Der Sound der Heimatfront Klanghandeln im Berlin des Ersten Weltkriegs von Daniel Morat 1. Kriegsgeräusche und Klanghandeln an der Heimatfront Der Erste Weltkrieg war auch ein Krieg der Geräusche. Dass der Lärm der Materialschlachten, zusammen mit der durch ihn repräsentierten beständigen Todesdrohung, einen nicht unerheblichen Teil zur Traumatisierung vieler Soldaten beitrug, wurde in den vergangenen Jahren mehrfach herausgearbeitet.1 Doch auch die Klanglandschaft der Heimatfront veränderte sich durch den Krieg. Roger Chickering argumentiert in seiner großen Studie über Freiburg im Ersten Weltkrieg, dass sich der Krieg als erster ‚totaler Krieg‘ letztlich auf alle Aspekte auch des zivilen Lebens auswirkte. Im Alltag trete die „Gegenwart des Krieges“, so Chickering, nicht zuletzt „den körperlichen Sinnen der Menschen und der Organisation ihrer Wahrnehmungen entgegen“. Chickering widmet den Sinnen daher ein eigenes Kapitel: „Der Krieg konnte gesehen, gehört, gefühlt, gerochen und geschmeckt werden.“2 Was das Hören anbelangt, so betont Chickering, dass das Leben in der Stadt – gleichsam umgekehrt reziprok zum Lärm der Front – in erster Linie leiser geworden sei. Im Umkehrschluss sei dadurch allen herausgehobenen Klangereignissen – vor allen Dingen dem Heulen der Alarmsirenen, die vor Luftangriffen warnten – eine erhöhte Bedeutung zugekommen.3 Zu den Geräuschen des Krieges in Freiburg lässt sich Chickering jedoch nur auf wenigen Seiten aus. Möchte man die Frage nach den akustischen Auswirkungen des Krieges an der Heimatfront weiter verfolgen, lohnt es sich allerdings, an eine Mahnung Alain Corbins zu erinnern. Corbin hat betont, dass es bei einer historischen An-
1 Vgl. etwa Julia Encke, Augenblicke der Gefahr. Der Krieg und die Sinne 1914–1934, München 2006, 111–194; Helmuth Lethen, „Knall an sich“. Das Ohr als Einbruchstelle des Traumas, in: Inka Mülder-Bach (Hg.), Modernität und Trauma. Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkrieges, Wien 2000, 192–210; Michael Salewski, Lärm, Monotonie und Dynamik in den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, in: Historische Mitteilungen 22 (2009), 188–204; Carine Trevisan, Le bruit de la guerre, in: Stéphane Audoin-Rouzeau u. a. (Hg.), La Grande Guerre des musiciens, Lyon 2009, 5–15; Axel Volmar, In Stahlgewittern. Mediale Rekonstruktionen der Klanglandschaft des Ersten Weltkriegs in der Weimarer Republik, in: Natalie Binczek/Cornelia Epping-Jäger (Hg.), Das Hörbuch. Praktiken audioliteralen Schreibens und Verstehens, München 2014, 47–63. 2 Roger Chickering, Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914– 1918, Paderborn 2009, 249. 3 Vgl. ebd., 287–290.
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thropologie der Sinne nicht darum gehe, für eine bestimmte historische Situation lediglich ein „Inventar der Sinneseindrücke“4 zu erstellen, also zu bestimmen, was in ihr gehört und gesehen, gerochen und geschmeckt werden konnte. Vielmehr müsse nach den „Einübungs- und Gebrauchsweisen der Sinne“5 gefragt werden, also nach den sozialen Praktiken, die sich an diese knüpften. Bezogen auf die akustische Wahrnehmung bedeutet das, die Fragerichtung nicht in erster Linie auf die hörbaren Klänge und Geräusche als solche einzustellen, sondern vor allen Dingen auf die akustischen Praktiken zu achten, durch die diese Klänge und Geräusche hervorgebracht wurden und die das Leben an der Heimatfront prägten. Diese Perspektivverschiebung lässt sich mit einer methodischen Bemerkung von Mark M. Smith verbinden. In seinem Buch „Listening to Nineteenth-Century America“ argumentiert Smith, dass es nicht das Ziel der Klanggeschichte sein könne, einer im Prinzip schon bekannten Geschichte lediglich „texture, meaning, and depth“ hinzuzufügen, also sie gleichsam akustisch auszuschmücken. Stattdessen müsse es darum gehen, „new storylines“ zu eröffnen, also Geschichten neu zu erzählen und besser zu verstehen, indem man sie auf ihre akustische Dimension hin befragt.6 Diese beiden methodischen Aufforderungen von Alain Corbin und Mark M. Smith sollen im Folgenden beherzigt werden, wenn es am Beispiel Berlins um die Klänge der Heimatfront während des Ersten Weltkriegs geht. Es wird daher nicht der Versuch unternommen, umfassend und chronologisch zu rekonstruieren, wie Berlin während des Ersten Weltkriegs ‚eigentlich geklungen‘ hat. Vielmehr soll anhand von zwei Beispielen aus der Klanggeschichte Berlins im Krieg thesenhaft gezeigt werden, wie mithilfe der Frage nach akustischen Praktiken und ihrer Effekte bekannte Narrative der Weltkriegsforschung neu perspektiviert und bewertet werden können. Das erste Beispiel behandelt das sogenannte Augusterlebnis als Klangereignis, das zweite die Berliner Populärmusik im Krieg. Der Schwerpunkt auf den akustischen Praktiken soll dabei auch zu einer methodischen Erweiterung der Sound History beitragen und sie stärker für Fragen historischer Performativität öffnen. Denn bisher liegt der Fokus vieler klanghistorischer Arbeiten einerseits auf den historischen Klängen im Sinne des oben genannten ‚Inventars‘ des Hörbaren und andererseits auf den „außer-akustischen Bedeutungsebenen und Semantisierungen“7, die sich an das Gehörte knüpften. Symptomatisch hierfür ist der in den Sound Studies beliebte Begriff des ‚Soundscape‘ bzw. (in der gängigen deutschen Übersetzung) der ‚Klanglandschaft‘. Nach einer vielzitierten Definition von Emily Thompson ist eine Klanglandschaft „simultaneously a physical environment and a way of perceiving that environment; it is both a world and a culture constructed to make sense of that world“8. Dieser doppelten Per4 Alain Corbin, Wunde Sinne. Über die Begierde, den Schrecken und die Ordnung der Zeit im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1993, 199. 5 Ebd., 203. 6 Mark M. Smith, Listening to Nineteenth-Century America, Chapel Hill 2001, 262. 7 Jan-Friedrich Missfelder, Der Klang der Geschichte. Begriffe, Traditionen und Methoden der Sound History, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 66 (2015) (im Erscheinen). 8 Emily Thompson, The Soundscape of Modernity. Architectural Acoustics and the Culture of Listening in America 1900–1933, Cambridge, MA – London 2004, 1; vgl. zum Soundscape-Begriff, der in erster Linie auf den kanadischen Klangforscher und Komponisten R. Murray Schafer zurückgeht, die erhellende begriffsgeschichtliche Genealogie von Ari Y. Kelman, Rethinking the Sounds-
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spektive ist jedoch noch eine dritte Dimension hinzuzufügen. Denn die Formulierung von der „physikalischen Realität“ bzw. der „physikalischen Umwelt“ der Klänge und ihrer anschließenden Deutung durch die historischen Akteure lokalisiert deren agency lediglich auf der Rezeptions- bzw. Aneignungsseite. Klänge werden aber nicht nur wahrgenommen und mit Bedeutung aufgeladen, sie werden zunächst einmal hervorgebracht. Wenn hier der Fokus mit Alain Corbin auf den akustischen Praktiken liegt, so sind damit also nicht nur die Praktiken der Klangdeutung und -aneignung gemeint, sondern auch und zunächst die Praktiken der Klangerzeugung. In einem Sammelband über „Musik als Mittel politischer Identitätsstiftung“ spricht Christian Jansen – analog zum speech act – von „Musikhandlung“, also vom Handeln mit Musik.9 In Erweiterung dieser Begriffsverwendung lassen sich akustische Praktiken allgemein auch als „Klanghandeln“ fassen. Dieses Klanghandeln ist konstitutives Element jeder (historischen) Klanglandschaft und lässt sich als historischer Produktivfaktor untersuchen, wie im nächsten Abschnitt am Beispiel des Augusterlebnisses in Berlin zu zeigen sein wird. 2. Abschreien und Mitsingen. Der Sound des Augusterlebnisses Das sogenannte Augusterlebnis ist in der historischen Forschung kein strittiger Gegenstand mehr.10 Die Vorstellung, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 habe im gesamten Deutschen Kaiserreich zu einer Welle der nationalistischen Kriegsbegeisterung geführt, die die innenpolitischen Gräben zugeschüttet und eine nationale Einheit im Angesicht der Bedrohung von außen gestiftet habe, dominierte zwar lange die Erinnerung an den und die Historiographie über den Ersten Weltkrieg. Seit einer in den 1990er Jahren einsetzenden kritischen Forschung zum Augusterlebnis wissen wir jedoch, dass die Kriegsbegeisterung keineswegs so einmütig und ubiquitär gewesen ist wie lange angenommen. Sie konzentrierte sich vor allem auf die Zentren der großen Städte und wurde vom Bürgertum und einer nationalistischen Studentenschaft getragen, während der Krieg in ländlichen Gebieten und in der Arbeiterschaft keineswegs einhellig oder gar enthusiastisch begrüßt wurde.11 Aber auch diese Dekonstruktion des Mythos vom Augusterlebnis bestreitet nicht, dass es cape. A Critical Genealogy of a Key Term in Sound Studies, in: The Senses & Society 5 (2010) H. 2, 212–234. 9 Christian Jansen, Einleitung: Musik als Mittel politischer Identitätsstiftung, in: Tillmann Bendikowski u. a. (Hg.), Die Macht der Töne. Musik als Mittel politischer Identitätsfindung im 20. Jahrhundert, Münster 2003, 7–12, 9. 10 Vgl. zum Folgenden ausführlicher Daniel Morat, Cheers, Songs, and Marching Sounds. Acoustic Mobilization and Collective Affects at the Beginning of World War I, in: ders. (Hg.), Sounds of Modern History. Auditory Cultures in 19th- and 20th-Century Europe, New York – Oxford 2014, 177–200. 11 Vgl. Jeffrey Verhey, Der „Geist von 1914“ und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Hamburg 2000; Thomas Raithel, Das „Wunder“ der inneren Einheit. Studien zur deutschen und französischen Öffentlichkeit bei Beginn des Ersten Weltkrieges, Bonn 1996; zur Arbeiterschaft Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15, Essen 1993; zum ländlichen Augusterlebnis Benjamin Ziemann, Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914–1923, Essen 1997.
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eben in den großen Städten und unter nationalistischen Bürgern Szenen euphorischer Kriegsbegeisterung gab.12 Wie sind diese Szenen der Kriegsbegeisterung angesichts des neuen Kenntnisstands zu bewerten und wieso konnten sie die Kriegsskepsis in weiten Teilen der Bevölkerung so lange überdecken? Wendet man sich dem Klanghandeln zu, das konstitutiv für die Kriegsdemonstrationen war, so lassen sich neue Antworten auf diese Fragen finden. Denn wenn die Szenen von lautstarker Kriegsbegeisterung bisher zumeist als Ausdruck einer vorgängig schon vorhandenen (oder eben nicht vorhandenen) Kriegsmentalität gewertet wurden,13 so lässt sich mit dem Fokus auf die in ihnen zum Tragen kommenden akustischen Praktiken die Aufmerksamkeit stärker auf ihre situative Dynamik und auf die Mechanismen der akustischen Hervorbringung der Kriegsbegeisterung richten. Wie sind diese akustischen Praktiken nun näher zu charakterisieren? Liest man die zeitgenössischen Beschreibungen der spontanen Kriegskundgebungen in den letzten Juli- und ersten Augusttagen auf den Straßen Berlins, so erscheinen zum einen das Singen patriotischer Lieder und zum anderen das laute (Hurra-)Rufen als die zentralen Mittel der patriotischen Gesinnungsbekundung. Dabei bildete sich eine Art von standardisiertem Ablauf heraus: Auf (zumeist improvisierte) patriotische Ansprachen, häufig von Laternenpfählen herab, folgten Hurra- und Hochrufe und schließlich das Absingen patriotischer Lieder. Aus den später niedergeschriebenen Erinnerungen des Journalisten Moritz Goldstein geht hervor, dass sich dabei häufig Einzelne zu patriotischen Anführern aufschwangen. So schrieb Goldstein über einen auf eine Laterne gekletterten Einpeitscher: „Er liess uns Lieder singen, abwechselnd ‚Heil Dir im Siegerkranz‘, ‚Die Wacht am Rhein‘, ‚Deutschland, Deutschland über alles‘. Und er liess uns in rhythmische Rufe ausbrechen: ‚Wir wollen den Kaiser sehen‘. Jeder von diesen Laternenkletterern schlug dasselbe vor, denn jedem von ihnen fiel dasselbe ein, obwohl sie sich gewiss nicht verabredet hatten.“14 Das kollektive Singen war eine seit langem eingeübte Praxis der nationalen Willensbekundung. Schon im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Sängerbewegung zu einem wichtigen Teil der deutschen Nationalbewegung. Die deutschen Gesangsvereine mit ihren nationalen Sängerfesten waren „Vorreiter auf dem Weg zur modernen Massenmobilisierung“15. Im Kaiserreich spielte die Militärmusik im öffentlichen Leben dann eine ebenso große Rolle wie das Singen patriotischer Lieder in der 12 In diesem Sinn gab es das Augusterlebnis durchaus, auch wenn es sowohl sozial wie räumlich eine geringere Reichweite hatte als lange angenommen; vgl. Gunther Mai, 1. August 1914: Gab es ein Augusterlebnis?, in: Eckart Conze/Thomas Nicklas (Hg.), Tage deutscher Geschichte. Von der Reformation bis zur Wiedervereinigung, München 2004, 177–194. 13 Vgl. Thomas Rohkrämer, August 1914 – Kriegsmentalität und ihre Voraussetzungen, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, 759–777. 14 Moritz Goldstein, Widerlegung der Macht. Unveröffentlichtes Manuskript im Institut für Zeitungsforschung, Dortmund, zit. n. Rudolf Stöber, Vom „Augusterlebnis“ zur „Novemberrevolution“. Öffentlichkeit zwischen Kriegsbegeisterung (?) und Herbstdepression, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 15 (2013), 89–122, 94. 15 Dietmar Klenke, Der singende „deutsche Mann“. Gesangsvereine und deutsches Nationalbewusstsein von Napoleon bis Hitler, Münster u.a. 1998, 104.
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Schule und bei vaterländischen Veranstaltungen und Gedenktagen.16 Es gab zwar keine offizielle deutsche Nationalhymne, aber dafür drei inoffizielle: neben dem Deutschlandlied waren das die schon aus dem späten 18. Jahrhundert stammende preußische Huldigungshymne „Heil Dir im Siegerkranz“ und die antifranzösische „Wacht am Rhein“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.17 Wie das Zitat von Goldstein zeigt, konnte dieses einstudierte Repertoire im August 1914 aktualisiert und eingesetzt werden. Dabei zeigte sich aber insgesamt, dass die bürgerliche Selbstmobilisierung bei Kriegsbeginn über die Standards der nationalistischen Repräsentationskultur aus Vorkriegszeiten hinausging.18 Ein Zeichen dafür war die Tatsache, dass bürgerliche Demonstranten den Arbeitern erstmals die Straße als Arena der politischen Willensbekundung streitig machten und sich nicht mit klar umgrenzten Festmeilen und -plätzen begnügten. Dies führte zu Ausnahmesituationen, in denen die bisherigen Grenzen zwischen Staatsmacht und Bevölkerung teilweise überschritten wurden, etwa wenn die Massen näher an das Automobil des Kaisers herandrängten als ihnen eigentlich gestattet war.19 Auch der von Goldstein zitierte Ruf „Wie wollen den Kaiser sehen“ ist ein Beispiel für diese neue Qualität der bürgerlichen Selbstmobilisierung, bei der die eingeübten nationalistischen Rituale gleichsam eine Stufe weiter getrieben wurden. Ein weiteres Beispiel dafür schilderte die Tägliche Rundschau. Als die Schlosswache am 1. August wie jeden Tag um die Mittagszeit Unter den Linden aufzog, folgte ihr eine patriotische Menge bis zum Schloss. Auch das war schon in der Vorkriegszeit nicht ungewöhnlich. Nach dem Aufzug wurde die Regimentskapelle aber nun am Abmarsch gehindert und die Menge verlangte die „Wacht am Rhein“ und das Deutschlandlied. Als diese gespielt wurden, kannte „die Begeisterung der Massen [...] keine Grenzen“, wie die Tägliche Rundschau schrieb, „und als am Schluß sich der einheitliche Wille der Massen den ‚Pariser Einzugsmarsch‘ erzwang, erreicht die Begeisterung ihren Höhepunkt“20. 16 Vgl. zur Schulmusik Heinz Lemmermann, Kriegserziehung im Kaiserreich. Studien zur politischen Funktion von Schule und Schulmusik 1890–1918, Lilienthal – Bremen 1984; zur patrotischen Festkultur Jakob Vogel, Militärfeiern in Deutschland und Frankreich als Rituale der Nation (1871– 1914), in: Etienne François/Hannes Siegrist/Jakob Vogel (Hg.), Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich. 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995, 199–214; ders., Nationen im Gleichschritt. Der Kult der ‚Nation in Waffen‘ in Deutschland und Frankreich, 1871–1914, Göttingen 1995. 17 Vgl. Nils Grosch, „Heil Dir im Siegerkranz!“ Zur Inszenierung von Nation und Hymne, in: Michael Fischer/Christian Senkel/Klaus Tanner (Hg.), Reichsgründung 1871. Ereignis, Beschreibung, Inszenierung, Münster 2010, 90–103; Michael Jeismann, Die Nationalhymne, in: Etienne François/ Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. III, München 2001, 660–664. 18 Vgl. Thomas Lindenberger, Straßenpolitik. Zur Sozialgeschichte der öffentlichen Ordnung in Berlin 1900 bis 1914, Bonn 1995, der von einer „neue[n] Dimension der Massenmobilisierung“ (376) im August 1914 spricht. 19 Verhey, Geist, spricht deshalb auch von „karnevalesken Massen“ (144), in denen die bisherige soziale Ordnung auf den Kopf gestellt wurde. 20 Zit. n. Gunther Mai, Das Ende des Kaiserreichs. Politik und Kriegführung im Ersten Weltkrieg, München 1987, 13. An dieser Stelle sei eine methodische Bemerkungen zu den Quellen erlaubt: Die Berichterstattung in der bürgerlichen Presse ist selbstverständlich nicht als neutrale Beschreibung zu werten, sondern war selbst Teil der nationalistischen Mobilisierung. Der „einheitliche Wille der Massen“ in diesem Zitat etwa ist nicht einfach eine Tatsachenbeschreibung, sondern zunächst einmal
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Die hier geschilderte „Begeisterung“ der Massen ist also das Ergebnis erfolgreichen Klanghandelns. Im Umkehrschluss kann das Klanghandeln als ein Instrument der Selbst- und Fremdaffizierung betrachtet werden: Es war ein Mittel, sich selbst und andere akustisch in Bewegung zu versetzen.21 In diesem Sinne ist das Singen und Rufen nicht lediglich als Ausdruck patriotischer Gefühle zu deuten. Vielmehr ging es darum, diese patriotischen Gefühle zuallererst hervorzubringen oder sie jedenfalls bei sich und anderen zu steigern und zu kanalisieren. Zu fragen ist also nach der Funktion des Singens und Rufens für die Organisation und das Management kollektiver Stimmungen und Handlungen. Um diese Frageperspektive weiter zu verfolgen, muss man sich die konkrete Kommunikationssituation in den letzten Juli- und ersten Augustwochen noch einmal vergegenwärtigen: Im Zeitalter kurz vor dem Radio waren die mehrmals täglich erscheinenden Extrablätter der Tageszeitungen die aktuellsten Nachrichtenmedien. Die Extrablätter wurden auf den Straßen verkauft und gelesen. Eben dort verbreiteten sich die Nachrichten von Mund zu Mund weiter, was im Übrigen auch zur Proliferation von Gerüchten und Falschmeldungen führte.22 Wer etwas über die neuesten Entwicklungen erfahren wollte, musste also auf die Straße gehen. In Berlin konnte man sich zudem direkt an die Orte begeben, an denen die Entscheidungen auch gefällt und häufig direkt verkündet wurden, wie etwa dem Schloss, vor dem am 31. Juli die kaiserliche Proklamation des „Zustandes drohender Kriegsgefahr“ verlesen wurde. Die Menschenmassen befanden sich also zunächst einmal aus Neugierde und Unsicherheit auf den Straßen. In diesen Situationen der Unsicherheit musste die Anspannung früher oder später in die eine oder andere Richtung kanalisiert werden. Auch dazu diente das kollektive Singen und Rufen. Ein Journalist in Gelsenkirchen hat die dortige Situation am 31. Juli genau in dieser Weise gedeutet: „Bis in die spätesten Nachtstunden hinein warteten die Leute auf endgültige Nachricht über den Stand der Dinge. Während vorerst eine bedrückte Stimmung vorherrschte, löste sich allmählich die Spannung und machte sich Luft durch Absingen patriotischer Lieder.“23 Der liberale Publizist und Chefredakteur des Berliner Tageblatts Theodor Wolff schrieb in seinen später niedergeschriebenen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg über die Menschenmassen auf den Straßen Berlins am 31. Juli: „Ein Teil dieser großen Masse fand, indem er Hoch und Hurra rief, einen Abfluss für seine Erregung, man traf auch Banden von jungen Burschen in ausgelassener Bierlaune, und andere der Herumziehenden glichen aufgescheuchten Vögeln und waren sehr still.“24 Wie aus diesen Schilderungen hervor geht, war die Luft auch nicht permanent von eine diskursive Konstruktion. Trotzdem ist die Beschreibung nicht schlichtweg erfunden, sondern bezieht sich auf ein Ereignis, bei dem davon auszugehen ist, dass es in ähnlicher Form tatsächlich stattgefunden hat. Hier soll daher weniger auf die Sprachstrategien der Texte eingegangen werden (was in einer ausführlicheren Analyse geschehen müsste), sondern stärker nach den darin beschriebenen Handlungen gefragt werden. 21 Vgl. zum hier gebrauchten Begriff der Affizierung Steve Goodman, Sonic Warfare. Sound, Affect, and the Ecology of Fear, Cambridge, MA – London 2010. 22 Vgl. Florian Altenhöner, Kommunikation und Kontrolle. Gerüchte und städtische Öffentlichkeit in Berlin und London 1914/1918, München 2008. 23 Zit. n. Verhey, Geist, 108. 24 Theodor Wolff, Der Krieg des Pontius Pilatus, Zürich 1934, S. 357.
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Rufen und Gesängen erfüllt. Vielmehr wechselten sich Lärm und Stille ab. Gespannte Ruhe wurde durch die „gellenden Rufe der Zeitungsverkäufer“25 unterbrochen, wie die Berliner Tägliche Rundschau schrieb. Neuerliche Zuspitzungen der politischen Lage wurden durch Ansprachen und Gesänge beantwortet. Dabei ist auch eine Veränderung vom Juli zum August zu beobachten. Überwogen in der letzten Juliwoche die Hurrakundgebungen, verstummten die öffentlichen Ansammlungen immer häufiger nach der Mobilmachung und dem Beginn des Krieges in der ersten Augustwoche. So schrieb die Nürnberger Stadtzeitung am 2. August: „Der fieberhafte Lärm, der in den Tagen vor der Mobilmachung die Straßen durchhallte, verstummt allmählich. Die meisten Menschen gehen ernst und bedrückt aneinander vorüber.“26 Nach den ersten Siegesmeldungen flammten die patriotischen Kundgebungen und Lieder aber wieder auf. So berichtete die Tägliche Rundschau am 22. August von einer Siegesfeier in Berlin: „Eine schöne Siegesfeier veranstaltete gestern Nacht die Berliner Liedertafel, indem sie unter der Leitung ihres Chormeisters Max Wiedemann ein improvisiertes Konzert auf dem Potsdamer Platz gab. Der bekannte Verein hatte seinen Übungsabend abgebrochen, um dem überquellenden Jubel über den eben bekanntgewordenen großen Sieg in irgendeiner Weise Luft zu machen, zog zum Potsdamer Platz und überraschte und erfreute die zahlreiche Menge durch seine Kunst. Das ‚Niederländische Dankgebet‘ und einige feurige Kriegslieder, darunter ‚Lützows wilde, verwegene Jagd‘, wurden vorgetragen und von dem immer mehr anwachsenden Publikum mit tosendem Beifall aufgenommen. Bei den letzten Liedern ‚Deutschland, Deutschland über alles‘, ‚Die Wacht am Rhein‘, ‚Heil Dir im Siegerkranz‘ fiel die schließlich fast den ganzen Platz füllende Menge ein, und so gestaltete sich schließlich das improvisierte Konzert zu einer patriotischen Kundgebung von überwältigender Schönheit.“27 Die Berliner Liedertafel war einer der größten deutschen Gesangsvereine im Kaiserreich.28 In diesem Bericht von dem spontanen Konzert zeigt sich, in welcher Weise sich das organisierte Singen der Gesangsvereine mit dem spontanen Singen der Massen auf den Straßen im Sommer 1914 verbinden konnte. Neben dem Singen hielt auch die Praxis des Hurra-Rufens noch einige Wochen nach Kriegsausbruch an. So berichtete etwa die Rheinisch-Westfälische Zeitung am 2. September in ihrer Rubrik „Kriegsbilder aus der Weltstadt“: „Ein ganz neuer Berliner Sport ‚Abschreien‘. ‚Was machen Sie denn heute abend?‘ ‚Wir gehen abschreien.‘ Auf den belebteren Plätzen und Straßenkreuzungen sammelt sich die Menge und sowie eine feldgraue Uniform im Auto vorbeisaust, sowie ein Koffer irgendwo sichtbar ist, ertönt ein vielstimmiges Hurra! So nimmt man Abschied von den scheidenden Kriegern. Und die Offiziere stehen auf und schwenken die Mütze – das Volk wartet bis tief in die Nacht – ohne 25 ‚abgeschrieene‘ Leutnants geht niemand ins Bett.“29 25 Zit. n. Verhey, Geist, 132. 26 Zit. n. ebd., 126. 27 Tägliche Rundschau, 22.08.1914, zit. n. Dieter Glatzer/Ruth Glatzer (Hg.), Berliner Leben 1914–1918. Eine historische Reportage aus Erinnerungen und Berichten, Berlin 1986, 91. 28 Vgl. Klenke, Mann, 13. 29 Rheinisch-Westfälische Zeitung, 02.09.1914, zit. n. Bernd Ulrich/Benjamin Ziemann (Hg.), Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1994, 30.
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Kann man das öffentliche Singen und Rufen also als Mittel der Selbst- und Fremdaffizierung verstehen sowie als Instrument des Spannungsabbaus und des Stimmungsmanagements, so konnte es darüber hinaus auch ganz direkt als Mittel der politischen Auseinandersetzung dienen. Dies zeigt sich etwa bei einem Ereignis von Ende Juli, das später von Philipp Scheidemann als „Sängerkrieg“ erinnert wurde: Im Zuge der Antikriegsdemonstrationen der Sozialdemokratie am 28. Juli marschierten Arbeiterzüge auch ins Stadtzentrum und gelangten, unter Umgehung von Polizeisperren, unter die Linden. Gegen Abend marschierten etwa 1000-2000 Sozialdemokraten mitten Unter den Linden auf und ab, während auf beiden Trottoirs das Bürgertum patriotische Lieder sang. Der Korrespondent der Frankfurter Zeitung berichtete wie folgt: „Vor den Cafés und Restaurants gab es große Anhäufungen der Massen. Die ‚Wacht am Rhein‘ und ‚Heil Dir im Siegerkranz‘ erschollen aus Tausenden von Kehlen, aber auch die Arbeitermarseillaise klang von geschlossenen Trupps her machtvoll durch die Nacht. In die Hochs auf den Kaiser und seinen österreichischen Verbündeten mischten sich die Hochrufe auf die internationale Sozialdemokratie und die Rufe ‚Nieder mit dem Krieg!‘ Es war ein Durcheinander von erhitzen Rufen, von Kundgebungen für und wider, die zu einem brausenden Lärm anschwollen und wie die allgemeine Erregung sich immer mehr steigerten. Die Polizei war um die zehnte Stunde gegen diesen Massenandrang von Menschen vollkommen machtlos.“30 Fungierte das Singen und Rufen hier als Mittel der Auseinandersetzung zwischen Kriegsbefürworten und -gegnern, so veränderte es schließlich auch die Art der politischen Kommunikation zwischen den Kriegsbefürworten auf der Straße und jenen an der Staatsspitze. Der schon zitierte Ruf „Wir wollen den Kaiser sehn“ erscheint so auch als Signalruf eines neuen Zeitalters der politischen (und nicht notwendigerweise demokratischen) Massenpartizipation, in dem die ‚Herrscher‘ und ‚Beherrschten‘ in eine neuartige Form der Wechselbeziehung traten. Der Bericht der Vossischen Zeitung von der Ansprache des Kaisers, die am 31. Juli auf die Ausrufung des „Zustandes drohender Kriegsgefahr“ folgte, lässt das erahnen: „Sobald gestern nachmittag auf dem Königlichen Schlosse die purpurne Königsstandarte hochging, drängten ungezählte Tausende nach dem Schloßplatz und dem Lustgarten, die bald vom Dom bis zur Spree und von den Terrassen des Schlosses bis zur Nationalgalerie dicht besetzt waren. Machtvoll brausten nationale Lieder empor, die ‚Wacht am Rhein‘, ‚Heil dir im Siegerkranz‘, ‚Deutschland, Deutschland über alles‘. Plötzlich – es war kurz nach sechs Uhr – öffneten sich die Türen des Balkons, der dem Dom gegenüber liegt. Der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzen Adalbert und Oskar traten, von ungeheurem Jubel umbraust, heraus. Es dauerte geraume Zeit, ehe die brausenden Hochs verstummten und der Kaiser sprechen konnte. Markig und von tiefstem Ernst erfüllt klangen die Worte, mit einer Wucht, die der entscheidenden Stunde entspricht. Einige Sätze, zornbebend gesprochen und aus dem Fluß der Rede markant hervorgehoben, müssen sich unvergeßlich jedem einprägen, der die Anklage mitangehört, die der Kaiser vor versammeltem Volk gegen den friedenstörenden Nachbar schleuderte. Erschüttert stand die Menge entblößten Hauptes da, als der Kai30 Zit. n. Verhey, Geist, 98–99.
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ser zum Schluß alle aufforderte, den Himmel anzuflehen um den Sieg der deutschen Waffen! [...] ‚Heil Kaiser dir!‘ war die Antwort.“31 Schon vor dieser Ansprache des Kaisers wurde ihm am 31. Juli zugejubelt, als er nachmittags in einem offenen Automobil mit seiner Frau in Berlin einfuhr. Theodor Wolff beobachtete die Szene und beschrieb sie später mit den Worten: „Die hochrufende Menge erhitzte sich zu stürmischer Begeisterung.“32 Wolff erkannte die Hochrufe damit schon zeitgenössisch als Mittel der kollektiven Selbstmobilisierung. Gemeinsames Singen, Rufen und Lärmen gehörte fraglos auch in anderen historischen Situationen zu den Mitteln, mit denen sich Gruppen und Menschenmengen zusammenschlossen, artikulierten und in Stimmung und Bewegung versetzten. In den Sommertagen 1914 zeigten sich aber einige historische Spezifika: Zum einen machten nun die bürgerlichen und staatstragenden Schichten zum ersten Mal im deutschen Kaiserreich der Arbeiterschaft die Straße als Medium der öffentlichen Meinungskundgebung streitig. Sie konnten dabei auf Rituale der im Kaiserreich gepflegten vaterländischen Festkultur zurückgreifen, die sich aber verselbständigten und den Rahmen der staatlich organisierten Zustimmungsbekundung sprengten. Dadurch wurde auch der Monarch in eine neue Form der politischen Interaktion mit den Massen auf den Berliner Straßen hineingezogen, die bereits auf nachmonarchische politische Kommunikationsformen des 20. Jahrhunderts vorauswies. Dabei zeigte sich die Bedeutung der direkten akustischen Kommunikation gerade auch im heraufziehenden Zeitalter der Massenmedien. Zum anderen übertönten die jubelnden und singenden Menschenmengen die Kritiker des Krieges tatsächlich und stellten so in einem Akt der Selbstaffizierung und Selbstüberzeugung die Wahrnehmung einer einhelligen Kriegsbegeisterung her. Auf diese Weise trugen sie zur oben geschilderten Mythologisierung des Augusterlebnisses bei. 3. „Immer feste druff!“ Populärmusik zwischen Affirmation und Subversion Die patriotischen Lieder übertönten im August 1914 nicht nur die Stimmen der Kriegsgegner, sondern auch die populären Walzer und Schlager, die das Musikprogramm in den Garten- und Tanzlokalen, auf den Caféterrassen und den Bühnen der Varietés, Kabaretts und Unterhaltungstheater bis zum Kriegsausbruch dominiert hatten. Berlin war nicht nur Hauptstadt des Deutschen Reiches, sondern seit seinem Aufstieg zur ‚Weltstadt‘ in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch Hauptstadt der deutschen Populärmusik. Hier entwickelten bekannte Komponisten und Dirigenten wie Paul Lincke, Walter Kollo und Jean Gilbert (alias Max Winterfeld) den eigenen Stil der ‚Berliner Operette‘, Gesangskünstlerinnen und -künstler wie Claire Waldoff und Otto Reutter formten den Klang der ‚Berliner Schnauze‘, das Berliner Musikverlagswesen boomte.33 Die populären Melodien und Schlager ertönten dabei 31 Vossische Zeitung, 1.8.1914, 1. 32 Wolff, Krieg, 357. 33 Vgl. Walther Kiaulehn, Berlin. Schicksal einer Weltstadt, München 1997, 235–252; Maurus Pacher, Sehen Sie, das war Berlin. Weltstadt nach Noten, Frankfurt a. M. – Berlin 1987; Otto Schneidereit, Berlin, wie es weint und lacht. Spaziergänge durch Berlins Operettengeschichte, Berlin 1968;
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nicht nur auf Unterhaltungsbühnen, sondern prägten auch die Klanglandschaft des öffentlichen Stadtraums, wo sie von Kaffeehaus- und Gartenlokalkapellen, von Straßenmusikern und Drehorgelspielern gespielt und von Passanten und Straßenkindern nachgesungen und -gepfiffen wurden.34 Diese Allgegenwart der Populärmusik wurde im August 1914 zugunsten der oben beschriebenen patriotischen Klänge zeitweilig zum Verstummen gebracht.35 Allerdings nicht für sehr lange Zeit. Die Unterhaltungstheater befanden sich bei Kriegsbeginn ohnehin in der Sommerpause. Als die neue Saison Ende September/Anfang Oktober eröffnet wurde, hatten sie sich bereits auf die veränderte Situation eingestellt und bestritten die neuen Spielpläne mit einer Welle sogenannter „vaterländischer Volksstücke“, die sich stilistisch zwischen Gesangsposse, Operette und Revue bewegten.36 Das berühmteste Beispiel hierfür ist wahrscheinlich das Stück „Immer feste druff!“ von Hermann Haller und Willi Wolff mit Musik von Walter Kollo, das am 1. Oktober 1914 im Theater am Nollendorfplatz uraufgeführt wurde.37 Wie der Titel vermuten lässt, sparte es nicht an kriegerisch-chauvinistischer Rhetorik, die jedoch mit Komik und Sentimentalität gepaart wurde. Mit insgesamt mehr als 800 Aufführungen bis 1918 erwies sich das Stück als unerwarteter Erfolg und Dauerbrenner des Krieges. Damit stellte es jedoch eine Ausnahme dar, denn die Mehrzahl der „vaterländischen Volksstücke“ des Herbstes 1914 wurden schon Anfang 1915 wieder abgesetzt. Das hatte zum einen mit der veränderten Kriegslage und der enttäuschten Erwartung eines schnellen Sieges zu tun, zum anderen mit der vielfach geäußerten Kritik an der Darders., Paul Lincke und die Entstehung der Berliner Operette, Berlin 1981; zum Verlagswesen Stefanie Döll, Das Berliner Musikverlagswesen in der Zeit von 1880 bis 1920, Univ. Diss. Berlin, 1984; Georg Jäger, Der Musikalienverlag, in: ders. (Hg.), Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1.2: Das Kaiserreich 1871–1918, Frankfurt a. M. 2003, 7–61. 34 Vgl. dazu ausführlicher Daniel Morat, Music in the Air – Listening in the Streets. Popular Music and Urban Listening Habits in Berlin around 1900, in: Christian Thorau/Hansjakob Ziemer (Hg.), The Art of Listening and its Histories. New Approaches to a History of Music Listening, 1800 to Present, Oxford u.a. 2015 (im Erscheinen). 35 Vgl. dazu die vom Korrespondent des Essener General-Anzeigers beschriebene Szene in einem Berliner Café in den letzten Julitagen: „Wieder spielt die Musik. Ein Marsch, ein Kriegslied. Wehe ihr, wenn sie das Programm nicht der Stimmung des Tages anpassen wollte! Gestern versuchte sie noch einmal, einen modischen Walzer einzuschieben. Kaum erklangen die ersten Takte, so antwortete das Publikum mit pfeifendem Protest. Der Kapellmeister mußte abklopfen und ein Dutzend Stimmen intonierte a capella, was er spielen soll: ‚Deutschland, Deutschland über alles‘.“ (zit. n. Verhey, Geist, 55f.). 36 Vgl. dazu und zum Folgenden v.a. die einschlägigen Studien von Martin Baumeister, Peter Jelavich, Eva Krivanec und Jan Rüger: Martin Baumeister, Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur 1914–1918, Essen 2005; ders., War Enacted. Popular Theater and Collective Identities in Berlin 1914–1918, in: Marcus Funck/Roger Chickering (Hg.), Endagered Cities. Military Power and Urban Societies in the Era of the World Wars, Leiden 2004, 111–126; Peter Jelavich, Berlin Cabaret, Cambridge, Mass./London 1993, 118–128; ders., German Culture in the Great War, in: Aviel Roshwald/Richard Stites (Hg.), European Culture in the Great War. The Arts, Entertainment, and Propaganda, 1914–1918, Cambridge u.a. 1999, 32–57; Eva Krivanec, Kriegsbühnen. Theater im Ersten Weltkrieg. Berlin, Lissabon, Paris und Wien, Bielefeld 2012; Jan Rüger, Entertainments, in: Jay Winter/Jean-Louis Robert (Hg.), Capital Cities at War. Paris, London, Berlin 1914–1919. Volume 2: A Cultural History, Cambridge 2007, 105–140. 37 Hermann Haller/Willi Wolff/Walter Kollo, Immer feste druff! Vaterländisches Volksstück mit Gesang in 4 Bildern. Textbuch der Gesänge, Berlin – München 1914; dazu ausführlich Baumeister, Kriegstheater, 129–140.
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stellung des Krieges auf den Unterhaltungsbühnen. Vor allen Dingen in der bürgerlichen Presse wurde die Verbindung des ‚ernsten Themas‘ des Krieges mit den Frivolitäten des Unterhaltungstheaters verurteilt. Auch die Zensurbehörden hatten ihre Zweifel an der moralischen Wirkung der Kriegspossen und -revuen, selbst wenn sie mit deren politischer Stoßrichtung einverstanden sein konnten.38 Ihre grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber den großstädtischen Vergnügungen, die in den ernsten Zeiten des Krieges nicht statthaft seien, gaben die Polizei- und Militärbehörden jedoch teilweise auf, da sie die Notwendigkeit von Zerstreuung und Ablenkung für die Kriegsmoral der Bevölkerung erkannten. So schrieb etwa im Juli 1916 das Polizeibezirksamt Berlin-Mitte an den Polizeipräsidenten von Jagow, dass eine „Umwandlung Berlins in eine völlig stille Stadt“ nicht nur „auf die Stimmung der hiesigen Bevölkerung ihre Rückwirkung“ haben, sondern auch im Ausland ein falsches Signal setzen würde, denn dort werde „das Vergnügungsleben Berlins [...] als ein Zeichen deutscher Stärke und deutschen Vertrauens angesehen“.39 So wurde Berlin also keine völlig stille Stadt, das Vergnügungsleben und die Produktion von Populärmusik setzen sich auch während des Krieges fort. Nach dem Abebben der Welle der Kriegsstücke verlegten sich die meisten Unterhaltungsbühnen ab 1915 jedoch auf eskapistische Operetten wie „Das Dreimäderlhaus“ (1916) oder das „Schwarzwaldmädel“ (1917). Otto Reutter gehörte an dem von ihm geleiteten Palast-Theater am Zoo zu den wenigen Unterhaltungskünstlern, die den Krieg bis ins vorletzte Kriegsjahr hinein zum Gegenstand ihrer Bühnenprogramme machten. Dabei konzentrierte er sich besonders auf die Lebensbedingungen in Berlin und auf die zunehmenden Probleme der Mangel- und Ersatzwirtschaft, wobei nationalistische Durchhalteparolen eine ambivalente Verbindung mit vorsichtiger Kritik an den Verhältnissen und einer Thematisierung der sich ausbreitenden Kriegsmüdigkeit eingingen.40 Diese Ambivalenzen der populärkulturellen Aufarbeitungen des Krieges sind in der bisherigen Forschung bereits thematisiert worden. So spricht Martin Baumeister in seiner wegweisenden Studie zum Berliner Kriegstheater etwa vom „Zwiespalt in der Aneignung des Kriegsthemas durch die Unterhaltungsbühnen“ und vom „Eigensinn“ und der „Eigendynamik der Vergnügungswelt“, die einer vollständigen Militarisierung der Unterhaltungsbühnen entgegen gestanden hätten.41 Interessanterweise untersucht er diesen Eigensinn aber nur auf der Text- und Inszenierungsebene der von ihm behandelten Stücke (ähnlich wie die Zensurbehörden, auf deren Akten er sich stützt). Die Musik der Gesangspossen, Operetten und Revuen und besonders das Verhältnis von Text und Musik werden von ihm nicht thematisiert. Um das tun zu können, 38 Vgl. zur Zensur der Vergnügungskultur während des Krieges Gary D. Stark, All Quiet on the Home Front. Popular Entertainments, Censorship, and Civilian Morale in Germany, 1914–1918, in: Frans Coetzee/Marilyn Shevin-Coetzee (Hg.), Authority, Identity and the Social History of the Great War, Providence – Oxford 1995, 57–80. 39 Polizeibezirksamt Berlin-Mitte an Polizeipräsident von Jagow, 25.7.1916, zit. n. Jan Rüger, Die Berliner Schnauze im Ersten Weltkrieg, in: Thomas Biskup/Marc Schalenberg (Hg.), Selling Berlin. Imagebildung und Stadtmarketing von der preußischen Residenz bis zur Bundeshauptstadt, Stuttgart 2008, 147–160, 159. 40 Vgl. Baumeister, Kriegstheater, 140–171. 41 Ebd., 92.
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ist man nicht unbedingt auf die musikalischen Notationen als Quellen und auf entsprechende musikwissenschaftliche Kompetenz angewiesen. Man kann dazu auch die zeitgenössischen Grammophonaufnahmen heranziehen. Denn die deutsche Grammophonindustrie profitierte nicht unerheblich von der Kriegskonjunktur und produzierte mehrere Platten mit den erfolgreichsten Liedern und Couplets aus den Kriegsstücken. So existieren noch heute Aufnahmen von den beliebtesten Liedern aus „Immer feste druff!“ mit Claire Waldoff und Karl Geßner ebenso wie von Otto Reutters KriegsCouplets.42 Beim Anhören dieser Aufnahmen wird die Diskrepanz von Form und Inhalt unmittelbar deutlich.43 Denn auch wenn Waldoff und Reutter im Herbst 1914 auf die nationalistische Linie einschwenkten, so blieb ihr Vortrags- und Gesangsstil doch derselbe wie vor Kriegsbeginn. Dieser zeichnete sich in erster Linie durch einen ironischen Grundton und durch eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber dem Besungenen aus, beides Eigenschaften, die sich mit kriegerischem Pathos schwer vereinbaren ließen. Auch wenn bei beiden also tatsächlich eine kriegsbefürwortende Absicht vorgelegen haben mag, konterkarierte ihre Performanz bis zu einem gewissen Grad die intendierte Aussage.44 Bei dieser Feststellung eines performativen Widerspruchs geht es nicht um eine irgendwie geartete politisch-moralische Entlastung von Waldoff oder Reutter, sondern lediglich um den Hinweis auf die stilistische Schwierigkeit, die Formen der Berliner Populärmusik, so wie sie sich in den Jahren vor 1914 entwickelt hatte, mit der 1914 geforderten Kriegsmobilisierung zu vereinbaren. Ins Allgemeinere gewendet, erscheint die Populärmusik so als ein Element des großstädtischen Alltagslebens, das sich der von Roger Chickering beschriebenen Totalisierung des Krieges bis zu einem gewissen Grad entzog. Natürlich fand sie unter den Bedingungen des Krieges an der Heimatfront statt und erfüllte hier auch wichtige soziale und emotionale Funktionen. Sie tat das aber gerade, weil sie sich der Form nach nicht in ein einfaches Kriegsinstrument verwandeln ließ. Die fortgesetzten Auseinandersetzungen zwischen den Unterhaltungskünstlern, den Zensurbehörden und der bürgerlichen Öffentlichkeit während des gesamten Krieges über Berechtigung und Charakter der Populärmusik bei deren anhaltender Beliebtheit beim Publikum zeugen von dieser tendenziellen Inkompatibilität.45 Die anhaltende Beliebtheit der Populärmusik zeigte sich dabei nicht nur an Besuchs- und Verkaufszahlen, sondern auch daran, dass einzelne der populären Kriegslieder zu Gassenhauern wurden. Schon während des 19. Jahrhunderts war es kon42 Baumeister weist auf diese Plattenaufnahmen hin, ohne sie jedoch einer eigenen Analyse zu unterziehen; vgl. ebd., 136–139. 43 Einige der Kriegsaufnahmen von Waldoff finden sich in dem 10-CD-Set „Claire Waldoff. Die Königin der Kleinkunst“ (Membran Music Ltd), für Otto Reutter gibt es eine umfangreiche Sammlung digitalisierter Couplets unter http://www.otto-reutter.de (21.08.2014); vgl. zur Verwendung populärer Lieder als zeithistorische Quelle auch die Sammlung „Deutscher Zeitgeist in Schlagern und populären Liedern 1900-1930“ (Seelze 2008) mit mehreren Liedern aus dem Ersten Weltkrieg. 44 Vgl. zum Begriff der Performanz in diesem Kontext Daniel Morat/Thomas Blanck, Geschichte hören. Zum quellenkritischen Umgang mit historischen Tondokumenten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 66 (2015) (im Erscheinen). 45 Vgl. zur Debatte über „Geschmack und Moral“ in der Populärmusik Baumeister, Kriegstheater, 106-110.
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stitutiv für die Verbreitung populärer Lieder, dass sie nicht nur angehört, sondern als Gassenhauer auch nachgesungen und -gepfiffen und dabei oftmals verändert und umgedichtet wurden.46 Das „Parodieren der kulturellen Zeugnisse von Obrigkeiten“ spielte dabei eine zentrale Rolle nicht nur als „Form sozialer Distanzerhaltung“, sondern auch als Mittel – wenn auch häufig milder – politischer Subversion.47 Diese Praxis des Nachsingens und Parodierens setzte sich auch während des Ersten Weltkriegs fort. Ein populäres Beispiel stammt wiederum aus dem „vaterländischen Volksstück“ „Immer feste druff!“. Das bei der Uraufführung und auf Schallplatte von Claire Waldoff und Karl Gessner gesungene Duett „Der Soldate“ mit dem Refrain: „Der Soldate, der Soldate / ist der schönste Mann bei uns im Staate. / Darum schwärmen auch die Mädchen sehr / für das liebe, liebe, liebe Militär“48 konnte im Sinne der oben genannten Ambivalenz und performativen Widersprüchlichkeit schon in seiner Originalversion als parodistisch gehört und verstanden werden. Es wurde aber auch selbst zum Gegenstand weiterer Parodien, die sich vor allen Dingen auf die Ersatznahrung während des Krieges bezogen. So finden sich im Deutschen Volksliedarchiv Transkriptionen mehrerer „Marmeladen-Lieder“, die auf das Soldatenlied zurückgingen: „Marmelade, Marmelade / Ist der schönste Fraß im deutschen Staate. / Darum schwärmen auch die Mädels sehr / Für das deutsche Marmeladenmilitär!“49 Auch das „Bayrische Soldatenlied“ aus der Kollo-Revue „Extrablätter“ mit dem Refrain „In der schönen, in der neuen / In der neuen, in der grauen, / In der schönen, in der neuen grauen Felduniform!“50 wurde parodiert zu „Und was hab’n se uns verhauen / In der schönen neuen grauen, / In der schönen, in der neuen grauen Felduniform“51. Diese Parodien und das parodierende Nachsingen populärer Lieder können als soziales Klanghandeln ‚von unten‘ verstanden werden. Aber auch das professionelle Singen der Kriegsschlager durch die Unterhaltungskünstlerinnen und -künstlern sollte als Klanghandeln, das heißt in seiner Performativität untersucht werden. Während vom parodierenden Nachsingen nur indirekte und verstreute Zeugnisse überliefert sind, liegen von den professionellen Unterhaltungskünstlerinnen und -künstlern glücklicherweise Tonaufnahmen vor. Eine spezifisch klanghistorische Perspektive auf die Populärmusik an der Heimatfront lädt daher dazu ein, diese Tondokumente in die Untersuchung mit einzubeziehen. Ihre Analyse schärft das Bewusstsein für die performativen Widersprüche, in welche die Populärmusik im Moment ihrer kriegs46 Vgl. Lukas Richter, Der Berliner Gassenhauer. Darstellung. Dokumente. Sammlung. Mit einem Register neu herausgegeben vom Deutschen Volksliedarchiv, Münster u.a. 2004; zur Populärmusik allg. Sabine Giesbrecht-Schutte, Zum Stand der Unterhaltungsmusik um 1900, in: Kaspar Maase/ Wolfgang Kaschuba (Hg.), Schund und Schönheit. Populäre Kultur um 1900, Köln – Weimar – Wien 2001, 114-160. 47 Peter Wicke, Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der Popmusik, Leipzig 1998, 81. Nicht jede Form der Parodie ist jedoch automatisch politisch subversiv, sie kann auch affirmativen Charakter haben; vgl. dazu Franz-Peter Kothes, Die theatralische Revue in Berlin und Wien 19001938. Typen, Inhalte, Funktionen, Wilhelmshaven 1977, 36. 48 Haller/Wolff/Kollo, Immer feste druff!, 34. 49 Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. 2, Berlin 1962, 363. 50 Rudolf Bernauer u. a., „Extrablätter!“ Heitere Bilder aus ernster Zeit. Textbuch der Gesänge, Berlin/München 1914, 17. 51 Steinitz, Deutsche Volkslieder, 398.
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politischen Vereinnahmung und Indienstnahme geriet. Dies unterscheidet sich vom methodischen Vorgehen bei der Untersuchung des Augusterlebnisses, da von diesem nur nachträglich gestellte Tondokumente vorliegen. In beiden Fällen – der Massenmobilisierung bei Kriegsausbruch wie der Populärmusik an der Heimatfront während des Krieges – konnte aber gezeigt werden, dass der Fokus auf das jeweils darin zum Tragen kommende Klanghandeln dazu beitragen kann, bestehende Erklärungsansätze der Weltkriegsforschung zu hinterfragen und zu ergänzen.
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Report "Der Sound der Heimatfront. Klanghandeln im Berlin des Ersten Weltkriegs "