Der frühchristliche Kirchenbau in der nordöstlichen Region (Kärnten/Osttirol), in: H. R. Sennhauser (Hrsg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet, Von der Spätantike bis in ottonische Zeit 2 (München 2003) 409-437

May 27, 2017 | Author: Franz Glaser | Category: Archaeology, Late Antique Archaeology, Early Christianity, Early Medieval Archaeology, Archaeology of churches, Archaeology of Roman Noricum
Report this link


Description

BAYERISCHE

AKADEMIE

DER WISSENSCHAFTEN

PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE

KLASSE

ABHANDLUNGEN·NEUEFOLGE,HEFTID Schriften der Kommission zur vergleichenden Archäologie römischer Alpen- und Donauländer

Sonderdruck aus

Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet Von der Spätantike bis in ottonische Zeit Herausgegeben von Hans Rudolf Sennhauser

MÜNCHEN 2003 VERLAG DER BAYERISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

IN KOMMISSION BEIM VERLAG C.H.BECK MÜNCHEN

DER FRÜHCHRISTLICHE KIRCHENBAU IN DER NORDÖSTLICHEN REGION (KÄRNTEN/OSTTIROL) Franz Glaser

Von den Kirchenbauten vor 1000 kennen wir auf Kärntner Boden vor allem die spätantiken Sakralbauten, da von denkmalpflegerischer Seite kaum Grabungen in bestehenden Kir­ chen vorgenommen wurden. Am Bundes­ denkmalamt in Kärnten gibt es erst seit 1979 einen Posten für einen Archäologen. Bislang wurden allerdings keine entsprechenden For­ schungsergebnisse von diesem Amt bekannt, die in den vorgegebenen Zeitraum fallen, da­ her bleibt als einziges Beispiel die frühmittel­ alterliche Kirche in Molzbichl, wenn man von den spätantiken Anlagen absieht. Zu den neu entdeckten spätantiken und frühmittelalter­ lichen Kirchen ist außerdem auf die Beiträge von H. Stadler und M. Tschurtschentaler zu verweisen. Die Gebiete Kärntens und Osttirols decken einen Großteil der einstigen spätantiken Pro­ vinz Noricum Mediterraneum ab, die im Südosten noch Teile des heutigen Slowenien und im Südwesten des heutigen italienischen Bodens umfaßte (Abb. 1). In beiden österreichischen Bundesländern sind besonders viele frühchrist­ liche Kirchenbauten in den befestigten Höhen­ siedlungen, seltener auf Schwemmkegeln oder

steckten Fliehburgen 1 abseits der Straßen hat bei dem heutigen Kenntnisstand keine Geltung mehr. Auf dem Gebiet der heutigen Steiermark, d.h. vor allem auf dem Stadtterritorium von Flavia Solva, gibt es bislang keine entdeckten Kirchen. Lediglich ein Säulchen auf dem Kugelstein nördlich von Graz dürfte zur Mensa eines Got­ teshauses gehören.2 Ebenso fehlen Bischofs­ nennungen für Flavia Solva. Einige Kirchen von Noricum Mediterraneum sind schon seit dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jh. bekannt, doch brachten die Ausgrabungen der letzten Jahre auch für diese Denkmäler neue Aspekte und ermöglichten Rekonstruk­ tionen. Die einzelnen Kirchen sollen aber nicht der Reihe nach hier aufgezählt, sondern die faß­ baren Ergebnisse nach Themen geordnet wer­ den. Bevor wir die Grundrisse und rekon­ struierbaren Baukörper besprechen, sollen die Befunde zur Sprache kommen und gegenüber früheren Auffassungen abgegrenzt werden.

Terrassen und in Tallagen entdeckt worden.

Die Innenausstattung

Die besondere Dichte in Höhensiedlungen er­ gibt sich auch aus der Tatsache, daß jene in den späteren Epochen kaum noch besiedelt waren. Die Hänge dieser Höhensiedlungen waren in der Spätantike wegen des Holzbedarfs und wegen des Schußfeldes sowie zur Ver­ hinderung gedeckter feindlicher Annäherung abgeholzt. Die generelle Vorstellung der ver-

Deutung eines Raumes als Kirche. Ausgehend von entsprechend günstigen Befunden besit­ zen die Kirchen des Ostalpenraumes mit der Gestaltung des Presbyteriums ein wesentliches gemeinsames Merkmal. Das Presbyterium wird in der Regel an der Ostseite von der Klerusbank begrenzt. Im Zusammenhang mit den halbrunden Klerusbänken wurde auf die

1

2

Presbyterium und Klerusbank ist massgebend für die

Differenziert bei S. Ciglenecki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jh. im Ostalpenraum (1987) 109 ff. 10 f. (Forschungsgeschichte ). F. Pichler, Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark 35 (1887) 107 ff. Abb. 8. - E. Högl-Schmidt, B. Hebert, in: Corolla memoriae Walter Modrijan dedicata (1997) 55 ff. Abb. 2.

414

Franz Glaser

~

Ufernoricum 0"

.'

. .....

0-'

..':. ...

.' .

.....

c u m

.. " ~ -,

". .......

{".~

"'. H~oet?vio

n·"-._:

~ Kirche lind bezeugter Bischofssitz i Kirche 1 Schranken einer Kirche

v Baptisterium • Grabkapelle oder Grabbau Frühchristliche Inschrift

o

Celeia R

?

Reliquiar oder Reliquiengrube Frühchristlicher Leuchter

"

~ Fingerring mit Christogramm L Lampe mit Christogramm oder Kreuz +

Sarkophag mit Kreuz

Abb. 1. Frühchristliche Kirchen und Funde in Kärnten (Rasterfläche) Zeichnung: F. Glaser.

C-förmige Anordnung der Speisesofas in den spätrömischen Triclinia hingewiesen. E. Walde meinte, daß sich nach heutigem Wissen kaum exakt feststellen läßt, wann man dazu überging, beim Essen nicht zu liegen, sondern zu sitzen.> Tatsächlich wissen wir, daß beide Formen nebeneinander belegt sind und damit in dieser Weise die Frage gar nicht gestellt wer­ den kann. Klerusbänke waren schon längst üb­ lich, als man noch beim Mahl zu Tische lag, wie es z. B. eine Abendmahlsdarstellung in den Mosaiken von Sant'Apollinare Nuovo in Ravenna zeigt. Schon am makedonischen Königshof sind beide Formen nebeneinander für Männer bezeugt: das Liegen bei Tisch war ein Vorrecht der Männer, die bereits einen Eber erlegt hatten." Im Totenkult ist das Sitzen beim Mahl gebräuchlich, wie dies spätantike

3 4

5 6

"'0 o~Q. Prebold I

. ....

.

,

.:

Rifnik'

,.'

Vranje

~

+ Tinje :'

.....

und Osttirol sowie die Grenzen Binnennorikums.

Grabkammern belegen.f Die Haltung ist kein zeitliches Kriterium. In den genannten Grab­ kammern gibt es öfters einen besonders her­ vorgehobenen Sitz, der Th. Klauser zufolge als Ehrensitz für den Verstorbenen frei bleibt. Im Gegensatz zu den Sitzgelegenheiten in den Grabkammern ist den Klerusbänken eine Stufe, der Kathedra sind in der Regel drei Stu­ fen vorgelegt. Daher ist in den Grabungs­ befunden die Kathedra auch durch Stufenreste erschließ bar. Bis zu den Untersuchungen in den letzten Jahren waren die Presbyterium-Rekonstruktio­ nen von R. Egger und G. C. Menis für das ostalpine Gebiet maßgeblich, nämlich die Be­ grenzung des Altarraumes mit halbhohen Schranken.s Eggers ohnehin nicht belegbare marmorne Kredenztischehen hat G. C. Menis

E. Walde, Festschrift Mackowitz (1985) 1955 ff. Athenaios 1,18a. FHG 4,419. Th. Klauser, Die Cathedra im Totenkult der heidnischen und christlichen Antike, 2. Aufl. (1971). R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (1916) 30 Abb. 32. - G. C. Menis, La basilica paleo­ cristiana nelle diocesi settentrionali della metropoli d'Aquileia (1958) 204 Abb. 60.

415

Kärnten/Osttirol

f

NORICUM

~L]\" @J

~Grazer­ ~ kogel

U1richs­ berg

lJV r,·

__ ~_ 4

~

I: lJY]' Lauriacum

~Kathrein­ ~ kogel

Laubendorf rF'=MTscheltschnigkogel (Wannbad ViJlach)

lI::Q

'6 .l!l

b8?/

Duel HOiSCh-

[L . ~

O· -. . Patriasdorf : . _ .'" (Lienz)

hügel

,

Oberlienz

Cfb>

.

:

~

.

Aguntum

.-_.,

\\~I \~

Oberlienz

B

m2!iEDI

Lavant _.

Abb. 2. Grundrisse der frühchristlichen

Kirchen N orixums. .,

416

Franz Glaser

Abb. 3. Frühchristliche Bischofskirche (1. Bauperiodc) in Teurnia/St. Peter in Holz, Innenraumrekonstruktion F. Glaser). Zeichnung: H. Mühlbacher.

ausgeschieden. Am Hemmaberg konnte auch durch den neuen Grabungsbefund eine der­ artige Interpretation widerlegt werden." Die Ausgrabung der Bischofskirche in Teur­ nia/St. Peter in Holz zeigte, daß an den beiden Enden der Klerusbank auf sorgfältigen Funda­ menten mit quaderförmigen Spolien Säulen standen (Abb. 3). Die Balkennester am oberen Schaftende weisen auf einen hölzernen Architrav hin," welcher auf Säulchen ruhte, die mit würfelförmigen Basiszapfen in die Aus­ nehmungen der Schrankenpfeiler eingelassen waren (Abb. 4). Diese wiederum waren in den Schwellsteinen eingezapft und verdübelt. Im

7 8 9

(nach

Gegensatz zu den Säulchen und den reliefier­ ten Schrankenplatten mit geglätteter Oberflä­ che sind die Schrankenpfeiler mit regelmäßigen Zahneisenspuren überzogen. Wie der Estrich im Laienraum hatte auch der Presbyterium­ boden eine leichte Neigung entsprechend dem Hanggefälle. Die Bodenneigung war miteinge­ plant, um Arbeitsleistung und Anschüttungs­ material zu sparen. Das zeigt sich daran, daß erst eine Waagrechte an der Oberkante der Schran­ kenpfeiler ausgeführt wurde.? d.h. die Schran­ kenpfeiler an der Südseite (talseitig) waren höher als an der Nordseite (bergseitig). Dieses Detail erklärt auch, warum an der aus Konstan-

F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (1991) 17. F. Glaser, Carinthia I 176 (1986) 112. G. Gruber, Marmorausstattung frühchristlicher Kirchen im Ostalpenraum (Diss. Wien 1997) 195 ff. (im Druck).

Kärnten/Osttirol

417

T

fT I----

".' -----i

(

!

I

-

~

1

I +-1I ~

j----

1 I

---I

"

T

11 1---' 2--1

r-1l--{

1

2

3

Abb. 4. Säulchen der frühchristlichen Kirchen in Teurnia/St. Peter in Holz: Bischofskirche (1), Kirche extra muros (2,3). Zeichnungen: G. Gruber.

tinopel exportierten Chorschrankenanlage im Schiffsfund von Marzamemi (Sizilien) die Schrankenpfeiler unterschiedliche Längen be­ sitzen.t? Es war im Steinmetzhandwerk dem­ nach gebräuchlich, unterschiedliche Gefälle des Bodens an der Oberkante der Pfeiler aus­ zugleichen, weil es mit viel geringerem Auf­ wand verbunden war, an einzelnen Punkten die Waagrechte herzustellen als mit den schweren Schwellsteinen der Schrankenanlage. Der Schiffsfund von Marzamemi belegt ebenso wie die Bestellung einer Schrankenanlage in Kon­ stantinopel durch Amalasuintha, die Tochter des Ostgotenkönigs Theoderich, daß im Osten wie im Westen gleichartige Pergolae in den Kirchen aufgerichtet wurden. In Analogie zu

10

den östlichen Kirchen wird man in den west­ seitigen Öffnungen der Schrankenanlagen halbhohe Gittertürchen annehmen dürfen, die gelegentlich (wie in Hagios Stephanos aufKos) durch Schleifspuren belegt sind. Waren in der östlichen Doppelkirche (Kirche A, Abb. 9) auf dem Hemmaberg (Globasnitz) bislang nur Marmorsplitter entlang der Presby­ teriumkanten bekannt, so belegt ein spätantiker Schrankenpfeiler (Abb. 5) im romanischen Mauerwerk der Kirche St. Johann in Jaunstein am Fuß des Hemmaberges eine marmorne Schrankenanlage in einer der Kirchen (vermut­ lich in Kirche A). Im Unterschied zu Teurnia ist der halbhohe Pfeiler reliefiert: aus einem Gefäß wächst ein Weinstock mit Früchten und Vögeln

A. Bohne, Das Kirchenwrack von Marzamemi. Handel mit Architekturteilen in frühbyzantinischer Zeit, Skyllis. Zeit­ schrift für Unterwasserarchäologie 1 (1998) 6 ff.

418

Franz Glaser

(Abb, 5). Ein Relief - ebenfalls mit einer Wein­ ranke - besitzt in dem von uns zu besprechen­ den Gebiet nur noch der spätantike Vorgänger der Kirche St. Ulrich in Lavant (Osttirol). Aus der Kirche extra muros (sogen. Friedhofs­ kirche) in Teurnia stammen Säulchen (90 cm) mit würfelförmigen Basiszapfen, welche - wie in der Bischofskirche - in die halbhohen Schrankenpfeiler eingezapft waren (Abb. 4).

o

20 cm

Abb. 5. Schrankenpfeiler im Mauerwerk der romanischen Kirche inJaunsteiniGlobasnitz am Fuße des Hemmaberges. Zeichnung und Foto: F. Glaser.

11

12 13

14 15

Daneben gibt es kürzere Säulchen (60 cm) ohne Basisprofil, aber mit einem langen, roh belasse­ nen Zapfen (Abb. 4), der demnach in Bruch­ steinmauerwerk eingelassen war.t! G. Gruber hat diese Säulchen überzeugend auf der Lehne der Klerusbank angeordnet.F Durch die frei­ stehende unterschiedliche Höhe der Lehnen­ säulchen und der Schrankensäulchen ergibt sich eine gleichmäßige Höhe für einen um die Klerusbank und das Presbyterium umlaufenden Architrav (Abb. 6). An den Enden der Klerus­ bank standen ursprünglich wie bei der Bischofs­ kirche Säulen, wie dies die mit plattigem Stein­ material ausgeführte Fundamentiemng zeigt. Außerdem verläuft zwischen Säulenfundament und Langhausmauer unter dem Estrich eine Spannmauer, 13 die darauf hinweist, daß die Säulen Bögen trugen. Ein Vollblattkapitell, das im Bereich des Presbyteriums 1910 gefunden wurde, ist einer der beiden Säulen zuzuordnen. R. Egger dachte 1916 bei dem Kapitell an die Herkunft von einem Ciborium,>' das er jedoch in der zeichnerischen Rekonstruktion nicht wiedergibt. Säulchen aus der Bischofskirche wie auch Schrankenplatten und Säulchen aus der Kirche extra muros weisen Spuren primärer Ver­ wendung auf. Im besonderen zeigen sowohl die rohen Zapfen der Säulchen aus der Kirche extra muros als auch in Grado Spuren der Erst­ verwendung. In Grado ist der Fundort der Säul­ chen unbekannt. Sie wurden im Corpus della scultura altomedioevale kopfüber abgebildet und fälschlich als frühmittelalterliche Kapitelle bezeichnet.f Im Lapidarium im Hof des Domes von Grado sind die Säulchenschäfte richtig montiert. In Analogie zu Teurnia hätte es in Grado eine Kirche mit freistehender Klerusbank und Säul­ chen auf der Lehne gegeben. Wie G. Gruber ausführt, weisen vermutlich auch die Lisenen außen an der Klerusbank in der rechteckigen

Vor der Entdeckung der Bischofskirche wurden die Säulchen den Fenstern zugewiesen. - F. Glaser, Neue Überlegungen zu einem alten Problem, in: H. Friesinger, F. Daim, Die Bayern und ihre Nachbarn II (1985) 11 ff. G. Gruber, wie Anm. 9, 30 ff. Nachuntersuchung 1997. R. Egger, wie Anm. 6, 33 f. Abb. 38. A. Tagliaferri, Corpus della scultura altomedievale 10. Le diocesi di Aquileia e Grado (1981) NI. 612. 613.

Abb. 6. Rekonstruktionsmodell der frühchristlichen Kirche extra muros in TeurniaiSt. Peter in Holz. (nach G. Gmber und F. Glaser). Modellbau: H. Mack, Foto: P. Schwarz.

Saalkirche von Iulia Concordia ebenfalls auf eine Gliederung der Klerusbanklehne mit Säul­ chen.w Demnach wäre wie in Teurnia auch in Concordia das Presbyterium inklusive der Klerusbank mit Vorhängen zu verschließen ge­ wesen. Die Säulchenkapitelle der Schrankenanlagen in Teurnia sind form gleich mit solchen aus Aquileia, Grado und Concordia und sind dem­ nach von einer Werkstätte des oberen Adria­ raumes ausgeführt worden. Die Steinmetzen haben offensichtlich durchwegs ältere Werk­ stücke aus Marmor wiederverwendet.

Die rö­

mischen Marmorbrüche waren auf Kärntner Gebiet in der Spätantike nicht mehr in Betrieb. In der nördlichen Kirche von Lavant bilden Marmorquader die Begrenzung des Presbyteri­ ums, die nur unregelmäßig verteilt die Dübel­ löcher der Erstverwendung zeigen und nicht auf eine Schranke bezogen werden können. Es fehlen auch Zapflöcher für Schrankenpfeiler. Demnach würde man mit einer hölzernen

16 17 18

Pergola für das Presbyterium rechnen. Doch weist G. Gmber darauf hin, daß auch die Schrankenpfeiler in einer dünnen Mörtellage auf den Schwellsteinen gestanden sein können, womit die vorgefundenen Säulchen einer Per­ gola aus Marmor zuzuordnen wären.'? Aller­ dings ist für eine derartige Anordnung die Größe der Standfläche ein wesentlicher Faktor. Der Nachweis einer hölzernen Abschran­ kung des Presbyteriums gelang in der Kirche von Laubendorf, wo sich die Balkenlager er­ halten haben (Abb. 7).18 Während die oben ge­ nannten Presbyterien ca. 50 cm höher lagen als der Laienraum und über seitliche Stufen zu er­ reichen waren, lag nach der Dicke der Marmor­ deckplatte über dem Reliquienloculus der Pres­ byteriumsboden in Laubendorf nur ca. 20 cm (also eine Stufe) höher. In den meisten Kirchen Binnennorikums werden wir mit hölzernen Altarschrankenanlagen rechnen müssen, die mit Schnitzwerk und/oder mit Bemalung ge­ staltet waren.

G. Gruber, wie Anm. 9, 62 ff. - G. Dei Fogolari, in: Iulia Concordia dall'eta romana all'etä moderna (1978) 183 ff. Taf. 4. G. Gruber, wie Anm. 9, 125. H. Dolenz, Festschrift G. Moro. Beigabe zur Carinthia I 152 (1962) 47 ff.

420

Franz Glaser

(Kirche N) wird ebenfalls eher mit einer halb­ hohen Schrankentür zu verbinden sein (Abb,

9). Reliquienloculus und Altar

Abb. 7. Teilrekonstruktion der frühchristlichen Kirchen in Laubendorf mit hölzerner Abschrankung (nach H. Dolenz).

In manchen Kirchen finden sich auch noch zwischen Presbyterium und Langhauswänden Hinweise auf Abtrennungen. Vielleicht han­ delt es sich dabei um Türöffnungen, die im Anschluß an das Presbyterium ebenfalls mit Vorhängen verschlossen werden konnten. Es wären aber auch halbhohe Schrankentüren denkbar. Auf dem Hemmaberg (Kirche B, Abb. 9) und in Laubendorf könnte der Zu­ gangsbereich zwischen Sakristei und Pres­ byterium zusätzlich abgegrenzt gewesen sein, wobei über ein Pendant an der Südseite in bei­ den Fällen wegen der Zerstörung keine Aus­ sage gemacht werden kann.t? Als Vergleich kann die Kirche auf dem Col di Zuca (bei Invillino) herangezogen werden. Auch dort ist der nordseitige Bereich des Sakristeizuganges beidseitig abgegrenzt.w Die östliche Be­ grenzung mit erhaltenen Wandpfeilern läßt auf eine halbhohe Begrenzung schließen, weil der Pfeiler an der Klerusbank sicher nicht höher war als diese selbst. Der Befund an der Südseite läßt keinen derartigen Pfeiler an der Klerusbank erkennen. Der schwach dimen­ sionierte Wandpfeiler auf dem Hemmaberg

Da man Märtyrer als Garanten für die Auf­ erstehung ansah, wurden bald nach der Ver­ folgungszeit der Christen die ersten Translatio­ nen in private Mausoleen durchgeführt, wie dies das Beispiel der Christin Asklepia in Salona (Marusinac) zeigt.21 In Cimitile bei Nola wird das Grab des Heiligen Felix zu einem architek­ tonisch gestalteten Zentrum des Pilgerortes.F Der Reliquie als physikalisches Objekt haftet keinerlei Information an. Auch der Aufbewah­ rungsbehälter kann üblichen Tongefäßen ent­ sprechen, wie ein Beispiel in Tebessa zeigt.23 Die Bedeutung der Reliquien wird durch ent­ sprechende Inschriften oder durch die Trans­ lationslegende charakterisiert.s+ Ohne Inschrift oder ohne besonderes Behältnis am Aufbewah­ rungsort der Reliquien kann die Bedeutung im Baubestand nur aufgrund eines Analogieschlus­ ses vom Archäologen bestimmt werden. Maß­ geblich kann die zentrale Lage im Kirchenraum, die spezielle Bauweise und Ausgestaltung des Loculus sein. Und hier ergibt sich bereits auf­ grund des Erhaltungszustandes die Frage, ob es sich um eine vertiefte geschlossene oder um eine einseitig offene Kammer, oder um ein vertieftes Becken handelt. Diese Unsicherheiten haben bekanntlich zu großen Deutungsproblemen ge­ führt. Die Beobachtung, daß an Reliquien­ gräbern manchmal fenestellae vorhanden sind, wurde verallgemeinernd auf die Grabungsbe­ funde der frühchristlichen Kirchen in Imst (B7) und auf dem Martinsbühel bei Zirl (B41) übertragen.v> In einer frühchristlichen Kirche in

H. Dolenz, wie Anm. 18, Anhang nach Seite 40 (Plan). - F. Glaser, wie Anm. 7,116 Abb. 7. Vgl. auch Kirche N: S. Lad­ stätter, Die materielle Kultur der Spätantike in den Ostalpen. Eine Fallstudie am Beispiel der westlichen Doppelkirche auf dem Hemmaberg (2000) Planbeilage 1. 20 V. Bierbrauer, Invillino - Ibligo in Friaul II (1988) Taf. 5. Beilage 2. 21 E. Dyggve, R. Egger, Der altchristliche Friedhof Marusinac. Forschungen in Salona 3 (1939) 10 ff. - B. Kötting, Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude (1965). 22 D. Korol, Die frühchristlichen Wandmalereien aus den Grabbauten in Cimitile/Nola (1987) 32 f. Taf. 23 J. Christern, Das frühchristliche Pilgerheiligtum von Tebessa (1976) 107 ff. 24 J. Geary, Archaeologia Austriaca 64 (1980) 112 f. 25 R. Egger, Österr. Zeitschr. Kunst u. Denkmalpfl. 17 (1963) 164 f.; E. Walde, Bayer. Vorgeschbl. 40 (1975) 144. 19

Kärnten/Osttirol

lb) Grado (S. Euphemia)

und Teurnia (Kirche extra l1'Luros).

2a) Hemmaberg (west!. Doppelkirche) und Lavant (nördl. Kirche).

2b) Teurnia (Bischofskirche) und Imst.

3a) Ampaß.

3b) Molzbichl.

Abb. 8. Typen von Religuienkammern in Rekonstruktion. Zeichnungen (2-3): F. Glaser.

421

422

Franz Glaser

Lavant wurde anfangs (im Jahre 1953) die Reliquienkammer für ein Taufbecken gehal­ ten.26 Oftmals sind die erhaltenen Spuren einer Reliquienkammer schwer zu deuten. Klar ist die Situation noch, wenn sich z.B. eine Felsgrube oder eine kleine ausgemauerte Vertiefung im Zentrum des Presbyteriums befindet. Diese ein­ fache, kleine Form des Reliquienloculus hat eine geringe Tiefe von ca. 25 cm bis 40 cm und be­ sitzt Innenmaße von ca. 30x40 cm. Wir kennen beispielsweise solche Loculi unter den einstigen Altären der Kirchen in Laubendorf oder auf dem Martinsbühel, auf dem Duel, in der Westkirche (J) auf dem Hemmaberg, auf dem Kucar (Slowenien) oder in der Kirche auf der Piazza della Corte in Grado.27 Zu dieser Kategorie sind offenbar auch grö­ ßere gemauerte Kammern oder Steinkisten zu rechnen (Typus 1 b, Abb. 8), die eine eigene Abdeckung mit Abstand zur Altarbasisplatte besitzen konnten. Im Jahre 1871 entdeckte man anlaßlieh der Erneuerung des Hochaltares, und zwar auf der «Epistelseite» eine Reliquien­ kammer im Dom von Grado (Abb. 8, Ib).28 Ungewöhnlich ist, daß die Reliquienkammer nicht in der Mittelachse der Apsis lag, sondern gegen Süden zum «Mausoleum» des Elias hin verschoben war. Eine gemauerte Kammer barg unter einer großen Marmorplatte einen marmornen Reliquienschrein, in dem die Reliquiare und andere Objekte lagen, die heute in der Schatzkammer des Domes aufbewahrt werden. Möglicherweise ist die Reliquien­ kammer des Domes in Grado mit jenen in der Kirche extra muros in Teurnia zu vergleichen (Abb. 8), wo nun durch die Nachuntersuchun­ gen auch unter dem Hauptaltar wie unter dem Altar der südlichen Seitenkapelle eine Stein-

26

27

28

29

30

kiste für die Reliquien nachgewiesen ist,29 in welcher sich vermutlich ein marmornes Reli­ quienkästchen befand, von dem ein Deckel­ fragment mit Kreuz im Jahre 2000 gefunden wurde. Der zweite Typus besteht aus einer Kammer und aus einer ausgemauerten oder aus dem Fel­ sen gemeißelten Arbeitsgrube. Diese Art eines Reliquienloculus ist in der westlichen Doppel­ kirche auf dem Hemmaberg in Kärnten be­ legt.30 Zuerst war eine Grube ausgehoben wor­ den, die bis 88 cm unter das Bodenniveau des Presbyteriums reichte. An drei Seiten einer Marmorkiste waren drei Marmorquader ver­ setzt worden, von denen zwei ein Kreuz in vertieftem Relief tragen. Die 38 cm hohe Kiste (89x49 cm) wurde aus einer Spolie gearbeitet, das Relief abgeschlagen und an drei Seiten mit Kreuzen in erhabenem Relief versehen (Abb. 8, 2a). Die genannten Quader trugen ur­ sprünglich die Altarbasisplatte. An der West­ seite blieb zwischen der Basisplatte und der Steinkiste ein Abstand von 28 cm, so daß der Reliquienbehälter in die Kiste gestellt werden konnte. Das Reliquiar war aus Kalksandstein gefertigt. Die Antefixe (bzw. Akrotere) des Deckels besaßen zwölf Kreuze in Inkrustations­ technik: die vertieften Flächen um die Kreuze waren mit rotem Stuck gefüllt, um Stein­ einlegearbeit nachzuahmen. Westseitig schloß an die Konstruktion der Kammer eine ausge­ mauerte Arbeitsgrube an. Die Trockenmauern der Grube waren leicht geböscht. Dadurch war es möglich, bei der Kirchweihe den Reliquien­ behälter in die vorgesehene Kiste unter dem Altar zu stellen und anschließend an der Kammerwestwand eine Mauer aufzuziehen, für die man weitgehend Marmorspolien ver-

F. Miltner,Jahresh. Österr. Arch. Inst. 40 (1953) Beiblatt, 44 f. - J. Fink, Kirche und Leben: Kirchenblatt für das Bistum Münster 31 (1957) 10 f. F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (1991) 65 mit Anm. 166-170 (Laubendorf, Duel, Martinsbühel.). - J. Dular, S. Cigleneöki, A. Dular, Kucar (1995) 73 f.; H. Swoboda, W. Wilberg,Jahresh. Österr. Arch. Inst. 9 (1906) Beiblatt, 1 ff. H. Swoboda, Mitt. K. K. Central-Commission aus Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, N.F. 16 (1890) 5 ff. Die Behauptung von G. Haseloff (Email im frühen Mittelalter, 1990, Abb. 5), daß das goldene Reli­ quiar verschollen sei, ist falsch. Es befindet sich im Domschatz von S. Eufemia. R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (1916) 29 ff. - F. Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum (1997) 54. Vgl. auch: T. Ulbert, Vranje bei Sevnica, Frühchristliche Kirchenanlagen auf dem Ajdovski gradec (1975) 59. F. Glaser, Carinthia I, 182 (1992) 22 f.

Kärnten/Osttirol

wendete. Westlich der Altarmensa könnte eine Mosaikinschrift angebracht gewesen sein, wo­ durch sich die Randbordüre im unendlichen Rapport des Rautenornaments erklären ließe.31 In ähnlicher Weise waren auch die Reliquien­ kammern in Lavant (Osttirol, Abb. 8, 2a), in Pa­ triasdorf/Lienz (Osttirol) und in Iulia Concor­ dia gestaltet.v Der Unterschied zur westlichen Doppelkirche auf dem Hemmaberg besteht darin, daß die Arbeitsgrube an der Westseite des Altares liegt und in der eigentlichen Reliquien­ kammer keine Steinkiste vorhanden war. In Iulia Concordia wie auch in Lavant war ur­ sprünglich über der Arbeitsgrube jeweils eine Steinplatte verlegt. Diesem Typus ist auch die Reliquienkammer in der Bischofskirche von Teurnia zuzuordnen (Typus 2b). Die Kammer (50x50 cm) ist 1,15 m in den Presbyteriumboden eingetieft (Abb. 8, 2b).33 Der Boden besteht aus einem Ziegel­ splittestrich. An der Ostwand ist unter der Altarbasisplatte eine Nische von 30x23 cm aus­ gebildet, in welcher ursprünglich der Reli­ quienbehälter, vielleicht ein Glasgefäß, gestan­ den hatte. An der westlichen Seite sind die Längsmauern 42 cm vorgezogen; eine west­ seitige Abmauerung fehlt jedoch. Die Kammer wurde mit Bauschutt (Steinen und Mörtel­ grieß) gefüllt angetroffen, in welchem noch eine einseitig geglättete Marmorplatte steckte. Aus diesen Beobachtungen ist zu schließen, daß die Kammer ursprünglich an der Westkante des Altares geschlossen war und dafür die verstürzte Marmorplatte Verwendung gefunden hatte. Die vorspringenden Zungenmauern können dadurch erklärt werden, daß die Kammer west­ seitig bis zur Dedikation der Kirche offen blieb. Der Höhepunkt der Kirchenweihe bestand in der Beisetzung der Reliquien des Märtyrers.

423

Anschließend wurde die Kammer verschlossen und der Raum zwischen den Zungenmauern ausgefüllt. Dieser Grabungsbefund bestätigt, daß auch in der Laurentiuskirche von Imst ent­ gegen der Rekonstruktion R. Eggers34 keine Öffnung (fenestella) an der Reliquienkammer vorhanden war (Abb. 8, 2b). Für Imst dürfen wir jedoch vermuten, daß - anders als in Teurnia - ursprünglich in der überwölbten Kammer ein marmorner Reliquienschrein vor­ handen war. Beim dritten Typus wird der Reliquien­ kammer eine ausgemauerte Grube mit einer Treppe angeschlossen. Die vorzüglich erhaltene Reliquienkammer in Ampaß in Tirol (B 1) ist 1,22 m in den Boden eingetieit.t> An die Hauptkammer (128x56 cm) schließt eine 57 cm hohe überwölbte Nische (65x53 cm) an, in wel­ cher der Reliquienschrein aus Marmor vor­ gefunden wurden (Abb. 8). Die Öffnung der Nische war ursprünglich mit einer Platte ver­ schlossen, worauf die vertikalen Falze an den Fensterrändern hinweisen. Die Stufen besitzen unregelmäßige Tritthöhen von 47,5 cm, 14 cm und 41 cm. Die Höhe der untersten Stufe wurde durch das Vorlegen eines (zu) kurzen Quaders reduziert. Die ungleichmäßigen Stufenhöhen und die schrägen Trittflächen zeigen an, daß keine ständige Benutzung vorgesehen war. Die noch verschlossen aufgefundene Reliquien­ kammer in der Kirche beim Schloß Tirol besitzt ebenfalls eine mit einer Steinplatte abgedeckte Treppe (Typus 3a) und eine Verschlußplatte an der eigentlichen Reliquienkammer.x Die Reli­ quienkammer der Kirche im Weinberg von Sä­ ben/Sabiona (C8.l) ist im Vergleich zu Ampaß in drei Abschnitte gegliedertY Zwischen dem eigentlichen Loculus und der Treppe befindet sich ein kleiner Kammerabschnitt, der vermut-

F. Glaser, wie Anm. 30, 52 Abb. 3. Lavant: F. Miltner,Jahresh. Österr. Arch. Inst. 40 (1953), Beiblatt, 41 ff.;J. Fink, Kirche und Leben: Kirchenblatt für das Bistum Münster 31 (1957) 10 f.; Patriasdorf: L. Zemmer-Plank, Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum in Inns­ bruck 54 (1974) 260; Iulia Concordia: G. Dei Fogolari, in: Iulia Concordia dall'ctä romana all'etä moderna (1978) 198. 33 F. Glaser, Carinthia I, 176 (1986) 112; ders., Carinthia I, 177 (1987) 64 f. 34 R. Egger, Österr. Zeitschr. Kunst u. Denkmalpfl. 17 (1963) 164 f. 35 W. Sydow, Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 66 (1986) 76, vertrat die Auffassung, daß die Kammer west­ seitig anfangs dauernd, später teilweise offen gewesen wäre, um die Reliquien zu sehen und zu berühren (Sydow a.O. 95). 36 L. Dal Ri, Hortus artium mediaevalium 3 (1997) 81 ff. 37 F. Glaser, Arheoloski vestnik 48 (1997) 241; V Bierbrauer, H. Nothdurfter, Der Schiern 62 (1988).

31

32

424

Franz Glaser

lieh mit einer vertikalen Platte verschlossen war, weshalb in diesem Fall die Treppe frei blieb (Ty­ pus 3b). An einer ähnlichen Reliquienkammer mit freiliegender Treppe muß auch die Non­ nosus-Inschrift von Molzbichl als Verschluß­ platte angebracht gewesen sein (Abb. 8, 3b), die mit dem 20.Juli des Jahres 533 den Tag der Re­ liquienbeisetzung und damit der Kirchweihe wiedergibt.w Als vierter Typus sind die Kastenaltäre aus der südlichen N aehbarregion zu nennen, die in der Spätantike im Ostalpenraum nicht belegt sind, obwohl wir reliefierte Platten mit Inschrift oder mit Monogramm aus dem 6. Jh. kennen, die von einem derartigen Altar des Bischofs Eufra­ sius in Parenzo-? und des Bischofs Probinus in Gradoi? stammen. Eine weitere Form (Typus 5) der Aufbewah­ rung von Reliquien ist der aus Steinen gemau­ erte Blockaltar, der bislang nur in den Kirchen auf dem Ajdna bei Potok und auf dem Tonov­ cov grad bei Kobarid (Slowenien) belegt ist.41 Für die Lage der Reliquiengräber kommt nicht nur der Altar im Zentrum des Pres­ byteriums in Frage, also der eucharistische Al­ tar, sondern auch die Apsis von Memorialkir­ ehen (wie z.B. in der östlichen Doppelkirche/ Kirche B auf dem Hemmaberg), in Memorial­ kapellen (wie z.B. in der Kirche extra muros in

Vorhang abzuschließen.P Die Apsis hat daher die Bedeutung des Würderaumes und hebt im Baukörper das Märtyrergrab hervor. Der Altar hat in diesen Fällen in Anlehnung an die Apo­ kalypse des EvangelistenJohannes (6,9-11. 20, 4) symbolische Bedeutung: Wie die Seelen der Märtyrer am himmlischen Altar ruhen, so ruhen die sterblichen Reste der Märtyrer unter einem irdischen Altar. Allein der Altar kenn­ zeichnet in diesen Fällen das Reliquiengrab. Daher wird in der Literatur der Begriff mensa für ein Märtyrergrab synonym für memoria ge­ braucht+' Einem Grab entsprechend ist keine Öffnung vorhanden, mit Ausnahme der Kastenaltäre. Zeitliche Kriterien lassen sich an den Bauweisen der unterirdischen Reliquien­ kammern bisher nicht ablesen. Seit R. Egger wurde immer wieder die These vertreten, daß «erfahrene Plünderer» die Reli­ quienkammern bei der Suche nach Edelmetall­ behältern zerstört hätten. Sowohl auf dem Hemmaberg als auch in Teurnia hat sich zuletzt gezeigt, daß die Kammern an der Verschluß­ seite geöffnet wurden. In Noricum wie auch in anderen Provinzen des Imperiums hat die ab­ ziehende römische Bevölkerung «ihren» Heili­ gen mitgenommen.t>

Teurnia) und in Memorialbaptisterien (wie z.B. in der Kirchenanlage in Vranje).42Sind in Vranje und aufdem Hemmaberg aufgrund der Balken­ lager Holzschranken zu erschließen, so zeigt die Marmorschranke in der Mitte der Apsissehne in Teurnia, daß halbhohe Pfeiler mit Säulchen zusammen mit Pilastern einen Architrav trugen, um die mensa des Märtyrers mit einem

Ambo und Solea Ein Ambo am Westende einer Solea ist bislang nur aus der nördlichen Kirchenanlage in Lavant (Osttirol) bekannt und blieb als kreis­ förmiger Sockel (Dm. 1,65 rn) in einer Höhe von 60 cm erhalten.ss Die Solea bildet einen gemauerten erhöhten Steg zwischen Pres-

F. Glaser, K. Karpf, Ein karolingisches Kloster. Baierisches Missionszentrum in Kärnten (1989) 4. M. Prelog, Die Euphrasius-Basilika von Porec (1986) Abb. 2. - B. Molajoli, La Basilica Eufrasiana di Parenzo (1943) 52. 40 S. Tavano, Aquileia e Grado. Storia, arte, cultura (1986) 393. 41 A. Valie,Varstvo spomenikov 27 (1985) 265 ff. S. Ciglenecki, Archäologischer Fundort Tonovcov grad bei Kobarid (1997) 9 ff. 42 F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (1991)Anm. 1-34 mit Lit. 43 Vgl. W Sulser, H. Claussen, St. Stephan in Chur (1978) 136 ff. Aufgrund der massiven Marmorblöcke für Schranken­ pfeiler im Mosaik wird man auch im Asterius-Mausoleum (Nordafrika) eine Mittelschranke und nicht seitliche Platten rekonstruieren dürfen. 44 L. Ennabli, Carthage. Une metropole chretienne du IVe a la fin du VIIe siecle (1997) 24. 45 Eugippius, Vita S. Severini 49,7 und 46,2. - F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (1991) 81; E. Toth, Röm. Österreich 17/18 (1989/1990) 268 mit Anm. 17 und 278 mit Anm. 63; H.Berg, Bischöfe und Bischofs­ sitze im Ostalpen- und Donauraum, in: Die Bayern und ihre Nachbarn I (1985) 85. 46 F. Miltner, wie Anm. 32, 62 f. 38

39

Öst!. Doppelkirche A Gemeindekirche B Memorialkirche C Baptisterium

(6.Jh.)

o

Grabkapelle F Zisterne

1 2 3 4 5

Abb. 9. Die frühchristilichen Kirchen auf dem Hemmaberg/Globasnitz.

Zeichnung: F. Glaser.

Sakristei 6 Klerusbank 7 Presbyterium 8 Solea 9 Narthex 10

HerdsteIle Reliquiengrube Gräber Atrium Piscina

G Gebäude H Pilgerhaus I Heizkanäle eines älteren Gebäudes L Gebäude MAnbau P Gebäude

426

Franz Glaser

Abb. 10. Darstellung von Altären auf Mosaiken in Ravenna. Altar mit Evangelienbuch im Baptisterium der Orthodoxen und mit Tüchern verhüllter Altar in S. Vitale. (Zeichnung: K. Glaser).

byterium und Ambo. In der östlichen Doppel­ kirche (Kirche A, Abb. 9) wird die Solea von ei­ ner verputzten Bruchsteinmauer begleitet.'? Das Niveau des Ziegelsplittestrichs der Solea entspricht dem des Laienraumes. Eine Parallele dazu gibt uns die Kirche auf dem Col di Zuca (Invillino) mit dem Unterschied, daß dort die Solea von Holzschranken begrenzt war. Die Funktion jener Soleae, die niveaugleich mit dem Laienraum sind, wurde im Zusammen­ hang mit der Kommunionspendung erklärt.48 Das Fehlen des Ambo in den meisten Kirchen Kärntens und Osttirols könnte damit erklärt werden, daß während des Wortgottesdienstes der ungedeckte Altar als Ambo benutzt wurde. Die Mosaikdarstellung im Baptisterium der Orthodoxen (Ravenna) könnte dafür sprechen, da eine Mensa mit einem Evangeliar wieder­ gegeben wird, während in den Mosaiken von S. Vitale die Mensa mit zwei Tüchern bedeckt ist, auf der Brote und Kelch erscheinen. (Abb. 10)49 Die Solea bildet demnach eine Erweite­ rung des Presbyteriums für gewisse liturgische

47

48 49

50

F. F. F. F.

Glaser, Glaser, Glaser, Glaser,

Aufgaben, die aber sonst auch innerhalb der Presbyteriumschranken erfüllt werden konn­ ten.

Fußwaschbecken In der nördlichen Halle der Bischofskirche (2. Bauperiode) von Teurnia konnte ein 30 cm tie­ fes, vollständig erhaltenes Becken festgestellt werden, das innen muldenförmig mit mehre­ ren Mörtellagen ausgestrichen ist (Abb. 11, un­ ten).50 Unmittelbar daran schloß ein weiteres Becken an, von dem sich wie von einem drit­ ten noch Mörtelreste am Estrich der Hallen be­ obachten ließen. Aufgrund der Mörtelreste darf man auf die Länge vier solche Becken re­ konstruieren. Wäre nicht ein Becken zur Gänze erhalten gewesen, wären die übrigen Mörtelreste nicht deutbar, da im Ostalpenraum erstmals derartige seichte Becken zu beobach­ ten waren. Man muß aber damit rechnen, daß derartige Mörtelspuren bei älteren Grabungen

wie Anm. 7, 63 ff. wie Anm. 7, 65. Vgl. V. Bierbrauer, wie Anm. 20,60 ff. Frühes Christentum im Alpenraum. Eine archäologische Entdeckungsreise Carintha I 177 (1987) 71.

(1997) 40 Abb. 18.

Kärnten/Osttirol

1

427

als Reinigungsritus vorsah.» Dadurch wird die Taufe auch deutlich als Initiationsritus hervor­ gehoben.

Chorschluß und Klerusbank

o

~

5

5

10m

10m

Abb. 11. Frühchristliche Bischofskirche von Teurnia/ St. Peter in Holz. 1. und 2. Bauperiode (nach F. Glaser).

nicht beobachtet oder nicht dokumentiert wurden. Es handelt sich offenbar um Fuß­ waschbecken, die durch den Mailänder Ritus

Die Gestaltung des Chorschlusses und die Lage der Klerusbank stellen kein zeitliches Kriterium dar und kein Charakteristikum für nur ein e Metropolie. Dies muß gegenüber vielfach ge­ äußerten, derartigen und ähnlichen Thesen be­ tont werden.V Maßgeblich sind Einrichtungen für den Reliquienkult (vgl. oben) und die Wahl von Baukonzepten. Demnach können wir fünf verschiedene Gestaltungstypen unterscheiden (Abb.2). 1. Eingezogene Apsis mit eingebauter Klerus­ bank Das Presbyterium besitzt in diesen Fällen die gleiche Breite wie die Apsis.Für den Bauvorgang läßt sich beobachten, daß zuerst die Apsiswand verputzt wurde, bevor die Klerusbank errichtet und ebenfalls verputzt wurde. Im Anschluß daran folgte der Aufbau des Bodens. Die Klerus­ bank konnte aus Bruchsteinen mit Erdmörtel und einer Schuttfüllung zwischen Frontschar und Apsiswand aufgeführt sein (wie z.B. Bi­ schofskirche Teurnia, 2. Bauperiodej.v In der Westkirche auf dem Hemmaberg besteht der in­ nere Bogen der Klerusbank aus Mörtelmauer­ werk mit einer Hinterfüllung von Lehm und Steinsplitt gegen die Apsiswand hin. 54 Diese Bau­ details sind entscheidend, denn sie werden oft als eigene Bauperiode angesehen, während sie doch mit dem Bauvorgang zu verbinden sind.

verständlich werden, der laut Ambrosius und

Die Auffassung, daß in der westlichen Kirche

. Augustinus nach dem Evangelium der ersten Meßfeier der Neugetauften eine Fußwaschung

von Oberlienz (B27) die Klerusbank mit Ab­ stand zur eingezogenen Apsis errichtet wurde,

51 52

53 54

Ambrosius, de sacramentis 3, 4-7. De mysteriis 31-33. R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (1916) 110 ff.; G. Piccottini, Carinthia I 161 (1971)9 ff.; G. C. Menis, La basilica paleocristiana nelle diocesi settentrionali della metropoli d'Aquileia (1958) 183 ff.; ders., Antichirä Altoadriatiche 9 (1976) 375 ·ff.; ders., in: Friaullebt. 2000 Jahre Kultur im Herzen Europas (1977) 42 ff.; D. Rendie­ Miocevic, in: Kulturhistorische und archäologische Probleme des Südostalpenraumes in der Spätantike (1985) 119ff. Vgl. dagegen: T. Ulbert, Vranje bei Sevnica. Frühchristliche Kirchenanlagen auf dem Ajdovski gradec (1975) 71; N. Duval, Antichitä Altoadriatiche 22 (1982) 399 ff.; F. Glaser, Das frühchristliche Pilgerheiligtum auf dem Hemmaberg (1991)95 ff.; ders., in: G. Hödl,]. Grabmayer, Karantanien und der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter (1993) 235 ff.; ders., in: E. Boshof, H. Wolff, Das Christentum im baierischen Raum (1994) 193 ff. F. Glaser, Carinthia I 176 (1986) 112. F. Glaser, wie Anm. 7, 39.

428

Franz Glaser

Abb. 12. Frühchristliche Kirche extra muios in Teurnia/St. Peter in Holz. Rekonstruktion der Außenansicht. Zeichnung: F. Glaser.

beruht auf der Rekonstruktion des Ausgräbers (Abb. 2).55 Da diese Bauweise nicht erklärt wer­ den kann, wird Oberlienz zu Typus 3 zu rechnen sem. ~ 2. Eingezogene Apsis und Klerusbank vor der Apsis Wie oben bereits für die Memorialkirche (Abb. 9: B) auf dem Hemmaberg gezeigt wurde, konnte die Apsis ein Reliquiengrab auf­ nehmen. Dies hatte zur Folge, daß die Klerus­ bank vor der Mittelabschrankung der Apsis stand. Diese Lösung wird auch durch die un­ vollständig ergrabene Kirche auf dem Ulrichs­ berg belegt und ist für St. Laurentius in Lorch zu vermuten.w 3. Weite Apsis und vorgerückte Klerusbank Weite Apsiden nehmen die ganze Kirchen­ schiffbreite ein. Dies hat zur Folge, daß die Klerusbänke mit geringerem Radius von den Apsiswänden abgerückt sind. In den beiden Bauperioden der Bischofskirche von Teurnia ist die Klerusbank gleich groß, obwohl es sich zuerst um eine freistehende und dann um eine eingeschriebene Klerusbank handeltY Da Kle­ rusbänke in den Kirchen des Adriaraumes nicht gleichermaßen mit der Raumfläche anwachsen, und da Klerusbanke wie in Lavant (Nordkirche) von der ersten zur zweiten Bauperiode ver­ größert werden, ist ein Größenbezug zur Per-

55 56 57 58 59

W Sydow, Fundberichte aus Österreich 26 (1987) 151 ff. F. Glaser, wie Anm. 7, 49 f. F. Glaser, wie Anm. 7, 95 ff. F. Glaser, wie Anm. 7, 105 (Tabelle) N. Duval, Antichitä Altoadriatiche 22 (1982) 409 f.

sonenzahl (der Kleriker etc.) gegeben.58 Die Di­ mensionen der Klerusbank sind auch in die Ab­ messungen des Presbyteriums und in das Ent­ wurfsprinzip eingebunden (vgl. unten). Die freistehenden Klerusbänke kommen zahlreich in Querannexkirchen vor. Wie bereits oben an Beispielen in Teurnia beschrieben, trugen die Säulen an den Enden der Klerusbank zusam­ men mit den Querannexmauern jeweils drei Bögen (Abb. 3). Die Querannexmauern korre­ spondieren daher mit den Häuptern der Kle­ rusbänke, um den Bogenschub aufzunehmen. Die Vermutung von N. Duval, daß es sich bei der freistehenden Klerusbank um Innenapsiden handelt.i? wird durch die Verwendung von Erd­ mörtel für die Klerusbank der ersten Bau­ periode der Bischofskirche in Teurnia wider­ legt. Aber auch die eingangs geschilderte Rekonstruktion des Presbyteriums der Kirche extra muros in Teurnia gibt derartigen Spekula­ tionen keinen Raum. 4. Gerader Chorschluß und angebaute Kle­ rusbank Der gerade Chorschluß mit angebauter Kle­ rusbank wird belegt durch die Kirchen auf dem Tonovcov grad bei Kobarid (SLO) und durch jene auf dem Ajdna bei Potok (SLO). Nicht erkannt wurde das Presbyterium in der Kirche auf dem Tscheltschnigkogel (Kadischen) bei

Kärnten/Osttirol

Warmbad Villachw, Da seitlich außen an die Klerusbank der Estrich auf tieferem Niveau an­ schloß, dachte man an die Fundamente einer Kapelle. 5. Gerader Chorschluß und freistehende Klerusbank Zum rechteckigen Kirchensaal mit frei­ stehender Klerusbank gab es immer wieder Spekulationen. Für Egger galt der Typus als bodenständige Entwicklung des Kirchenbaus aus dem Profanbau in Noricum.« G. C. Menis sah darin ein Charakteristikum der alpin-aqui­ leiensischen Kirchen.62 Der Typus wird zwar bei kleineren Bauaufgaben verwendet, hat aber auch im Rahmen anspruchsvoller architektoni­ scher Konzepte seinen Platz (vgl. unten) und kann Querannexe besitzen.

429

Einschiffigkeit und äußere Hallen Die Einschiffigkeit von Kirchen im ostalpinen Gebiet wurde von G. C. Menis als charakteristi­ sches Merkmal eines alpin-aquileiensischen Kirchentypus erklärt. F. W Deichmann dagegen bringt die Einschiffigkeit mit den be­ schränkten finanziellen Möglichkeiten kleine­ rer Gemeinden in Verbindung.63 Das mag si­ cher in vielen Fällen zutreffen, da auch in ländlichen Regionen die benötigten Säulen zur Wiederverwendung gar nicht zur Verfügung standen. Die Einschiffigkeit kann aber auch ein wesentlicher Bestandteil des Entwurfes sein. Den ersten Hinweis in Noricum erbrachte die Ausgrabung der Bischofskirche in Teurnia, an deren Südseite außen eine Halle mit Säulen auf

Abb. 13. Frühchristliche Kirche am Duel bei Feistritz. Steinplan und Rekonstruktion des Gnmdrisses (nach F. Glaser).

60

61 62 63

F. Glaser, wie Anm. 49, 126 Abb. 51. R. Egger, wie Anm. 6, 119 f. G. C. Menis, wie Anm. 6, 195 ff.; ders., wie 52 f. G. C. Menis, Antichitä altoadriatiche 9 (1976) 395 ff.; F. W. Deichmann, Einführung in die Christliche Archäologie (1983) 273 f.

430

Franz Glaser

J

r--4 ~\



s

n

7

,

)

t I I

I

• • • • Abb. 14. Oben Kirche S. Croce, Ravenna, unten Kirche in Sepen auf der Insel Krk (nach Deichmann). Beide 1:500.

einer Brüstungsmauer angesetzt war.64 Durch diesen Befund wurden auch die Säulenfunde der sogenannten Friedhofskirche in Teurnia deutbar. Hatte ich früher vermutet, daß sich da­ raus eine Dreischiffigkeit ablesen ließ, so ist nun

64 65

klar, daß ursprünglich Säulenhallen mit Brüs­ tungsmauern an den Langseiten der Kirche vor­ handen waren.e> Angebaute Hallen an der West- und Südseite besaß offenbar auch der ers­ te Kirchenbau (J) auf dem Hemmaberg, wo sich

F. Glaser, Antichita Altoadriatiche 47 (2000) 478 f. Abb. 5. F. Glaser, wie Anm. 64,471 f. Abb. 2.; G. Gruber, wie Anm. 9, 50 ff.

Kärnten/Osttirol

zwei Pfeilerfundamente erhielten (Abb. 9).66 Für die westliche Doppelkirchenanlage dürfen wir je eine Halle an einer Langseite vermuten.v? Wahrscheinlich standen hölzerne Pfeiler auf einer Brüstungsmauer, wie dies auch bei der Kirche in Duel bei Feistritz anzunehmen ist (Abb. 13). Als Hinweis auf äußere Hallen kann die seichtere Fundamentierung im Vergleich zu den Hauptschiffmauern gelten. Da bei den Kirchenschifibreiten in Noricum das Maß von acht bis neun Metern (Bauholz­ länge!)nicht überschritten wird, darf man anneh­ men, daß bei der Planung der Kirche in Celeia mit einer Breite von 13 m bewußt die Einschif­ figkeit gewählt wurde.s'' Das Gleiche dürfte auch für die Gemeindekirche in der Nachbarstadt von Teurnia, nämlich in Iulium Carnicum (Zuglio) gelten. Dort gab es vermutlich auch äußere Längshallen, die allerdings durch weitere Gra­ bungen abgesichert werden müßten. Die äußeren Hallen treten vornehmlich mit Querannexkirchen auf, wie wir dies von S. Croce in Ravenna oder von der Kirche in Sepen auf Krk (Abb, 14) kennen.v? In beiden Fällen stehen die Säulen oder Pfeiler auf einer gemeinsamen Brüstungsmauer. Im Falle von massiven Zerstörungen spätantiker Kirchen bleibt nur der Analogieschluß auf der Basis der Grundrisse, wie z.B. in Oberlienz (vgl. unten). Wenn Querannexe vorhanden sind und der Narthex breiter ist als das Kirchenschiff, dann können die äußeren Fundamente an den Lang­ seiten auf äußere Hallen hinweisen.

Querannexkirchen

wohl bereits die ersten entdeckten Kirchen, nämlich die Friedhofskirche in Teurnia oder jene im Weinberg von Säben zu diesem Typus zu zählen sind. Der Begriff «Querannex» in der Überschrift bedeutet, daß es sich um Räume handelt, die wie Transepte zum Kirchenschiff hin offen sind. Anhand der erhaltenen Funda­ mente ist oft nicht zu entscheiden, ob es sich um Transepte bzw. Querannexe oder um geschlos­ sene Räume (Seitenannexe) handelt.?? Denn auch bei Transepten zieht oft an der zum Altar hin offenen Seite eine Spannmauer durch, wenn es die Bodenverhältnisse erfordern. So ist beispielsweise bei der Bischofskirche in Teurnia (1. Bauperiode) im südlichen Querschiff eine Spannmauer vorhanden, während sie im nörd­ lichen nicht nötig war. In dieser Kirche gibt eine gemauerte Bank einen Hinweis auf die Nut­ zung des nördlichen Transeptes, das zusätzlich einen Westzugang hatte und das gleiche Boden­ niveau wie das Presbyterium besaß. Das Estrich­ niveau des Laienraumes stieg nämlich südlich an der Klerusbank beginnend kontinuierlich hinter der Bank an, bis es schließlich nordseitig die Bodenhöhe von Presbyterium und Transept erreichte.?' Möglicherweise diente die Bank als Sitzplatz für die politischen Führungskräfte in der Provinzhauptstadt während des Gottes­ dienstes. H. R. Sennhauser denkt in der Diskussion daran, daß der Nordannex mit eige­ nem Zugang im Rahmen der normalen Riten den Priestern und Gästen für die Fußwaschung vorbehalten war. Bei den Querschiffkirchen ist das Presbyte­ rium klar in das Entwurfsprinzip eingebunden. Im Grundriß entspricht die West-Ost­ Erstreckung

Bis zur Entdeckung der Bischofskirche in Teurnia wurde im ostalpinen Raum den Quer­ annexen keine Aufmerksamkeit geschenkt, ob-

66 67 68 69 70

71

431

des Altarraurn.es der Breite der

Querannexe. Im Aufriß ist in Analogie zur Bischofskirche (1. Periode) und zur Friedhofs­ kirche in Teurnia mit Bögen über den Säulen

F. Glaser, wie Anm. 7, 69. F. Glaser, Carinthia I 183 (1993) 166. 173 f. F. Glaser, wie Anm. 49, 65 ff. Abb. 20. F. W Deichmann, Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes II, Kommentar 3 (1989) 260 ff. Abb. 90. 90 a. Vgl. G. Stanzl, Längsbau und Zentralbau als Grundthemen frühchristlicher Architektur (1979) 21, Taf. 27; T. Ulbert, Die religiöse Architektur im östlichen Illyricum, in: Actes du Xe congres international d'archeologie chreticnne 1980 (1984) 166 ff. Ansteigendes Bodenniveau hinter der Klerusbank wurde auch in der Kirche von Pfaffenhofen (Tirol) und der westlichen Kirche von Obedienz (Osttirol) beobachtet. G. Kaltenhauser, Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck 44 (1964) 86. F. W Sydow, Fundberichte aus Österreich 26 (1987) 154.

432

Franz Glaser

an der Klerusbank zu rechnen, deren Bogen­ schub die östlichen Querannexmauern auf­ nahmen. Der Querschiffbau der ersten Pe­ riode der Bischofskirche wurde in der zweiten Periode durch einen Trikonchos ersetzt und deutet damit eine gewisse Verwandtschaft mit diesem an. Eine Bank in der Nordkonche blieb nicht erhalten, so daß kein Hinweis auf die Nutzung wie im nördlichen Transept gegeben ist. Für das äußere Erscheinungsbild der Quer­ annexkirchen war auch die Art der Über­ dachung maßgeblich. Es käme ein Schleppdach ebenso wie ein Satteldach für die Querschiffe in Frage. Bislang bietet nur die Friedhofskirche in Teurnia ihrem Gmndriß zufolge einen konkre­ ten Hinweis. Die Lisenengliederung der nörd­ lichen Seitenkapelle setzt sich nicht auf der Nordwand des Querschiffes fort. Die westliche Lisene befindet sich nicht an der Querwand des Transeptes, sondern unmittelbar daneben an der Kapellenwand. Eine solche Anordnung hat nur Bedeutung im aufgehenden Mauerwerk; daraus ergibt sich, daß das Querschiff gesondert (von der Kapelle) überdacht war, nämlich mit einem Satteldach (Abb. 12). Diese Dachrekon­ struktion wird auch maßgeblich sein für die an­ deren Querannexkirchen im Ostalpenraum. Die großen Vorbilder, nämlich die frühen Transeptkirchen Roms werden ebenfalls mit Satteldächern über den Querschiffen rekon­

Kirche auf dem Hoischhügel bei MagIern (Meclaria) kann nun als Querannexkirche in dem Kastell mit 1,5 Hektar erklärt werden.?' Die Rekonstruktion R. Eggers ergibt eine enorme Größe der Kirche (Schiffbreite 13,30 m) im Vergleich zu anderen norischen Kirchen (Breite 8-9 m).75 Wenn man davon ausgeht, daß das Querschiff 13,30 m breit ist und die Apsisweite (7,30 m) dem Schiff ent­ spricht, würde man die ursprüngliche Länge auf ca. 22 m Länge schätzen (Abb. 15). Doch zeigt nun die erste Bauperiode der kürzlich entdeckten Kirche unter St. Ulrich in Lavant (Osttirol)76 ein Verhältnis der Schiffbreite zur Länge wie ca. 1: 2. Auch die lichte Apsisbreite (7,30 m) der Kirche unter St. Ulrich ist mit jener auf dem Hoischhügel vergleichbar, so daß für letztere auch eine ursprüngliche Länge von ca. 16 m denkbar ist. Damit wären nur ca. 6 m der Hangrutschung zum Opfer gefallen und nicht 16 m, wie noch R. Egger vermutete. Da die Kirche westseitig an einem Steilabfallliegt, muß man analog zu Teurnia, Duel, Ajdna usw. mit Eingängen an den Langseiten rechnen. Zwar ist die Kirche der römischen Stadt Virunum im Zollfeld (bei Maria Saal) noch nicht ergraben, doch läßt sich aufgrund der Luftaufnahmen eine 30 m lange Querannex­ kirche am Stadtrand in einer Insula nördlich des

struiert.Z-

Mit den angeführten Beobachungen können nun auch Befunde älterer Ausgrabungen er­ klärt werden. Demnach besitzt die Kirche auf dem Duel bei Feistritz ebenfalls Querannexe.o Wie bei der Bischofskirche (1. Bauperiode) in Teurnia haben dort die Querschiffräume je­ weils einen westseitigen Zugang. Im nörd­ lichen Transept wurde ein solcher durch eine Holzschwelle, im südlichen durch Stufen nach­ gewiesen. Die nur in ihrem Ostteil erhaltene

72 73

74 75 76

Abb. 15. Frühchristliche Kirche auf dem Hoischhügel. Rekonstruierter Grundriß. Zeichnung: F. Glaser.

H. Brandenburg, Roms frühchristliche Basiliken des 4. Jahrhunderts (1979) 26 f. 130 f. F. Glaser, Frühchristliche Denkmäler in Kärnten (1996) 75 ff. Abb. 35. 36. R. Egger,Jahresh. Österr. Arch. Inst. 25 (1929) Beiblatt 189 ff.; U. Steinklauber, Die Kleinfunde aus der spätantiken befestigten Siedlung vom Duel-Feistritz a.d. Drau (Kärnten), (Diss. Graz 1988) Plan 2 (= steingerechte Aufnahme). F. Glaser, wie Anm. 49, 88 f. Abb. 36. R. Egger, wie Anm. 6, 103 f. Abb. 95. M. Pizzinini, M. Tschurtschenthaler, E. Walde, Der Lavanter Kirchbichl. Ein heiliger Berg in Tirol (2000) 42 f.

Kärnten/Osttirol

Forums und Kapitoltempels erkennen."? Die freistehende Klerusbank im 9 m breiten recht­ eckigen Kirchensaal zeichnet sich mit ca. 1,10 m Stärke ab, während die Wände eine Stärke von 60 cm besitzen. Die Maße entsprechen den Vergleichsbeispielen in Noricum. Die Kirchen von Virunum und Aguntum sind im inner­ alpinen Gebiet Noricums die einzigen, welche in einer Stadt im Tal liegen. Daher sind hier mit der Ausgrabung der Kirchen wichtige Be­ obachtungen zur Siedlungsgeschichte und zu Datierungsfragen zu erwarten. Auch wenn die Befunde der einschiffigen Kirche in Celeia fragmentarisch sind, so lassen die erhaltenen Mauerreste auf Querschiffe schließen, die mit Mosaiken ausgestattet waren. Mit ihrem Apsisumgang läßt sie sich mit der dreischiffigen Basilica della Beligna in Aquileia vergleichen.f In beiden Fällen werden im Scheitel des Apsisumganges Reliquienloculi vermutet. Dagegen handelte es sich bei dem Sakralbau unter der ehemaligen Pfarrkirche S. Giovanni in Aquileia um eine einschiffige Transeptkirche mit geradem Chorschluß?", die vermutlich äußere Hallen besaß. Die «basiliche cruciforme» im Adriaraum wurden von S. Piussi behandelt, wobei er sich im besonderen mit dem Symbolgehalt des kreuzförmigen Grundrisses auseinandersetzt. 80 Anders als bei den kreuzförmigen Gottes­ häusern mit vier annähernd gleich langen Schif­ fen, muß bei den Querannexkirchen nicht von vornherein die Kreuzform allein für das Ent­ wurfsprinzip maßgeblich sein. Wie oben ge­ zeigt, ergeben sich statische Notwendigkeiten bei der Gestaltung des Presbyteriums mit Säu­ len und drei Bögen, deren Schub in die Quer­ annexmauern abgeleitet wird (vgl. Abb. 3). Ab­ gesehen vom Zweck zur Unterbringung einer Bank war das Querschiff ein gestalterisches Ele-

77 78 79 80 81 82

83

84

433

ment, das vermutlich durch Fenster auch den Lichteinfall auf den Altarraum verstärkte. An der einschiffigen Transeptkirche S. Croce in Ra­ venna wurden die Querschiffe in einer zweiten Periode erweitert.v um die Kreuzform deutlich zu machen. Daraus ist wohl zu schließen, daß anfangs nicht der kreuzförmige Grundriß im Vordergrund stand, sondern praktische und ge­ stalterische Aspekte, wie sie oben angeführt sind. In Analogie zu Teurnia wird der Standort der beiden Säulen auch für S. Croce an den Häuptern der Klerusbank zu rekonstruieren sein, womit auch drei Bögen zu erschließen wären (vgl. oben). Säulen als Wandvorlagen an den Ecken des Querschiffes allein können die Gestaltung des Presbyteriums nicht lösen.

Architektur als Bedeutungsträger Zwar hat in der Spätantike der Symbolismus die Kirchenarchitektur noch nicht konsequent durchdrungen - wie F. W Deichmann betont so gibt es doch immer wieder Belege für sym­ bolische Ausdeutungen in der Überlieferung, die oft auch auf bereits bestehende Sakralbau­ ten angewandt wurden.s- Die Ostung der Kir­ chen wurde etwa um 400 auch im Westen ge­ bräuchlich, als im alpinen Raum die ersten Kirchen entstanden.P Wahrscheinlich war eine neue Interpretation des Schauens nach Osten, zum Sonnenaufgang, zum Paradies, welches östlich von Eden liegt, maßgeblich. Vorbereitet wurde dies durch die Gedanken der Kirchen­ väter, deren Interpretationen auf Genesis 2,8 beruhten.s+ Während die frühen Kultsäle wie beispiels­ weise in Dura Europos oder in Aquileia noch deutlich den Charakter des Versammlungs­ raumes mit einheitlichem Bodenniveau be-

F. Glaser, wie Anm. 49, 120 f. L. Bertacchi, in: Da Aquileia a Venezia (1980). L.Bertacchi, wie Anm. 78, lll. S. Piussi, Le basiliche cruciformi nell'area Adreatica. Antichitä Altadriatiche 13 (1978) 437-488. F. W Deichmann, wie Anm. 69. F. W Deichmann, wie Anm. 63, 102. F. Glaser, wie Anm. 7, 96 f.; F. Landsberger,in: The Synagogue. Studies in Origins, Archaeology and Architecture (1975) 239. F. Landsberger, wie Anm. 83, 202. - Basilius von Caesarea, Liber de spiritu sancto 27,66 (PG 32, 189 f.). Gregor von Nyssa, De oratione domenica 5 (PG 44, 1184).

434

Franz Glaser

sitzen, zeigen die späteren Kirchen - so auch im Ostalpenraum - ein deutlich erhöhtes Pres­ byterium, das von Schrankenanlagen mit Vor­ hängen umgeben war (vgl. oben). Dadurch wurde gleichsam ein Adyton im Versamm­ lungsraum geschaffen, zu dem nur die Kleriker Zugang hatten. Offensichtlich spielte hier der Tempel in J erusalem eine Rolle, in welchem nur der Hohe Priester den Vorhang zum Adyton durchschreiten durfte.85 Es fällt auf, daß die Bischofskirche in Teurnia und jene unter St. Ulrich in Lavant von der ersten zur zweiten Bauperiode auf eine Länge von ca. 30 m, also auf ca. 100 Römische Fuß verlängert wurden. In Teurnia wurde damit letztlich nur das Pres­ byterium vergrößert, aber nicht der Laienraum. Auch die Friedhofskirche von Teurnia (ohne Seitenkapellen) und die Feierkirchen der west­ lichen wie der östlichen Doppelkirchenanlage auf dem Hemmaberg haben die gleiche Länge. Hundert Fuß ist natürlich ein rundes Maß, das auch der salomonische Tempel ebenso wie die frühen griechischen Hekatompedoi besaßen. Die Auswirkungen der Schilderung des salo­ monischen Tempels im Alten Testament auf das Mittelalter sind bekannt.w Da die Einschiffig­ keit in manchen Fällen nicht auf mangelnde finanzielle Mittel zurückzuführen ist (vgl. oben), wäre es nicht auszuschließen, daß die Schilderung des einschiffigen salomonischen Tempels im Alten Testament auf die Wahl der Raumform eingewirkt hat. Um Reliquien unter dem eucharistischen Altar beisetzen zu können, mußte mit den Vor­ stellungen der antiken Kultur und ihren Geset­ zen gebrochen werden. Die Voraussetzung da­ für lieferten die Kirchenväter, die den Märtyrertod mit dem Opfertod Christi ver­ glichen.87 Da aber auch auf Reliquien- und Märtyrergräbern eine Mensa stand, auf der keine Eucharistie gefeiert wurde,88 konnte allein schon die Schilderung in der Apokalypse

maßgeblich gewesen sein (s. oben). So wie die Seelen der Märtyrer am himmlischen Altar ruh­ ten, so befinden sich die sterblichen Reste des Märtyrers am irdischen Altar.

Entwurfsprinzipien und Maßverhältnisse Es ist mehrfach versucht worden, gewisse geo­ metrische Maßfiguren für die Kirchen des Ostalpenraumes zu ergründen. Auf schon me­ thodisch unzulängliche Verfahren wurden weitreichende Hypothesen aufgebaut, auf die immer wieder unkritisch zurückgegriffen wird. A. Kottmann ist der Auffassung, daß die Kirchen nach geometrischen Verfahren und Zahlenverhältnissen abgesteckt wurden. Man muß natürlich hinzufügen, daß die spätantiken Kirchen demnach nach Kottmanns Verfahren entworfen worden wären. Er behauptet, daß sich aus seiner Methode sogar der Übergang vom römischen zum karolingischen Fuß ab­ lesen ließe.89 Die geometrischen Hilfskon­ struktionen, die Kottmann beispielsweise für rechteckige Saalkirchen vorschlägt, sind kom­ plizierter als deren Grundriß selbst. Dazu kommt noch, daß er in seinen Maßangaben Wurzelwerte und an ein e m (!) Bau ver­ schiedene Fußmaße verwendet. A. und J. Zehrer hingegen glauben, daß an den Kirchen der «Goldene Schnitt» abzulesen wäre.90 Aus ihren Ergebnissen wären dann auch Fragen der Kultkontinuität zu beantworten, oder es kann vermutet werden, daß die Vorarl­ berger Kirchenbauten mit römischen Grund­ rissen in Beziehung stehen. In einem weiteren spannt A. Zehrer den Bogen von der Basilika in Porec über San Salvatore in Brescia bis zum Virgildom in Salzburg und rekonstruiert sogar die spätantike Kirche aufdem Hoischhügel (vgl. oben) als dreischiffigen Sakralbau.?' Die Bau­ raster entwickelt A. Zehrer vor allem auf dem

W Zwickel, Der salomonische Tempel (1999) 55 ff. W Zwickel, wie Anm. 85, 7 ff. 57 ff. 87 B. Kötting, Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude (1965) 15 f. 30. 88 Vgl. z.B. die Reliquiengräber in den Seitenkapellen der Friedhofskirche in Teurnia, in der Memorialkirche der östlichen Doppelkirchenanlage auf dem Hemmaberg oder im Baptisterium von Vranje bei Sevnica. 89 A. Kottmann, Das Münster 27 (1974) 23 ff. 90 A. Zehrer,]. Zehrer,Jb. Vorarlberg 1983 (1984) 43 ff. 91 A. Zehrer, Mitt. Ges. Salzburger Landeskde. 124 (1985) 241 ff. 85 86

Kärnten/Osttirol

Abb. 16. Oben östliche frühchristliche nisse. Zeichungen: F. Glaser.

435

Doppelkirche, unten westliche Doppelkirche auf dem Hemmaberg. Maßverhält­

436

Franz Glaser

Vielfachen des 1/9 Fußes oder 1/3 Fußes und stellt Verbindungen zwischen den genannten Kirchen her. Grundsätzlich ist zu A. Kottmanns geometri­ schen Figuren und A. und J. Zehrers «Golde­ nem Schnitt» zu sagen, daß Wurzelwerte in der Antike nur durch Bruchzahlen ausdrückbar und damit in der Praxis den Bauleuten nicht mitteilbar waren. Dazu kommt, daß die ge­ nannten Autoren vorher die vielfach schiefwin­ keligen Kirchengrundrisse mit rechten Win­ keln idealisierten, um sie so ihrem System anzupassen. Zur Problematik bei Entwurfs­ überlegungen mit WurzelwerteniBruchzahlen zu arbeiten, nahm H. Junecke grundlegend Stellung und zeigte, daß Grundrisse leicht durch die fünf pythagoräischen Rechtecke erklärt werden können, die durch ganze Zahlen aus­ drückbar und den Bauleuten mitteilbar wa­ ren.92 Das Meßverfahren von H. Junecke ist si­ cherlich geeignet, den Entwurfsvorgang von Großbauten mit sorgfältiger Bauausführung und mit einigermaßen guter Erhaltung der un­ tersten Scharen des Aufgehenden festzulegen.

Abb. 17. Frühchristliche Zeichnung: F. Glaser.

92

93

Bischofskirche (1. Bauperiode

Schwierig ist es allerdings, dieses Meßverfahren auf schiefwinkelige Bauten im Ostalpenraum anzuwenden. In diesem Zusammenhang sei auf eine Beob­ achtung zu den Doppelkirchen des Hemma­ berges hingewiesen (Abb. 16).93 Geht man zum Beispiel bei der östlichen Doppelkirche vom Narthex als Grundmaß aus, so kann man eine Breite fünfmal im Kirchenschiff (Kirche A) der Länge nach auftragen, wobei die Kanten der Rechtecke annähernd mit den Abschnitten der Inneneinrichtung zusammenfallen, wie z.B. der Soleawestkante, der Presbyteriumwestkante, Klerusbankhäupter usw. Das Atrium (Kirche B) entspricht zwei Narthexflächen und ergibt etwa ein Quadrat, weil die Grundfläche des Narthex annähernd die Proportion 1: 2 besitzt. Die halbe Narthexfläche ist demnach ein Quadrat und kommt etwa dem Altarplatz gleich. Das gleiche Grundmaß läßt sich auch auf die west­ liche Doppelkirche übertragen. Auch dort ent­ spricht die Narthexbreite der Apsistiefe und läßt sich auch fünfmal in der Länge des Kirchen­ saales auftragen; die Sakristei besitzt eine Fläche

schwarz) in Teurnia/St.

Peter in Holz, Maßverhältnisse.

H. Junecke, Proportionen frühchristlicher Basiliken des Balkan im Vergleich von zwei unterschiedlichen Meßverfahren (1983). Rechtecke mit den Verhältnissen 3: 4: 5, 5 : 12 : 13, 8 : 15: 17, 7 : 24: 25, 12: 35: 37. F. Glaser, wie Anm. 7, 104; ders. Carinthia I 183 (1993) 175 f. Abb. 6.

Kärnten/Osttirol

im Ausmaß des halben Narthex. Abgesehen von diesen Beobachtungen wurde bei den beiden Doppelkirchen der identische Mörtel nachgewiesen. In der Bischofskirche (1. Bauperiode ) läßt sich die Altarplatzbreite bis zum äußeren Scheitel ebenfalls fünfmal auftragen und würde zumin­ dest der Narthexbreite der zweiten Bauperiode entsprechen (Abb. 17). Das Breitenmaß an den Querannexen kommt dem Dreifachen der

437

Altarplatzlänge gleich. Solche einfache Meß­ verfahren wären gut verständlich und geben Raum für kleine Abweichungen und gelegent­ lich für schiefe Winkel. Vor allem weisen Bruchsteinmauern stets Unregelmäßigkeiten auf; dies gilt im besonderen für das Fundament, das sich oft allein erhalten hat. Daher können Berechnungen bis in den Zentimeterbereich wie sie auch H. Junecke durchführt - an der Realität scheitern.



Comments

Copyright © 2024 UPDOCS Inc.