Der Verein – ein blinder Fleck der Organisationssoziologie

July 11, 2017 | Author: W. Müller-Jentsch | Category: Sociology, Social Capital
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BJS 18 (2008) 3:476-502 DOI 10.1007/s11609-008-0020-9 A b h and l ung E N

Der Verein – ein blinder Fleck der   Organisationssoziologie Walther Müller-Jentsch

Zusammenfassung:  Der Verein, obwohl verbreitetste Organisationsform in modernen Zivilgesellschaften, ist ein vernachlässigter Gegenstand der Organisationssoziologie. Im nachstehenden Aufsatz wird zunächst ein soziologischer Begriff des Vereins mit zwei Einschränkungen, die Rechtsform und den Wandel des semantischen Gehalts betreffend, herausgearbeitet, bevor seine eminente historische Bedeutung für die Emanzipation des Bürgertums und für die ersten Formen der Organisierung der Arbeiterschaft und der nach Gleichberechtigung strebenden Frauen in einem skizzenhaften Abriss dargestellt wird. In den folgenden Abschnitten werden die von Richard Scott herausgestellten grundlegenden Strukturmerkmale der Organisation – Sozialstruktur, Mitglieder, Technologie, Ziele, Umwelt – am Organisationstypus Verein expliziert. Einblick in die Vielfalt des Vereinslebens vermittelt sodann die mit empirischen Daten unterstützte Beschreibung von drei relevanten Vereinsarten: Sportverein, Kunstverein, Naturschutzverein. Dem schließt sich eine Diskussion über die historischen und systematischen Differenzierungen und Verknüpfungen zwischen Verein und Verband an, bevor abschließend eine Forschungsperspektive für eine gegenwartsbezogene organisationssoziologische Vereinsforschung aufgezeigt wird. Schlüsselwörter:  Organisationssoziologie · Freiwillige Vereinigung · Verein · Verband · Geselligkeit · Sozialkapital · Bürgerstatus Abstract:  As a local voluntary association the club (Verein) is the most common type of organizations in modern civil societies, but still a neglected subject in organizational sociology. The following article starts with an elaboration of a sociological concept of the club taking into regard its diverging legal definition and its changing semantics over time. This is followed by a rough historical account of its eminent role in the process of the emancipation of the bourgeois class as well as in the first associational attempts of the working class and the women’s movements. As a terminological exercise Richard Scott’s five structural elements of organizations – social structure, members, technology, goals, environment – are applied for the type of club, before three key examples of local associations – sport club, art association, environmental group – are outlined with empirical data. The following section delineates the historical deviations between club and federation (Verband). Ultimately a contemporary agenda for organizational-sociological research on clubs is outlined. Keywords:  Organizational Sociology · Voluntary Organization · Club · Federation · Sociability · Social Capital · Citizenship Walther Müller-Jentsch (*) Em. Prof. für Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum E-Mail: [email protected]

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Résumé: L’association, bien qu’elle soit la forme d’organisation la plus répandue dans les sociétés civiles modernes, est un objet négligé par la sociologie des organisations. Dans l’article suivant, nous développons tout d’abord un concept sociologique de l’association avec deux restrictions portant sur sa forme juridique et le changement de son contenu sémantique avant de décrire sommairement son importance historique éminente pour l’émancipation de la bourgeoisie et pour les premières formes d’organisation des ouvriers et des femmes aspirant à l’égalité des sexes. Nous explicitons dans les paragraphes suivants les caractéristiques structurelles fondamentales de l’organisation mises en évidence par Scott – structure sociale, membres, technologie, buts, environnement – à partir du type d’organisation de l’association. En nous appuyant sur des données empiriques, nous donnons ensuite un aperçu de la diversité de la vie associative à travers la description de trois types pertinents d’associations: l’association sportive, l’association artistique, l’association de protection de la nature. Nous entamons ensuite une discussion sur les différences et les liens historiques et systématiques entre association et fédération avant de conclure en indiquant une perspective de recherche actuelle sur les associations dans le cadre de la sociologie des organisations. Mots-clés:  sociologie des organisations · groupement volontaire · association · fédération · sociabilité · capital social · citoyenneté

1. Einleitung Mit dem Verein als einer besonderen Organisationsform hält es die Organisationssoziologie wie Familie Neureich mit ihrem armen Verwandten – sie nimmt ihn einfach nicht wahr. Sucht man nach „Verein“ in den Stichwortregistern neuerer Lehrbücher, Einführungen und Darstellungen zur Organisationssoziologie aus den letzten Jahren (Abraham/Büschges 2004; Lengfeld 2007; Miebach 2007; Ortmann 2003; Preisendörfer 2005), dann ist das Resultat: Fehlanzeige. Auch in einem Klassiker wie der Soziologie der Organisation von Renate Mayntz (1963) finden wir nur das Stichwort „Vereinigungen, freiwillige“, worunter die Autorin freilich Parteien und Interessenverbände subsumiert. Und selbst das umfangreiche und einschlägige Lexikon zur Soziologie (FuchsHeinritz et al. 2007) enthält ausschließlich den Eintrag „Verein für Socialpolitik“. Allein Hillmanns Wörterbuch der Soziologie (1994) verzeichnet einen eigenen Eintrag, wenn auch recht formalen Inhalts. „Vereine sind überall vorhanden“, konstatierte 1997 Sigurt Agricola, „aber das Wissen über sie ist vergleichsweise spärlich“ (1997: 13). Erstaunlich ist dies aus mehreren Gründen, denn schließlich ist der Verein eine der verbreitetsten Organisationsformen und eines der charakteristischen Phänomene moderner Zivilgesellschaften. Schätzungen gehen von einer Größenordnung zwischen 300.000 und 500.000 eingetragenen Vereinen (zum größten Teil in Sport und Kultur) in Deutschland aus (Adloff 2005: 112) und von der Vereinsmitgliedschaft mindestens jedes zweiten Bundesbürgers (Agricola 1997: 29 f.; Offe/Fuchs 2001: 435). Historisch diente der Verein dem städtischen Bürgertum als Vehikel seiner Emanzipation und der Arbeiter- wie der Frauenbewegung als früheste Assoziierungsform. Und schließlich hatte schon Max Weber auf dem ersten  Zwei Einführungen (Endruweit 2004; Müller-Jentsch 2003) weisen zwar das Stichwort Verein in ihren Sachregistern aus, enthalten aber keine substanziellen Ausführungen über ihn.

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Deutschen Soziologentag 1910 auf das Desiderat einer „Soziologie des Vereinswesen“ hingewiesen und die Erforschung dieses Organisationsphänomens als „fundamentale Aufgabe“ bezeichnet (Weber 1924: 441 ff.). Hinreichende Gründe also, sich mit dieser Organisationsform näher zu beschäftigen. Ich beginne mit einer Explikation und Abgrenzung des Vereinsbegriffs (2) und skizziere sodann den säkularen Prozess der Vereinsbildung, -entwicklung und -differenzierung im 19. Jahrhundert (3), bevor ich die von Richard Scott erarbeiteten Organisationsmerkmale an der Organisationsform Verein erläutere (4 u. 5). Drei ausgewählte Beispiele – Sportverein, Kunstverein, Naturschutzverein – sollen die Vielfalt des Vereinslebens anschaulicher erschließen (6). Ihrer Darstellung folgt eine Erörterung der historischen und systematischen Verknüpfungen und Differenzierungen zwischen Verein und Verband (7), bevor abschließend eine Forschungsperspektive für eine gegenwartsbezogene organisationssoziologische Vereinsforschung aufgezeigt wird (8). 2. Zum Begriff Das Wort „Verein“ ist eine Rückbildung von „vereinen“, „eins werden“. Es findet sich seit 1774 in deutschen Wörterbüchern, doch ist es laut dem Grimm’schen Deutschen Wörterbuch viel älter. Seine Stellung im deutschen Sprachschatz gewann es zur Zeit der Herrschaft Napoleons und der Freiheitskriege, als sich vermehrt patriotische Vereinigungen formierten. Die Bezeichnung Verein war politisch unverdächtiger als Bezeichnungen wie Klub, Verbindung und Gesellschaft (Mayer 2005: 8). Die soziologische Begriffsbestimmung steht unter zwei Einschränkungen: Erstens: Die Rechtsform des Vereins ist vom sozialwissenschaftlichen Begriff zu unterscheiden. Viele freiwillige Vereinigungen existieren privatrechtlich als Vereine. So ist die typische Rechtsform von Verbänden und von professionellen Vereinigungen der „eingetragene Verein (e.V.)“ und der „nicht-eingetragene Verein“ (nach §§ 21 ff. BGB), wie sich z. B. in Verein Deutscher Ingenieure, Verein Deutscher Eisenhüttenleute, Verein Deutscher Bibliothekare, Verein für Socialpolitik kundtut. Die Gewerkschaften hatten in Deutschland traditionell den Status nicht eingetragener Vereine, allerdings mit der Parteifähigkeit vor Gericht (Däubler 1995: 770), erst in jüngerer Vergangenheit haben sich einzelne Gewerkschaften in das amtliche Vereinsregister eintragen lassen. Zweitens: Der Vereinsbegriff unterliegt historischen Bedeutungsveränderungen. Für das 18. und 19. Jahrhundert bildet die Kategorie des Vereins einen Schwamm, der alle organisatorischen Ausdifferenzierungen zwischen Familie und Nachbarschaft einerseits, Kirche und Staat andererseits aufsaugt, also alle intermediären Assoziierungsformen mit spezifischer Zielsetzung „vom Kegelklub bis zur politischen Partei“ (Max Weber) erfasst. Nach heutigem soziologischen Verständnis ist der Verein aus diesem Sammelbegriff der „freiwilligen Vereinigungen“ (voluntary associations in der angelsächsischen Soziologie) auszusortieren, mit der Abgrenzung zu Partei, Glaubensgemeinschaft, Interessenverband, sozialer Bewegung, Nichtregierungsorganisation (NGO), Bürgerinitiative und Genossenschaft. Im Gegensatz zum (meist) örtlich gebundenen und (meist) ehrenamtlich geführten Verein sind Partei und Interessenorganisation überlokale Zweckverbände mit hauptamtlicher Führung und bürokratischer Verwaltung, deren Ziele auf die Beeinflussung

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von Öffentlichkeit und die Durchsetzung von Interessen in Staat und Gesellschaft gerichtet sind. Letzteres gilt auch für die NGO – einen ideellen Interessenverband – und für die soziale Bewegung, der es allerdings der bürokratischen Verwaltung und Führung mangelt. Die Bürgerinitiative ist, wie der Verein, örtlich gebunden, aber von begrenzter Dauer. Eine lokale Bindung zeichnet auch die Genossenschaft aus, die als formaler Zweckverband der wirtschaftlichen Selbsthilfe dient. Der in der sozialwissenschaftlichen Literatur verwandte Begriff „Freizeitvereine“ (z. B. Bühler/Kanitz/Siewert 1978; Raschke 1978) schneidet zwar ein großes (möglicherweise das größte) Segment aus der Grundgesamtheit der Vereine, lässt aber mit der ausschließlichen Betonung auf Freizeitaktivitäten andere Teilmengen, etwa die der Wohltätigkeits- und Trägervereine, außer Betracht. Gleichwohl kann Walter Bühlers Minimaldefinition des Vereins uns als Ausgangspunkt dienlich sein: „Ein Verein ist also eine soziale Gruppe (bzw. Organisation), die sich anhand der freiwilligen, formalen, nicht ausschließenden Mitgliedschaft abgrenzt, ein gemeinsames Vereinsziel und Mitgliederhandeln aufweist, sich lokal begrenzt und dauerhaft angelegt sein soll“ (Bühler/Kanitz/Siewert 1978: 43). Einige andere wichtige Momente hebt eine aus der Sicht der Volkskunde formulierte Definition hervor: Unter Verein wird verstanden „ein freiwilliger Zusammenschluss um ein gruppengeistig bestimmtes Anliegen, der einen persönlichen Kontakt unter den Mitgliedern voraussetzt und sich durch Gewohnheit oder Satzung eine mehr oder minder feste Konstitution und durch regelmäßige Veranstaltungen eine eigene Lebensform gegeben hat“ (Freudenthal 1968: 11). Mit einer einfachen Kreuztabellierung der beiden Dimensionen lokal/regional versus überregional einerseits und expressiv versus instrumentell andererseits lassen Vereine sich von anderen Formen freiwilliger Vereinigungen abgrenzen und untereinander differenzieren (vgl. Abbildung). Das Merkmal lokal/regional steht zugleich für Selbstverwaltung und Ehrenamt, während sich mit dem Merkmal überregional in der Regel eine hauptamtliche Führung mit einem bürokratischen Verwaltungsstab verbindet. Mit expressiv und instrumentell (vgl. dazu Gordon/Babchuk 1962) werden eher diffuse Zieldispositionen als konkrete Zielsetzungen indiziert. Nach diesen Abgrenzungen schlagen wir folgende definitorische Beschreibung des Vereins vor: Er ist ein freiwilliger und dauerhafter Zusammenschluss von Personen mit gemeinsamen Bedürfnissen und Anliegen, die in der Regel auf den je eigenen Kreis bezogen sind. Es besteht eine „Einheit von Organisationszweck und Mitgliedschaftsmotiv“ (Teubner 1978: 39). Die Ressourcen des Vereins werden hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge und unbezahlte Arbeit der Mitglieder aufgebracht, zum geringeren Teil durch öffentliche Zuschüsse. Die Gestaltung der Organisationsstruktur und des Vereinslebens unterliegt demokratischen Regeln der Mitsprache sowie dem aktiven und passiven Wahlrecht seiner Mitglieder. Der Verein dient keinem Erwerbszweck, das heißt er verfolgt keine – über Selbst- und Fremdhilfe hinausgehenden – materiellen, ökonomischen Interessen, sondern befriedigt kommunikative, sportliche, musische, kulturelle, politische, religiöse, philantropische, karitative, gemeinschaftsfördernde etc. Interessen in einem lokal oder regional begrenzten Wirkungsbereich. Der Verein mag zur  „Im deutschen Vereinswesen stellen die Freizeitvereine das größte Kontingent“ (Agricola 1997: 88).

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Abbildung:  F  reiwillige Vereinigungen

lokal/regional

überregional

expressiv

instrumentellexpressiv

instrumentell

SelbstzweckVerein

Ideeller Verein

Selbsthilfe-, FremdhilfeVerein

Stammtisch Kränzchen

Bürgerinitiative

Genossenschaft

Bund Sekte Glaubensgemeinschaft

NGO Soziale Bewegung

Partei Interessenverband Professionelle Vereinigung

gemeinsamen Gestaltung der Freizeit, zur Verwirklichung von Ideen oder zur Durchsetzung von Werten, zur Pflege des Brauchtums oder eines künstlerischen Lebenswerkes gegründet worden sein – welche Aufgabe er sich auch immer stellt, er bleibt dabei dem lebensweltlichen Umkreis seiner Mitglieder und deren Bedürfnis nach Geselligkeit und sozialen Kontakten verhaftet. Pointiert gesagt: Der Verein genügt sich selbst. Wie Kleingruppen steht er unter dem „Primat der Binnenorientierung“ (Tyrell 1983: 378). Er handelt nicht für seine Mitglieder, sondern regt deren Aktivitäten an; er lebt von deren Repräsentations- und Geselligkeitsmotiven. Diese Motive bleiben virulent, selbst wenn seine Ziele auf einen externen Adressaten, wie im Fall des Fremdhilfe-Vereins, gerichtet sind. Hinzu kommen die gegenseitige Bekanntschaft und der persönliche Kontakt vieler Mitglieder untereinander, wenngleich eine direkte Interaktion zwischen allen Mitgliedern, wie für kleine Gruppen charakteristisch, definitionsgemäß nicht erforderlich ist. Damit bleibt die Existenz des Vereins vom Wechsel der Mitglieder unabhängig. Eine vorläufige Differenzierung zwischen den Vereinen ergibt sich aus der obigen Abbildung. Auf den Selbstzweck-Verein trifft am ehesten die Bezeichnung Freizeitverein zu; denn typisch für ihn ist die Förderung von Aktivitäten der Mitglieder wie Wandern, Singen, Sammeln, Sport, Kunst- und Literaturrezeption etc. Der ideelle Verein verfolgt nach unserem Verständnis externe Ziele, die sich charakteristischerweise in Namen wie „Verein der Freunde ...“ oder „Verein zum Wohle ...“ oder aber „Verschönerungsverein“ niederschlagen. Er verfolgt sie jedoch mit starken intrinsischen (Repräsentationsund Selbstbestätigungs-) Motiven seiner Mitglieder. Fließende Übergänge gibt es zum Fremdhilfe-Verein. Bei diesem sind die Adressaten „Betroffene“ und die Mitglieder  Umfassender definiert Annette Zimmer (2007) den „ideellen Verein“, unter den sie alle „nichtwirtschaftlichen Vereine“ subsumiert (also unser gesamtes Spektrum) und darüber hinaus noch Parteien, Gewerkschaften und NGOs (2007: 19). Sie führt den Begriff „Idealverein“ auf § 21 BGB zurück (ebd.: 36) – dort taucht er aber nicht auf –; offenbar gebraucht sie ihn – wie in der juristischen Literatur üblich – als Gegenbegriff zum „wirtschaftlichen Verein“.  Auch Fördervereine sind Fremdhilfe-Vereine. Sofern sie ausschließlich Geld sammeln, das einer Institution zugute kommen soll, und kein eigenes Vereinsleben kennen, fallen sie nicht unter unsere Definition.

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die Helfer, während beim Selbsthilfe-Verein die Mitglieder zugleich Helfer und Hilfesuchende sind. Wenn diesen beiden Vereinsarten instrumentelle Ziele zugeschrieben werden, dann auch hier cum grano salis: diese Ziele dominieren, ohne indes die expressiven Momente völlig abzutöten. Wer Seinesgleichen oder Bedürftigen in nachbarschaftlicher Hilfe beisteht, wird das begleitende Gefühl der moralischen Genugtuung kaum verleugnen wollen. 3. Vereinsbildung als Signum der Moderne Über das bürgerliche Vereinswesen des 18. und 19. Jahrhunderts liegen einige historische Regionalstudien vor (z. B. für Hamburg Freudenthal 1968; für München Tornow 1977; für Westfalen Krey 1993) sowie zusammenfassende Darstellungen (Dann 1984; Hardtwig 1984; Nipperdey 1976; Tenfelde 1984; Türk/Lemke/Bruch 2002), die erwartungsgemäß den zeitgenössischen Sammelbegriff Verein für alle Assoziationen, Vereinigungen und Gesellschaften jenseits von Familie, Gemeinde und Kirche applizieren. Als Vorläufer der Vereine können die mittelalterlichen Zünfte und religiösen Bruderschaften angesehen werden, die jedoch – im Gegensatz zu den Vereinen – korporativ in die durch Geburt und sozialen Stand bestimmte Sozialordnung des Ancien régime eingebunden waren. Das mit dem von Werner Conze (1962: 248) geprägten Begriff der „Dekorporierung“ bezeichnete Aufsprengen der traditionellen Ordnungen und Gemeinschaften war gleichbedeutend mit der Offerte zur freien Assoziierung mit Gleichgesinnten als neuer Bezugsgruppe für die bisherige „primärgruppengeprägte Persönlichkeit“ (Wurzbacher 1971: 117). Tenbruck und Ruopp (1983) haben diesen säkularen Vorgang als Signum der Moderne identifiziert. In ihm manifestierte sich ein „neues Prinzip der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung (...), das man am besten als Vereinsbildung bezeichnet“ (ebd.: 70). Das florierende Vereinswesen verdrängte „die sozialen Gliederungen der alteuropäischen Gesellschaft wie Stand, Beruf, Konfession“ (Dann 1981: 14) als Zugehörigkeitskriterien für traditionale Gebilde wie Korporation, Zunft und Kirchengemeinde durch freiwillig gebildete Assoziationen gemeinsamer sozialer und kultureller Interessen. Die bevorzugte Organisationsform war zunächst die kleine lokale Einheit; der überregionale Verband trat erst später in Erscheinung. Die entstehenden „sozialen Neugruppierungen“ willkürlicher Assoziationen stellten eine „Selbstmobilisierung gesellschaftlicher Kräfte“ dar, die die sozialstrukturellen Verhältnisse dynamisch weiterentwickelten und die „Modernisierungsinitiativen“ des Staates „über das hinaustrieben, was er aus eigenem Antrieb hatte wollen können“ (Tenbruck/Ruopp 1983:74). Eine wichtige Voraussetzung des Dekorporierungsprozesses war das neue Vereinsrecht, welches durch das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794  Als einen „Verein freier Menschen“ hatte Karl Marx sogar die kommunistische Zukunftsgesellschaft apostrophiert (Marx 1962: 92).  Günther Teubner charakterisiert die mittelalterliche Korporation als „zweckdiffuse, personenbezogene hierarchische Organisation“, den Verein hingegen als „zweckspezifisch, rollenbezogen und nach dem Gleichheitsprinzip organisiert“ (1978: 36).

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den Untertanen Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zugestand, womit es freilich „die soziale Wirklichkeit, die Entstehung eines weitverzweigten und vielfältigen Vereinwesens, sanktionierte“ (Hardtwig 1984: 11) bei gleichzeitigem Verbot „jeder Beratung politischer Angelegenheiten in Vereinen“ (ebd.). Nach der Auflösung des Zunftrechts war dieses Vereinsrecht konstitutiv für eine Gesellschaft mit liberalisierter Wirtschaft. „Überall dort, wo die Verbindlichkeit ständisch-korporativer Lebensgestaltung nachlässt oder verschwindet, tritt an ihre Stelle die freiwillige, selbstgewählte und immer nur partikulare Vergesellschaftung im Verein“ (ebd.: 13). Was schon Max Weber in seiner Rede vor dem Soziologentag 1910 hatte anklingen lassen, nehmen namhafte Wirtschafts- und Sozialhistoriker auf, wenn sie vom „Siegeszug des Vereinswesens“ (Nipperdey 1976: 176) und vom „Jahrhundert der Vereine“ (Borchardt 1972: 103) sprechen, das Vereinsprinzip gar als „Strukturprinzip der modernen Gesellschaft“ (Tenfelde 1984: 58, 83) herausstellen. Ein aufschlussreiches Tableau von der Zweckvielfalt der Vereine, deren Expansionsphasen hauptsächlich in das frühe 19. Jahrhundert fallen, breitet Teubner (1978: 33) aus: „Vereine mit wissenschaftlichen Zwecken (die gelehrten Gesellschaften, die Bildungsvereine), kulturelle Vereinigungen (Vereine zur Beförderung der Kunst, Künstlervereine, Musik-, Gesangs- und Theatervereine), wirtschaftliche Vereine (Gewerbe- und Industrievereine, polytechnische Gesellschaften), land- und forstwirtschaftliche Vereine (Waldbau-, Weinbau-, Viehzucht-, Akklimationsvereine), religiöse Vereine (Erbauungsvereine, Lesegesellschaften, evangelische und katholische Bünde), Schutzvereine (Feuerwehrvereine, Vereine für die öffentliche Gesundheitspflege, Vereine für die Rettung Schiffbrüchiger), die Sittlichkeitsvereine (Vereine für Familien- und Volkserziehung, Mäßigkeitsvereine, Vereine für die Unterhaltung von Kindergärten, für die Erziehung verwahrloster Kinder) und die freien Wohltätigkeitsvereine (Hilfsvereine bei Notständen, Armenvereine, Krankenvereine, Sparvereine). Auch die Gründung der ersten Berufsverbände mit vorwiegend wissenschaftlicher und geselliger Zwecksetzung fällt in diese Periode.“ Die in dieser Zeit entstehenden „Actien-Vereine“ wären gleichfalls noch zu nennen. Zu den frühesten Assoziationen gehörten die Sprach- und Lesegesellschaften. Sie sind ein genuin europäisches Phänomen und stehen in einem engen Zusammenhang mit der bürgerlichen Emanzipation (Dann 1981). Den Umgang mit der Schrift, lange ein Privileg der Geistlichkeit und der Gelehrten, machte sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert das neue Intelligenzbürgertum, welches teilweise im Dienste der aristokratischen Gesellschaft stand, zu eigen. Um ihr Lese- und Informationsbedürfnis zu befriedigen, bildete es zunächst Sprach- und später Lesegesellschaften. Als „ständeübergreifende, demokratisch organisierte und der Aufklärung verpflichtete Vereinsform“ (ebd.: 23) traten die Lesegesellschaften seit Mitte des 18. Jahrhunderts als Vereinigungen auf, in denen Zeitungen, Zeitschriften und populärwissenschaftliche Schriften, in geringerem Ausmaß auch Belletristik, unter den Mitgliedern in einer festgelegten Reihenfolge und  Die verbreitete Erklärung, dass Vereine an die Stelle der aufgelösten – ursprünglichen oder traditionellen – Arbeits- und Lebensgemeinschaften treten, hat Tenfelde nicht ohne Ironie als „Vakuumtheorie“ (1984: 82) klassifiziert.  Diese sind eigentlich den kulturellen Vereinigungen zu subsumieren.

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in bestimmten Zeitabständen kursierten. Die ersten Lesegesellschaften gab es im norddeutsch-protestantischen Raum (Pommern, Brandenburg, Sachsen, Bremen, Hamburg), in dem die Aufklärung früher eingesetzt hatte; mit zeitlicher Verzögerung setzte eine breitere Entwicklung auch nach Süden ein (Stützel-Prüsener 1981: 74). „In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dürfte in Deutschland mehr als ein halbes Tausend solcher Organisationen existiert haben“ (ebd.: 71). Vor allem in größeren Städten richteten Lesegesellschaften sogenannte Lesekabinette ein, eigene Gesellschaftsräume mit Bibliotheken der gemeinschaftlich erworbenen Literatur; diese gelten als Vorläufer der öffentlichen Bibliotheken. Den Lesegesellschaften kam im Zeitalter der Aufklärung eine bedeutende Rolle zu: Der prinzipiell uneingeschränkte Zugang machte sie zu jener gesellschaftlichen Plattform, auf der erstmals bürgerliche Gleichberechtigung und demokratische Partizipation erprobt werden konnten, bevor sie im politischen Raum ihre Verwirklichung fanden. Hauptzweck der Lesegesellschaften und Lesekabinette waren Förderung der Allgemeinbildung, moralische Aufklärung und politische Information. Durch den von ihnen ausgehenden Prozess kritischer und öffentlicher Meinungsbildung, der einen durchaus politischen Charakter annehmen konnte, kam es seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert immer wieder zu Konflikten mit der Obrigkeit. Ihr Beitrag zur Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit als einer – in Habermas’ Terminologie – Sphäre des „räsonierenden Publikums“ (1962: 37) war außerordentlich hoch. Die zum Publikum versammelten Privatleute tauschten sich zuerst, als literarische Öffentlichkeit, in Kaffeehäusern und Lesegesellschaften anhand von Texten über Erfahrungen ihrer Subjektivität aus und räsonierten später, als politische Öffentlichkeit, über die Regelung ihrer Privatsphäre, sprich: Markt- und Geschäftsbeziehungen (ebd.: 69). Lag der „Schwerpunkt der Vereinsbildung bis nach der Reichsgründung in den stadtbürgerlichen Mittelschichten“ (Tenfelde 1984: 73), so bediente sich die Arbeiterschaft schon ab 1830, deutlich stärker dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in ihren Prozessen der kollektiven Organisierung ebenfalls des Vereins als Vehikel: Sie gründete Selbsthilfekassen und organisierte sich in örtlichen Arbeiterbildungsvereinen (Todt/Radandt 1950; Tenfelde 1984). Geprägt von der bereits im Vormärz begonnenen und „in steigendem Gegensatz zu Vereinsrecht und Staatsverfassung“ geratenden Politisierung des Vereinswesens (vgl. Hardtwig 1984: 26 ff.), brach sich das überregionale politische Assoziationsbestreben der Handwerker und Arbeiter mit der Revolution von 1848/49 vollends Bahn und konnte durch die politische Reaktion nur zeitweilig zurückgedrängt werden. Auch die Frauen, die in den bürgerlichen Vereinen vielfach keine oder nur eine Randexistenz geführt hatten, entdecken in der 1848er Revolution den Verein für ihre Emanzipationsbewegung. Die damals gegründeten zahlreichen Frauenvereine fielen dann jedoch wie viele andere der Reaktion zum Opfer. Erst im letzten Drittel des 19.  Im Revolutionsjahr 1848 entstanden als nationale Gewerkschaftsorganisationen in Frankfurt der „Allgemeine Deutsche Buchdrucker-Verein“ und in Berlin die „Assoziation der Zigarrenarbeiter in Deutschland“ sowie als erste politische Arbeiterorganisation die von Stephan Born gegründete „Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung“ mit 170 örtlichen Vereinen und Bezirksorganisationen (Grebing 1966: 43).

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Jahrhunderts betraten sie im Jahr 1865 mit der Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ wieder die politische Bühne. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes spalteten sich die Arbeiterinnenvereine von der bürgerlichen Frauenbewegung ab, die sich im 1894 gegründeten „Bund Deutscher Frauenvereine“ sammelte, deren erste Vorsitzende übrigens Marianne Weber von 1919 bis 1923 war. Insgesamt erlebte die Vereinsbewegung nach der Jahrhundertmitte, teilweise als Folge des Take-Offs der Industriellen Revolution und des Rückzugs des Staates, einen zweiten Höhepunkt; „die Vereinsbewegung“, so Tenfelde, wurde „zur Massenbewegung“ (1984: 69). Die neue Blüte der Vereinsbildung ging einher mit einem übergreifenden Expansions- und Differenzierungsprozess. Die Tendenz zur Zentralisierung ergriff nun viele Vereine, die mit überregionalen Organisationsnetzen und nationalen Kongressen die lokalen Grenzen hinter sich ließen. Im Vormärz waren es noch allein die Burschenschaft und die Turnerschaft – die eine von der studentischen Mobilität begünstigt, die andere als nationalpatriotische Gemeinschaft auftretend –, die gezielt ihre nationale Vereinigung im zersplitterten Deutschland angestrebt hatten. Mit der Überschreitung örtlicher Begrenzungen wandelten sich die locker organisierten privaten Vereine in politisierte Verbände. Die für Erstere typische Binnenorientierung wich interessenpolitischen Außenaktivitäten, und die für sie charakteristischen Organisationsprinzipien der unmittelbaren Demokratie und ehrenamtlichen Verwaltung wurden durch bürokratische Verwaltungsstäbe und hauptamtliche Führung verdrängt. Eine Beschleunigung der Zentralisierungstendenz setzte mit der Reichsgründung ein. Parallel zur Zentralisierung erfolgte eine Ausdifferenzierung der Vereinstypen. Die diffuse Formel „Verein“ hatte Gesellschaften des Vormärz ebenso wie gewerbliche Verbindungen und erste Assoziationsformen der Arbeiter subsumiert. Erwerbsgesellschaften verwandelten sich nun in Wirtschaftsverbände und Handelskammern. Die Selbsthilfevereine der Kleingewerbetreibenden und Bauern sammelten sich unter der von SchultzeDelitzsch durchgesetzten Bezeichnung „Genossenschaften“. Der „politische Verein“ wurde zum rechtlich definierten Terminus und, mit der Tendenz zur nationalen Zentralisierung, zum Vorläufer der Partei im modernen Sinn.10 Den Zusammenschlüssen zu lokalen Arbeiterbildungsvereinen folgten überregionale Arbeiterassoziationen – bis sich schließlich nationale Gewerkschaften und Parteien bildeten. Andere Vereine (z. B. Feuerwehrvereine, Gaskesselüberwachungsvereine) verloren ihren privaten Charakter und wurden Körperschaften öffentlichen Rechts oder mit hoheitlichen Funktionen in die staatliche Verwaltung inkorporiert (vgl. Baron 1962). 4. Sozialstruktur, Mitglieder und Technologie Eine Organisation besteht, Richard Scott (1986: 35 ff.) zufolge, aus fünf Grundelementen: Sozialstruktur, Mitglieder (und Beteiligte), Ziele, Technologie und Umwelt.11 10 Noch die 1896 von Friedrich Naumann gegründete liberale Partei trug den Namen Nationalsozialer Verein. 11 Das Strukturmerkmal Umwelt wird erst später, beim Vergleich zwischen Verein und Verband, in Abschnitt 6 expliziert.

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Sie gelten selbstverständlich auch für den Organisationstyp des Vereins. Freilich ist im Vergleich mit anderen Organisationsformen dessen Komplexitätsniveau wesentlich niedriger: Hierarchien, Verwaltungsstäbe, Stellenpläne, Rollensysteme, Programme und dergleichen kennt der Verein allenfalls in rudimentärer Form. Beginnen wir mit der Sozialstruktur, die Scott in eine normative oder formelle und eine faktische oder informelle unterscheidet. Die formelle Sozialstruktur ist durch das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 21–79) und die (für einen eingetragenen Verein zwingend vorgeschriebene) Vereinssatzung vorgegeben. Die Satzung muss Zweck, Namen und Sitz des Vereins nennen. Unabdingbar sind eine Mitgliederversammlung als gesetzgebendes Organ und ein durch sie bestellter Vorstand, der den Verein gegenüber Dritten vertritt. Alles andere ist variabel gestaltbar, bleibt also der faktischen Sozialstruktur überlassen, so z. B. die Ausübung der Vorstandstätigkeit und Gestaltung der Verwaltungsarbeit, die in den meisten Vereinen ehrenamtlich und unentgeltlich oder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung verrichtet wird. Für diese Art unbezahlter, nebenberuflicher Amtstätigkeit hat Max Weber die Bezeichnung „Honoratiorenverwaltung“ geprägt. Verknüpft mit den Grundsätzen der „unmittelbaren Demokratie“ (u. a. imperatives Mandat, jederzeitige Abberufbarkeit, strengste Rechenschaftspflicht), hielt Weber sie „im Höchstmaß erreichbar“ bei „kleinen Verbänden, deren sämtliche Genossen örtlich versammelt werden können und sich untereinander kennen und als sozial gleich werten“ (Weber 1964: 214 f.), wobei „kleiner Verband“ durchaus mit Verein übersetzt werden kann. Die Mitglieder sind durch formelle Mitgliedschaft ausgewiesen. Eingetragene Vereine müssen mindestens sieben Mitglieder haben. Ein- und Austritte sind formelle Akte. Ein Mitgliedsbeitrag ist obligatorisch. Prinzipiell steht jedem Interessierten die Mitgliedschaft offen. Einige Vereine (z. B. Frauenvereine, Christlicher Verein Junger Männer) beschränken den Eintritt nach askriptiven Merkmalen wie Geschlecht und Alter. Manche Vereine differenzieren zwischen aktiven und passiven Mitgliedern, wobei Letztere auch als Förderer geführt werden, die mit finanziellen Beiträgen den Verein unterstützen und dessen gesellige Angebote wahrnehmen. Im Allgemeinen haben Männer eine höhere Neigung zur Vereinsmitgliedschaft als Frauen, was insbesondere für traditionelle und Sportvereine gilt (Agricola 1997: 33 ff.). In den letzten Jahrzehnten haben sich allerdings die Differenzen zwischen den Mitgliedschaftsquoten von Männern und Frauen beträchtlich verringert (Offe/Fuchs 2001: 478). Neben den Mitgliedern sind weitere Beteiligte bei vielen Vereinsarten eher die Ausnahme, bei anderen indessen essenzielles Kompliment, so etwa das Publikum bei musischen Vereinen (z. B. Tanz-, Musik- und Gesangvereine) oder die spezifischen Adressatenkreise bei Trägervereinen und die von philantropisch-karitativen Vereinen betreuten „Betroffenengruppen“. Einfach ist die Technologie des Vereins. Scott (1986) versteht darunter den Mechanismus, mit dem ein „Input“ in einen „Output“ transformiert wird. Im Falle des Vereins sind der Input vereinzelte (einsame) Menschen mit dem Bedürfnis, ihre Freizeit und ihre Ideale mit Gleichgesinnten erfüllter, reicher und geselliger zu gestalten. Es ist der Zusammenschluss, der gewissermaßen die „Technologie“ darstellt. In geselliger Gemeinschaft „bearbeiten“ und „verwandeln“ die Mitglieder sich selbst – sie werden (als Output) zu kommunikativen Kunst- und Literaturfreunden, zu beflügelten Sängern und

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Sängerinnen, zu leistungswilligen Sportlern und Sportlerinnen, zu engagierten Bürgern und nachbarschaftlich verbundenen Gutmenschen. 5. Ziele und Funktionen Die Zielbestimmung einer Organisation gehört zu den diffizilsten Aufgaben der Organisationsanalyse. Für den Organisationstyp Verein wird sie insofern erleichtert, als die Satzung den Vereinszweck gewöhnlich festschreibt. Gleichwohl kann der satzungsgemäße Zweck als Tarnung für ein verdecktes Ziel dienen oder aber im Verlauf der Vereinsgeschichte durch ein anderes Ziel ersetzt werden. So verfolgten nicht wenige Vereine des Vormärz unter unverfänglichen Namen manifeste oder latente politische Ziele, welche die Obrigkeit unter Strafe gestellt hatte. Andere Vereine wichen auf gesellige Nebenziele aus, nachdem ihre ursprünglichen Ziele erloschen oder irrelevant geworden waren (wie etwa die Schützenvereine nach dem Verlust ihrer Schutzfunktion). Zu unterscheiden ist des Weiteren zwischen Ziel und Funktion. Mit Funktion ist die Aufgabe der Organisation gemeint, die sich aus ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang ergibt, mit Ziel die selbstgestellte Aufgabe im Hinblick auf das angestrebte Produkt oder Ergebnis. In einigen Fällen sind Funktion und (Primär-)Ziel identisch. Der obige historische Abriss hat deutlich gemacht, dass im 18. und 19. Jahrhundert das Vereinswesen eine eminente gesellschaftliche Funktion hatte. Es diente der Emanzipation des Bürgertums, der öffentlichen Problematisierung der sozialen Frage, der ersten Assoziierung der arbeitenden Unterschichten und der Sammlung der nach Gleichberechtigung strebenden Frauen, aber auch dem Ausgleich von Klassenunterschieden, etwa zwischen Bürgertum und Adel in den Bildungsvereinen und Lesegesellschaften. Eine in den Debatten über Kommunitarismus (Honneth 1993; Zahlmann 1992) und Zivilgesellschaft (Adloff 2005) thematisierte Funktion der Vereine ist die bürgerschaftliche Selbstorganisation zwischen Staat und Markt nach den Prinzipien von Subsidiarität und Solidarität. Assoziative Netzwerke und demokratische Teilhabe der Bürger und Bürgerinnen an der Gestaltung des Gemeinwesens, mit dem Effekt, den Staat zu entlasten, werden auch als „Sozialkapital“ definiert (Putnam 2001). Ein starker Vereinssektor kann „die Qualität (d. h. die Effizienz, Wirksamkeit, Aufnahmebereitschaft und Fairness) der Demokratie“ steigern (Offe/Fuchs 2001: 482), weil dadurch Transaktionskosten eingespart werden. Das für Amerika charakteristische Assoziationswesen haben vor den Kommunitaristen schon frühere Beobachter hervorgehoben. Erinnert sei an Max Webers Bemerkung: „Die Demokratie in Amerika ist kein Sandhaufen, sondern ein Gewirr exklusiver Sekten, Vereine und Klubs“ (1924: 443). Anknüpfen konnte er damit an Alexis de Tocquevilles (1985) Ausführungen in seinem Werk Über die Demokratie in Amerika: „Amerikaner jeden Alters, jeden Ranges, jeder Geistesrichtung schließen sich fortwährend zusammen. Sie haben nicht nur kaufmännische und Berufsvereine, denen alle angehören, sie haben auch noch unzählige andere Arten: religiöse, sittliche, ernste, oberflächliche, sehr allgemeine und sehr besondere, gewaltige und ganz kleine. (…) Welche politische Macht wäre aber je imstande, der unendlichen Menge kleiner Vorhaben zu

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genügen, die die amerikanischen Bürger alle Tage mit Hilfe einer Vereinigung ausführen?“ (ebd.: 248 ff.). Die Kommunitaristen führen die gemeinschaftlichen Traditionen in den USA, die demokratische Partizipation und das zivilgesellschaftliche Engagement in Vereinen und Klubs gegen wissenschaftliche Abstrakta wie den atomistischen Konsumenten und exzessiven Individualismus ins Feld (Taylor 1995; Walzer 1992). Denn, wie Michael Walzer betont: Menschen „sind von Natur aus soziale Wesen, bevor (sie) politische oder ökonomische sind“ (ebd.: 79). Insbesondere Gemeindestudien haben – mehr mit normativen Konnotationen als mit empirischen Belegen – bis in die jüngste Vergangenheit die Integrationsfunktion ortsbezogener Vereine hervorgehoben, unter Hinweis auf die Begegnung der Generationen und die Eingliederung von Zuwanderern (Agricola 1997: 93 ff.). Auch als Übungsfeld zur demokratischen Partizipation und zur Statusbildung im kommunalen Raum werden dem Verein wichtige Funktionen nachgesagt, wobei diese beiden Funktionen in ein Spannungsverhältnis geraten können. Steigt doch der Statusgewinn mit der Exklusivität des Vereins und widerspricht diese aber dem demokratischen Prinzip des unbeschränkten Zugangs. Indes dürfte die Geselligkeit als wichtigste – sei es als latente, sei es als manifeste – Funktion der Vereine gelten.12 Sie ist die eigentliche Grundlage des Vereins. Der Sachzweck des Vereins ist nach Freudenthal „überall zweitrangig gegenüber der Stiftung und Pflege eines zwischenmenschlichen Umgangs. Jener bedeutet nur Anlass, Färbung, Ferment, wenn nicht gar Vorwand für die jeweiligen Gruppen. Die Geselligkeit hingegen ist nicht ein Nebenzweck, den man auch fortlassen könnte, sondern eine unerlässliche Vorbedingung, wenn der Verein über eine bloße Vermittlungsagentur für allerlei Veranstaltungen hinaus ein eigenständiges Leben entfalten soll“ (1968: 27). Geselligkeit meint „das Zusammensein mehrerer Personen, die miteinander kommunizieren“ (Bühler/Kanitz/Siewert 1978: 46), unter Wahrung einer gewissen Distanz zwischen den Vereinsmitgliedern. Wenn, wie häufig, daraus engere Freundschaft oder Intimität entsteht, findet diese jenseits der Vereinsdomäne statt. Die Mitglieder tauschen sich über ausgewählte, dem Vereinszweck wahlverwandte Gesprächsthemen aus, wo möglich in „geselligen“ Kommunikationsräumen. Die Verbindung zum Vereinszweck bleibt insofern gewahrt, als man in Kunstvereinen hauptsächlich über Kunst, seltener über Sport kommuniziert und in Musikvereinen die Kommunikation mit Musikdarbietungen ausschmückt, die wiederum zum Gegenstand der Kommunikation werden.13 In anderen Vereinen verknüpfen sich Geselligkeit mit vereinsspezifischen Aktivitäten. So stehen in Sportvereinen zwar die sportlichen Aktivitäten im Vordergrund, die aber in der Regel (von den passiven Mitgliedern) gesellig begleitet und (von den aktiven Mitgliedern) in geselliger Runde beendet werden, während in Wander- und Kegelvereinen 12 Nach einer von Agricola zitierten, aber nicht näher explizierten Umfrage unter Vereinsmitgliedern stimmten 85 % der Aussage zu: „Vereinsleben bedeutet angenehme Geselligkeit“ (1997: 82). Bezogen auf Sportvereine zeigte eine repräsentative Umfrage, dass nur ein Drittel der Mitglieder keine geselligen Kontakte im Verein wahrnimmt (Schlagenhauf 1977: 95). 13 Das Ineinander von Geselligkeit, musikalischer Praxis und rang- und statusneutraler Kommunikation hat Hans Staudinger (1913) in einer einfühlsamen historischen Studie über die Musikvereine dargestellt (vgl. ebd.: 62 ff.).

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beides simultan betrieben wird. Das gemeinsam betriebene Anliegen rückt Sachzweck und Geselligkeit in ein „Wechselverhältnis, das die innere Bindekraft erhöht. Eines beeinflusst und stützt das andere: An der gemeinsamen Arbeit vertieft sich die Geselligkeit, und der gesellige Verkehr fördert den Erfolg des thematischen Unternehmens“ (Freudenthal 1968: 27). Neben dem geselligen Alltag des Vereins bilden die internen Feste und Feiern, die „Jahresessen“ und „Liebesmahle“ besondere Höhepunkte im Vereinsleben (ebd.: 489 ff.). Die Frage nach den Zielen des Vereins ist vordergründig zu beantworten mit der Ausbreitung des Spektrums der Vereine, das eine prinzipiell unbegrenzte Vielfalt der Vereinsarten auffächert. So mannigfaltig wie die menschlichen Aktivitäten, Interessen und Aspirationen sind auch die Zwecke, die sich Vereine setzen. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit und mit einem lockeren Gliederungsprinzip lässt sich das Spektrum grob wie folgt abbilden:14 – Traditionsvereine (Bürger-, Heimat- und Schützenvereine), – Sportvereine, – Hobbyvereine (Kleingärtner- und Tierzüchtervereine, Kegelklubs, Philatelistenvereine etc.), – Musische Vereine (Gesang, Tanz, Theaterspiel etc.), – Kulturvereine (Literarische Gesellschaften, Kunstvereine und Geschichtswerkstätten), – Weltanschauungsvereine, – Umwelt- und Naturschutzvereine, – Selbsthilfevereine (Alkoholismus, Arbeitslosigkeit und spezifische Krankheiten), – karitative und humanitäre (Fremdhilfe-)Vereine, – Förder- und Trägervereine (für Jugendstätten, Kindergärten, Bürgerhäuser etc.).15

6. Drei Beispiele Aus diesem breiten Spektrum wollen wir drei Beispiele aus den Bereichen Sport, Kunst und Natur zur näheren Betrachtung herausgreifen.16

14 Definitionsgemäß werden alle überregionalen (Interessen-)Verbände, professionellen und wirtschaftlichen Vereinigungen (Genossenschaften, Konsumvereine) sowie alle semi-staatlichen technischen Einrichtungen (TÜV, THW, Freiwillige Feuerwehr) ausgeschlossen, ebenso Studentische Verbindungen, Eltern- und Schülervereine. 15 Die Vielfalt dieser Vereine ließe sich unter die oben definierten vier Vereinskategorien subsumieren, was wir unterlassen, weil diese Subkategorien wiederum Vereine unterschiedlicher Couleur zusammenfassen und die fließenden Übergänge zwischen ihnen einige Skrupel gegen das pedantische „Einkästeln“ hervorrufen. 16 Die empirischen Daten über die ausgewählten Vereinsarten variieren außerordentlich. Während für die Sportvereine ausführliche repräsentative Untersuchungen aus unterschiedlichen Zeiträumen vorliegen (Schlagenhauf 1977; Timm 1979; Heinemann/Schubert 1994; Breuer 2007), befassen sich mit den Kunst- und Naturschutzvereinen nur summarisch verfahrende Studien sowie Einzel- und Detailuntersuchungen.

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6.1 Sportvereine Sportvereine sind prototypische Beispiele für Selbstzweck-Vereine. Sie betreuen und organisieren sportliche Tätigkeiten, die auf eigenmotorischen Aktivitäten der je nach Sportart spezifischen Betätigung beruhen. Sportliche Aktivitäten finden weitgehend im Rahmen von Sportvereinen statt. Wenn auch der Umfang der privat und unregelmäßig betriebenen Sportaktivitäten (Laufen, Radfahren, Schwimmen etc.) sowie die kommerziell angebotenen Sport- und Fitnessprogramme zunehmen, dient der Sportverein weiterhin als zentraler Ort regelmäßiger Sportaktivitäten. Während die Gemeinden über Rückzug und Ausdünnung von Kirchensprengel, Postfilialen und Sparkassenzweigstellen sowie Einrichtungen des Einzelhandels klagen, sind die Sportvereine unvermindert präsent (Jütting 2007). „Keine vergleichbare Freizeitaktivität wird auch nur annähernd in dem Maße im Verein betrieben wie der Sport“ (Schlangenhauf 1977: 58). Das gilt insbesondere für den anlagen-, geräte- und betreuungsabhängigen Sport. Zumal der Wettkampfsport bleibt an die Vereinszugehörigkeit gebunden. Im Gegensatz zu den bereits im Vormärz gegründeten Turnvereinen entstanden die ersten Sportvereine wesentlich später (ab 1880) und hatten ihr Vorbild in England. Wegen der Spezialisierung auf eine Übung und des Strebens nach Höchstleistungen lehnten die Turner, die den ganzen Menschen erfassen und nach dem von Jahn vorgegebenen Ideal formen wollten, diese einseitige Tendenz als „undeutsche Entartung“ ab (Mayer 2005: 16). Gleichwohl gelang es den Sportvereinen in zunehmendem Maße, die Jugend und insbesondere die Arbeiterjugend zu gewinnen. Heute sind die Sportvereine in Deutschland die mitgliederstärksten Vereine. Die Statistik zeigt seit 1960 eine ansteigende Tendenz in der Zahl der Vereine und der Mitglieder. „Es gibt wohl kaum einen anderen Freizeitbereich, der eine vergleichbare, expansive Entwicklung genommen hat“ (Heinemann/Schubert 1994: 13). Der Spitzenverband, der Deutsche Olympische Sportbund, zählt derzeit 27 Millionen Mitgliedschaften (inclusive Mehrfachmitgliedschaften) in 90.000 Turn- und Sportvereinen mit 60 verschiedenen (33 olympischen und 27 nichtolympischen) Sportarten (www.dosb.de). Unter den Sportvereinen dominieren die Kleinstvereine (bis 100 Mitglieder) und Kleinvereine (101 bis 300 Mitglieder). Zusammen beträgt ihr Anteil in Westdeutschland knapp 70 %, in Ostdeutschland sogar 90 % aller Sportvereine (Heinemann/Schubert 1994: 45 f.). Die Mehrheit der Sportvereine sind Einspartenvereine, bieten also nur eine Sportart an. Typische Einspartenvereine sind die für Reiten, Luftsport, Golf, Radsport und – mit Einschränkungen – Fußball (Timm 1979: 84 f.). Während die ersten drei Sportarten vornehmlich von Mitgliedern aus gehobenen sozialen Schichten betrieben werden und ihre Anlagen die Integration in einen Mehrspartenverein erschweren, waren (und sind) die beiden letzteren typische Sportarten der unteren Schichten. Der Fußballverein bietet häufig noch eine begrenzte Anzahl nachgeordneter Sportarten (z. B. Gymnastik, Volleyball) an. Nach einer jüngeren Stichprobenerhebung (N = 3731) sind zwei Drittel der Sportvereine Ein- oder Wenigspartenvereine (Breuer/Haase 2006: 28). Bis zu den 1960er Jahren waren die Sportvereine „primär eine mehr oder weniger geschlossene Veranstaltung für Jugendliche und junge Erwachsene männlichen Geschlechts“ (Heinemann/Schubert 1994: 92). Öffentliche Werbekampagnen für Breiten- und Freizeitsport führten in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einem Sportboom

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mit einem anhaltenden Mitgliederwachstum vieler Vereine, sodass sich zwischen 1970 und 1990 die Mitgliederzahl verdoppelte (ebd.: 145). Obwohl die Mitgliederzahlen der unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen überproportional anstiegen, ist die Mitgliederstruktur auch heute noch weit davon entfernt, einen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden. Frauen sind mit einem Anteil von unter 40 % weiterhin unterrepräsentiert.17 Je größer der Verein ist, umso größer ist der weibliche Anteil. Kleinvereine sind weiterhin eine männliche Domäne. Hinsichtlich der Altersstruktur sind Jugendliche (7 bis 18 Jahre) in den Vereinen erwartungsgemäß überrepräsentiert; Kinder und Senioren unterrepräsentiert; die Großgruppe der Erwachsenen (19 bis 60 Jahre) ist ungefähr entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten (ebd.: 113). Von ihrem Selbstverständnis und ihrer Angebotsstruktur haben Sportvereine den Charakter „multifunktionaler Freizeit- und Kulturvereine mit einem Angebotsschwerpunkt ‚Sport‘ “ (Heinemann/Schubert 1994: 146), das erklärt den hohen Anteil an „passiven“ Mitgliedern. Sie ziehen eine große Zahl von sportlich Passiven an, die am Vereinsleben mit seinen Sportveranstaltungen, Feiern, Ausflügen und am geselligen Miteinander interessiert sind, aber auch jene, die als ehemals Aktive dem Verein verbunden bleiben wollen. Unter den Mitgliedern der Westvereine sind über 50 %, in den Ostvereinen über 70 % „regelmäßig aktiv Sporttreibende“ (ebd.: 148). Die Mehrzahl der Sportvereine wird vom Engagement von Millionen von Ehrenamtlichen getragen, das heißt der freiwilligen und unentgeltlichen Arbeit ihrer Mitglieder. Bezahlte angestellte Mitarbeiter (meist in Teilzeit) für Betreuung, Verwaltung oder Wartung leisten sich nur 40 % der Vereine (Breuer 2007: 18); ein weiteres Drittel honoriert ehrenamtliche Arbeit mit Aufwandsentschädigungen (Heinemann/Schubert 1994: 243). Einer besonderen Wertschätzung bei der Jugend erfreut sich der Fußballverein. Bei diesem Vereinstyp kann von einem Rückgang der Vereinszahlen und einem Mitgliederschwund wie bei vielen Traditionsvereinen keine Rede sein. Fußball ist „ein Spiel für alle, ein Spiel des Volkes, ein egalitäres Vergnügen“ (Jütting 2007). Zugleich ist das System als Ganzes – als Ligasystem – ein elitäres: Es schafft Leistungshierarchien, die allerdings durch den Mechanismus des saisonalen Auf- und Abstiegs nicht auf Dauer gestellt sind. Die Hierarchie des Fußball-Ligasystems macht eine terminologische Differenzierung notwendig. Die schausportorientierten Profifußballvereine stellen eine Organisationsform sui generis dar, eher der Kategorie der Kapitalgesellschaft zugehörig (Wilkesmann/Blutner/Meister 2002) als der des Vereins im Sinne unserer Definition. Mit Blick auf die lebensweltlich eingebundenen Amateurvereine der Kreisligen bieten diese ihren Mitgliedern neben der sportlichen Aktivität Raum für Geselligkeit, soziale Anerkennung und Integration. Der überregionale Zusammenschluss der Sportvereine zu Landessportverbänden, die wiederum Mitgliedsverbände des Dachverbandes sind, macht sie zu Interessenverbänden (siehe auch unter 7). Sportdachverband ist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der 2006 aus der Vereinigung von Deutschem Sportbund (DSB) und Natio-

17 Anfang der 1990er Jahre betrug der Frauenanteil 38,5 % in Westdeutschland und 32,4 % in Ostdeutschland (Heinemann/Schubert 1994).

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nalem Olympischen Komitee für Deutschland (NOK) hervorgegangen ist. Der DOSB ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Frankfurt am Main. 6.2 Kunstvereine Der Kunstverein ist ein Beispiel für den Selbstzweck-Verein mit Übergang zum ideellen Verein. Er dient sowohl der kollektiven Rezeption von bildender Kunst als auch der Förderung junger, noch unbekannter Kunst. Kunstvereine sind organisatorische Medien zwischen Produzent und Konsument. Als Zusammenschlüsse „gleichgesinnter Bürger mit durchlässigen Grenzen zum Kleinbürgertum und zum Adel“ (Grasskamp 1993: 105) begannen die Kunstvereine als „Genossenschaften von Kunstkonsumenten“, die neben der Vermarktung von Kunst die Bildung des Publikumsgeschmacks und die Privatisierung des Kunstbesitzes als ihre Aufgaben begriffen (ebd.: 107 ff.). Mitglieder konnten auch Künstler werden, um sie mit potenziellen Verkäufern zusammenzuführen. Entstanden sind Kunstvereine als „eine spezifische Unterstützungsform der Kunst durch das im Aufstieg begriffene Bürgertum“ (Behnke 2001: 11) in einer zweiten Phase der bürgerlichen Vereinsgründungen. Ihre Hauptgründungszeit (1818–1840) lag im Vormärz, einer Zeit politischer Restauration. „Die ‚Liebe für das Schöne‘ ist in Abwandlungen immer wieder als Gründungsmotiv der Kunstvereine zu finden“ (Romain 1984: 14). „Die Kunst zu fördern“ und „die allgemeine Theilhabe für das Schöne anzuregen“, formuliert zum Beispiel der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Artikel 1 seines Statuts von 1829 (KfRW 2004: 11). Dieses Motiv verquickt sich mit dem der bürgerlichen Selbstrepräsentation. So verweist Wolfgang Mommsen (2002) auf den exklusiven Charakter der frühen Kunstvereine, deren Mitgliedschaft sich aus den Schichten der gehobenen Bürgerschaft, des höheren Beamtentums und der Offiziere sowie des lokalen Adels zusammensetzte. Durch die ehedem dem Adel vorbehaltene Kunstförderung konnten die wirtschaftlich unabhängigen Bürger ihre gesellschaftliche Respektabilität steigern. Dafür sorgte die Bindung der Mitgliedschaft „an den Erwerb von Vereinsaktien bzw. die Zahlung hoher Mitgliedsbeiträge“; sie stellte eine „effektive Barriere nach unten dar“ (ebd.: 49), welche unterbürgerliche Schichten wie das Kleinbürgertum zumindest eine Zeitlang von der Mitgliedschaft ausschlossen. Ein weiteres Motiv war die bürgerliche Geselligkeit: Den Ausstellungen gingen gewöhnlich sogenannte „Konversationsabende“ voraus, die zur damaligen Zeit allerdings eine Angelegenheit unter Männern blieb. Trotz der typischen, für die Restaurationszeit nicht überraschenden konservativen und patriotischen Grundeinstellung praktizierten die Kunstvereine immerhin das dem vorherrschenden hierarchischen System widersprechende demokratische Prinzip der Partizipation: Die Mitglieder stimmten nach der Mehrheitsregel sowohl über die Vorstände wie über die Grundlinien der Jahresarbeit ab. Ihre große historische Leistung im 19. Jahrhundert war „die Institutionalisierung einer Kunst-Öffentlichkeit“ (Romain 1984: 17), indem sie den Künstlern Zugang zu einem bürgerlichen Publikum bahnten und der bis dato individuellen mäzenatischen eine korporative Kunstförderung zur Seite stellten, die entschieden zur „Einbürgerung der Kunst“ (Grasskamp 1993) beigetragen hat. Mit der „Vision vom ästhetisch gebildeten Bürger“ (Behnke 2001: 16) sollte diesem durch Poolfinanzierung und Losverfahren der Zugang zur Kunst gebahnt werden. Hierfür mussten die Mitglieder eine oder

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mehrere „Aktien“ zur Finanzierung der jährlichen Ankäufe des Vereins erwerben, die im Losverfahren an die Gewinner verteilt wurden; jene, die leer ausgingen, erhielten Drucke (sogenannte „Nietenblätter“). Ein Teil des Kapitals diente dem Aufbau eigener Sammlungen. Mit ihrem Vorgehen unterliefen die Kunstvereine die hohen Preise des zuvor dem Adel vorbehaltenen geschlossenen Marktes und subventionierten einen neu entstehenden Kunstmarkt, übrigens nicht immer zum Vergnügen der Künstler (Behnke 2001: 12 f.). Ab Mitte der 1830er Jahre schlossen die Kunstvereine sich zu Dachverbänden zusammen, die eine Voraussetzung für den Austausch der Ausstellungen untereinander waren (Wanderausstellungen). Neben Ausstellungen entfalteten die Kunstvereine weitere Aktivitäten im öffentlichen Raum; zu diesen gehörte die Beteiligung an Museumsgründungen, z. B. der Kunsthallen in Bremen, Kiel und Hamburg. Noch heute ist der Bremische Kunstverein Träger der Kunsthalle seiner Stadt, die allerdings die Personal- und Betriebsmittel für die Pflege und Ausstellung der herausragenden Sammlung bereitstellt (Herzogenrath 2001). Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verfügt Deutschland über eine überaus große Dichte von Kunstvereinen. Die Zahl ihrer Mitglieder variiert beträchtlich: Bei den kleinsten liegt sie unter zehn, bei den großen beträgt sie bis zu 7.000 Mitglieder (Schepers 2001: 27). Die Vereine werden vorwiegend durch Mitgliedsbeiträge und zum Teil durch (meist bescheidene) öffentliche Zuschüsse finanziert. Wie in Vereinen üblich, wählen die Mitglieder auf ihrer jährlichen Generalversammlung den Vorstand, der in der Regel ehrenamtlich tätig ist. Zumindest in den Großstädten ist es dem Vorstand möglich, für die Programmgestaltung eine hauptamtlich tätige Person als Direktor bzw. Direktorin anzustellen. Auf diesem Wege haben nicht wenige Kunstwissenschaftler den Einstieg in die Museumskarriere gefunden (Romain 1984: 24; Schepers 2001: 30). Gepflegt wird vornehmlich der Kontakt mit der gegenwartsbezogenen und regionalen Kunst; Museums- und Atelierbesuche gehören zum Standardprogramm. Viele, vor allem die größeren Kunstvereine pflegen den Brauch der Jahresgaben; hierdurch können die Mitglieder multiple Werke, gelegentlich auch Originale exklusiv erwerben. Krisenerscheinungen sind indessen nicht zu übersehen. „Die traditionelle Aufgabenteilung zwischen Galerie, Kunstverein und Museum funktioniert nicht mehr (‚Galerien probieren aus, Kunstvereine führen vor und Museen beurteilen retrospektiv‘)“ (Steiner 2001: 56). Mit dem von öffentlichen Kunstmuseen verfolgten Trend gegenwartsbezogener Ausstellungen geraten die Kunstvereine mehr und mehr in Wettbewerb mit diesen, und durch ihre Jahresgaben sehen sie sich seitens der Galerien mit dem Vorwurf der Etablierung eines zweiten Kunstmarktes konfrontiert. In Kunstvereinen treffen die verschiedensten Gruppen und Personen zusammen, neben Kunstrezipienten auch Kunstproduzenten und Kunstvermittler, sodass nicht selten objektive Interessenkonflikte als interne Verbandsquerelen ausgetragen werden. Unter den gegenwärtigen Problemen der Kunstvereine ist die Überalterung der Mitgliederstruktur eines der gravierendsten. Wie viele andere freiwillige Mitgliederorganisationen verlieren auch Kunstvereine an Attraktivität bei den nachwachsenden Generationen. Dass dies nicht durchgängig der Fall ist, dokumentiert der Kunstverein Bremen, der nach der Wiedereröffnung der renovierten Kunsthalle 1998 innerhalb von zwei Jahren weit über 2.000 neue Mitglieder gewann und damit auf 5.600 Mitglieder anwuchs (Herzogenrath 2001: 24). Die Chance

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der Kunstvereine bleibt „der (auf Grund der fehlenden Sammlung) leere, aber örtlich und architektonisch identifizierbare Raum, der permanent mit Neuem beziehungsweise Neugesehenem gefüllt wird“ (ebd.: 25). Auch die Kunstvereine haben einen gemeinsamen Dachverband gebildet, dessen Namensgebung – Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) – bereits indiziert, dass er allenfalls abgeleitete Funktionen für sie erfüllt. Laut Selbstdarstellung bildet die Arbeitsgemeinschaft ein kulturpolitisches Netzwerk, das die Interessen der „in Deutschland ansässigen nichtkommerziellen Kunstvereine, die sich der Präsentation und Förderung zeitgenössischer Kunst widmen“, in politischen Gremien und gegenüber Zuwendungsgebern als Lobbyorganisation vertritt (www.kunstvereine.de). 1980 gegründet, vereint die ADKV heute rund 250 Kunstvereine, in denen sich über 120.000 Kunstinteressierte als Mitglieder engagieren. 6.3 Naturschutzvereine Der Naturschutzverein ist in aller Regel ein ideeller Verein mit intrinsisch motivierten Mitgliedern, die mit Engagement und ehrenamtlicher Tätigkeit dem Vereinszweck dienen. Traditionelles Ziel von Naturschutzvereinen ist es, im lokalen oder regionalen Aktionskreis die belebte Natur oder besondere Ausschnitte von ihr zu schützen. Vereinszwecke sind im umfassenden Sinne: Schutz und Erhaltung der Landschaft, Schutz, Hege und Pflege von Tier- oder Pflanzenarten, Bewahrung und Pflege von Naturschutzgebieten und Biotopen, Verpflichtung zur „nachhaltigen Entwicklung“. Die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Tier- und Naturschutzbewegung hatte zu einer bunten Vereinsbildung von Vogel- und Tierschützern, Pflanzen- und Landschaftshütern, Traditionspflegern und Ortsverschönerern geführt, die der 1904 von dem Musiker Ernst Rudorff und dem Architekturkritiker Paul Schultze-Naumburg gegründete „Bund Heimatschutz“ zusammenzufassen trachtete. Die „Deutsche Heimat in ihrer natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart zu schützen“, fixierte der § 1 der Satzung als Zweck des Bundes (Sieferle 1984: 167). Ein vielbeachteter Aufsatz (in den Preußischen Jahrbüchern 1880 erschienen) hatte Rudorff zum „Pionier der Heimatschutzbewegung“ (ebd.: 161) gemacht; in ihm hatte er die Verwüstungen der Landschaft als Folge der Industrialisierung beklagt. „Die Heimatschutzbewegung wollte (...) zunächst alle Elemente, die traditionell zur ,Heimat‘ gerechnet wurden, gleichermaßen schützen. Sie umfasste daher im Grunde drei Bereiche: Denkmalschutz, Naturschutz und Schutz von Sitten und Brauchtum“ (ebd.: 170). Nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine Konzentration auf den Naturschutz statt. Der Deutsche Naturschutzring (DNR), 1950 gegründet, bot sich allen Naturschutzvereinen und -verbänden als neuer Dachverband an. Mit der Ökologiebewegung in den 1970er Jahren entstanden aus vielen lokalen Bürgerinitiativen gegen Naturzerstörung im Zuge von großindustriellen oder Verkehrsprojekten neue Stränge des Naturschutzes, der wichtigste unter ihnen die Anti-Atomkraft-Bewegung (Brand/Büsser/Rucht 1983). Die Umweltbewegung veranlasste auch die traditionellen Naturschutzorganisationen zum Umdenken (Alemann 1987: 134). Viele Naturschutzvereine sind ursprünglich aus ornithologischen oder Tierschützervereinen hervorgegangen; einige tragen auch heute noch den Namen „Vogel- und

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Naturschutzverein“ oder „Tier- und Naturschutzverein“. Die neuere Namenskombination „Umwelt- und Naturschutzverein“ setzt hingegen andere Akzente. Richtet der Naturschutz seine Bemühungen auf den Naturhaushalt als Ganzes, indem er schädliche menschliche Einflüsse zu vermindern, auszugleichen oder zu verhindern trachtet, so bezweckt der Umweltschutz primär den Schutz der menschlichen Lebensbedingungen in einer hochtechnologischen Welt unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Eine weitere Vereinsvariante finden wir in dem Namen „Wander- und Naturschutzverein“, der mit seinem Anliegen einer umweltverträglichen Wandertouristik eine Kombination von Selbstzweck- und ideellem Verein darstellt. Zu den üblichen Aufgaben der Umwelt- und Naturschutzvereine gehören: die Pflege von Naturschutzgebieten und Biotopen, der Rückbau und die Renaturierung von Naturflächen, Mooren, Gewässern etc., die Tierpflege und der Artenschutz (bis zur Winterfütterung von Vögeln), die Umwelterziehung sowie politische Stellungnahmen zu natur- und umweltgefährdenden Projekten. Exkursionen, Informationsveranstaltungen (wie z. B. Öko-Messen) tragen zur Motivierung und Aufklärung von Mitgliedern und Förderern bei. Bei allen diesen Aktivitäten dürfte zugleich das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und Geselligkeit befriedigt werden. Eine große Variationsbreite gibt es bei den Mitgliederzahlen. Den vielen kleinen lokal gebundenen Vereinen stehen mächtige Verbände mit Ortsgruppen gegenüber, wie die Naturfreunde Deutschlands mit 100.000 Mitgliedern und 750 Ortsgruppen, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) mit über 390.000 Mitgliedern und 1.500 Gruppen, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit knapp 400.000 Mitgliedern und Förderern sowie 2.000 Ortsgruppen. Während die Naturfreunde (1895 in Wien gegründet) und der NABU (1899 als Bund für Vogelschutz gegründet) bereits auf eine über hundertjährige Geschichte zurückschauen können, wurde der BUND 1975 von Horst Stern und Bernhard Grzimek sowie zehn weiteren Umweltschützern unter dem Eindruck der neuen Umweltbewegung gegründet. Mit der 1989 erworbenen Mitgliedschaft im größten weltweiten Netzwerk von Umweltvereinigungen, „Friends of the Earth International“, hat der BUND auch eine Stimme in einer der einflussreichsten internationalen Non-Governmental Organizations (NGOs) erhalten (vgl. dazu Müller-Jentsch 2003: 165 ff.). Die drei genannten Naturschutzorganisationen sind gewissermaßen Top-downVerbände mit einem breiten Netz von örtlichen Gruppen, während der Deutsche Naturschutzring (DNR) eine Bottom-up-Organisation ist, die als Spitzenverband 96 in Deutschland tätige Umwelt- und Naturschutzorganisationen mit etwa fünf Millionen Einzelmitgliedschaften organisatorisch zusammenfasst. Das unter seinem Dach vereinigte Spektrum reicht vom einfachen lokalen Naturschutzverein mit wenigen hundert Mitgliedern über Vereinigungen mit speziellen regionalen Anliegen bis zu Natur- und Umweltschutz-Dachverbänden wie den drei oben genannten. Daneben findet sich ein bunter Strauß von Stiftungen, Instituten, Gesellschaften und Foren für Tierschutz, biologischen Landbau, Landschaftsarchitektur, Verbraucherschutz, Gartenkunst, Tierfotografie, Höhlenforschung etc.

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7. Verein und Verband Die Vermutung liegt nahe, den Verein als Subkategorie des (Interessen-)Verbandes zu verstehen (so Wilkesmann/Blutner/Meister 2002). Der Verband ist in der Regel auf einer höheren Ebene angesiedelt als der Verein, und häufig schließen sich gleichartige Vereine zu einem Verband zusammen; dennoch sind beide – Verein und Verband – Subkategorien der freiwilligen Vereinigung, welcher traditionellerweise auch Gewerkschaft und Partei subsumiert werden. Wir haben dargelegt, dass im 19. Jahrhundert alle jene Organisationen, die heute als freiwillige Vereinigung firmieren, den Namen Verein trugen, und wir haben mit einer historischen Skizze die Ausdifferenzierung der Vereine/Verbände nachgezeichnet. Vielen Gebilden – ob Partei, Gewerkschaft oder Verband – sah man ihre Herkunft aus einem „Verein“ später nicht mehr an (Tenbruck/Ruopp 1983: 71), und das Allgemeinverständnis hat heute kaum noch Kenntnis davon, dass „Parteien und Aktiengesellschaften, Sparkassen und Gesangsvereine“ ihre gemeinsame Wurzel im Verein haben (Tenfelde 1984: 85). Das Wort „Verband“ tauchte um 1850 zuerst in der frühen Gewerkschaftsbewegung auf, wo es das Fremdwort „Assoziation“ ersetzte. Benutzt wurde es vornehmlich für die Verbindung mehrerer lokaler Vereine zu einer überregionalen Föderation (z. B. der 1863 gegründete „Verband der Arbeitervereine des Maingaus“) (Breitling 1985: 63 f.). Nach 1848 hatten die deutschen Staaten in ihren Verfassungen zwar das Prinzip der Vereinigungsfreiheit anerkannt, suchten aber die politischen Vereine zu lokalisieren, indem sie die Verbindung politischer Vereine untereinander zu gemeinsamen Zwecken verboten. Die koalitionswilligen Arbeitervereine hatten besonderen Grund zur Vorsicht und umgingen das Verbot, indem sie zentralistische Einheitsorganisationen mit direkter Mitgliedschaft gründeten, z. B. den „Deutschen Buchdruckerverband“ von 1866 (ebd.: 65). Dadurch verlor der Verbandsbegriff „die engere Bedeutung von Föderation“, behielt aber „die weitere eines überlokalen Zusammenschlusses im Unterschied von ‚Verein‘ und gewann eine hintergründige politische Bedeutung im Sinne von ‚pressure group‘ “ (ebd.: 66). Sobald Vereine sich zu einem Verband zusammenschließen, verändern sie ihre enge Zweckbestimmung: Der Verband wird zum Träger organisierter Interessen, die er als solche öffentlich artikuliert und in der politischen Sphäre oder in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen (Wirtschaft, Kultur, Sport, Erziehung etc.) vertritt. Wie bereits erwähnt, können Verbände auch ohne die historische Vorstufe des Vereins direkt ins politische Leben treten, so z. B. viele Berufs-, Unternehmens- und Wirtschaftsverbände. Und schließlich können zentral gegründete Verbände sich nachträglich einen organisatorischen Unterbau von vereinsförmigen, lokalen und regionalen Untergliederungen schaffen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich: Die Grenzen zwischen den Organisationsformen Verein und Verband sind fließend. Als wesentlichen Unterschied zwischen beiden hebt Michael Mayer (2005: 21) hervor, „dass ein Verein auf Gemeinschaft beruht und ein Verband auf Interessen.“ Auch Max Webers Hinweis auf die Sekte als den „Urtypus alles Vereinswesens“ (1924: 442) lässt sich als Hervorhebung des gemeinschaftsbildenden Moments

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des Vereins lesen.18 Pointiert könnte man – Ferdinand Tönnies’ Begriffsdualismus (1963) aufnehmend – den Verein als eine Vergemeinschaftung in der Gesellschaft bezeichnen. Eine Erklärung der Unterschiede zwischen beiden Organisationsformen findet sich nicht zuletzt in ihren differerierenden Umwelten (Richard Scotts fünftes Organisationsmerkmal!): Vereine bleiben in die Lebenswelt ihrer Mitglieder verwoben, während Verbände zu Akteuren gesellschaftlicher Teilsysteme werden und ihre Interessen in Kooperation und Konkurrenz mit anderen Akteuren wahrnehmen müssen. Mit Rekurs auf Luhmanns systemtheoretische Organisationsanalyse (Luhmann 1964) hat Günther Teubner (1978) paradigmatisch die Unterschiede zwischen „freiem Verein“ und „freiwilliger Organisation“ herausgearbeitet (für „freiwillige Organisation“ können wir Interessenverband oder einfach Verband setzen). Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, so Teubner, beginnt der Verband zu dominieren, „während der Typ des ‚freien Vereins‘ in gesellschaftliche Randbereiche abgedrängt wird“ (ebd.: 43). Zwar ist beiden „noch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und die Rechtsform gemeinsam“ (ebd.: 57), aber die Strukturmerkmale der Verbandsrealität haben sich entscheidend verändert. Es sind vornehmlich die folgenden Veränderungen, die die relativ einfache Organisationsstruktur des Vereins in die komplexere des Verbandes transformieren: (a) Politisierung der Verbandsfunktionen. Es findet eine doppelte Politisierung insofern statt, als Verbände einerseits nicht mehr wie Vereine private Zwecke verfolgen, sondern mit organisierten (das heißt artikulierten und gebündelten) Interessen an die politische Öffentlichkeit treten, und sie andererseits durch die Beteiligung an Beiräten, Kommissionen, Anhörungen etc. Einfluss ausüben und „öffentliche Aufgaben“ wahrnehmen. (b) Diffusion der Verbandsziele. Sobald eine Organisation über die unmittelbare Befriedigung von Mitgliederbedürfnissen hinausgewachsen ist und auf gesellschaftliche Entwicklungen einwirken will, wird das Zielsystem komplexer. Sie hat es nun mit ganz anderen Umwelten als mit bloßen Mitgliedern zu tun, zum Beispiel mit staatlichen Instanzen und konkurrierenden Verbänden. Die wechselnden Anforderungen werfen Bestandsprobleme auf, und der die Zentralisierung begleitende Prozess der Bürokratisierung der Verwaltung und der Professionalisierung der Leitung begünstigt Tendenzen der Oligarchisierung und Verselbstständigung der Verbandsführung. (c) Trennung von Zweck und Motiv. Die Pluralisierung der Verbandszwecke macht die Trennung von Verbandsziel und Mitgliedschaftsmotivation erforderlich. Umso dringlicher wird dieses Erfordernis, als mit staatlicher Anerkennung die Verbandsleistungen tendenziell zu „öffentlichen Gütern“ werden und Mitglieder durch „selektive Anreize“ gebunden werden müssen (hierzu grundlegend Olson 1968). Zum Verhältnis von Verein und Verband können wir zusammenfassend vier grundsätzliche Konstellationen zwischen beiden Organisationsformen festhalten. Erstens: Der 18 Etwa wenn er bemerkt: „Spezifische, fest umrissene Ideale können aber gar nicht anders als zunächst im Wege der Bildung einer Sekte begeisterter Anhänger, die sie voll zu verwirklichen streben und sich deshalb zusammenschließen und von anderen absondern, ins Leben getragen werden“ (Weber 1924: 446). An anderer Stelle ist von „emotionaler Vergemeinschaftung“ des Herrschaftsverbands Gemeinde die Rede (Weber 1964: 180).

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Verein expandiert zum Verband und streift den Verein ab wie das Insekt seine Puppe. Diesen Weg beschritten im historischen Verlauf eine Reihe ehemaliger Vereine. Zweitens: Durch überlokalen Zusammenschluss schaffen Vereine sich ihren eigenen Interessenverband, ohne ihre selbstständige Vereinsexistenz aufzugeben. Beispiele hierfür sind die Sportvereine und die Kunstvereine, die durch Dachverbände ihre gemeinsamen Interessen gegenüber staatlichen Instanzen und gesellschaftlichen Institutionen vertreten lassen (Bottom-up-Modell), wobei das arbeitsteilige Verhältnis von Basis und Spitze vielfältige Formen annehmen kann. Drittens: Der zentrale Verband schafft sich seine eigenen, sekundären Basisorganisationen, die als lokale Gruppen, Sektionen, Ortsvereine, Kreisverbände etc. für die sozialen Kontakte und das gemeinschaftliche „Vereinsleben“ zuständig sind (Top-down-Modell). Beispiele dafür sind der BUND, das Rote Kreuz und die DLRG. Viertens: Der zentrale Verband bedarf aufgrund seiner rein instrumentellen (monetären) Austauschbeziehungen mit den Mitgliedern keines vereinsförmigen, sondern allenfalls administrativen Unterbaus in Form von regionalen und lokalen Verwaltungsstellen. Ein Beispiel dafür ist der ADAC. 8. Ausblick mit Forschungsperspektive Resümierend ist zu konstatieren, dass der Verein vom „Großverein“ bzw. Verband zunehmend ins Private abgedrängt wurde, sodass sich die Frage stellt, warum Soziologen sich für das Phänomen Verein mehr als bisher interessieren sollen. Hat das Desinteresse der Organisationssoziologie nicht ein fundamentum in re? Sollte man nicht der Volkskunde und Freizeitsoziologie den Gegenstand Verein überlassen? Andererseits stellt sich die Frage: Kann man ein Phänomen als soziologisch irrelevant abtun, wenn die Hälfte der Bevölkerung an ihm regelmäßig Anteil hat? Lässt sich der Verein als Randphänomen behandeln, wenn die Zahl der Menschen, die sich in Vereinen organisieren, eine weiterhin steigende Tendenz aufweist? Kommt nicht der Mensch als zoon politikon am ehesten im Verein zu sich selbst? Fragt man nach der Forschungsperspektive, die die Organisationsform Verein eröffnen könnte, ist der Hinweis angebracht, dass wir zur Zeit offenbar einen grundlegenden Wandel der Vereinslandschaft erleben, der eine Parallele zu den Veränderungen des 19. Jahrhunderts haben könnte. Traditionelle und religiöse Vereine sorgen sich um den Nachwuchs und kämpfen um ihre Existenz, neue Vereine, die „Spaß, Unterhaltung und Selbstverwirklichung“ (Mayer 2005: 22) anbieten, schießen wie Pilze aus dem Boden. Es floriert aber nicht nur der dem Hedonismus verpflichtete Selbstzweck-Verein, auch der für ökologische Fragen sensibilisierte ideelle Verein gewinnt an Terrain. Die Erforschung des sozialen Wandels gehört seit je zum Kerngeschäft der Soziologie. Für Untersuchungen zum Themenbereich „Wandel der Vereinsbildung“ bieten sich drei Forschungshypothesen an: die Kompensationshypothese, die Vermittlungshypothese und die Selbstverwirklichungshypothese. Die Kompensationshypothese basiert auf der Annahme, dass der Verein eine Lücke, ein Vakuum ausfüllt, entstanden durch die Auflösung traditioneller Lebensformen oder den Rückzug des Staates oder die Defizite des Wohlfahrtsstaates etc. Die Hypothese lässt sich in zwei Varianten aufspalten:

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(a) Kompensation von (wohlfahrts-)staatlichen Defiziten. Damit ist vor allem die historische Blüte des Vereinslebens im 19. Jahrhundert zu erklären, sie trifft in unserer Zeit meist nur noch auf die Realität der Verbände zu; allein in Randbereichen kompensieren Vereine weiterhin staatliche Defizite als Selbst- und Fremdhilfe-Vereine. Freilich verweist die ökologische Frage auf einen neuartigen Problembereich, der massenhaften Protest und organisiertes Engagement der Bürger, vornehmlich der jüngeren, hervorruft. Ihr Eintreten für Umwelt, Natur und Nachhaltigkeit in einer Vielzahl von Initiativen, sozialen Bewegungen und ideellen Vereinen lässt sich durchaus als ein das Markt- und Staatsversagen kompensierendes Handeln interpretieren. (b) Kompensation des „verlorenen Kontakts mit dem Nächsten“ (Panse 1956: 154). Die Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung schufen großstädtische Lebensformen, in denen vereinsamte Menschen das Bedürfnis nach sozialen Kontakten entwickeln. So wird der (großstädtische) Verein zum Vehikel einer „sekundären“ Vergemeinschaftung in der „einsamen Masse“ (Riesman) der modernen Gesellschaft. Eine neuere Variante dieser Kompensation thematisiert die Selbstverwirklichungshypothese. Die Vermittlungshypothese rückt die mediatorischen Leistungen der Vereine zwischen Individuum und Gesellschaft ins Blickfeld – Leistungen, die im Kontext der Diskussionen über Zivilgesellschaft und Sozialkapital eine neue Aktualität gewinnen. Gleichwohl ist die Frage berechtigt: Inwieweit vermitteln Vereine noch demokratische Tugenden und bürgerschaftliche Verantwortung im kommunalen Raum? Inwieweit beeinflussen Vereine noch die lokalen politischen Prozesse? Für die Erforschung der Einfluss- und Machtbeziehungen zwischen Vereinen und lokalem Government bietet sich die Netzwerkanalyse als ein tragfähiges methodisches Instrument an. Direkt in die aktuelle Problematik führt uns schließlich die Selbstverwirklichungshypothese. Sie ist ein Sprössling der „Erlebnisgesellschaft“ (Schulze 1992) und generiert Fragen der folgenden Art: Inwieweit gewinnen individuelle Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung Dominanz im Motivbündel der Vereinsmitglieder? In welcher Weise ist das hedonistische Milieu von Vereinen geprägt und durchwirkt? Welche Paradoxien ergeben sich aus dem individuellen Bestreben, Selbstverwirklichung im Verein mit anderen zu suchen? Tritt der Verein als Anbieter spektakulärer Erlebnisse in Konkurrenz zu den kommerziellen Event-Produzenten oder wird er gar zu deren Magd? Auf eine neue Blüte der soziologischen Vereinsforschung zu setzten, wäre kühn, sie als überholt abzutun, leichtfertig. Politikwissenschaft und Kultursoziologie können auf ihre Erkenntnisse ebenso wenig verzichten wie die Organisationssoziologie.

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Walther Müller-Jentsch Geb. 1935. Prof. em. für Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Industrielle Beziehungen; Arbeits-, Betriebs- und Industriesoziologie; Organisationssoziologie; Soziologie der Kunst. Ausgewählte Veröffentlichungen: Soziologie der Industriellen Beziehungen, 1997; (Hrsg.) Konfliktpartnerschaft. Akteure und Institutionen der industriellen Beziehungen, 1999; Organisationssoziologie. Eine Einführung, 2003; Künstler und Künstlergruppen. Soziologische Ansichten einer prekären Profession. In: Berliner Journal für Soziologie, Heft 2, 2005; Strukturwandel der industriellen Beziehungen. „Industrial Citizenship“ zwischen Markt und Regulierung, 2007.



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