Der Flexor hallucis longus Transfer zur Revision von ausgedehnten Defekten der Achillessehne

May 22, 2017 | Author: Florian Dreyer | Category: Cognition, Wound Healing, Clinical Sciences, Defect, Soft Tissue
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Fuß & Sprunggelenk 9 (2011) 81—85

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ORIGINALARBEIT

Der Flexor hallucis longus Transfer zur Revision von ausgedehnten Defekten der Achillessehne The flexor hallucis longus transfer for the revision of extended defects of the Achilles tendon Markus Walther ∗, Barbara Dorfer, Basem Ishak, Florian Dreyer, Sebastian Altenberger, Christoph Volkering, Anke Röser Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Schön Klinik München Harlaching, Harlachinger Str. 51, 81547 München Eingegangen am 21. Januar 2011; akzeptiert am 2. Februar 2011

SCHLÜSSELWÖRTER

Zusammenfassung

Achillessehne; Ruptur; Revision; Flexor hallucis longus Transfer; Defekt

Langstreckige Defekte der Achillessehne können durch einen Transfer der Sehne des Musculus flexor hallucis longus auf den Kalkaneus überbrückt werden. Durch das Einlegen des Muskelbauchs des Musculus flexor hallucis longus in das Sehnengleitlager wird die Heilung bei kritischen Hautverhältnissen begünstigt. In einer konsekutiven Serie von 25 Patienten (m: 15, w: 10, Durchschnittsalter 61 Jahre (R: 37-79 Jahre) konnte in allen Fällen eine Achillessehnenfuktion rekonstruiert werden. Der AOFAS Hindfoot Scale verbesserte sich von 62 auf 89 Punkte. Insbesondere in der Kategorie ,,Schmerz‘‘ wurden 38 von maximal 40 Punkten erreicht. Im Vergleich zur gesunden Seite fand sich aber eine niedrigere Maximalkraft in der Plantarflexion, was sich mit durchschnittlich 42 von maximal 50 Punkten niederschlägt.

KEY WORDS Achilles tendon; rupture; revision; defect; flexor hallucis longus transfer



Abstract Aim of the flexor hallucis longus transfer (FHL-transfer) is to bridge extended defects of the Achilles tendon. A part of the muscle belly is placed into the paratendon sheath which supports wound healing, especially in patients with critical soft tissues. In a series of 25 consecutive patients (m: 15, f: 10, average age 61 years (R: 37-79) it was possible to reconstruct the Achilles tendon function in all patients. The AOFAS Hindfoot Scale improved from 62 to 89 points. Especially in the category ‘‘pain’’, the patients reached 38 of a maximum of 40 points. Compared to the healthy leg a limitation in maximum strength in plantar flexion was found (42 of a maximum of 50 points).

Korrespondenzanschrift. Prof. Dr. med. Markus Walther, Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Schön Klinik München Harlaching, Harlachinger Str. 51, 81547 München. Tel. Nr. 089/ 6211 2041, Fax Nr. 089/ 6211 2042. E-Mail: [email protected] (M. Walther). doi:10.1016/j.fuspru.2011.02.001

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M. Walther et al.

Einleitung Langstreckige Defekte der Achillessehne stellen den Operateur oft vor große Schwierigkeiten, unabhängig davon, ob der Defekt durch mehrfache Rupturen, schwere degenerative Veränderungen des Sehnenmaterials oder durch eine Infektion nach Achillessehnennaht entstanden ist [9,11]. Neben der Transposition des Musculus peronaeus brevis, die von Hepp und Blauth 1978 vorgestellt wurde [2,6] und die immer eine Schwächung der Pronation und der aktiven lateralen Stabilisierung nach sich zieht [15], ist die Transposition der Sehne des Musculus flexor hallucis longus zur Augmentation der Achillessehne erstmalig von Wapner 1993 [18] beschrieben. Die vorliegende prospektive Fallkontrollstudie beschreibt die klinischen Ergebnisse nach Flexor hallucis longus Transfer.

Material und Methoden In einer prospektiven, konsekutiven Fallkontrollstudie mit 25 Patienten (m: 15, w: 10, Durchschnittsalter 61 Jahre (R: 37-79 Jahre) wurden langstreckige Achillessehnendefekte durch einen Transfer des Flexor hallucis longus rekonstruiert. Bei allen Patienten wurde präoperativ der AOFAS Hindfoot Score (American Orthopedic Foot and Ankle Society Hindfoot Score [7]) erhoben und mit den Resultaten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung verglichen. Der statistische Vergleich der Daten erfolgte mit dem Wilcoxon-Test für nicht normalverteilte Stichproben. Der Flexor hallucis longus Transfer erfolgte über einen mittigen dorsalen Zugang direkt über der Achillessehne. Die vorgeschädigte Achillessehne wurde radikal debridiert, unter Resektion der erkrankten Sehnenanteile und der Vernarbungen [17]. Anschließend wurde über einen Split der tiefen Faszie der Musculus flexor hallucis longus in seinem Verlauf bis zum Eintritt in den Tarsaltunnel dargestellt. Bei maximal flektiertem Sprunggelenk und flektierter Großzehe wurde die Sehne des Flexor hallucis longus knochennah am Eingang zum Tarsaltunnel abgesetzt, um die maximale Länge der Sehne auszunutzen [21]. Der mit geflochtenem, nicht resorbierbarem Nahtmaterial armierte Sehnenstumpf wurde dann durch einen Bohrkanal von 6 mm vom Tuber calcanei an der Instertion der Achillessehne in Richtung Fußsohle gezogen (Abb.). Anschließend wurde die Sehne im Bohrloch durch das Eindrehen einer Interferenzschraube fixiert [3]. Der distale Seh-

Abbildung 1. Langstreckiger Defekt der Achillessehne nach Ruptur, primärer Naht und anschließender Reruptur bei einem Patienten mit Rheumatoider Arthritis.

nenstumpf wurde flächig auf den Flexor hallucis longus aufgenäht, gleiches galt für den proximalen Sehnenspiegel mit dem Ziel, einen homogenen Übergang zu erreichen und die Kraft des Triceps surae möglichst zu erhalten. Die postoperative Behandlung bestand aus acht Wochen Unterschenkelorthese (Vacuped, OPED GmbH, Medizinpark 1, 83626 Valley/Oberlaindern) mit 1. - 4. Woche 30◦ Spitzfußstellung und Teilbelastung 20 kg, 5. - 6. Woche 15◦ Spitzfußstellung und stufenweisem Belastungsaufbau, 7. — 8. Woche 0◦ Stellung unter Vollbelastung. Anschließend wurde für drei Monate ein Silikonfersenkissen zur Absatzerhöhung von 1,5 cm verordnet [17].

Abbildung 2. Defektzone nach radikalem Debridement der nekrotischen Sehnenanteile. In der Tiefe ist der Muskelbauch des Flexor hallucis longus sichtbar.

FHL-Transfer

83 zur gesunden Seite fand sich aber eine Reduktion der Maximalkraft in Plantarflexion, was sich mit durchschnittlich 42 von maximal 50 Punkten niederschlägt. Keine Einschränkungen bestanden bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL). Von den 13 sportlich aktiven Patienten wurden Limitierungen bei der Sportausübung angegeben. Diese betrafen vor allem den kräftigen Abdruck des Fußes beim Laufen oder Springen, sowie eine geringere Flexibilität im Sprunggelenk bei reduzierter maximaler Dorsalextension. An Komplikationen kam es zu einer Wundheilungsstörung, die mit Debridement und Vacuumverband bei Erhalt des Transplantates zur Ausheilung gebracht werden konnte.

Diskussion Abbildung 3. Bohrkanal für die Fixation der Sehne mit Hilfe einer Interferenzschraube.

Ergebnisse Die behandelten Patienten umfassten 14x Rerupturen nach Naht bei ausgedehnten degenerativen Veränderungen der Sehne, 6x tiefe Wundinfekte nach primärer Naht, 4x Weichteildefekte bei Diabetes mellitus und 1x Cortisondauertherapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Bei allen 25 Patienten konnte die Achillessehnenfunktion rekonstruiert werden. Das Nachuntersuchungsintervall betrug im Durchschnitt 23 Monate (Range: 12-51 Monate). Der AOFAS Hindfoot Scale verbesserte sich von 62 auf 89 Punkte (p < 0,05). Insbesondere in der Kategorie ,,Schmerz‘‘ wurden 38 von maximal 40 Punkten erreicht. Im Vergleich

Abbildung 4. Flächig vernähter distaler Sehnenstumpf mit stufenlosem Übergang zum Kalkaneus.

Der Flexor hallucis longus Transfer ermöglicht in häufig desolat erscheinenden Situationen die Wiederherstellung einer Achillessehnenfunktion. Einerseits wird die Kraft des Flexor hallucis longus für die Plantarflexion genutzt, darüber hinaus wird die hypovaskularisierte Achillessehne durch einen gut durchbluteten Muskel ersetzt, was die weitere Abheilung der Weichteile erheblich begünstigt [8,13]. Von verschiedenen Autoren wird beim Flexor hallucis longus Transfer über das Absetzen der Sehne im Bereich des Chiasma flexorum oder in Höhe des Großzehengrundgelenks berichtet [16]. Ziel dieses Vorgehens ist es, ein längeres Transplantat zu erhalten [12]. Aufgrund der multiplen Querverbindungen zwischen der Flexor hallucis longus Sehne und der Flexor digitorum longus Sehne kann sich das Mobilisieren des Transplantates schwierig gestalten. Darüber hinaus sind die Querverbindungen zwischen den beiden Sehnen ein Grund für die geringen funktionellen Ausfälle nach dem Heben des Transplantates am Eingang des Tarsaltunnels. Richardson et al. [14] untersuchten 48 Patienten mit einem Follow up von 28 Monaten. Der AOFAS Forefoot Score [7] betrug durchschnittlich 96,4 (R: 72-100) Punkte. Ein signifikanter Unterschied in der plantaren Druckverteilung zwischen operiertem und nicht operiertem Bein konnte nicht gefunden werden, insbesondere war die Kraftübertragung unter der Großzehe nicht signifikant unterschiedlich. Lediglich die maximale Flexionskraft der Großzehe war vermindert. Verschiedene Autoren haben über die Ergebnisse des Flexor hallucis longus Transfers berichtet. Will et al. [20] berichteten über 19 Patienten mit einem AOFAS Score von 96,4 (SD 5,7). Wegrzyn (2009) untersuchte elf Patienten mit einem Follow up von 79 Monaten [19]. Der AOFAS-Hindfoot Score

84 (American Orthopedic Foot and Ankle Society Hindfoot Score) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung lag bei 98 Punkten, allerdings war das Kollektiv deutlich jünger als in unserer Studie. Ergebnis aller Studien ist eine sehr gute Reduktion der Schmerzsymptomatik im Bereich der Achillessehne [1,14,19,20]. Allerdings erweckt der AOFAS Score den Eindruck einer nahezu normalen Funktion, welche einer klassischen Achillessehnenrekonstruktion in nichts nachsteht. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der AOFAS Score Schmerz und die Belastbarkeit im Alltag bewertet [7], die sportliche Belastbarkeit aber ausblendet. Dies deckt sich auch mit unserer Beobachtung, dass Aktivtäten des täglichen Lebens die Patienten nicht vor Probleme stellt, allerdings funktionelle Defizite in der sportlichen Belastbarkeit verbleiben. Diese betreffen vor allem den kräftigen Abdruck des Fußes beim Laufen oder Springen, sowie eine geringere Flexibilität im Sprunggelenk mit reduzierter Dorsalextension im Sprunggelenk, wie sie auch Hahn et al. (2008) und Martin et al. (2005) berichteten [4,10]. Auch wenn es über die Monate zu einer reaktiven Hypertrophie des transponierten Muskels kommt, berichten Hahn et al. (2008) nach 46,5 Monaten über ein um 35% reduziertes Drehmoment im oberen Sprunggelenk, verglichen zur gesunden Gegenseite [5]. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Transposition des Flexor hallucis longus bei Revisionseingriffen im Bereich der Achillessehne ein bezüglich Alltagsbelastung und Schmerzen exzellentes Therapieverfahren darstellt, welches auch bei kritischen Weichteilen zuverlässig gute Ergebnisse liefert. Die Grenzen des Verfahrens sind die sportliche Belastungsfähigkeit, da die Maximalkraft und Muskelhub des Musculus flexor hallucis longus in den meisten Fällen nicht das Niveau des Musculus gastrocnemius und des Musculus soleus erreicht.

M. Walther et al.

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