Elemente beinhaltet. Dasselbe gilt für 49,26 über Josef. Alexander macht einen methodischen Fehler, indem er nicht unterscheidet zwischen einer redaktionellen Anmerkung (oder einer tantse Godgeleerdheid te Brussel in het kader van de hogere studie. Brussel: Universitaire Faculteit voor Protestantse Godgeleerdheid, 1986. 21 „Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich, bis man nach Zoar kommt, wie der Garten des HERRN,

Widerspiegelung aus einer späteren Zeit) und einer prophetischen Aussage aus der Zeit des Geschehens selbst. Solche Fehler werden in der Forschung oft gemacht. Sie entstehen durch die Annahme, dass der Autor etwas aus seiner eigenen Zeit in die Vergangenheit projiziert: der Ansatz der Rückprojektion. Was wir sicher wissen, ist, dass ein heutiger Wissenschaftler selbst den Autor projizieren lässt. Aber projizierte der Autor selbst? Diese Vorgehensweise und diese Deutung ist suggestiv und spekulativ. Hier muss methodisch sauber und aus den Texten heraus begründet gearbeitet werden. Es sollen allein diejenigen Texte aufgespürt werden, die zwingend die spätere Zeit der Redaktion widerspiegeln. Nur diese Vorgehensweise ermöglicht eine verantwortbare Grundlage für die Datierung des Buches Genesis. Durch den Begriff Post-Josephica sind wir imstande, das Material, verbunden mit dem Begriff Post-Mosaica, differenzierter zu behandeln. 3.2  Vorgeschlagene Post-Mosaica ohne zwingende Datierungshinweise 3.2.1 Die Kanaaniter (waren) damals im Land (12,6b) Bei der Ankunft Abrams in Kanaan gibt der Text die Auskunft, dass damals die Kanaaniter im Land waren. Es wird folgendermaßen argumentiert. Der Autor befindet sich in einer Zeit, in der die Kanaaniter nicht mehr im Land Israel wohnten. Der israelitische Leser weiß nicht, wer die Kanaaniter sind, denn sie als Israeliten wohnen nun in diesem Land. Deshalb muss der Autor erklären, dass es früher eine Situation gab, wo die Kanaaniter doch in dem Land wohnten.23 Das ist eine historische gleichwie Ägyptenland.“ D. T. Alexander, „Authorship of the Pentateuch“, in: D. T. Alexander / D. W. Baker, Dictionary of the Old Testament: Pentateuch, Downers Grove, Leicester: InterVarsity 2003, S. 61-72. 23 C. Westermann, Genesis 12-36. BKAT I/2. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1981, S. 179. 22

226 Auslegung mit der Betonung auf dem Wort za' ´äz in der Bedeutung von damals. Hat dieser Satz aber wirklich eine historisch erklärende Funktion und ist damit die Übersetzung von ´äz mit damals richtig? Der Leser der Genesis braucht nicht erstaunt zu sein, dass zu der Zeit, als Abraham ins Land Kanaan hineinzieht, dieses Land bereits Einwohner hat. Er wurde bereits kurz vorher im Buch ausführlich über die Kanaaniter als Bewohner des Landes informiert (10,15-19). Außerdem gibt es diesen Satz (etwas variiert) noch einmal, und zwar in 13,7b. „Die Kanaaniter und Perisiter wohnten ´äz (damals) im Land.“ Warum wird das wiederholt? Vom historischen Standpunkt aus wäre das überflüssig. Außerdem gibt es noch ein grammatikalisches Problem. Sowohl 12,6b als auch 13,7b sind Nominalsätze. Sie enthalten kein Verb. Da das Verb fehlt, haben diese Sätze keine historisch erklärende Funktion. Nicht das Hebräisch des Urtextes, sondern eine Übersetzung mit einer Zeitform der Vergangenheit (wohnten) ist eher der Grund gewesen, dass diese Sätze als post-mosaisch aufgefasst werden. Ähnliches trifft auf das Adverb ´äz zu, das als zeitliches Adverb mit „damals“ übersetzt wird. Im Deutschen hat „damals“ die Bedeutung der Vergangenheit. ´äz funktioniert im Hebräischen jedoch oft nicht als zeitliches Adverb. Es steht beinahe immer vor einer Präfixkonjugation (Imperfekt). Es hat eine aktualisierende Funktion, auf jeden Fall da, wo kein Verb vorhanden ist. Es sollte besser mit jedoch übersetzt werden.24 Die wörtliche Übersetzung lautet: „Der Kanaaniter (ist) jedoch im Land“ (12,6). „Der Kanaaniter und der Perisiter (ist) jedoch Bewohner im Land“ (13,7). Somit sind diese Ausdrücke für sich selbst keine Post-Josephica. Der Autor muss einen anderen Grund gehabt haben, diesen Satz zweimal zu ge-

brauchen. Er will die Aufmerksamkeit auf ein Problem richten. Der Autor berichtet, dass Jhwh Abram ins Land Kanaan führt (12,1.56a). Dann fügt er diesen Satz ein (12,6b) und danach wird berichtet, dass Jhwh Abram erscheint und verheißt, dass Er dieses Land seiner Saat geben wird (12,7). Durch diesen Satz entsteht eine Spannung. Die Kanaaniter sind die Bewohner des Landes und somit dessen Herr und Meister. Besitzt Abram das Land also doch nicht? Ihm ist jedenfalls die Verheißung von Jhwh gegeben worden. Dadurch hat der Satz „Der Kanaaniter (ist) jedoch im Land“ eine theologische Funktion. Ähnlich ist die Situation, die in 13,7b beschrieben wird. Die Hirten Lots und Abrams bekommen Streit. Das Land kann sie nicht zusammen tragen (13,6-7a). Dann folgt der Satz, der diese Schwierigkeit noch größer erscheinen lässt, dass nämlich nicht nur der Kanaaniter, sondern auch der Perisiter im Land wohnt (13,7b). Abram überlässt Lot die Wahl, der für sich das Beste wählt, und sie gehen auseinander (13,8-13). Abram scheint einen noch schwächeren Stand als je zuvor zu haben: Die gläubige Familie ist auseinandergegangen. Genau in dieser Situation spricht Jhwh Abram an (13,14-17). Abram soll seine Augen umherschweifen lassen: Norden, Süden, Osten und Westen. Das ganze Land soll für Abram und seine Saat sein. Auch hier hat der Satz die theologische Funktion, die Spannung zwischen der jetzigen Wirklichkeit und der Verheißung Gottes zu unterstreichen.25

Vgl. L. Koehler / W. Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament I, Leiden: E. J. Brill 31967, S. 26. 25 E. W. Hengstenberg, Die Authentie des Pentateuches, Berlin: Ludwig Oehmigke 1839, S. 185-186; W. Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher

Mosis. Abriss einer Einleitung in den Pentateuch in Auseinandersetzung mit D. Sellins Einleitung in das Alte Testament, Veröffentlichungen des Bibelbundes 40. Bad Salzuflen: Selbstverlag des Bibelbundes, 1931, S. 69-73.

24

3.2.2 Das Land Morija (22,2) Im AT kommt der Name Morija nur zweimal vor: hier in der Genesis und in 2Chr 3,1. Nach den Schilderungen von Gen 22 schickt Gott Abraham ins Land Morija, um seinen

227 Sohn Isaak zu opfern‚ „auf einem der Berge, den ich dir nennen werde“. Die Reise dauert drei Tage. Abraham wohnte damals in BeerScheba. Die Geschichte nimmt einen glücklichen Ausgang: Statt Isaak wird ein Widder geopfert. Aufgrund dieses Geschehens nennt Abraham diesen Ort: „Jhwh wird ersehen.“ Das hat eine sprichwörtliche Bedeutung zur Folge: „Darum wird heute noch gesagt: ‚Auf dem Berg Jhwhs wird ersehen werden’.“ In 2Chr 3,1 steht: „Salomo ließ den Tempel des Herrn in Jerusalem auf dem Berg Morija errichten. Diesen Ort hatte schon sein Vater David bestimmt, weil der Herr ihm dort auf dem Dreschplatz des Jebusiters Arauna erschienen war“ (nach „Hoffnung für Alle“). Gen 22,2 wird als post-mosaisch eingestuft, weil der Name Morija im Buch Genesis von den Chronikbüchern aus erklärt werde. Die Chronikbücher sind junge Bücher, oft ins 4. Jh. v. Chr. datiert. Der Autor der Genesis habe ein Interesse daran gehabt, den Namen des Tempelbergs in Jerusalem in die Geschichte der Erzväter zu projizieren, wodurch dem Ort des Tempelbergs ein besonders sakraler Charakter beigemessen wird: Dieser Ort wurde schon von Gott Abraham zugewiesen, damit er dort opfert. Es ist aber willkürlich, die Chronikbücher als Ausgangspunkt für die Erklärung von Gen 22,2 zu nehmen.26 Außerdem ist es unsicher, ob die Identifikation des Tempelbergs in Jerusalem mit dem Berg aus Gen 22 wirklich aufrecht­erhalten werden kann.27 In Gen 22 ist die Rede vom Land Morija, aber der betreffende Berg hat keinen Namen. Anderswo im AT kommt das Land Morija nicht vor. Geologisch ist es zweifelhaft, ob der Berg in Gen 22 der spätere Tempelberg ist. Man kann den Ort aus der Ferne sehen, doch das können wir vom Tempelberg kaum sagen (siehe Ps 125,1-2). Außerdem ist es zweifelhaft, dass der Autor den tief respektierten Tempelberg distanziert als

V. P. Hamilton, The Book of Genesis: Chapters 18-50. The New International Commentary on the Old Testament, W. B. Eerdmans: Grand Rapids 1995, S. 20-21. 27 G. Ch. Aalders, Het boek Genesis: tweede deel hoofdstuk 11,27-30,43, Korte Verklaring der Heilige Schrift. 26

„einen der Berge“ bezeichnet haben soll. Morija ist ein alter Name für eine Gegend zur Zeit Abrahams. In späterer Zeit behielt diese Gegend diesen alten Namen nicht mehr, anders als der spätere Tempelberg. Es ist nicht bekannt, wie es dazu kam. Der Berg in Gen 22 hat den Namen Morija nicht, und er ist nicht identisch mit dem Tempelberg. Das AT schenkt dem Namen Morija wenig Aufmerksamkeit. 2Chr 3,1 kann nicht als Datierungsargument benutzt werden. Es gibt viel zu wenig Material, um daraus sichere Schlüsse ziehen zu können. Eine Namensabhängigkeit könnte eher in umgekehrter Weise gegeben sein. 3.2.3 Eine Schandtat in Israel (34,7) Gen 34 handelt von der Vergewaltigung Dinas, der Tochter Jakobs, durch den Hiwiter Sichem. Dieses Geschehen endet tragisch mit der Ermordung aller Männer der Stadt Sichem durch Simeon und Levi, zwei der Brüder Dinas. Die beiden Brüder waren wütend über den sexuellen Umgang Sichems mit Dina, „dass er eine Schandtat in Israel begangen hat“ (34,7). Dem Ausdruck „Schandtat“ begegnen wir einige Male im AT und er meint immer ein sehr ernstes Vergehen, meist auf sexuellem Gebiet. In mehreren Fällen folgt diesem Ausdruck „in Israel“. „Eine Schandtat in Israel“ kommt außer in Gen 34,7 auch in Dtn 22,21; Jos 7,15; Ri 20,6 und Jer 29,23 vor. Von diesen fünf Texten handeln vier von einer sexuell üblen Tat. Die post-mosaische Anwendung von Gen 34,7 wird wie folgt begründet: „In Israel“ bedeute „im Volk Israel“ oder „im Land Israel“. Im ersten Fall sei es ein Anachronismus und erst seit dem Auszug aus Ägypten möglich und im zweiten Fall handle es sich eindeutig um ein Post-Mosaicum.28 Kanaan konnte erst nach der Eroberung das „Land Israel“ genannt werden.

28

Kampen: J. H. Kok 71985, S. 124. H. Gunkel, Genesis. Handkommentar zum Alten Testament 1/1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1905, 1917, S. 375.

228 Wenn wir methodisch korrekt vorgehen, müssen wir aber zuerst untersuchen, wie der Ausdruck lae r ' f . y I b . büyiSrä´ël („in (an) Israel“) in den vorhergehenden Kontext im Buch Genesis passt.29 Der Name Israel wird kurz vorher genannt in 32,28. Jakob bekommt einen anderen Namen, nämlich Israel, aufgrund seines nächtlichen Kampfes mit Gott. Der Name Israel wird in 32,28 individuell gebraucht für die Person Jakobs. Allerdings hat der neue persönliche Name einen theologischen Tiefgang und eine theologische Bedeutung. Wenn also später „Israel“ als Name gebraucht wird, schwingt diese tiefergehende Bedeutung mit. Kurz darauf folgt eine weitere Verwendung des Namens Israel in 32,31-32. Die Lähmung Jakobs ist eine Veranlassung für die Israeliten, den Hüftmuskel nicht zu essen. Zum ersten Mal werden „die Söhne Israels“ erwähnt, eine größere Gruppe, die aus Israel, Jakob, abstammt. Somit ist Israel mehr als nur ein Individuum. Seine Nachkommen tragen auch seinen Namen: hier nicht seinen Geburtsnamen Jakob, sondern seinen theologischen Namen Israel. Jakob kommt in Kanaan an und lässt sich östlich von Sichem nieder (33,18-20). Von den Söhnen Hamors, des Vaters von Sichem, kauft er ein Stück Land und baut einen Altar darauf, den er „Gott ist der Gott Israels“ nennt. Jakob verwendet selbst seinen neuen theologischen Namen, um seine Beziehung zu Gott auszudrücken. Das geschah gerade vor den Ereignissen, die in Kapitel 34 geschildert werden. Da dieses Stück Land auch zu diesem Zweck von den Führern der Stadt Sichem gekauft wurde, waren sie sich sicher der Handlungen Jakobs bewusst. Der Name Israel für Jakob und seine Beziehung zu Gott kann ihnen also nicht unbekannt gewesen sein. In 33,20 hat der Name Israel eine individuelle Anwendung auf die Person Jakobs. Die Vergewaltigung Dinas wird danach eine Schandtat in oder an Israel genannt (34,7b). Ausgehend vom Gebrauch des Namens IsW. Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Mosis, 1931, S. 98. 30 J. Skinner, Genesis. International Critical Commentary, 29

rael im ganzen AT ist es verständlich, dass ein Leser hier an Israel als Volk denkt. Aber vom Kontext von Gen 32-34 ausgehend ist der Name Israel als Personenname Jakobs viel naheliegender. Das wird noch verstärkt durch den parallelen Aufbau von 34,7 selbst: „da er eine Schandtat an Israel begangen hatte // da er bei der Tochter Jakobs lag“. Anhand dieses Parallelismus kann man schlussfolgern, dass es sich bei Israel hier um den Personennamen (Bundesnamen) Jakobs handelt. Es ist nicht ganz sicher, ob die Aussage in 34,7b von den Brüdern Dinas stammt oder vom Autor des Buches Genesis. Wahrscheinlich von den Brüdern, denn sonst würden wir nicht wissen, warum sie so böse sind. Was kann man nun zu den anderen Aussagen über „eine Schandtat an / in Israel“ im AT sagen, wie z. B. in Dtn 22,21 über Sexualverbrechen (22,11-30)? Ausgehend von einem historisch-kanonischen Ansatz des Pentateuchs kommt Gen 34,7 zeitlich zuerst. Von da aus gesehen ist der Leser von Dtn  22,21 schon früher Gen 34,7 begegnet. Dtn 22,21 ist kanonisch gesehen eine Aussage von Mose. Darum ist Gen 34,7 kontextuell in der Genesis und kanonisch im Pentateuch nicht als Post-Mosaicum anzusehen. Es ist sogar gut möglich, dass das Urteil der Brüder Dinas in 34,7b zum Modell wurde für den späteren Gebrauch dieses Ausdrucks in Israel und durch Mose in Dtn 22,21. 3.2.4 Gestohlen wurde ich aus dem Land der Hebräer (40,15) Den Satz „Gestohlen wurde ich aus dem Land der Hebräer“ sagt Josef dem Mundschenk des Pharao im Gefängnis. Die post-mosaische Interpretation argumentiert, dass dies nur gesagt werden könne, nachdem Israel unter der Leitung von Josua Kanaan eingenommen hatte, also nach der Zeit Moses.30 Loretz nimmt sogar die Zeit nach dem Exil an.31

31

Edinburgh: T. & T. Clark 1910, S. 462. O. Loretz: Habiru-Hebräer. „Eine sozio-linguistische Studie über die Herkunft des Gentiliziums cibrî

229 Außer in Gen 40,15 begegnen wir sonst nirgends dem Terminus „das Land der Hebräer“. Im Buch Genesis selbst wird normalerweise „das Land Kanaan“ verwendet. Nach der Eroberung durch Josua werden andere Ausdrücke verwendet wie z. B. „das Land Israel“ oder „das Land Juda“. Bereits in Josua 11,22 finden wir den Ausdruck „das Land der Söhne Israels“. Dadurch weist der einzigartige Ausdruck „das Land der Hebräer“ hin auf eine andere geopolitische Situation, nämlich vor der Einnahme von Kanaan durch Israel. Es ist interessant, darüber weitere Einblicke zu erhalten. Im AT wird der Begriff Hebräer/hebräisch(e) folgendermaßen verwendet:32 1. Aus dem Mund anderer Völker. 2. Im Gespräch mit Nicht-Israeliten. 3. Im Vergleich mit anderen Völkern. 4. In einem militärischen Kontext (Gen 14,13). 5. Für einen Israeliten, der Sklave eines anderen Israeliten ist (Ex 21,2; Dtn 15,12; Jer 34,9.14). Methodisch korrekt muss im ersten Schritt geklärt werden, was der Terminus „Hebräer“ im Buch Genesis bedeutet. Der Ausdruck yrIb[ . i `ibrî (Hebräer, hebräisch) kommt vor in Gen 14,13; 39,14.17; 40,15; 41,12; 43,32. Anschließend müssen wir untersuchen, wie der Ausdruck „das Land der Hebräer“ im Mund Josefs von ihm selbst gemeint und von einem hohen Beamten in Ägypten verstanden worden sein muss. Sollte das noch nicht deutlich genug sein, dann muss das übrige AT zu Rate gezogen werden.33 Das erste Mal kommt der Begriff „Hebräer“ in Gen 14,13 vor. Abram wird vom Autor „der Hebräer“ genannt. Es steht im Kontext eines Krieges, wo sein Neffe Lot als Kriegs­ gefangener weggeführt wurde. In 39,14.17 nennt eine ägyptische Frau Josef einen hebräischen Mann und hebräischen Sklaven. In

40,15 sagt Josef selbst zu dem Mundschenk, dass er aus dem Lande der Hebräer gestohlen wurde. In 41,12 bezeichnet auch der Mundschenk später Josef als einen hebräischen jungen Mann dem Pharao gegenüber. Und schließlich steht in 43,32, dass die Ägypter mit den Hebräern keine Mahlzeit einnehmen, weil es ihnen ein Gräuel ist. Es geht hier um die Brüder Josefs. In 14,13, wo der Ausdruck erstmals gebraucht wird, scheint er gleichsam vom Himmel zu fallen. Vielleicht setzt der Autor voraus, dass dieser Terminus dem (ersten) Leser bekannt ist. Es kann auch sein, dass er für den allgemeinen Leser einen besonderen Verständnisschlüssel mitgegeben hat. In 10,21 wird Sem „der Stammvater aller Nachkommen rb,[eñ `ëºber, Ebers“ genannt, also bevor der Begriff „Hebräer“ in Kap. 14,13 eingeführt wird. Etymologisch handelt es sich um dieselbe Stammwurzel rb[ `Br. In 10,25 werden zwei Söhne Ebers erwähnt: Peleg und Joktan, aber die Geschlechterlinie, die über Sem und Eber zu Abram führt, verläuft über Peleg (11,16-18). Der Autor von 10,21 erklärt nicht, warum er überhaupt „alle Söhne Ebers“ erwähnt. Es scheint bekannte Materie zu sein. Auf jeden Fall gehört Abram Gen 10 und 11 zufolge zu den rb,[eñ-ynEB. Bünê-`ëºber, Söhnen Ebers. Er wird aber in 14,13 nicht rb,[-ñe !B, ben-ëºber, der Sohn Ebers, sondern yrIb.[ih' hä`ibrî, der Hebräer genannt. Der Begriff „die Söhne Ebers“ hat eine breitere Bedeutung: Auch Joktan und andere Abzweigungen im Stammbaum Pelegs fallen darunter. Meiner Ansicht nach ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass in Gen 14,13 Abram hä`ibrî, der Hebräer genannt wird, um einerseits eine Beziehung zu Eber und den Nachkommen Ebers zu legen. Andererseits ist es ein Ausdruck, der nur für ihn und somit auch für seine Nachkommen bestimmt ist, um ihn und diese vom Rest der Nachkommen Ebers zu unterscheiden oder abzutrennen.

vom Appellativum habiru“, Beiheft der Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, 160. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1984, S. 188. 32 Die drei ersten stammen aus E. König, Die Genesis, Gütersloh 1919, S. 480. Die beiden letzten stammen von mir selbst.

33

Der Ausdruck yrIb.[i, Hebräer, hebräisch mit der weiblichen Variante hY"rb I [. ,i kommt außerhalb des Buches Genesis vor in Exodus 1,15-16.19; 2,6-7.11.13; 3,18; 5,3; 7,16; 9,1.9.13; 10,3; 21,2; Deuteronomium 15,12; 1. Samuel 4,6.9; 13,3.7.19; 14,11.21; 29,3; Jeremia 34,9.14; Jona 1,9; 1. Chronik 24,27 (Name).

230 Er ist der Hebräer schlechthin. Der Einfluss Abrams, Isaaks und Jakobs ist im Land Kanaan im Laufe der Zeit groß geworden. Abram befreit z. B. in Gen 14 den Südosten vom Feind aus Mesopotamien.34 Der König von Salem segnet Abram. Das kann in Ägypten nicht unbemerkt geblieben sein, da Ägypten geopolitisch großes Interesse an Kanaan hat. Außerdem war Sara für kurze Zeit im Harem des Pharao gewesen. Weiterhin wird die Position Abrahams im Westen Kanaans verstärkt durch Abimelech von Gerar (Gen 20). Danach schließt er ein Abkommen mit den Hethitern, die ihn „einen Fürsten Gottes“ (einen mächtigen Fürsten) nennen (23,6). Isaak verstärkt seine Position im Westen und Süden von Kanaan ökonomisch und durch einen militärischen Vertrag mit Abimelech von Gerar und seinem Heerführer Pichol (Gen 26). Jakob kehrt aus Mesopotamien reich zurück. Seine Sippe schließt einen Vertrag mit den Bewohnern Sichems, den Hiwitern, wodurch sie für Zentral-Kanaan Besitzrecht bekommen. Seine beiden Söhne Simeon und Levi ermorden die Männer von Sichem. Menschen und Besitz werden erbeutet. Im ganzen Gebiet werden sie gefürchtet. Die Brüder verfügen später über dieses Gebiet und von dieser Gegend aus verkaufen sie Josef. Es ist nicht eindeutig, wie die Entwicklung des Personenkreises um Abraham und Isaak weitergegangen ist. Diese Menschen werden eingegliedert und sogar beschnitten. Das Buch Genesis sagt hier nicht mehr darüber. Dass sich von hier aus weitere Hebräergruppen entwickelt haben, ist gut möglich. Dass die Ägypter von dort aus mehrere Einwohnergruppen von Kanaan als Hebräer abstempelten, gehört auch zu den Möglichkeiten. Die Hebräer als Sippe der Bundesväter bildeten in Kanaan eine politische und ökonomische Macht während eines Zeitrahmens von zwei Jahrhunderten, und zwar an unterschiedlichen Orten im Westen, Süden und im Zentrum. Dass Ägypten Kanaan als das Land der Hebräer abstempelt, passt sehr gut. Als Josef 34

W. H. Green, The Unity of the Book of Genesis, Baker Book House: Grand Rapids 1979, S. 466-467.

das tut, passt er sich einerseits der Redeweise der Ägypter an. Andererseits gehört er zu den Nachkommen Abrahams, denen Gott das Land Kanaan versprochen hat. Der Satz Josefs in 40,15 kann deshalb ein „zweischneidiges Schwert“ sein: historisch-politisch als Begriff, der in Anpassung einem ägyptischen Spitzenbeamten gegenüber in der Periode der Bundesväter verwendet wird, und theologisch als Äußerung seiner Selbstbezeichnung. Wenn Josef sagt, dass er aus dem Land der Hebräer gestohlen wurde, macht das nur Sinn, wenn er damit rechnen kann, dass sein Gesprächspartner das auch als ungerecht und unannehmbar ansieht. Vielleicht weist dieser Satz auch darauf hin, dass Ägypten in dieser Zeit ein gewisses Sagen über das Land Kanaan hatte und sich als Beschützer der „Hebräer“ aufspielte. Es muss einem ägyptischen Spitzenbeamten zu denken geben, dass Josef aus dem Land der Hebräer gestohlen wurde. Noch komplizierter wird die Diskussion durch die Behauptung, dass die Habiru aus den Amarnabriefen dieselben sein sollen wie die Hebräer, die unter Josua Jerusalem und seine Umgebung bedrohten. Die Amarna­ briefe werden üblicherweise ins 14. Jh. v. Chr. datiert. Falls diese Identifikation korrekt ist, muss der Terminus „Hebräer“ schon eher bekannt gewesen sein, denn die Habiru sind eine breitere Erscheinung im alten Nahen Orient. In diesem Fall handelt es sich auch nicht um ein Post-Mosaicum. Die Gleichstellung Habiru/Hebräer ist aber sehr umstritten. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Habiru um eine soziologische Größe, wobei eine Bandenbildung stattfindet.

3.3  Post-Josephica mit konkreten Datierungshinweisen 3.3.1 Die Jordangegend war wie das Land Ägypten (13,10) In Gen 13,10 steht: „Und Lot hob seine Augen auf und sah die ganze Gegend des Jordan, dass sie ganz bewässert war (bevor Jhwh Sodom und Gomorra zerstört hatte) gleich

231 dem Garten Jhwhs, wie das Land Ägypten, bis nach Zoar hin.“ 13,10b ist eine redaktionelle Anmerkung des Autors selbst. Er stellt einen Vergleich an zwischen der inzwischen verwüsteten (südlichen) Jordangegend und zwei anderen Gebieten, nämlich dem Garten Jhwhs, der sein Wasser von einem Fluss in Eden erhielt, und dem Land Ägypten, das vom Nil getränkt wurde. Durch die Information aus 2,8-14 kennt der Leser die Situation im Garten Eden. Aber woher kennt er die Situation in Ägypten? Ist dieses Wissen bei allen Generationen Israels bekannt, wie Bewässerung genau funktioniert und wie das Resultat aussieht? Für die ersten Leser des Buches muss das Land Ägypten ein sehr bekannter Bezugspunkt gewesen sein. Sie wissen sehr gut, wie das Land vom Nil bewässert wird. Das ist ein Argument für eine Entstehung des Buches Genesis zur Zeit einer Generation in Israel, die Ägypten aus eigener Erfahrung gekannt hat (vgl. Dtn 11,10-12). Die Generation kurz vor dem Einmarsch ins verheißene Land wird hierbei angesprochen. Ein Teil davon hat Ägypten als Jugendliche selbst gekannt. Bei späteren Generationen ist ein solcher Referenzpunkt nicht sinnvoll, da Ägypten nicht mehr zu ihrer Lebenswelt gehört(e). Das gilt von der Zeit der Generation Josefs an (1877 v. Chr.) bis zur Zeit der ersten Generation Israels in Kanaan; danach nicht mehr und somit nicht nach 1350 v. Chr. Dieser Text ist an sich kein Post-Josephicum. Josef kennt das Geschilderte auch aus eigener Erfahrung.

3.3.2 Abram nahm die Verfolgung auf bis Dan (14,14) Gen 14 handelt vom Aufstand des Königs von Sodom und des umgebenden Gebiets gegen die Vorherrschaft aus Mesopotamien. Der Aufstand verläuft schlecht. Die Einwohner und auch Lot werden Richtung Mesopotamien als Kriegsgefangene verschleppt. Abram organisiert einen Blitzkrieg, um Lot zu befreien. Er nimmt die Verfolgung auf `!D")-d[; `ad-Dän bis Dan (14,14), schlägt den

Feind und verfolgt ihn bis Hoba, nördlich von Damaskus. Nach seiner Rückkehr lässt er die Gefangenen mit ihrem Besitz frei. Die post-mosaische Argumentation lautet folgendermaßen:35 Zur Zeit Abrahams bestand die Stadt Dan im Norden Kanaans noch nicht. Der Stamm Dan hat eine Stadt erobert, die damals den Namen Leschem oder Lajisch trug (Jos 19,47-48; Ri 18,7-8.2731). Dieser Name wurde geändert zu Dan. Die Änderung erfolgte nach der Eroberung Kanaans, also nach dem Tod Moses. Das ist ein Post-Mosaicum, das sehr überzeugend wirkt. Es wird als typisches Beispiel eines Anachronismus angesehen. Die Hauptfrage ist, ob der Ort Dan in Gen 14,14 wirklich Dan-Lajisch ist, bei den Quellen des Jordan, die spätere Hauptstadt der Daniter. Diese Identifikation wurde wie selbstverständlich vorgenommen, aber stimmt sie auch? Der Hinweg, den der Feind nach 14, 5-6 nahm, weist in eine andere Richtung. „Und sie schlugen die Refaiter in AschterotKarnajim, die Susiter in Ham, die Emiter in der Ebene von Kirjatajim und die Choriter in ihrem Gebirge Seir bis nach El-Paran, das am Rand der Wüste liegt.“ Der Feind hat, aus dem Norden kommend, den Weg des Ostjordanlands gewählt. Auf dem Hinweg sind sie überhaupt nicht an dem „Dan“ bei den Quellen des Jordan vorbeigegangen. Dieser Ort liegt im Tal und würde einen unnötigen Umweg bedeuten. Es ist aber zweifelhaft, dass sie auf dem Rückweg eine andere Route gewählt haben, z. B. durch Kanaan via Dan-Lajisch an den Jordanquellen, Richtung Damaskus. Das ist strategisch sehr unwahrscheinlich. Die Route via Ostjordanland hatten sie kurz zuvor befriedet. Eine Route durch das Westjordanland könnte sie militärisch verwundbar machen. Die Vorschläge, nämlich via Westseite des Jordan oder sogar via Küste nach Dan zu, sind strategisch undenkbar. Eine Route an der Westseite des Jordan, sollte diese bestanden haben, ist topographisch sehr mühsam. Vor allem die Steigung am 35

G. Ch. Aalders, Oud-Testamentische Kanoniek, 1952, S. 128-129.

232 Ende des Sees Genezareth ist schwierig und könnte die Kämpfer verwundbar machen. Dort dem Jordan zu folgen, ist so gut wie ausgeschlossen. Sollten sie dennoch die Route westlich des Jordan genommen haben, dann müssten sie am Schluss nördlich des Sees Genezareth die normale Hauptstraße nach Nordosten Richtung Damaskus gewählt haben (beim heutigen Hagovrim). Sicher wären sie nicht noch weiter nach Norden gezogen und via Dan-Lajisch nach Nordosten, nach Damaskus gegangen. Das ist ein Umweg, der zusätzliche Gefahren mit sich gebracht hätte wie z. B. Malariasümpfe. Wohl aus diesem Grund wurde ein anderer Vorschlag gemacht, nämlich dass der Feind über die JezreelEbene zum Mittelmeer hin gezogen ist, den Küstenweg nach Tyrus eingeschlagen und über Dan-Lajisch den Weg nach Damaskus gewählt hat.36 Dieser Umweg ist aber noch größer. Es kann sich in 14,14 daher nicht um das Dan an den Jordanquellen handeln. Es muss östlich des Jordan liegen, und zwar im nördlichen Ostjordanland, nicht sehr weit von Damaskus entfernt.37 Gibt es vielleicht noch irgendwo anders im AT einen Hinweis auf ein Dan an diesem Ort? Gott zeigte Mose kurz vor seinem Tod vom Berg Nebo aus `!D")-d[; d['Þl.GIh;-ta, ´et-haGGil`äd `ad-Dän, das Gilead bis Dan (Dtn 34,1b). Die Bewegung ist von Süden bis Norden. Das sof pasuq (Zeichen eines Versendes) steht nach dem Wort Dan.38 Damit ist Dan der nördliche Abschluss von Gilead, dem Ostjordanland, das Israel am Ende der Zeit Moses erobert hat. Es kann nicht das Dan an den Jordanquellen sein, da dieses nicht zu Gilead gehört. In 2Sa 24,6 ist die Rede von einem DanJaan, das im Zusammenhang mit dem Ostjordanland steht. Joab muss israelitisches Militär zählen und beginnt im Ostjordanland, von Süden nach Norden (2Sa 24,5-6). Der letzte Ort im Norden des Ostjordanlands ist Dan-

36 37

E. König, Die Genesis, 1919, S. 480. C. F. Keil, Genesis und Exodus, Biblischer Kommentar über das Alte Testament, Leipzig: Dörffling und Franke 31878, S. 175; W. Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Mosis, 1931, S. 93-96.

Jaan. Dieser Ort kann nicht im Westjordanland liegen, da es sich dann um das „normale“ Dan handelte, das nirgends einen Beinamen bekommt. Dan-Jaan muss tatsächlich am selben Ort wie das Dan aus Gen 14,14 gelegen haben. Wahrscheinlich hat es später den Beinamen Jaan bekommen, um es von dem Dan der Daniter zu unterscheiden. Im Buch Genesis war das unnötig, da es dieses Dan noch nicht unter diesem Namen gab. In Gen 14,14 geht es deshalb nicht um Dan-Lajisch, sondern um Dan-Jaan. Wir kommen damit zu der interessanten Feststellung, dass Gen 14,14 nicht ein post quem sondern ein ante quem ist. Das Buch Genesis muss also vor der Einnahme von Lajisch durch den Stamm Dan und der Namensveränderung Dans (Jos 19,47, Ri 18, 27-29) datiert werden. Wann geschah dies? a. Laut Ri 1,34-36 verhinderten die Amoriter, dass die Daniter in die Küstenebene herabkamen und das ihnen zugedachte Gebiet in Besitz nahmen. Das muss für einen Teil des Stammes der Auslöser gewesen sein, nach einem anderen Gebiet Ausschau zu halten. Sie wohnten bereits in Zora und Eschtaol. Bevor sie sich auf die große Reise begaben, lagerten sie sich in Mahane-Dan (Ri 18,12). Das ist auch der Wirkungskreis von Simson am Anfang seines Wirkens (Ri 13,25). Der Umzug von Dan in den Norden muss noch ganz in den Anfängen der Richterzeit stattgefunden haben. Die Erbteile waren wohl zugewiesen, aber anfangs konnte nicht jeder Stamm sich endgültig erfolgreich niederlassen. b. Der Hohepriester Pinechas lebte noch während des Umzugs des Stammes Dan. Der Ausdruck „von Dan bis Beersheba“ kommt zuerst in Ri 20,1 vor. Der Ausdruck hat die Bedeutung „von Norden bis Süden“. Dieser Begriff konnte sich erst entwickeln, nachdem der Stamm Dan oder ein Teil davon aus dem mittleren Westen in den Norden umgezogen

38

Es ist auffallend, dass Gen 14,14 und Dtn 34,1 mit genau derselben Wortkombination enden (einschließlich des sof pasuq): `!D")-d[; ‘ad-Dän, bis Dan. Möglicherweise sah der Autor von Deuteronomium eine Parallele zu Gen 14,14.

233 war. Nun berichtet Ri 20,28, dass Pinechas, der Sohn von Eleasar, dem Sohn Aarons, in dieser Zeit vor dem Angesicht Jhwhs stand. Pinechas wird schon in Ex 6,24 und in Num 25,7-13 erwähnt. Somit findet der Umzug des Stammes Dan während der Hohepriesterschaft von Pinechas statt. Pinechas nahm den Platz seines Vaters Aaron nach dessen Tod ein. Er ist auch die letzte Person, die im Buch Josua erwähnt wird (Jos 24,33). Der Umzug (eines Teils) des Stammes Dan kann nicht allzu lange nach der Einnahme des Landes stattgefunden haben, wahrscheinlich nach dem Tode Josuas und Eleasars, da die Errichtung einer Götzenstatue durch die Daniter im neuen Dan unter deren Autorität schwer vorstellbar war. Wenn wir von dem frühen Einzug in Kanaan ausgehen, ist 1370 v. Chr. das letzte vorstellbare Datum. Das Buch Genesis muss vor diesem Datum geschrieben worden sein. 3.3.3 Die Könige im Land Edom vor einem König über die Israeliten (36,31) „Und dies sind die Könige, die im Land Edom regierten, bevor ein König der Israeliten regierte“’ (36,31). So lautet die Einleitung auf der edomitischen Königsliste in Gen 36,32-39. Diese Liste steht im Zusammenhang von Gen 36 über die Toledot Esaus (36,1+9). Man muss in Gen 36 mehrere Listen unterscheiden, so wie die „der Söhne Esaus“ (36,10), „die Stammesfürsten der Söhne Esaus“ (36,15), „die Söhne Seirs, des Choriters, die Einwohner des Landes“ (36,20), „die Könige, die im Land Edom regierten …“ (36,31), und „die Namen der Stammesfürsten Esaus“ (36,40). Die Linie Esaus wird somit lange nach ihm durchgezogen. Wie lange? Es gibt zwei Hauptvorschläge für einen post-mosaischen Gebrauch von Gen 36,31. 1. „Dies sind die Könige, die im Land Edom regierten, bevor ein König der Israeliten (über Edom) regierte.“39 Durch den 39 40

H. Gunkel, Genesis, 1917, S. 393. Die 300 Jahre Jeftahs in Ri 11,26 sind kompatibel mit den 480 Jahren (LXX 440 Jahre) zwischen Auszug

Zusatz „über Edom“ wird eine historische Verbindung zwischen den zwei Satzteilen gemacht. Laut 1Kö 11,14-22 hat Joab zur Zeit Davids Edom als selbstständigem Königreich ein Ende gesetzt. Zu dieser Zeit herrschte Prinz Hadad. Dieser floh nach Ägypten, kehrte später wieder zurück und wurde ein Widersacher Salomos. Dieser Hadad wird in 1Kö 11,14 mit dem letzten edomitischen König in Gen 36,39 identifiziert, der auch Hadad heißt (Hadar = Hadad, vgl. Gen 36,39 mit 1Chr 1,50-51a). Gegen diese Argumentation gibt es folgende Einwände: • Der Zusatz „über Edom“ ist willkürlich. • Hadad aus 1Kö 11,14 kommt aus dem königlichen Geschlecht und bezeugt ein Königtum durch Erbfolge. Das spricht gegen Gen 36,31-39, wo von einem erblichen Königtum keine Rede ist, sondern eher auf ein Königtum durch Wahl hingewiesen wird. • Wann begann der erste König nach Gen 36,31 in Edom zu regieren? Schon zur Zeit Moses gibt es einen König in Edom, der Israel die Durchreise verweigert (Num 20,14-21). Oft wird angenommen, dass dieser der erste König ist. Diese Annahme ist jedoch willkürlich, umso mehr, als schon in dieser Zeit die Rede ist von einem königlichen Weg (Num 20,17), was eher auf ein schon länger gefestigtes Königreich hinweist. Bei acht Königen können wir bei einer durchschnittlichen Länge von einer Generation von 23 Jahren an 184 Jahre denken. Vielleicht sind es weniger, da bei einem Königtum durch Wahl der betreffende König schon vorher als @WLa; ´allûp, Stammesfürst eine Leitungsposition innegehabt haben muss (siehe Gen 36,40-43). Zwischen der Ankunft Israels im Ostjordanland und Jeftah liegen 300 Jahre (Ri 11,26) und das Königtum in Israel ist erst einige Zeit nach Jeftah eingeführt worden.40 Diese Zeit ist zu lang, um acht Könige darin unterzubringen. 2. In Gen 36,31 wird eine Verbindung gelegt zwischen den Königen in Edom und und Beginn des Tempelbaus durch Salomo nach 1Kö 6,1.

234 36,31a

~ykiêl'M.h; hammüläkîm die Könige Wkßl.m' mälkû regierten B. Bü im ~Ad+a/ #r,a,ä ´eºrec ´édôm Land Edom

36,31b

%l,m,Þ meºlek ein König -%l'm. ynEïp.li lipnê müläk - vor dem Regieren li li für `lae(r'f.yI ynEïb. bnê yiSrä´ël die Söhne Israels

Abb. 1: Parallelität von Gen 36,31a und 36,31b.

dem erlebten Königtum in Israel. Dann befinden wir uns in der Zeit Sauls und Davids. Das Buch Genesis (und der Pentateuch) kann nicht vor ihnen datiert werden.41 Aber gibt es überhaupt eine konkrete historische Beziehung zwischen den beiden Satzteilen? Weist der zweite Satzteil überhaupt auf ein bereits vorhandenes Königtum in Israel hin? Die beiden Satzteile stehen größtenteils parallel zueinander (Abb. 1). Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was schon real und bekannt ist über die Könige von Edom, die kurz danach namentlich erwähnt werden, und dem, was noch nicht geschehen ist und darum nicht noch nicht konkret erwähnt werden kann über einen König, der für die Israeliten bestimmt ist. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen der geographischen Formulierung des Landes Edom und zwischen der ethnischen Formulierung der Kinder Israels. Das Land Israel wird nicht erwähnt. Außerdem gibt es noch einen Unterschied bei den Verbformen. Im ersten Teil, die Könige über Edom, steht Wkßlm . ' mälkû, regierten, in einer Suffixkonjugation in der 3. Person Plural. Das muss hier als Perfekt verstanden werden, siehe 36,32-39. Es geht um Fakten. Bei den Israeliten steht das Verb im Infinitiv, -%l'm. müläk-, regieren. Es hat die Bedeutung einer Zielsetzung: ein König für die Israeliten. Aber dieses Ziel wurde noch nicht erreicht. Also: noch vor der Zeit, als ein König für die Israeliten bestimmt worden war. Was die historische Annäherung nicht lösen konnte, nämlich die historische Ver41

G. Ch. Aalders, Oud-Testamentische Canoniek, 1952, S. 129, 137-138.

bindung zwischen den beiden Satzteilen, ist grammatikalisch theologisch dagegen klar. Gegenüber dem historisch Sicheren und Sichtbaren der Könige von Edom steht das Vage des zu erwartenden Königtums für die Israeliten. Diese Unschärfe in der Formulierung stimmt mit dem zukünftigen Königtum aus der Tora in Dtn 17,14-20 überein. Auch hier fehlt beim König der bestimmte Artikel: ein König. Das Königtum für die Israeliten in Gen 36,31 weist aufgrund der Vagheit in der Formulierung nicht auf ein bereits erlebtes, historisches Königtum hin, sondern auf eine Zielsetzung. Diese Zielsetzung passt vollständig in den theologischen Kontext des Buches Genesis selbst (17,6.16; 35,11). Israel werden Könige versprochen. Dieser Satz deutet an, dass das Buch Genesis vor König Saul geschrieben sein muss und nicht nach ihm. Methodisch wurde der Fehler begangen, dass man versucht hat, eine historische Bedeutung einem Text beizumessen, der eine theologische Funktion hat. Der letzte König, Hadad, Gen 36,38-39, muss während der Niederschrift des Buches Genesis noch gelebt haben, da sein Tod nicht erwähnt wird, wohl aber der seiner Vorgänger (vergleiche 1Chr 1,51a). Wie lange vor Saul hat Hadad gelebt? Das können wir mit den Informationen im Buch Genesis nicht feststellen. Nun ist im AT nur einmal die Rede von einem König in Edom vor König Saul, und zwar in der Zeit von Mose. Wir haben den Vorschlag erwähnt, dass der erste König von Edom zur Zeit Moses regierte und der letzte zur Zeit Sauls. Wir haben schon nachgewiesen, dass diese zeitliche Zuordnung willkürlich ist. Das Königtum in Edom

235 muss schon einige Zeit vor Mose etabliert gewesen sein. Aber wie lange? Auch das ist mit den Vorgaben im Buch Genesis und im restlichen Pentateuch nicht festzustellen. Es wurde auch der Vorschlag gemacht, dass der letzte König von Edom der König ist, der zur Zeit Moses regiert haben soll.42 Ist dieser Vorschlag vereinbar mit der Information in Gen 36,31-39 und Num 20,14-21? Mose hatte – erfolglos – durch Boten mit dem König von Edom wegen eines Durchzugs der Israeliten durch das Land Edom verhandelt. Der Name des betreffenden edomitischen Königs wird nicht erwähnt. Diese Initiative Moses kann für Israel ein Anlass gewesen sein, sich gut über Edom und seine Geschichte zu informieren. In Gen 36 finden wir diese Information. Das Königtum scheint nicht durch Erbfolge, sondern durch Wahl zustande gekommen zu sein. Die acht Könige haben maximal 184 Jahre regiert (s. o.). In dieser ganzen Zeit war Israel in Ägypten und in der Wüste.43 Der Vorschlag, dass es sich beim edomitischen König Hadad in Gen 36,38-39 um den König handelt, der im letzten Jahr von Mose regierte, ist denkbar. Dann wäre Gen 36,31 kein Post-Mosaicum. Das wäre aber noch kein zwingender Beweis dafür, dass Hadad und Mose Zeitgenossen waren. Er kann sogar bis maximal 1220 v. Chr. regiert haben.44 Dennoch wird deutlich, dass dieser Vorschlag vereinbar ist mit den Vorgaben in Gen 36,3139 und Num 20,14-21.

Nach seinem Tode muss Jakob in allen Ehren von Ägypten und seiner eigenen Familie in Kanaan begraben werden. Eine große Menschenmenge macht sich auf. Diese hält erst eine große Trauerfeier auf der Tenne Atad (Dornentenne) jenseits des Jordan, die von den Bewohnern des Landes, den Kanaanitern, den Beinamen ´äbël micraºyim, die Klage Ägyptens erhalten hat. Danach wird Jakob von seinen Söhnen im Land Kanaan, in der Höhle von Machpela begraben. Die post-mosaische Argumentation lautet folgendermaßen. Die Trauerfeier wird jenseits des Jordan gehalten, also im Ostjordanland. Ein solcher Ausdruck kann nur von jemandem benutzt werden, der sich in Kanaan befindet. Dort ist Mose nie angekommen. Der Ausdruck setzt einen israelitischen Schreiber in Kanaan voraus, das bereits im Besitz Israels ist.45 Diese Argumentation setzt voraus, dass !Deêr.Y:h; rb,[eäB. Bü`ëºber hayyarDën, jenseits des Jordan ein terminus technicus für das Ostjordan­ land ist. Das ist aber nicht richtig. Dieser Ausdruck wird in mehrfacher Bedeutung verwendet.46 a. Objektiv für das Ostjordanland, unabhängig davon, ob sich jemand westlich oder östlich des Jordan befindet (Dtn 3,8). b. Subjektiv für das Ostjordanland, wenn sich jemand westlich des Jordan befindet.

C. F. Keil, Genesis und Exodus, 1878, S. 274-276; W. H. Green, The Unity of the Book of Genesis, 1979, S. 426-429; W. Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Mosis, 1931, S. 73-79. 43 Dies gilt sowohl für einen kurzen Aufenthalt Israels in Ägypten von 215 Jahren als auch für einen langen Aufenthalt von 430 Jahren (Ex 12,40-41). Aus Genesis 36 ist nicht abzuleiten, wie lange nach Esau das Königtum in Edom begann. Wenn wir vom Jahr 1407 v. Chr. als letztes Jahr Moses ausgehen und zurückrechnen, dann muss der erste König 1407 + 184 = 1591 v. Chr. angefangen haben. Wie lange nach Esau das tatsächlich ist, hängt davon ab, ob Israels Aufenthalt in Ägypten von langer oder kurzer Dauer war. Wenn wir den Tod Jakobs und Esaus gleichsetzen, dann ist es das 17. Jahr Israels in Ägypten. Ausgehend von einem kurzen Verbleib

wäre das 1407 + 40 + 215 – 17 = 1645 v. Chr. Somit würde das Königtum in Edom 1645 – 1591 = 54 Jahre nach dem Tode Esaus beginnen. Beide Positionen sind denkbar. 44 Wir können mit 1407 v. Chr. beginnen, der Zeit der Verhandlungen Moses mit dem König von Edom (Num 20,24-21. Wenn wir hier die maximale Zeitspanne von acht Königen hinzufügen (8 x 23 = 184 Jahre), dann kommen wir auf 1223 v. Chr. Wenn wir davon ausgehen, dass der Königsweg schon seit zwei Königen gefestigt ist, dann ziehen wir davon 46 Jahre ab und kommen auf 1269 v. Chr. Das ist eine plausible Vorstellung, bietet aber keine Sicherheit. 45 C. Westermann, Genesis 12-36, 1981, S. 688-690. 46 W. Möller Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Mosis, 1931, S. 99-104.

42

3.3.4 Die Tenne Atad jenseits des Jordan (50,10-11)

236 c. Subjektiv für das Westjordanland (Kanaan), wenn jemand östlich des Jordan steht (Num 32,19a). Die Art der Bezeichnung stellt für jeden, der an einem Fluss wohnt, der verkehrstechnisch eine Grenze bildet, ein allgemeines Problem dar. Sogar in den Niederlanden hat sich das auf die Namensgebung einer Provinz mit dem Namen Overijssel (Über-IJssel) ausgewirkt. Es geht um das Gebiet auf der anderen Seite, d. h. der Ostseite der IJssel. Aber auch die Stadt Kampen, die an der Westseite liegt, gehört zu Overijssel. Das ist vergleichbar mit Transjordanien (Über-Jordan), dem früheren Namen für Jordanien. Dass geographische Bezeichnungen manchmal zu Unsicherheiten führen, zeigen die regelmäßig vorkommenden Zusätze, wenn eine Unklarheit auftreten könnte. Auf „jenseits des Jordan“ folgen vorher oder danach geographische Umschreibungen oder eine Himmelsrichtung. Dazu einige Beispiele. „Jericho, `hx'r)"zm > i hm'dq> ïE qëºdmâ mizräºHâ, im Osten, gegen Sonnenaufgang“ (Num 34,15). „Das gute Land … dieses gute Bergland und der Libanon“ (Dtn 3,25). Was das Hebräisch betrifft, so kommt neben rb,[eñB. Bü`ëºber auch rb,[eñ `ëºber und rb,[eñme më`ëºber vor, meistens gefolgt von !DerY. h : ; hayyarDën, manchmal aber auch von !DEr.y:l. lüyarDën. Ein stereotyper Gebrauch ist damit ausgeschlossen. Somit müssen wir aus dem Kontext die Lage erschließen. Bei Gen 50,10-13 findet sich ein besonders interessantes Problem. Wo liegt die Tenne Atad / ´äbël micraºyim (die Klage Ägyptens): östlich oder westlich des Jordan? Meist nimmt man an, dass sie sich östlich des Jordan befindet. Falls das der Fall wäre, dann hätte der Trauerzug einen großen Umweg machen müssen. Zuerst hätte er aus Ägypten Richtung Kanaan ziehen müssen, um dann plötzlich abzubiegen und den Weg südlich von Kanaan nehmen, über Edom und Moab in den Norden gehen, um dann irgendwo im Ostjordanland 47

In Num 13,29 steht: `!DE)r.Y:h; dy:ï l[;Þw> ~Y"ëh;-l[; bveäyO ‘ynI[]n:K.h;(w> wüha|KKüna`ánî yöšëb al-hayyäm wü`al yad hayyarDën, und der Kanaaniter wohnt am Meer und am Ufer des Jordan. Bedeutet hebr. `al yad auf der Hand des

die Trauerfeier zu halten. Anschließend hätte er den Jordan überqueren und in den Süden ziehen müssen, um dann Jakob in Machpela bei Hebron zu begraben. Warum musste ein so großer Abstand zwischen dem Ort der Trauerfeier und dem Begräbnisplatz gewählt werden? Sollte man nicht eher annehmen, dass die beiden Orte sehr dicht beieinander liegen? Es wurden verschiedene Erklärungen abgegeben, den erstaunlichen Umweg zu erklären. Einige Beispiele: Die Ägypter konnten aus politischen Gründen oder weil es zu gefährlich war, nicht nach Kanaan hineinziehen. An der Grenze Kanaans wurde dann die Trauerfeier gehalten. Die Söhne Jakobs durften dann schon weiterziehen und ihren Vater begraben. War der Umweg jedoch nicht viel gefährlicher? Konnten sie dann nicht besser an der Westgrenze die Trauerfeier halten anstatt an der Ostgrenze? Scheiterte die ägyptische Diplomatie damit, eine Durchreise zu erhalten? Dann müsste man davon ausgehen, dass Ägypten in dieser Zeit sehr schwach war. Diesen Eindruck vermitteln die Texte eher nicht. Das Gegenteil ist wahrscheinlich, nämlich dass Ägypten Einfluss in Kanaan hatte. Es kann kein nachvollziehbarer oder positiver Grund gefunden werden, eine Trauerfeier im Ostjordanland abzuhalten für jemanden, der im Westjordanland begraben werden muss. Es ist eher wahrscheinlich, dass der Trauerzug den direkten Weg nach Hebron genommen hat. Der Text weist auch in diese Richtung. In 50,11 steht, dass die Bewohner des Landes, die Kanaaniter, die Trauerfeier beobachteten. Die Dornentenne befindet sich deshalb in Kanaan und nicht im Ostjordanland. Die Bewohner des Ostjordanlands werden nirgends im AT Kanaaniter genannt.47 Als Lösung wurde vorgeschlagen, dass die Kanaaniter von Kanaan aus die Trauerfeier direkt an der Ostseite des Jordan beobachten konnten. Das steht aber gegen die Formulierung des Textes. In 50,11 Jordan, entlang oder an beiden Seiten des Jordan? Letzteres ist schwer möglich, da Mose den Auftrag gab, das Land Kanaan auszukundschaften, und die Ostseite des Jordan gehört nicht zu diesem Auftrag.

237 spricht er von „dem Bewohner des Landes, dem Kanaaniter“ und bezieht sich auf den Ort der Tenne Atad in 50,10. Alle Erklärungsversuche hängen damit zusammen, dass man den Ausdruck „jenseits des Jordan“ im Voraus als Ostjordanland angenommen hat. Der Text sagt das Gegenteil: Es geht um das Land Kanaan. Der Ausdruck wird vom Autor subjektiv für das Land westlich des Jordan verwendet. Das macht kein Autor, der sich im Land Israel befindet. Dann muss der Autor sich im Ostjordanland befinden. Das schließt dann auch mit ein, dass sich die ersten Leser mit dem Autor im Ostjordanland befinden – ein überraschender, indirekter Hinweis auf den Autor selbst. In welchem Zeitfenster der Geschichte Israels konnte ein einflussreiches Basiswerk wie Genesis geschrieben werden, wo der Autor und sein Publikum sich im Ostjordanland befinden? Dies kann nur einer Periode zugewiesen werden, und zwar den wenigen Monaten, in denen sich das Volk Israel im Ostjordanland befindet, im letzten Jahr Moses, vor dem Beginn der Einnahme Kanaans durch Israel. Wir befinden uns im Jahr 1407 v. Chr. Keine andere, spätere Zeit entspricht dieser Situation.

4.  Zusammenfassung und Schlussfolgerung Das Buch Genesis endet mit dem Tod Josefs in Ägypten, der Einbalsamierung seines Leichnams und der Erwartung, dass die Israeliten seinen Leichnam mitnehmen, wenn sie in der Zukunft Ägypten verlassen sollten (50,24-26). Das Buch wird jedoch nicht kurz danach geschrieben, sondern viel später. In der alttestamentlichen Forschung wurden verschiedene Texte als spätere Einschübe im Buch Genesis vorgeschlagen, aus denen konkrete Anhaltspunkte für die Zeit einer späteren Redaktion entnommen werden könnten. Dafür kommen nach genauerer Analyse aber nur vier Texte in Frage; im Einzelnen: 1. 13,10. Die ganze Jordanebene sah aus wie das Land Ägypten, bevor Jhwh Sodom und Gomorra verwüstete.

Diese Bemerkung ist an die erste, ursprüngliche Leserschaft gerichtet, für die das Land Ägypten ein bekannter Bezugspunkt ist. Sie haben hervorragende Kenntnisse über die Bewässerung durch den Nil. Das ist vor allem (und nur) sinnvoll für die Generationen Israels, die Ägypten aus eigener Erfahrung erlebt haben. Bei späteren Generationen ist ein solcher Bezugspunkt nicht sinnvoll, da Ägypten nicht ihre Lebenswelt ist bzw. war. Das gilt für die Generation ab Josef (1877 v. Chr.) bis zur Zeit der ersten Generation Israels in Kanaan. Somit ist die Genesis nicht nach 1350 v. Chr. verfasst worden. 2. 14,14. Abram verfolgte die Feinde aus dem Osten, die die Bewohner Sodoms und seinen Neffen Lot mitgenommen hatten, in Richtung Dan. Bei diesem Ort Dan handelt es sich nicht um das Dan der Daniter bei den Quellen des Jordan, sondern um einen Ort, der gemäß den Schilderungen von Gen 14 im Norden des Ostjordanlandes liegt (Dtn 34,1b). Das Dan der Daniter hieß früher Lajisch. Dieser Ort hat den neuen Namen Dan bekommen nach der Einnahme durch die Daniter (Jos 19,47; Ri 18,27-29). Das geschah zu Beginn der Richterzeit 1370 v. Chr. In 2Sa 24,6 ist die Rede von einem Dan-Jaan im Norden des Ostjordanlands im Zusammenhang mit einer militärischen Zählung durch Joab (2Sa 24,5-6). Durch den Beinamen wird dieser Ort von dem Dan der Daniter unterschieden. In Gen 14,14 war diese Unterscheidung noch nicht nötig, da dieses Dan noch nicht unter diesem Namen bestand. Somit ist Gen 14,14 ein ad quem. Das Buch Genesis muss also vor 1370 v. Chr. geschrieben worden sein. 3. 36,31.39. Eine Liste mit acht Königen Edoms, vor der Regentschaft eines Königs über die Israeliten. Zur Zeit des Autors herrschte der zuletzt genannte edomitische König Hadar über das Land Edom. In dieser Zeit regierte noch kein König über Israel. Für die Zukunft wird das aber erwartet (17,6.16; 35,11). Das Buch muss vor der Einführung des Königtums unter dem israelitischen König Saul geschrieben sein. Möglicherweise handelt es sich bei Hadar um

238

1) 13,10 1877 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1350 v. Chr. 2) 14,14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1370 v. Chr. 3) 36,31.39 1591 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223 v. Chr. 4) 50,10-11 1407 v. Chr. Abb. 2: Zeiten, die aus Texten des Buches Genesis erschlossen werden können.

den König, den Mose um Zustimmung bat, mit dem Volk Israel durch Edom ziehen zu dürfen (Num 20,14-21). Das Königtum muss in Edom schon einige Zeit vor Mose eingeführt und fest verankert worden sein, da es schon eine Königsstraße gab. Die Liste der Könige muss eine Periode von 184 Jahren umfasst haben.48 Wenn Hadar der letzte König am Ende der Zeit von Moses war (1407 v. Chr.), dann begann die Regierungszeit des ersten Königs im Jahr 1591 v. Chr.49 Sollte Hadar der erste König am Ende der Zeit von Moses gewesen sein, dann muss der letzte König von Edom spätestens 1223 v. Chr. regiert haben.50 4. 50,10-11. Die Tenne Atad jenseits des Jordan. Die Ägypter hielten eine große Trauerfeier für den verstorbenen Jakob bei der Tenne Atad, kurz bevor er von seinen Söhnen begraben wurde. Dieser Ort liegt jenseits des Jordan. Die Einwohner des Landes waren Kanaaniter. Somit liegt der Ort in Kanaan, an der Westseite des Jordan. Der Autor nennt Kanaan somit die andere Seite des Jordan. Er und seine Leserschaft müssen sich also an der Ostseite des Jordan befinden. Historisch bietet sich in der Geschichte Israels nur eine Möglichkeit an: einige Monate, in denen sich das Volk Israel in den Feldern Moabs befand, bevor es unter Josua über den Jordan nach Kanaan weiter zog. Diese Zeit können wir ganz genau datieren: 1407 v. Chr. Diese hier oben genannten Daten können wir grafisch wie in Abb. 2 darstellen: Anhand von 50,10-11 ist das Buch Genesis auf 1407 v. Chr. zu datieren, ungefähr 360 Jahre nach dem Tod Josefs. Alle drei Daten der

drei anderen Texte sind damit vereinbar. Wir befinden uns in den letzten Monaten Moses, im Ostjordanland. Was war an dieser Zeit so besonders, dass ein Buch wie Genesis geschrieben werden musste? Das Buch Deuteronomium bezeugt, dass Moses kurz vor seinem Tod ein Gesetzbuch geschrieben hat, das wir das Deuteronomische Gesetzbuch nennen können (Dtn  1,5; 31,9.25-26; Jos 1,7-8). Es wird neben die Bundeslade gelegt. Das Gesetzbuch bildet den größten Teil des Buches Deuteronomium, ist aber nicht das Buch Deuteronomium selbst. Das Verfassen des Deuteronomischen Gesetzbuchs kurz vor Moses Tod ist der größte Beweis, dass Mose sich mit seinem Erbe beschäftigte und dass er alles tat, um sein Erbe literarisch sicherzustellen. Dazu passt auch das Verfassen eines Buches wie Genesis. Mit der Erfahrung des Auszugs aus Ägypten, der Gesetzgebung auf dem Sinai und der Ankunft an der Ostgrenze des Gelobten Landes ist eine Periode abgeschlossen. Israel steht kurz vor der Erfüllung der letzten Verheißung an die Bundesväter: der Einnahme des Landes Kanaan. Diese Periode muss nun literarisch endgültig festgehalten werden. Dass diese Periode mit dem Tod Josefs abschließt und seine Erwartung der Rückkehr Israels nach Kanaan passt hier perfekt dazu. Wenn Mose einen Monat zur Verfügung hat, das Deuteronomische Gesetzbuch zu schreiben, scheint diese Zeit nicht zu hoch angesetzt zu sein. Deshalb hat er selbst zu wenig Zeit gehabt, ein Buch wie Genesis zu schreiben. Es musste jemand anderem anvertraut werden, ob nun unter

48

49

Eine Generation dauert im Durchschnitt 23 Jahre. Acht Könige bedeutet 8 x 23 = 184 Jahre.

50

1407 + 184 = 1591. 1407 - 184 = 1223.

239 seiner Aufsicht oder nicht. Der Autor hat sich nicht namentlich vorgestellt. Damit ist ein Beitrag geliefert für die Datierung des ersten Buches in der Reihe Genesis – Könige (Priesterkanon). Genesis fungiert als erstes in einer Reihe von Büchern, deren Entstehung und Entwicklung mit „Offenes Serielles Modell“ bezeichnet werden kann.51 Das heißt: Genesis wurde geschrieben mit dem Ziel, dass es (zur gleichen Zeit und in der Zukunft) durch weitere Bücher ergänzt werden soll. Das treibende Motiv ist die

Einnahme und der Besitz des Landes Kanaan (50,24-26). Durch das Deuteronomische Gesetzbuch, das zu dieser Zeit geschrieben wurde, kannte der Verfasser der Genesis den versprochenen Segen und Fluch in Bezug auf den Besitz des Landes Kanaan. Wenn Israel in Jhwhs Wegen wandelt, wird das Volk das Land erhalten und behalten (Segen). Wenn es die Gebote Gottes nicht halten wird, wird Israel aus dem Lande verschwinden (Fluch). Die Bücher Josua – Könige demonstrieren diesen Zusammenhang.

51



H. J. Koorevaar, „The Torah as One, Three or Five Books: An Introduction to the Macro-Structural Problem of the Pentateuch“, Hiphil 3. [http:// www.see-j.net/index.php/hiphil/article/view/28] (2006). H. J. Koorevaar, „The Books of Exodus – Leviticus – Numbers and the Macro-Structural Problem of the Pentateuch“, in: Th. B. Römer (ed.), The Books of Leviticus and Numbers. Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 215. Leuven: Peeters 2008, S. 423-453.

H. J. Koorevaar, „The book of Joshua and the hypothesis of the Deuteronomistic History: Indications for an open serial model“, in: E. Noort (ed.), The Book of Joshua. Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 250. Leuven: Peeters 2012, S. 219-232. H. J. Koorevaar, „3. Een structureel canonieke benadering voor een theologie van het Oude Testament als geheel“, in: H. J. Koorevaar / M.-J. Paul (red.), Theologie van het Oude Testament: de blijvende boodschap van de Hebreeuwse Bijbel. Zoetermeer: Boekencentrum 2013, S. 89-121.



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