Denkweg ohne Abschweifungen.Heideggers Nietzsche-Vorlesungen und das Nietzsche-Buch von 1961 im Vergleich

May 31, 2017 | Author: Katrin Meyer | Category: Friedrich Nietzsche, Martin Heidegger
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Erschienen in: Heidegger und Nietzsche. Heidegger-Jahrbuch 2, hrsg. von Alfred Denker et al., Freiburg/München: Karl Alber 2005, S. 132-156.

Katrin Meyer: Denkweg ohne Abschweifungen. Heideggers Nietzsche-Vorlesungen und das NietzscheBuch von 1961 im Vergleich Martin Heidegger hat sein Philosophieren gern in Metaphern der Bewegung dargestellt. Dies gilt auch für seine Nietzsche-Interpretationen, die er einen „Denkweg“ nennt, den er in den 1930er und 1940er Jahren gegangen sei. Dokumentiert wird dieser Weg in dem 1961 erschienenen, zweibändigen Werk Nietzsche1, in dem Heidegger seine Nietzsche-Vorlesungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Schon den ersten Lesern und Leserinnen ist dabei aufgefallen, dass sich Heidegger auf seinem Denkweg nicht nur mit Nietzsche, sondern auch gegen ihn bewegt und dass er dessen Denken in seinen frühesten Vorlesungen näher stand als in den späten.2 Dieser Lektüreeindruck, so möchte ich zeigen, ist dem Nietzsche-Buch von 1961 in gewissem Sinn abgerungen und steht gegenläufig zu Heideggers Bemühen, seine NietzscheVorlesungen als systematische Einheit zu präsentieren. Im Folgenden ist (1) auf der Basis der zugänglichen Texteditionen genauer zu untersuchen, mit welchen Mitteln Heidegger diese Einheit gestaltet hat. Ich werde zuerst die inhaltlichen Kürzungen präsentieren (2–4) und danach auf kompositorische Eingriffe (5 und 6), terminologische Klärungen (7) und thematische Beschränkungen eingehen (8). Dabei lassen sich in Heideggers Textgestaltung zwei Tendenzen unterscheiden. Erstens minimiert er systematische Lücken, Brüche und Abbrüche der Vorlesungen, und zweitens lässt er deren historischen Kontext in den Hintergrund treten. Damit blendet er die Irrwege, Umwege und Seitenschritte aus, die sein Denken faktisch gekennzeichnet und oft in unterschiedliche Richtungen getrieben haben, und reinigt seinen „Denkweg“ von störendem Gedanken-Gewächs (9). Am Schluss werden um der 1

Martin Heidegger, Nietzsche, 2 Bände, Pfullingen 1961 (nachfolgend zitiert als N I / II). – Im Vorwort schreibt Heidegger, die Veröffentlichung solle, „als Ganzes nachgedacht, zugleich einen Blick auf den Denkweg verschaffen“ (N I, 10), den er seit 1930 bis zum „Brief über den ‚Humanismus’“ von 1947 gegangen sei. 2 Vgl. Otto Pöggeler, Der Denkweg Martin Heideggers, Pfullingen 31990, 108 [11963]; Hannah Arendt ortet einen klaren Bruch zwischen N I und II (Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes. Das Denken. Das Wollen, hrsg. von Mary McCarthy, München 1998, 400). Dagegen betont Wolfgang Müller-Lauter die kontinuierliche Distanzierung Heideggers von Nietzsche (Wolfgang Müller-Lauter, Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III, Berlin/New York 2000, 29). Michel Haar, „Critical remarks on the Heideggerian reading of Nietzsche“, in: Christopher Macann (Hrsg.), Critical Heidegger, London/New York 1996, 121–133, konzentriert sich auf N II, Kapitel VI, und zeigt, dass Heidegger dort die Komplexität der früheren Nietzsche-Interpretation reduziert.

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Übersichtlichkeit willen die inhaltlich relevanten Textunterschiede in einer Konkordanz zusammengefasst (Anhang). 1. Anspruch und Wirklichkeit: Zur Textlage Mit der Edition von 1961 beanspruchte Heidegger, seine Nietzsche-Vorlesungen originalgetreu zugänglich zu machen. Das Buch umfasst die fünf Nietzsche-Vorlesungen der Jahre 1936/37, 1937, 1939, 1940 und 1941/423, ergänzt um ein kurzes Vorwort4 und weitere Texte über Nietzsche aus den Jahren 1940 bis 1946. Zwar vermerkt Heidegger im Vorwort kleinere Eingriffe in die Vorlesungsmanuskripte („Füllwörter [sind] gestrichen, verwickelte Sätze wurden aufgelöst, Unklares ist verdeutlicht, Versehen sind berichtigt“ [N I, 10]), aber diese Änderungen scheinen allein der Übertragung des mündlichen Vortrags in einen schriftlichen Text geschuldet zu sein und Marginalien zu betreffen. Die Edition von 1961 sollte die Vorlesungen unverändert wiedergeben, so erinnert sich Otto Pöggeler an Heideggers Worte.5 Dieser Anspruch, so ist mittlerweile deutlich geworden, lässt sich nicht halten. Er wurde erstmals 1985 erschüttert, als die erste Nietzsche-Vorlesung von 1936/37 auf der Grundlage des Manuskripts und von Vorlesungs-Mitschriften als Band 43 der Gesamtausgabe ediert wurde.6 Der Textvergleich brachte inhaltlich relevante Unterschiede zwischen der Textfassung von 1961 und jener von 1936/37 zu Tage.7 Mittlerweile sind alle fünf Nietzsche-Vorlesungen, die Heidegger in Nietzsche I / II publiziert hatte, in der Gesamtausgabe zugänglich (GA 43, 448, 479,

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Die Vorlesung Nietzsches Metaphysik wurde für das Wintersemester 1941/42 angekündigt, aber nicht gehalten. Das Vorlesungsmanuskript entstand 1940. Vgl. dazu das editorische Nachwort in Martin Heidegger, 1. Nietzsches Metaphysik. 2. Einleitung in die Philosophie, hrsg. von Petra Jaeger (GA 50), Frankfurt am Main 1990, 161 (nachfolgend zitiert als GA 50). 4 Gemessen an der großen Bedeutung, die Nietzsche für Heidegger besessen hat, erscheint das Vorwort in N I / II überraschend kurz. Vgl. dazu Otto Pöggeler, „Nietzsche, Hölderlin und Heidegger“, in: Peter Kemper (Hrsg.), Martin Heidegger – Faszination und Erschrecken, Frankfurt am Main/New York 1990, 183: „Als Heidegger 1961 seine Nietzsche-Vorlesungen und -Arbeiten publizierte, scheiterte er mit dem Versuch, in einem Vorwort die Bedeutung Nietzsches für den eigenen Denkweg nachzuzeichnen.“ 5 Otto Pöggeler, Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger, Bonn 2002, 13: „Als ich ihm bei dieser Edition half und Sätze leicht umformen wollte, die in der Gliederung des fortlaufenden Manuskriptes zu Anfängen eines Absatzes wurden, verhinderte er das mit der Bemerkung, alles müsse genauso gedruckt werden, wie es gesagt worden sei.“ 6 Martin Heidegger, Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst, hrsg. von Bernd Heimbüchel (GA 43), Frankfurt am Main 1985 (nachfolgend zitiert als GA 43). 7 Vgl. dazu als erster Walter Patt, „Heidegger: Vorlesungen über Nietzsche“, in: Philosophisches Jahrbuch 95 (1988), 175–183. Patts These, dass die Ausgabe von 1961 trotz der Unterschiede „den Gehalt der Vorlesungen nicht verändert“ habe (176), möchte ich im Folgenden allerdings relativieren. 8 Martin Heidegger, Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen Denken. Die ewige Wiederkehr des Gleichen, hrsg. von Marion Heinz (GA 44), Frankfurt am Main 1986 (nachfolgend zitiert als GA 44).

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4810, 50), ebenso wie die nicht in die Ausgabe übernommene Nietzsche-Veranstaltung von 1938/39 (GA 46).11 Was also hat Heidegger 1961 an seinen Vorlesungsmanuskripten geändert, was hat er gestrichen und was hat er hinzugefügt? Ergeben diese Eingriffe einen systematischen Sinn? Bringen sie Heideggers „Denkweg“ nachträglich in eine neue ‚Bahn’? Da die Heidegger-Gesamtausgabe nach ihrer offiziellen Bezeichnung keine historisch-kritische, sondern eine „Ausgabe letzter Hand“ ist, und da die Vorlesungstexte durch HerausgeberEingriffe verändert wurden, die im Einzelnen nicht kenntlich gemacht sind,12 sind der Präzision des Textvergleichs Grenzen gesetzt. Trotzdem lassen sich Unterschiede zwischen den Texten erkennen. Viele von ihnen sind, wie es Heidegger im Vorwort von Nietzsche I / II ankündigt, inhaltlich irrelevant und nur den jeweils unterschiedlichen Ansprüchen beim mündlichen Vortrag und der schriftlichen Publikation geschuldet.13 Auf solche Unterschiede werde ich im Folgenden nicht eingehen (auch wenn die Abgrenzung zwischen inhaltlich relevanten und irrelevanten Textunterschieden naturgemäß unscharf ist). Wenig ergiebig für die Frage nach Heideggers aktiver Gestaltung seines Denkwegs sind auch jene Textunterschiede, die möglicherweise inhaltlich bedeutsam sind, die aber durch Unterschiede der Textgenese erklärbar sind.14 Ich werde mich auf jene Texteingriffe Heideggers konzentrieren, die spezifisch inhaltlich motiviert sind, das heißt auf seine gezielten Kürzungen, Ersetzungen und Ergänzungen, die er an den Vorlesungsmanuskripten nachträglich vornimmt.

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Martin Heidegger, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis, hrsg. von Eberhard Hanser (GA 47), Frankfurt am Main 1989 (nachfolgend zitiert als GA 47). 10 Martin Heidegger, Nietzsche: Der europäische Nihilismus, hrsg. von Petra Jaeger (GA 48), Frankfurt am Main 1986 (nachfolgend zitiert als GA 48). 11 Martin Heidegger, Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“, hrsg. von Hans-Joachim Friedrich (GA 46), Frankfurt am Main 2003 (nachfolgend zitiert als GA 46). 12 Vgl. zu den jeweiligen Eingriffen der Herausgeber in GA 43, 44, 47, 48 und 50 deren Nachworte. 13 Dazu gehören die zahlreichen stilistischen Änderungen, die Umstellung von Sätzen und die Präzisierung von Zitaten, bibliographischen Angaben oder Übersetzungen. Eine besondere Kategorie bilden die Wortersetzungen, die möglicherweise auf Lesefehler zurückgehen. Vgl. etwa N I, 73 / GA 43, 70 (Wesensbehauptung statt Wesensverwandlung); N I, 184 / GA 43, 194 (Angabe statt Aufgabe); N I, 184 / GA 43, 194 (Wachsen statt Wachsein); N II, 96 / GA 48, 102 (Mächtigkeit statt Möglichkeit); N II, 185 / GA 48, 246 (Verkehrung statt Versöhnung). 14 Zu solchen textgenetischen Sonderformen rechne ich die „verkürzte Darstellung“, die „Wiederholungen“ und die „Randbemerkungen“, die Heidegger dem Vorlesungsmanuskript nachträglich hinzugefügt hat, sowie die mündlichen Bemerkungen Heideggers, die nur dank der Vorlesungsmitschriften erhalten sind. Inhaltlich können diese „Sondertexte“ sehr wohl bedeutsam sein. Besonders die Randbemerkungen formulieren oft weiterführende Gedanken über das Thema „Nietzsche“ hinaus und sind etwa für das Verhältnis der Vorlesungen zu Heideggers Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) aufschlussreich.

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2. Inhaltliche Kürzungen der Vorlesung von 1936/37 a. Nihilismus und Kunst Die wichtigsten inhaltlichen Kürzungen finden sich in den beiden frühesten NietzscheVorlesungen. Vor allem die seitenlangen Kürzungen der Vorlesung von 1936/37 (GA 43, 190– 193 / N I, 183 und GA 43, 274 / N I, 25415) sind in der Forschung seit langem bekannt und diskutiert.16 Heidegger erläutert an diesen Stellen Nietzsches Verständnis von Nihilismus und Kunst. In GA 43, 190ff. meint Heidegger, Nietzsche denke Nihilismus aus dem „Wissen, daß ein geschichtliches Dasein ohne den Gott und ohne die Götter nicht möglich ist“ (GA 43, 191). Er sei entsprechend, neben Hölderlin, „der einzige gläubige Mensch, der im 19. Jahrhundert lebte“ (GA 43, 192). Aus dieser Grundstellung heraus sei Nietzsches eigener Nihilismus das innerste „Ja zum Kommenden“ (GA 43, 191), das sich von „der allgemeinen Verlogenheit“ (GA 43, 192) seiner Zeitgenossen scharf abgrenze. Heidegger identifiziert den Höhepunkt dieser Verlogenheit mit dem (Ersten) Weltkrieg und überträgt damit Nietzsches Kritik an den „Gründerjahren“ auf seine eigene Zeit. Er erkennt auch das Christentum als nihilistisch und grenzt sich von Stefan Georges Nietzsche-Interpretation ab, indem er die „Not“, von der George spricht, als eine bezeichnet, der sich der Denker erst noch zu stellen habe. Diese „äußerste Not“ scheint durch Europas Hinwendung zur „Demokratie“ gekennzeichnet.17 In ihr herrschen, wie Heidegger Nietzsche zustimmend referiert, der „soziale Mischmasch“ und der „Pöbel“ (GA 43, 193). Heidegger schließt diese Ausführungen über den Nihilismus, die in der Ausgabe von 1961 alle fehlen, mit der Bemerkung ab, Nietzsches Satz „Gott ist todt“ sei die Formel für eine Grunderfahrung der abendländischen Geschichte (GA 43, 193). Diese Bemerkung ist in N I, 183 übernommen. Im Anschluss daran gibt GA 43, 193 eine offenbar spontan vorgetragene Bemerkung Heideggers wieder, die dank der Mitschrift von Wilhelm Hallwachs überliefert ist.18 15

Um der besseren Orientierung willen werden die diskutierten Textstellen jeweils anhand beider Ausgaben ausgewiesen. Die erste Angabe verweist auf den entsprechenden Text (bei Kürzungen gemäß GA, bei Ergänzungen gemäß N I / II); die zweite Angabe verweist auf die Stelle der Textabweichung in N I / II (bei Kürzungen) beziehungsweise GA (bei Ergänzungen). 16 Vgl. dazu ausführlich Wolfgang Müller-Lauter, Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III, 18–22; Otto Pöggeler, „Nietzsche, Hölderlin und Heidegger“, 187; Silvio Vietta, Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik, Tübingen 1989, 53–57; Nicolas Tertulian, „Seinsgeschichte als Legitimation der Politik“, in: Peter Kemper (Hrsg.), Martin Heidegger – Faszination und Schrecken, 59. 17 Dieser sachliche Zusammenhang zwischen der Not des Denkers und der geschichtlichen Situation Europas wird durch den (vom Herausgeber gesetzten) Zwischentitel in GA 43 tendenziell verdeckt. 18 Vgl. editorisches Nachwort in GA 43, 295.

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Er habe, meint Heidegger, mit „vollem Bewußtsein“ Nietzsches Wort vom Tod Gottes in seiner Rektoratsrede19 von 1933 aufgenommen. Diese mündliche Bemerkung fehlt wiederum in Nietzsche. Die Bezugnahme auf die Rektoratsrede legt nahe, dass für Heidegger das, worauf er 1933 seine Hoffnung für die Überwindung des Nihilismus gesetzt hatte, das heißt die Entschlossenheit des Willens und die gesetzgebende Kraft des geschichtlichen, das heißt deutschen Volkes, auch 1936/37 noch eng mit Nietzsche zusammenhängt.20 Otto Pöggeler meint darum, Heidegger habe mit der Streichung verdecken wollen, dass es Nietzsche gewesen sei, der ihn zum Nationalsozialismus geführt habe, da er seine Kritik am Nationalsozialismus in späteren Jahren gerade als Nietzsche-Kritik führen wollte.21 Dagegen wendet Müller-Lauter ein, Heidegger habe in Nietzsche I bloß eine Deutung eliminiert, „die er schon in den Vorlesungen fallen gelassen hat“22. Nach Müller-Lauter hat Heidegger bereits in den Nietzsche-Vorlesungen das Wort „Gott ist tot“ jenseits von eschatologischen oder „mythologischen“ Hoffnungen auf Erlösung gedacht, wie sie in der Rektoratsrede mitschwingen. Gegen beide Thesen ist es geraten an die Textlage zu erinnern. Da es sich bei dem Bezug auf die Rektoratsrede um eine mündlich gemachte Bemerkung handelt, scheint ihr Wegfall in Nietzsche I nahe liegend. Konnte sich Heidegger überhaupt an diese Bemerkung erinnern? Stand ihm für die Edition von 1961 die Mitschrift von Wilhelm Hallwachs zur Verfügung? Als spezifisch inhaltlich motivierter Texteingriff aussagekräftiger scheint mir die Streichung der Nihilismus-Interpretation im Haupttext der Vorlesung (GA 43, 190–193) und der 1961 ergänzte Hinweis (N I, 183) auf den Aufsatz „Nietzsches Wort ‚Gott ist tot’“ von 1943 (1950 in Holzwege veröffentlicht). Streichung und Ergänzung haben beide den Effekt, dass sie Heideggers frühe emphatische Nietzsche-Interpretation durch die spätere, distanzierte Lesart ersetzen. In der Fassung von 1936 liest Heidegger Nietzsche so, dass sich in der Auseinandersetzung mit diesem in der Kunst ein möglicher Anhalt für die Überwindung des Nihilismus abzeichnet.23 Dies macht sowohl der Hinweis auf das Kommen des Gottes aus der „schaffende[n] Bereitschaft“ wie auch

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Vgl. Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität [1933]. Das Rektorat 1933/34 [1945], hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt am Main 1983, 9–19. 20 Nicolas Tertulian („Seinsgeschichte als Legitimation der Politik“) behauptet anhand zahlreicher Stellen aus den Vorlesungen der 1930er Jahre, dass Heidegger diese Hoffnung auch noch 1936 und später geteilt habe. 21 Vgl. Otto Pöggeler, „Nietzsche, Hölderlin und Heidegger“, 187. 22 Wolfgang Müller-Lauter, Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III, 19f. 23 Vgl. dazu auch Katrin Meyer, „Auseinandersetzung mit Nietzsche II: Das Rettende der Kunst“, in: Dieter Thomä (Hrsg.), Heidegger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2003, 210–213.

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der explizite Hinweis auf Hölderlin deutlich.24 Insofern ist gegen Müller-Lauter einzuwenden, dass Heidegger gerade an seiner Nihilismus-Auslegung in Nietzsche I die meisten Änderungen vorgenommen hat. Die Position, die er gemäß Müller-Lauter in den Vorlesungen „fallen gelassen hat“, ‚fällt’ erst 1961 aus dem „Denkweg“ heraus.25 Meine These, dass es Heidegger 1961 darum gegangen sei, seine frühe Nähe zu Nietzsche aus der Sicht der späteren Distanznahme zu minimieren, bestätigt sich auch an einer zweiten gewichtigen Streichung. Sie bezieht sich auf die Schlusspassage der ersten Vorlesung (GA 43, 274), die in N I, 254 fehlt. Heidegger beschreibt darin den „Übermenschen“ als jenen, der das Sein neu gründet „in der Strenge des Wissens und der Härte des Schaffens“ (GA 43, 274), wobei diese Gründung des Seins einige Zeilen früher mit der Kunst in Verbindung gebracht wurde („Die Kunst, der große Stil, ist die eigentliche Gesetzgebung für das Sein“ [GA 43, 273]). Es gehe darum, heißt es weiter, das Wesentliche am Schaffen, das heißt das „Zerstören-Müssen“, anzuerkennen. Eine der ersten Aufgaben sei es, dass sich der Schaffende selber zerstöre und aufhöre, „sein eigener Zeitgenosse zu sein, weil er am wenigsten sich selbst gehört, sondern dem Werden des Seins“ (GA 43, 274). In Nietzsche I ändert Heidegger die Formulierung „Härte des Schaffens“ in den „großen Stil des Schaffens“ (N I, 254), und die Kunst als Gesetzgebung für das Sein wird zur Gesetzgebung „für das Sein des Seienden“ (N I, 254) abgeschwächt. Der Aufruf zur Selbst-Zerstörung fällt ganz weg, ebenso wie jener, sich dem Sein zu überantworten. Schon in einer früheren Vorlesungsstunde hatte Heidegger dazu aufgerufen, sich von der Vorstellung der „Kunst als Kulturerscheinung“, das heißt von der Vorstellung der Kunst als „Möglichkeit des freien Sichentfaltens des Menschen, seines Leistens und Könnens“ zu befreien, wenn es denn darum gehen solle, „in unserem geschichtlichen Dasein noch einmal eine große Kunst zu er-nötigen“ (GA 43, 97). Auch diese Stelle fällt in N I, 99 weg. Mit diesen Kürzungen streicht Heidegger den Zusammenhang zwischen seiner Lektüre Nietzsches und seinen eigenen Gedanken, die ihn ab 1936 in Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) beschäftigen: Die Möglichkeit eines „anderen Anfangs“, der aus der Not der

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Zum Zusammenhang von Nietzsche, Hölderlin, Schelling und der Kunst als Thema von Heideggers „anderem Denken“ vgl. etwa David F. Krell, Intimation of Mortality. Time, Truth and Finitude in Heideggers Thinking of Being, Pennsylvania 1986, 106f. 25 Dies wird nicht nur in GA 43, 191ff. deutlich, sondern schon in GA 43, 107, wo Heidegger Nietzsches Wort aus Der Antichrist, das als Motto der ganzen Vorlesung dient („Zwei Jahrtausende beinahe und nicht ein einziger neuer Gott!“), zitiert und mit dessen Hoffnung auf die Kunst als Gegenbewegung zum Nihilismus verknüpft. Dieses Zitat fällt in N I, 108 weg.

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abendländischen Geschichte befreien soll durch die Überantwortung an die Geschichte des Seins und eine neue Gründung der Kunst.26 b. Platon Der Tendenz der nachträglichen Vereindeutigung der eigenen Auslegung folgen auch Heideggers zahlreiche Änderungen an der Darstellung Platons und von Nietzsches Platon-Lektüre, die einen zweiten gewichtigen Themenkomplex der Änderungen an der ersten Vorlesung ausmachen. Heideggers mit einer gewissen Emphase vorgetragene Verweis auf die Originalität von Nietzsches Platon-Auslegung (GA 43, 196) wird 1961 kürzer reformuliert (N I, 186). Ebenfalls gekürzt und neu formuliert (N I, 213) wird Heideggers Zweifel an der Tragfähigkeit von Platons Seinsauslegung und die sachliche Rechtfertigung von Nietzsches „abwertender“ Gleichsetzung Platons mit dem Christentum (GA 43, 226f.). Der Abschnitt, in dem er implizit Nietzsches Platon-Auslegung stark macht (GA 43, 232), fällt in Nietzsche I, 219 ganz weg. Heidegger ändert nachträglich auch seine Darstellung und Kritik von Nietzsches „Umdrehung des Platonismus“ (GA 43, 259 / N I, 24127; GA 43, 261f. / N I, 242). Er ergänzt 1961 die Bemerkung, dass Nietzsches Sprache nicht jene Platons sei (N I, 232 / GA 43, 250) und greift damit auf ein Argument zurück, das erst in den Nietzsche-Vorlesungen von 1940 expliziert wird.28 Weitere Änderungen in Bezug auf die Darstellung platonischer Lehren und Begriffe erfassen Details mit und ohne Bezug auf Nietzsches Denken (Ergänzung in N I, 97 / GA 43, 96 und Kürzungen an GA 43, 198 / N I, 188; GA 43, 209 / N I, 198; GA 43, 225 / N I, 212; GA 43, 243 / N I, 229). Alle Texteingriffe sind ein Indikator dafür, dass Heidegger der Darstellung Platons, möglicherweise vor dem Hintergrund der späteren, deutlich kritischen Absetzung von Nietzsches Platon-Lektüre, 1961 besondere Aufmerksamkeit schenkt.

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Vgl. auch die positive Bezugnahme auf das „wesentliche, ‚schaffende’ Jasagen“ in: Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann (GA 65), Frankfurt am Main 1989, 246. Interessant ist zudem die gekürzte Stelle GA 43, 232 / N I, 219 über das Schweigen als die Weise, in der jede „große Philosophie“ das „Wesentliche“ sagt, im Verhältnis zum letzten Kapitel der Beiträge (GA 65, 510). Zum Verhältnis der Nietzsche-Vorlesungen und der Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) allgemein vgl. auch Wolfgang MüllerLauter, Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III, 199–230; Harald Seubert, Zwischen erstem und anderem Anfang. Heideggers Auseinandersetzung mit Nietzsche und die Sache seines Denkens, Köln/Weimar/Wien 2000. 27 Mit dieser Kürzung folgt Heidegger seiner Randbemerkung in GA 43, 259: „Als kritische Fragen hier noch beiseite lassen.“ 28 Vgl. etwa N II, 273 / GA 50, 21; vgl. dazu auch 3a.

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3. Inhaltliche Kürzungen der Vorlesung von 1937 a. Nihilismus Die wichtigste Textabweichung in der zweiten Nietzsche-Vorlesung betrifft wiederum den Nihilismus-Begriff. Heidegger streicht mehr als zehn Seiten seines Vorlesungsmanuskripts (GA 44, 183–194) und verweist an der entsprechenden Stelle in Nietzsche I, 436 auf seine Ausführungen in Nietzsche II.29 In GA 44, 183ff. referiert Heidegger Nietzsches Bestimmung des Nihilismus als Ansetzung eines (platonischen, christlichen) Ideals oder Wertes, an dem das Seiende abgeschätzt wird. Durch diese Bezugnahme wird das Seiende verneint, und das Seinsollende verliert seine schaffende Kraft. Diese doppelte Bewegung kennzeichnet den Nihilismus, wobei diese Bewegung die Logik des Verfalls wiedergibt, die dem Seienden im Ganzen zugehört (GA 44, 186). Heidegger grenzt Nietzsches Formel vom Tod Gottes vom „Atheismus“ ab und betont die Redlichkeit und Kraft, die es brauche, „diesem Ereignis ins Angesicht zu sehen“ (GA 44, 187). In Analogie zu GA 43, 191 (in N I gestrichen) verweist Heidegger in GA 44, 188 auf den (Ersten) Weltkrieg als Zeichen des Nihilismus, denn es „wurde von Freund und Feind in gleicher Weise der christliche Gott in Anspruch genommen, alle kämpfen im Namen der Moral und Vernunft, alle kämpfen für Demokratie und Sozialismus und Fortschritt und Kultur. Gibt es ein deutlicheres Zeichen für die Herrschaft dieser Schatten der toten Götter?“ (GA 44, 189). Heidegger kritisiert die Herrschaft der „Verlogenheit“. Dagegen sei „Besinnung“ angesagt (GA 44, 189). Er unterscheidet verschiedene Formen von Nihilismus, die sich notwendig auseinander entfalten und die im „aktiven Nihilismus“ enden als Augenblick der großen Entscheidung (GA 44, 191). Dieser Mut zum extremen Wissen sei in dem Satz „Gott ist tot“ eingeschlossen (GA 44, 192). Er bringe die „Leere und Einsamkeit“ zur Besinnung und stelle die entscheidende Frage, „ob wir diese Lage zu einem Sieg über uns selbst machen wollen und wollen können“ (GA 44, 193). Dies ist „der klassische Nihilimus“, also Nietzsches eigene Position, wie Heidegger in GA 44, 183 vermerkt.

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Abgesehen von dieser Kürzung nimmt Heidegger in der zweiten Vorlesung weitere Änderungen am NihilismusBegriff vor, die aber inhaltlich weniger stark ins Gewicht fallen. In GA 44, 181 kennzeichnet Heidegger Nietzsches Nihilismus-Lehre als „ungestaltet“ und nicht abgeschlossen. Diese Bestimmung ist in N I, 435 gekürzt, sie kommt allerdings wieder in N II, 42 und 275 im Hinweis, dass Nietzsche den Nihilismus nicht „geschlossen“ dargestellt habe. Es fehlt zudem in N I, 436 der Hinweis von GA 44, 182 auf den Zusammenhang von Nihilismus und ewiger Wiederkunft als Weisen, sich auf das Seiende im Ganzen zu beziehen. In GA 44, 183 verweist Heidegger unbestimmt auf Nietzsches „klassischen Nihilismus“, in N I, 436 findet sich an dieser Stelle ein präzises Zitat. Statt vom „klassischen Nihilismus“ spricht Heidegger nun vom „vollkommenen Nihilismus“.

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Diese Ausführungen fehlen in N I, 436. Heidegger verweist stattdessen auf die eingehende Erläuterung des Nihilismus in Nietzsche II und meint damit wohl die Vorlesungen Der europäische Nihilismus und Nietzsches Metaphysik von 1940, die in N II, 31–333 veröffentlicht wurden (vgl. auch GA 48 und 50). Die Darstellung des Nihilismus von 1940 unterscheidet sich allerdings von jener von 1937 in mehreren Hinsichten. 1940 verbindet Heidegger Nietzsches Verständnis des Nihilismus enger mit dem Willen zur Macht, der seinerseits kritischer und einseitiger als Metaphysik gefasst wird. Entsprechend ist in Nietzsches Nihilismus aus der Perspektive von 1940 keinerlei Überwindungspotential angelegt. Der Nihilismus, meint Heidegger 1940, könne sein Wesen nicht denken und bleibe gefangen in dem, was „sein Wesen ausmacht: das Nihil, das Nichts – als den Schleier der Wahrheit des Seins des Seienden“ (N II, 42; die Bemerkung nach dem Gedankenstrich ist eine spätere Zufügung, die in GA 48, 12 fehlt). Ein weiterer Unterschied zeigt sich auch in Heideggers stärkerer Distanznahme zu Nietzsches Rekonstruktion des Nihilismus aus der platonisch-christlichen Setzung oberster Werte. Was er 1937, in der gekürzten Passage, noch neutral referiert („Das Ideal enthält die obersten Werte, nach denen das Leben abgeschätzt wird […]. Die erste maßgebende Ansetzung dieser Denkweise geht auf Plato zurück“ [GA 44, 184]), weist er 1940 explizit zurück („Allein Platons Begriff des Guten enthält nicht den Wertgedanken. Die Ideen Platons sind nicht Werte […]. Indes kann Nietzsche aus seiner metaphysischen Grundstellung her die Platonische Auslegung des Seienden […] als Werte deuten“ [N II, 273; vgl. GA 50, 21, mit geringfügigen Unterschieden]). Die Ersetzung der Nihilismus-Interpretation von 1937 durch jene von 1940 hat also in der Ausgabe von 1961 den Effekt, Heideggers (frühe) Nihilismus-Interpretation nachträglich zu vereindeutigen und im Kontext der ganzen Vorlesungsreihe zu vereinheitlichen.30 b. Rückbezüge zu Sein und Zeit In der Vorlesung von 1937 finden sich, abgesehen von einer Randbemerkung31, zwei positive Verweise auf Sein und Zeit, die in der Ausgabe von 1961 gestrichen werden. Aus Sein und Zeit, meint Heidegger 1937, lasse sich „einiges zum Nachdenken“ finden über die Weise, zu einer „ursprünglicheren Grundhaltung des Philosophierens“ zu gelangen, indem man „die Frage nach dem Wesen der Wahrheit und des Daseins des Menschen von Grund aus neu stellt und

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Weitere Unterschiede zwischen Heideggers Nihilismus-Interpretation von 1937 und 1940 betreffen die historische Stufenfolge des Nihilismus und dessen Gleichsetzung mit aktuellen Denkströmungen (vgl. etwa GA 44, 190ff. mit N II, 94 / GA 48, 100 beziehungsweise N II, 280f. / GA 50, 28f.).

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beantwortet“ (GA 44, 127). Diese Bemerkung fehlt in Nietzsche (N I, 380). An einer anderen Stelle meint Heidegger, dass der „erste Schritt […], die Leitfrage ursprünglicher zu fragen und damit zu überwinden, […] in ‚Sein und Zeit’ getan“ sei (GA 44, 224). Diese Bemerkung fällt in N I, 463 im Kontext stärkerer Kürzungen und Umstellungen ebenfalls weg. Heideggers Nähe zum Denken von Sein und Zeit, wie es sich noch 1937 dokumentiert, wird dadurch weniger deutlich.32 Damit geht eine werkbiographisch relevante Information verloren, die insbesondere für die Frage nach Heideggers Kehre und dem Zeitpunkt seiner allfälligen Abwendung von Sein und Zeit seit den frühen 1930er Jahren relevant ist.33 4. Vorlesungsübergreifende inhaltliche Kürzungen a. Zeitgenössische Philosophie Ein vorlesungsübergreifender roter Faden von Heideggers Kürzungen betrifft seine kritischen Stellungnahmen zur zeitgenössischen Philosophie. Viele Kürzungen aus der Vorlesung von 1936/37 beziehen sich auf Heideggers direkte oder indirekte Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Nietzsche-“Forschung“, die ein wichtiges Thema der ersten Vorlesung bildet. Zwei polemische Bemerkungen über die NietzscheAuslegungen von Alfred Baeumler (GA 43, 25 / N I, 30) und Karl Jaspers (GA 43, 26f. / N I, 31) fallen weg. Auch allgemein gehaltene Einwände gegen die Nietzschekritik (GA 43, 6 / N I, 13; GA 43, 13 / N I, 19), gegen das „unentwegte Geschreibe“ (GA 43, 20 / N I, 26), den „Phrasenschwall“ (GA 43, 121 / N I, 123) und die „physiologische“ Missdeutung Nietzsches (GA 43, 153 / N I, 153) werden gestrichen. Gekürzt oder gemäßigt werden auch polemische Seitenhiebe gegen die zeitgenössische Ontologie (GA 43, 21 / N I, 27)34, „klassifizierende“ Philosophie (GA 43, 68 / N I, 70), „Kulturphilosophie“ (GA 43, 186f. / N I, 179) und Wissenschaft (GA 43, 180 / N I, 173).

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Vgl. die Klammerbemerkung (GA 44, 231f.), in der Heidegger Sein und Zeit als „Sprung in ein ursprünglicheres Fragen“ bezeichnet. Diese Bemerkung fällt in N I, 470 weg. 32 Abgesehen von diesen gekürzten Stellen gibt es in Nietzsche I / II drei Verweise auf Sein und Zeit. In der Vorlesung von 1936/37 meint Heidegger, dass Sein und Zeit „bis an die Schwelle der Frage führt, noch nicht in sie selbst“ (N I, 29 / GA 43, 23). 1939 heißt es in einer Klammerbemerkung, das Seinsverständnis sei „nicht das Letzte, sondern nur das Erste, von dem die Ergründung des Grundes ihren Ausgang nimmt für das Denken des Seins als des Ab-Grundes“ (N I, 578 / GA 47, 172f.). Ausführlicher und kritischer äußert sich Heidegger zu Sein und Zeit in der Vorlesung von 1940 (vgl. GA 48, 260f. / N II, 194f.). 33 Vgl. zu Heideggers „Selbstkritik“ an Sein und Zeit auch Dieter Thomä, „Sein und Zeit im Rückblick. Heideggers Selbstkritik“, in: Thomas Rentsch (Hrsg.), Martin Heidegger. Sein und Zeit, Berlin 2001, 281–298.

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Auch aus der Vorlesung von 1937, in der Heidegger unter anderem auf die Bestimmung der Philosophie in Abgrenzung von Positivismus und christlicher Weltanschauung abzielt, werden 1961 Passagen gestrichen, in denen Heidegger Nietzsche vor der Nietzsche-Forschung schützt, seien es Nachahmer (GA 44, 9f. / N I, 262), Kritiker (GA 44, 27f. / N I, 279), Herausgeber (GA 44, 160 / N I, 414) oder Interpreten (GA 44, 156 / N I, 410; GA 44, 167f. / N I, 422), wobei ein roter Faden seiner Kritik die Vernachlässigung der Lehre der ewigen Wiederkunft und die alleinige Ausrichtung am Willen zur Macht darstellt, wie sie exemplarisch von Baeumler, der aber nie genannt wird,35 sowie von Ernst Bertram36 vertreten werden. Aus der Vorlesung von 1939 werden wiederum Passagen gestrichen, in denen Heidegger Nietzsche vor falscher Auslegung in Schutz nimmt. Die Ablehnung der Interpretation Nietzsches als „Lebensphilosophie“ fällt in GA 47, 177 schärfer aus als in N I, 581. Heideggers Ablehnung der christlichen Nietzsche-Kritik (GA 47, 67 / N I, 527) und -Apologetik (GA 47, 177 / N I, 581) fallen 1961 ganz weg. Gestrichen wird ein Rundumschlag, in dem Heidegger politische „Weltanschauung“, den christlichen Glauben, das „Dahinleben in der Wurschtigkeit“ und eine allgemeine „Betriebsamkeit“ in eine Linie bringt als Haltungen, die dem Verstehen Nietzsches notwendig fern bleiben müssen (GA 47, 9 / N I, 481). Ebenso wird die Stelle gestrichen, in der Heidegger Nietzsche gegen den „gesunden Menschenverstand“ verteidigt, der das Denken des Äußersten als „krankhaft“ abtut, wobei dieser „gesunde Menschenverstand“ mit der Öffentlichkeit gleichgesetzt wird (GA 47, 239 / N I, 626; vgl. dazu auch unten 4b). Gestrichen wird auch eine abwertende Bemerkung zur Kant-Forschung (GA 47, 180 / N I, 585). In der Vorlesung von 1940 erweitert Heidegger seine Polemik gegen die zeitgenössische Philosophie um die Kritik an deren „historischer“ Methode. In der Ausgabe von 1961 streicht er mehrere kritische Seitenhiebe gegen die oberflächliche „Philosophiehistorie“ (GA 48, 180 / N II, 141; GA 48, 189 / N II, 150; GA 48, 297 / N II, 221; GA 48, 304 / N II, 228) und gegen die Historiker als die „verärgerten oder übereifrigen Handlanger ihrer Gegenwart“ (GA 48, 184 / N II, 144 ). Gestrichen wird auch eine Polemik gegen die „Plattheiten“ des englischen Empirismus und amerikanischen Pragmatismus (GA 48, 243 / N II, 183) und gegen die Auslegung Descartes’ „im Sinne ‚praktischer Folgerungen’ für die Zivilisation“ (GA 48, 248 / N II, 188) wie auch eine Spitze gegen den vielschreibenden „Gelehrten“, „der aus vielen 34

Vgl. auch die beiden in N I gekürzten Klammerbemerkungen gegen „Ontologien“ (GA 43, 21 / N I, 27 und GA 43, 272 / N I, 253). 35 Die explizite Nennung und Kritik Baeumlers formuliert Heidegger bloß in einer Klammerbemerkung, die 1961 wegfällt (vgl. GA 44, 229 / N I, 467).

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gelesenen Büchern ein nächstes zusammenschreibt und die Forschung fördert“ (GA 48, 315 / N II, 239). Die Stelle am Schluss der Vorlesung, in der Heidegger die zeitgenössische Philosophie in ihrem „Taumeln zwischen ‚Ideen’ und ‚Werten’ und ‚Existenz’“ beschuldigt, keine geschichtliche Kraft zu sein, fällt ebenfalls weg (GA 48, 333 / N I, 256). Die Tatsache dieser Kürzungen bedeutet nicht, dass Heidegger die Kritik der Sache nach nicht mehr teilte. Dagegen spricht etwa, dass er eine polemische Klammerbemerkung gegen zeitgenössische Ontologien aus dem Vorlesungsmanuskript von 1936/37 in den Haupttext von Nietzsche I übernimmt (GA 43, 21 / N I, 26f.). Entscheidend für die Kürzungen dürfte das Motiv der Versachlichung und Präzisierung der Kritik sein. Alle überzogene oder zu wenig abgestützte Polemik fällt weg. Das hängt mit den unterschiedlichen Begründungsstandards zwischen mündlicher und schriftlicher Rede zusammen. Dieser Unterschied erklärt das, was Silvio Vietta die „affektivere Sprache“ der Vorlesungsmanuskripte nennt.37 Faktisch haben diese Kürzungen aber – ob bewusst intendiert oder nicht – den Effekt, dass sie Heideggers Positionierung gegenüber der zeitgenössischen Philosophie in der Ausgabe von 1961 stärker verwischen. b. Kulturkritik Heidegger kürzt in den Nietzsche-Vorlesungen nicht nur Polemiken gegen die zeitgenössische Philosophie, sondern auch gegen andere kulturell-gesellschaftlichen Zeitphänomene. Die wichtigste Streichung aus der Vorlesung von 1936/37 wurde oben bereits diskutiert. Es handelt sich um die Demokratie- und Christentums-Kritik (GA 43, 191ff.), die Heidegger im Rückgriff auf Nietzsches Nihilismus-Begriff formuliert. Diese Kürzung wird durch analoge Streichungen ergänzt. Heidegger kürzt seine These, mit Nietzsche seien „das Christentum“, „der Bolschewismus“ und „der bloße Sozialismus“ als nihilistisch zu denken (GA 43, 31 / N I, 36).38 Es fällt auch die Bemerkung am Schluss der Vorlesung weg, wonach die „gefährlichsten nihilistischen Mächte“ jene seien, die sich „hinter dem bürgerlichen Kulturbetrieb und den künstlichen religiösen Erneuerungsbewegungen versteckt halten“ (GA 43, 274 / N I, 254). Heidegger streicht 1961 zudem ein langes Nietzsche-Zitat, in dem Wagner dem „Deutschen“ entgegengesetzt und „Rom“, das heißt „Roms Glaube“ zugeordnet wird (GA 43, 104f. / N I, 106)

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Vgl. dazu N I, 256 / GA 44, 2. Silvio Vietta, Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik, 54, Anm. 94. 38 Übrig bleibt dagegen die (selbstkritische?) Bemerkung aus der Vorlesung von 1937, dem Wort „Nihilismus“ „stillschweigend die Färbung von ‚Bolschewismus’ zu geben, ist nicht nur eine oberflächliche Denkweise, es ist gewissenlose Demagogie“ (N I, 436 / GA 44, 183). 37

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und das im Kontext eines sehr wohlwollenden Nietzsche-Referats steht.39 Heidegger kürzt 1961 auch jene Stelle, in der er die Verantwortung des Denkers als ungleich größer beurteilt als jene des Soldaten oder Ingenieurs (GA 43, 260f. / N I, 242). Auch aus der Vorlesung von 1937 fallen, wie oben bereits besprochen, im Zusammenhang mit der gekürzten Nihilismus-Interpretation (GA 44, 183–194) kritische Passagen gegen die „christliche“ Politik und Weltanschauung weg. Gestrichen wird zudem eine implizite Kritik Heideggers an der publizistischen Öffentlichkeit, indem er den Namen Hölderlin „für die nächsten hundert Jahre“ davor bewahren will, öffentlich genannt zu werden (GA 44, 30 / N I, 281). Aus der Vorlesung von 1939 streicht Heidegger eine katastrophische Warnung gegen die „Selbstbeschäftigung des Menschen mit seiner Person“ (GA 47, 2 / N I, 474) sowie eine Spitze gegen christliche „Entscheidungen“ (GA 47, 4 / N I, 476) und christliche Halbheiten jener, die „in allen ‚Segnungen’ und Eitelkeiten der neuzeitlichen Kultur hin- und herplätschern und nur im Bedarfsfalle sich als Christ gebärden“ (GA 47, 135 / N I, 553). Gestrichen wird auch eine längere Passage, in der Heidegger unter anderem die „gedankenlose Öffentlichkeit“ kritisiert, die „Schicksal“ zu einer „Zeitungsphrase“ mache (GA 47, 239 / N I, 626). Aus der Vorlesung von 1940 kürzt Heidegger jene Stelle, in der er die „Schnellpresse“ und das Buchgeschäft dafür verantwortlich macht, dass Nietzsche das „Wesentliche der Metaphysik“, das nur als Nachlass erhalten sei, nicht habe an die Öffentlichkeit bringen können (GA 48, 21). Diese Einschätzung wird 1961 gestrichen und ersetzt durch die These: „Wir Heutigen wissen jedoch den Grund nicht, warum das Innerste der Metaphysik Nietzsches von ihm selbst nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden konnte“ (N II, 44). Der Schluss der Vorlesung (GA 48, 332–334) fällt ganz weg und wird in N II, 256 ersetzt durch eine Passage aus dem „Anhang“ zur Vorlesung (GA 48, 336). In der gestrichenen Stelle diskutiert Heidegger das Wesen der Metaphysik am Beispiel der „‚Motorisierung’ der Wehrmacht“. Was der bürgerlichen Bildung bloß als ein Ausdruck von „Technizismus“ und „Materialismus“ gelte, sei in Wahrheit „ein metaphysischer Akt, der an Tiefgang sicherlich etwa die Abschaffung der ‚Philosophie’ übertrifft“ (GA 48, 333 / N II, 256). Aus der (nicht gehaltenen) Vorlesung von 1941/42 streicht Heidegger eine Polemik gegen das englische Empire als treibende Kraft der Metaphysik (GA 50, 81f. / N II, 333). 39

Möglicherweise aus formalen Gründen wird ein anderes, seitenlanges Zitat Nietzsches gestrichen, in dem dieser in Frage stellt, ob Musik jemals „großer Stil“ sein könne und ob moderne Musik nicht immer schon „décadence“ sei

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Alle diese gekürzten Stellen formieren sich zu einem Tableau einer konservativen, antiliberalen und ansatzweise deutschnationalen Kritik an Demokratie und Sozialismus, christlicher Politik, medial vermittelter Öffentlichkeit, „römischem“ Christentum, Weltanschauungslehre, Technik, bürgerlicher Kultur und Individualismus. Mit der Tilgung dieser Stellen wird die ‚kulturkritische’ Position Heideggers zwischen 1936 und 1940 weniger deutlich erkennbar. 40 Abgesehen von diesen inhaltlich gewichtigen Änderungen der Vorlesungsmanuskripte lassen sich mehrere kleinere, aber systematisch ebenfalls bedeutsame Texteingriffe identifizieren. Sie betreffen Titeländerungen, vorlesungsübergreifende Textverweise, terminologische Klärungen und thematische Beschränkungen, die den Vorlesungen stärker den Charakter einer Einheit geben. 5. Alte Titel, neue Kapitel Heidegger hat die meisten seiner ursprünglichen Vorlesungstitel in Nietzsche I / II nicht wörtlich als Kapitelüberschriften übernommen, sondern rhetorisch verknappt. Besonders interessant sind die Titeländerungen bei den ersten beiden Vorlesungen. Diese neuen Titel reflektieren eine veränderte Vorlesungskomposition, die den Nucleus des Vorlesungszyklus, die erste Vorlesung über Nietzsches Der Wille zur Macht und seine metaphysische Grundstellung, unerkennbar macht und in eine dreiteilige Vorlesungsfolge auflöst. Seine erste Vorlesung über Nietzsche kündigt Heidegger 1936/37 in Freiburg an unter dem Titel „Nietzsche: Der Wille zur Macht“.41 Heidegger nennt als Ziel der Vorlesung, Nietzsches Frage nach dem Seienden in ihrer „Grundstellung“ im Zusammenhang mit der abendländischen Geschichte des Denkens deutlich zu machen (GA 43, 5 / N I, 13). Nietzsches metaphysische Grundstellung lässt sich nach Heidegger auf folgende zwei Sätze festlegen: „der Grundcharakter des Seienden ist Wille zur Macht, das Wesen des Seins ist ewige Wiederkehr“ (GA 43, 34 / N I, 33).42

(GA 43, 151f. / N I, 152). 40 Diese Zuordnung zur konservativen Kulturkritik gilt m. E. ungeachtet dessen, dass Heidegger selber sich dagegen gewehrt hat, als Kulturkritiker zu gelten. Vgl. dazu auch Nicolas Tertulian, „Seinsgeschichte als Legitimation der Politik“, 54. 41 Vgl. editorisches Nachwort in GA 43, 293. 42 Der Satz findet sich in einer „Wiederholung“, die in N I nicht aufgenommen wurde. Heidegger hat allerdings diesen Satz aus GA 43, 33 zusammen mit einer anderen Passage (GA 43, 34) aus der „Wiederholung“ in den Haupttext von N I, 33 übernommen.

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Die Klärung von Nietzsches „Grundstellung“ innerhalb der abendländischen Philosophie scheint Heidegger offensichtlich bald über den Rahmen einer einzelnen Vorlesung hinauszuweisen. Seine für das Sommersemester 1937 angekündigte Vorlesung über „Die Wahrheit und Notwendigkeit der Wissenschaft“ wird gestrichen. An ihrer Stelle liest Heidegger über „Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen Denken“.43 Diese zweite Vorlesung ist zwar aus „äußeren Gründen“ (GA 43, 284) als selbständige Veranstaltung konzipiert, steht aber inhaltlich in engster Verbindung zur Nietzsche-Vorlesung von 1936/37.44 Heidegger ergänzt ihren Titel später durch den Zusatz „Die ewige Wiederkehr des Gleichen“.45 Da Heidegger 1939 eine Vorlesung über „Der Wille zur Macht als Erkenntnis“ anbietet, erscheint der Titel der ersten Vorlesung nachträglich als zu unbestimmt. Heidegger ändert ihn 1961 aus der Kenntnis der ganzen Vorlesungsreihe heraus in „Der Wille zur Macht als Kunst“.46 Dieser neue Titel stiftet rhetorisch einen Bezug zwischen der ersten und dritten Nietzsche-Vorlesung und suggeriert inhaltliche Verbindungen. Heidegger macht diese Perspektive in der Ausgabe von 1961 explizit. Er habe versucht, schreibt er in einer Fußnote, „im Rückblick“ alle drei bisherigen Nietzsche-Vorlesungen „zusammenzudenken“ (N I, 658).47 Dieses „Zusammendenken“ erfolgt in einem Text mit dem Titel „Die ewige Wiederkehr des Gleichen und der Wille zur Macht“ (N II, 7). Er entspricht den wegen des vorzeitigen Semesterschlusses nicht mehr vorgetragenen zwei letzten Vorlesungsstunden vom Sommersemester 1939.48 In Nietzsche II wird dieser nicht vorgetragene Vorlesungsschluss als Kapitel IV präsentiert und somit paratextlich zu einer eigenständigen Vorlesung aufgewertet.49 Der Versuch, die drei Nietzsche-Vorlesungen zu einer Einheit zu verbinden, verdankt sich also der Perspektive von 1939 beziehungsweise von 1961. Diese deckt sich nicht mit dem Anspruch, den Heidegger um 1938 mit seinen ersten beiden Nietzsche-Vorlesungen verknüpft hatte.50 43

Vgl. editorisches Nachwort in GA 44, 247. Vgl. dazu die entsprechende Notiz Heideggers, zitiert im editorischen Nachwort in GA 44, 247. 45 Der Zusatz findet sich auf einer Vorlesungs-Abschrift von Fritz Heidegger; der genaue Zeitpunkt der Titelergänzung ist wohl nicht mehr zu eruieren. Vgl. dazu den editorischen Nachbericht in GA 44, 247. 46 Es scheint darum wie eine Ironie, dass die Vorlesung in GA 43 nicht den ursprünglichen Vorlesungstitel trägt, sondern in Anlehnung an die Ausgabe von 1961 „Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst“ heißt. 47 Vgl. Heideggers Angaben in N I, 658 und das editorische Nachwort in GA 47, 327. 48 Der Text ist abgedruckt in GA 47, 275–295. 49 Auch dieser Text von 1939 wurde von Heidegger in N II, 7–29 stilistisch und terminologisch überarbeitet und an vielen Stellen ergänzt. Die in GA 47, 277 genannte „Not einer alles Gewesene übernehmenden und das Künftige vorbereitenden Entscheidung (der Übergang)“ wird in N II, 9 neu formuliert und ergänzt zur „Not des alles Gewesene übernehmenden und das Künftige vorbereitenden Überganges auf den Weg in die Wächterschaft der Wahrheit des Seins“. Die „Not der Entscheidung“ weicht 1961 der „Wächterschaft des Seins“. 50 Um 1938 spricht Heidegger davon, dass seine „Fragen nach der Wahrheit des Seyns im Unterschied zur Frage nach dem Wesen des Seienden“ nur in der Auseinandersetzung mit der bisherigen Geschichte des Denkens möglich 44

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Damit tritt in der Ausgabe von 1961 der Anspruch der „historischen“ Dokumentation des Denkwegs zurück hinter dem „systematischen“ Anspruch, Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Kunst und Erkenntnis und die ewige Wiederkehr des Gleichen als Einheit zusammenzudenken. 6. Vermeidung von Lücken Die systematische Einheit der ganzen Vorlesungsreihe betont Heidegger in Nietzsche I / II auch dadurch, dass er Lücken und zeitlich bedingte Abbrüche von Vorlesungen durch Verweise auf spätere Kapitel kompensiert. So konnte Heidegger sein Programm der Vorlesung von 1937, die aus vier Teilen bestehen sollte (GA 44, 4f. / N I, 259), aus Zeitgründen nicht erfüllen.51 Auf den zweiten und dritten Teil der Vorlesung kommt Heidegger erst ganz am Schluss und nur verkürzt, in einer „[z]usammenfassende[n] Kennzeichnung“, zu sprechen. Dieser Text (GA 44, 205–233) ist in N I, 448–472 mit Umstellungen und Kürzungen abgedruckt. Der vierte Teil fällt ganz weg. In der Ausgabe von 1961 (N I, 259) ergänzt Heidegger den (nicht eingehaltenen) Vorlesungsplan durch Hinweise auf spätere Kapitel des Bandes, in denen das Thema behandelt wird. Was 1937 einem Abbruch entspricht (aus welchen kontingenten oder systematischen Gründen auch immer), wird 1961 zur Chance, kompositorisch eine vorlesungsübergreifende Kontinuität herzustellen. Dem entspricht, unter umgekehrtem Vorzeichen, dass Heidegger einen in der Vorlesung von 1937 erfolgten Vorverweis auf eine Auslegung Heraklits, den er nicht einlöst, in der Ausgabe von 1961 streicht (GA 47, 246f. / N I, 633). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass diese Eingriffe nicht dazu dienen, den Vorlesungsstil als solchen zu überwinden. Interessanterweise ergänzt Heidegger in Nietzsche I einen Hinweis auf Reaktionen von Vorlesungshörern („Bei der Erörterung […] ist einigen Hörern aufgefallen, daß […]“ [N I, 467f.]), der im ursprünglichen Vorlesungsmanuskript (GA 44, 229 beziehungsweise GA 44, 167) und in den Mitschriften fehlt. Der Hinweis dient möglicherweise als rhetorisches Mittel, um eine inhaltliche Lücke der Vorlesung – die fehlende Erörterung des Dionysos-Begriffs – nachträglich zu korrigieren.

seien und dass diese Auseinandersetzung in den Nietzsche-Vorlesungen „ihren Abschluß“ erreiche (vgl. Martin Heidegger, „Beilage zu Wunsch und Wille“, in: Martin Heidegger, Besinnung, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann [GA 66], Frankfurt am Main 1997, 420). 51 Vgl. editorisches Nachwort in GA 44, 249.

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7. Terminologische Anpassungen: Leit- und Grundfrage; Wesung und Seyn Walter Patt hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Heideggers Unterscheidung zwischen der „Leitfrage“ und der „Grundfrage“ der Philosophie, die in der Einführung in die Metaphysik von 1935 noch nicht vollzogen war und erst in einem nachträglichen Zusatz formuliert wurde, in der Zeit der Nietzsche-Vorlesungen von 1936 und 1937 terminologisch entschieden wurde.52 Die Unterscheidung von „Grundfrage“ (nach dem Seienden) und „Vor-frage“ (nach dem Sein) aus der Einführung in die Metaphysik werde in den ersten beiden Nietzsche-Vorlesungen in die Unterscheidung „Leitfrage“ (nach dem Seienden) und „Grundfrage“ (nach dem Sein) übersetzt.53 Seine Beobachtung ist richtig, allerdings verpasst sie eine der Pointen. Denn tatsächlich zeigt der Textvergleich von Band 43 der Gesamtausgabe mit Nietzsche I, dass Heidegger die terminologische Unterscheidung von Leit- und Grundfrage auch zu Beginn der ersten NietzscheVorlesung von 1936/37 noch nicht vollzogen hat. Diese Klärung geschieht erst im Verlauf der Vorlesung. Heidegger hat diesen Klärungsprozess in der Ausgabe von 1961 jedoch unsichtbar gemacht. Im Nietzsche-Buch von 1961 ist die Begrifflichkeit von Leit- und Grundfrage bereits auf den ersten Seiten festgelegt. In N I, 12f. bestimmt Heidegger Nietzsches „Bahn des Fragens“ als traditionelle „Leitfrage“ der abendländischen Philosophie, die laute: „Was ist das Seiende?“, und setzt sie explizit von der „Grundfrage“ ab. Diese sei als die „Frage nach dem Wesen des Seins“ in der Geschichte der Philosophie noch nicht entfaltet: „auch Nietzsche bleibt in der Leitfrage“ (N I, 13). Diese klare terminologische Unterscheidung wird im Kapitel „Die Grund- und Leitfrage der Philosophie“ in N I, 79ff. aufgegriffen und weiter vertieft. Ein Blick in das Vorlesungsmanuskript macht deutlich, dass Heidegger diese begriffliche Unterscheidung erst im Verlauf der ersten Nietzsche-Vorlesung entwickelt hat. Wohl heißt es gleich zu Beginn der Vorlesung, Nietzsches Denken folge der langen Bahn der philosophischen „Leitfrage“ nach dem Seienden (GA 43, 4 / N I, 12), aber einige Zeilen vorher und nachher vermerkt Heidegger wiederholt, dass Nietzsche mit seiner „Grundfrage“ in der Bahn der abendländischen Philosophie stehe (GA 43, 4; in N I, 12 ersetzt durch „die Frage der Philosophie“, die „Bahn des Fragens“ bzw. ganz weggelassen). Der Unterschied zwischen Leit-

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Walter Patt, „Heidegger: Vorlesungen über Nietzsche“, 179f. Walter Patt, „Heidegger: Vorlesungen über Nietzsche“, 180.

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und Grundfrage scheint an dieser Stelle noch nicht klar getroffen zu sein.54 Den Unterschied zwischen Leit- und Grundfrage macht in GA 43, 4 erst eine Fußnote deutlich, die einer (vermutlich später angefügten) Randbemerkung Heideggers entspricht.. Darin vermerkt Heidegger in Bezug auf die „Grundfrage“ der abendländischen Philosophie, dass die „‚Grundfrage’ als eigentlich gründende“ in der Geschichte noch nicht entfaltet sei und auch Nietzsche in der Leitfrage bleibe (GA 43, 4). Damit ist die terminologische Unterscheidung von Grund- und Leitfrage explizit getroffen. Diese Fußnote wird in N I, 13 in den Haupttext genommen und ersetzt den uneindeutigen Gebrauch der Termini in GA 43, 4. Dass Heidegger zu Beginn der ersten Nietzsche-Vorlesung über die Unterscheidung von Grundund Leitfrage nachdenkt, belegt auch die Fußnote in GA 43, 9 (in N I gestrichen). Heidegger kommentiert dort seine Bestimmung der Frage nach dem Seienden als Suche nach dem Sein des Seienden mit der Anmerkung „Die Mehrdeutigkeit dieser Frage“ (GA 43, 9). Einige Zeilen später bezeichnet Heidegger Nietzsches Denken wieder als „Grundfrage der Philosophie“ (GA 43, 9) und zeigt damit erneut, dass er die Mehrdeutigkeit der Frage begrifflich noch nicht klar getrennt hat. In N I, 15 wird die in GA 43, 9 aus späterer Sicht inkohärente Bezeichnung von „Grundfrage“ in „Leitfrage“ korrigiert. Erst später (GA 43, 78f.) wird die Unterscheidung der beiden Begriffe explizit vollzogen.55 Diese Ausführungen sind identisch mit dem Kapitel „Die Grund- und Leitfrage der Philosophie“ in N I, 79ff. Eine andere terminologische Klärung betrifft die uneinheitliche Schreibweise von „Wesung“ und „Seyn“. Ab Mitte der 1930er Jahre und im Anschluss an Hölderlin entwickelt Heidegger in seinen „privaten Schriften“ Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) die Schreibweise „Seyn“, um die Wahrheit des Seins in einem nicht-metaphysischen Sinn denken zu können. Zugleich führt er den Begriff der „Wesung“ ein als Bezeichnung für das Ereignis des Seyns: Das Seyn west.56 Diese neue Begrifflichkeit entsteht parallel zu den Nietzsche-Vorlesungen. In der Vorlesung von 1939 taucht der Begriff „Anwesung“ und „Erwesung“ erstmals auf, in jener von 1940 auch „Wesung“. Sie werden in Nietzsche II durch „Wesen“, „Anwesen“ oder 54

Es ist darum verwirrend, dass in GA 43 Zwischentitel in der Orientierung an N I / II eingefügt wurden. Das erste Kapitel in GA 43, 3ff. ist mit „Grundfrage und Leitfrage. Erste Kennzeichnung von Nietzsches Grundstellung als ‚Wille zur Macht’“ überschrieben ist. Gerade diese Unterscheidung wird in GA 43, 3ff. aber nicht geleistet. 55 In GA 43, 26 könnte Heidegger die „Grundfrage“ bereits in einem präziseren Sinn verwendet haben. Sie wird erwähnt in Bezug auf die „Rede vom Sein“ und scheint damit von der Frage nach dem Seienden abgegrenzt. Der Begriff wird entsprechend in N I, 31 unverändert übernommen. 56 Vgl. Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (GA 65), 247. Vgl. dazu auch Richard Polt, „‚Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)’. Ein Sprung in die Wesung des Seyns“, in: Dieter Thomä (Hrsg.), Heidegger-Handbuch, 184–194, besonders 186.

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„Anwesenheit“ ersetzt.57 Das Verb „wesen“ und „anwesen“ bleibt 1961 dagegen unverändert.58 Der Begriff „Seyn“ wird, abgesehen von drei Randbemerkungen,59 nur in GA 50, 8 verwendet und in N II, 262 durch „Sein“ ersetzt. 8. Der Ausschluss von Nietzsches zweiter Unzeitgemässer Betrachtung Zum Schluss sei noch auf eine oft übersehene, aber ebenfalls systematisch bedeutsame Entscheidung Heideggers hingewiesen, die seine Auslegung von Nietzsches Historienschrift betrifft. In Nietzsche I / II nicht aufgenommen wurde Heideggers Übung von 1938/39 Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung (GA 46). Die Veranstaltung wurde zwar als Übung angekündigt, hatte allerdings aufgrund der großen Teilnehmerzahl eher „den Charakter einer Vorlesung“.60 Nach der Erinnerung von Otto Pöggeler fehlt die Vorlesung darum in der Ausgabe von 1961, weil sie einer anderen Themenstellung folge.61 Tatsächlich unterscheidet sich der Fokus auf Nietzsches frühen Text von dem der anderen Vorlesungen Heideggers, die sich auf den späten Nietzsche beziehen. Trotzdem lässt sich ein Zusammenhang zwischen allen Vorlesungen erkennen. Heidegger vermerkt zu Beginn der Übung, es gehe ihm darum, mit Nietzsche zu denken und dadurch die Geschichte der Philosophie als Metaphysik zu erfassen (GA 46, 6). Diese Frage schließt somit an jene von 1936 und 1937 nach Nietzsches „metaphysischer Grundstellung“ an und bleibt im Horizont von Heideggers vorangegangener Auseinandersetzung mit Nietzsche.62 Vor diesem Hintergrund erscheint der thematisch 57

Dies betrifft folgende Stellen: N II, 10 / GA 47, 278 (Entbindung statt Erwesung); N II, 11 / GA 47, 279 (Anwesenheit bzw. Anwesen statt Anwesung); N II, 13 / GA 47, 281 (Anwesen statt Anwesung); N II, 194 / GA 48, 260 (Wesen (verbal) statt Wesung); N II, 217 / GA 48, 293 (Anwesenheit statt Anwesung); N II, 218 / GA 48, 294 (Anwesen statt Anwesung); N II, 226 / GA 48, 302 (Anwesenheit statt Anwesung); N II, 235 / GA 48, 311 (das Wesende statt die Wesung); N II, 240 / GA 48, 316 (Wesende statt Wesung; Wesen statt Wesung). In N II, 20 / GA 47, 287 wird der Hinweis auf das Entwerfen (aus Sein und Zeit) als „Wesendes der Wahrheit“ ergänzt. In der Klammerbemerkung GA 44, 129 spricht Heidegger vom „Wesen der Wesung“; sie fehlt in N I, 381. 58 Heidegger ändert nachträglich die Formulierung „Was ist es mit“ (GA 48, 104) in „Was west und waltet“ (N II, 97). 59 GA 44, 195 (Klammerbemerkung; fehlt in N I, 438); GA 47, 272 (Fußnote, in N I, 657 übernommen und mit „Sein“ wiedergegeben); GA 50, 4 (Fußnote; fehlt in N II, 258). 60 Vgl. dazu das editorische Nachwort in GA 46, 377. 61 Otto Pöggeler, Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger, 9: „Die Vorlesung, die Heidegger über diese Thematik hielt, wurde zwar in ein Typoskript übertragen, doch wurde sie von Heidegger aus dem zweibändigen NietzscheWerk von 1961 mit der Bemerkung ausgeschieden, sie folge noch einer anderen und früheren Themenstellung als die anderen Nietzsche-Vorlesungen.“ 62 Heidegger kommt in den späteren Vorlesungen noch zweimal auf Nietzsches zweite Unzeitgemässe Betrachtung zu sprechen. In der Vorlesung von 1939 würdigt er die Schrift als Zeichen, dass Nietzsche „in Wahrheit für das Wissen zu Ehren des ursprünglich begriffenen ‚Lebens’ und seiner Besinnung kämpft“ (N I, 582 / GA 47, 177f.). In der Vorlesung von 1940 bezieht er sich auf den Text als wichtiges Argument gegen eine „historische“ Widerlegung

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ungewohnte Fokus umso bedeutsamer. Er dokumentiert möglicherweise Heideggers Versuch eines Neuzugangs zu Nietzsche, der offenbar gescheitert war.63 Der Ausschluss der Übung aus der Edition von 1961 macht Heideggers „Denkweg“ somit gradliniger, als er es faktisch war. 9. Heideggers Gestaltung seines Denkwegs: Fazit des Textvergleichs Eine quantitative Analyse der Texteingriffe zeigt, dass Heidegger in seinem Nietzsche-Buch von 1961 die meisten inhaltlichen Änderungen an den frühen Vorlesungen vornimmt. Bei der Vorlesung von 1936/37 dominieren Kürzungen, bei jener von 1939 (vor allem am letzten Teil) die Ergänzungen. In qualitativer Hinsicht fallen die Texteingriffe unterschiedlich ins Gewicht. Am irrelevantesten sind die Kürzungen, die Heideggers Aussagen nur graduell verändern. So lässt sich in der Ausgabe von 1961 trotz Kürzungen erkennen, dass Heidegger Baeumlers und Jaspers’ Nietzscheauslegung kritisiert, dass er sich von der zeitgenössischen Philosophie abgrenzt und dass er seine Gegenwart mit (christlicher) Weltanschauung, Wissenschaft und Technik als Ausdruck von Metaphysik und Nihilismus in Verbindung bringt. Diese Thesen werden 1961 weniger polemisch formuliert als im mündlichen Vortrag, sie bleiben aber sachlich erkennbar. Anders dagegen steht es um seine kritischen Stellungnahmen gegen die Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs, mit denen er eine politisch-moralische Differenz zwischen den Kriegsparteien zurückweist, und um seine Polemik gegen antideutsches Christentum, europäische Demokratie und publizistische Öffentlichkeit. Diese Kritik wird von Heidegger 1961 konsequenter eliminiert und „unsichtbar“ gemacht.64 Dass diese Tilgungen eine „uneingestandene Konzession an die neue sozio-historische Gegebenheit“65 reflektieren, wie es Nicolas Tertulian behauptet, scheint plausibel.66 Entscheidend für unsere Frage ist dabei, dass Heidegger, indem er seine Nietzsche-

Nietzsches. Vgl. N II, 112 / GA 48, 119: Nietzsches zweite Unzeitgemässe Betrachtung stehe für die Infragestellung der positivistischen Historie, die sich vom „Schein einer vermeintlichen historischen ‚Objektivität an sich’ losmach[t]“. Seit Nietzsches Schrift sei damit der Wahrheitsgehalt einer Auslegung nicht durch historische Fakten zu widerlegen, sondern bewähre sich an dieser (geschichtlichen) Auslegung selbst. – Dieses methodische Thema knüpft an ein zentrales Problem aus Sein und Zeit an. 63 Dies könnte auch für das Verständnis von Heideggers Krise von 1938, die mit Nietzsche zusammenhing, interessant sein. Vgl. zu dieser Krise Wolfgang Müller-Lauter, Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III, 16ff. 64 Nietzsches Kritik an einer „internationalen“ Politik lässt sich indirekt noch ablesen an seinem Beharren auf den völkischen Dimensionen von Politik (N I, 185 / GA 43, 195 und N I, 361 / GA 44, 107). 65 Nicolas Tertulian, „Seinsgeschichte als Legitimation der Politik“, 59. 66 Für Silvio Vietta, Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik, 57, ist die Streichung eine Reaktion darauf, dass die Situation der Demokratie in Deutschland 1961 eine andere gewesen sei als 1936, was eine Kritik nicht mehr gerechtfertigt hätte. Damit suggeriert Vietta meines Erachtens zu Unrecht, dass Heideggers

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Auslegung von seinem antiliberalen Konservatismus reinigt, zugleich verdeckt, in welchem Maß er mit Nietzsche kulturkritisch argumentiert.67 Otto Pöggeler hat zu Recht vermerkt, dass Heidegger Nietzsche insofern „neu“ auslegt, als er ihn auf die Seinsfrage hin liest und nicht wie die ältere Nietzsche-Rezeption auf die „Kulturkritik und Kulturpropaganda“ hin.68 Dennoch bleibt zu vermerken, dass Heidegger besonders in den frühen Vorlesungen stärker, als 1961 zu vermuten war, die kulturkritische Rezeption Nietzsches weiterführt und dazu benützt, sich von seiner eigenen Gegenwart kritisch-polemisch zu distanzieren. Im gleichen Sinn bedeutsam ist auch die Tilgung von systematischen Lücken, Brüchen und Widersprüchen innerhalb der Vorlesungen. Indem Heidegger seine frühen Auslegungen zum Nihilismus und zur Kunst in der Ausgabe von 1961 streicht und terminologische Unklarheiten beseitigt, werden wichtige Aspekte seines Denkwegs ausgeblendet. Das Offene seiner Auseinandersetzung und die Unabsehbarkeit, wohin der Weg führen werde, erscheinen aus der nachträglichen Perspektive verschwunden. Es bleibt zwar noch ablesbar, dass Heidegger in den beiden frühen Vorlesungen Nietzsches Denken näher ist und es empathischer referiert als 1940. Allerdings versucht Heidegger, diese Verschiebung in der Edition von 1961 tendenziell zu verdecken und von manifesten Widersprüchen freizuhalten. Was lässt sich aus allen diesen nachträglichen Texteingriffen für Heideggers Verständnis von „Denkweg“ gewinnen?69 Heidegger selber möchte seinen „Denkweg“ durch die Figur der Wiederholung verstanden wissen. Wiederholung darum, weil er sich immer wieder auf die gleichen Texte Nietzsches bezogen habe. Dies solle „Anlaß sein, wenige Gedanken, die das Ganze bestimmen, immer neu zu durchdenken“ (N I, 9). Denken wird somit nicht als zielorientierte „Entwicklung“, sondern als intensive Besinnung konzipiert, in dem alles Gedachte bedeutsam ist. Dieses wiederholende Durchdenken des immer Gleichen könnte sehr wohl Kehrtwendungen, Abbrüche und Widersprüche beinhalten und auch mit perspektivischen Unschärfen behaftet sein.70 Die Art und Weise, wie Heidegger seine Vorlesungen 1961

Demokratie-Kritik sich gegen ein völkisches Demokratieverständnis im Sinne Carl Schmitts gerichtet habe, und blendet aus, dass Heidegger seine Kritik im Gegenteil aus einer antiliberalen Position heraus formuliert hat. 67 So ist die in N I übernommene Kritik an den massenmedialen Veröffentlichungen „in ‚Bild und Ton’ durch Fotomontage und Reportage“ (GA 47, 2 / N I, 474) bereits gegen Nietzsche gewendet. 68 Otto Pöggeler, Der Denkweg Martin Heideggers, 106. 69 Zur grundsätzlichen Bestimmung von N I / II nicht als „Denkweg“, sondern als „Re-Produktion von Texten“ vgl. David Wittenberg, Philosophy, Revision, Critique. Rereading Practices in Heidegger, Nietzsche, and Emerson, Stanford 2001, 6. 70 Vgl. in diesem Sinn etwa Ernst Behler, Derrida – Nietzsche, Nietzsche – Derrida, München u. a. 1988, 45: “Heideggers Oszillieren tritt freilich auch hier ins Spiel, insofern dieser absolute Zusammenschluß nirgendwo ganz

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komponiert, zeigt jedoch, dass ihm ein anderes Bild von Wiederholung vorschwebt. Indem er inhaltliche Widersprüche tilgt, macht er die wiederholende Bewegung zu einem umfassenden Wahrheitsgeschehen ohne innere Differenz oder Ambivalenz. Damit unterschlägt er nicht nur, dass sich sein Denken insofern faktisch „entwickelt“ hat, als Heidegger selber Früheres durch Späteres gezielt „entwertet“ und ersetzt, sondern er klammert auch die Möglichkeit aus, denkerische Bedeutsamkeit „hermeneutisch“ offener zu konzipieren und von einem emphatischen Wahrheitsverständnis zu lösen. Dass sein Denkweg, wie er sich 1961 präsentiert, trotz der rhetorischen Beschwörung, „selbst noch unterwegs“ zu sein (N I, 9), eigentlich keinen Weg zurücklegen, sondern eher ein „kon-zentriertes“ Denken am Ort oder ein Umkreisen sein soll, unterstreicht Heidegger auch dadurch, dass er die historisch-politischen Kontexte seiner Vorlesung tendenziell ausblendet. Er folgt in seiner redaktionellen Text-Bearbeitung von 1961 somit der Einschätzung, die er bereits um 1938 in dem kleinen Text „Beilage zu Wunsch und Wille“ formuliert hatte: „Bei allen Vorlesungen sind die gelegentlichen auf Augenblickserscheinungen bezogenen Bemerkungen sachlich wertlos“ (GA 66, 422). Solche kontextgebundenen Abschweifungen müssen für einen, der sein Denken als „wiederholende“ Besinnung des immer Gleichen verstehen will, wie wilde Sträucher erscheinen, die am Wegrand wuchern, in die Denkbahn hineingreifen, den Weg versperren und vielleicht auch die Gedanken vom Wesentlichen abziehen. In der Ausgabe von 1961 sind viele von ihnen verschwunden. 1936 bis 1940 waren sie in Heideggers Denkweg präsent. 10. Anhang: Konkordanz inhaltlich bedeutsamer Textunterschiede Im Folgenden werden die inhaltlich relevanten Textunterschiede angeführt. Die Abgrenzung zu inhaltlich irrrelevanten Änderungen ist notwendig unscharf, und die Liste ist darum je nach Perspektive unvollständig. Stellen, die im Text erwähnt werden, sind fett gedruckt. Wiederholungen71: GA 43, 33f. / N I, 38; GA 43, 155–160 / N I, 154; GA 43, 207–209 / N I, 197; GA 43 218f. / N I, 207; GA 44, 235–245 (als Anhang); GA 47, 10ff. / N I, 481; GA 44, 18ff. / N I, 487; GA 44, 29ff. / N I, 495; GA 44, 44ff. / N I, 508; GA 44, 55ff. / N I, 516; GA 44, 68–91 / N I, 527; GA 44,

ausgeführt ist, sondern innerhalb der zehn Sektionen der beiden Bände von immer neuen Perspektiven aus in Angriff genommen wird.“

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99–102 / N I, 533; GA 44, 107–111 / N I, 538; GA 44, 120ff. / N I, 547; GA 44, 128–132 / N I, 551; GA 44, 144–149 / N I, 562; GA 44, 157–160 / N I, 570; GA 44, 168–171 / N I, 577; GA 44, 186–191 / N I, 590; GA 44, 208–212 / N I, 606; GA 44, 222–225 / N I, 616; GA 44, 235–238 / N I, 625; GA 44, 261ff. / N I, 648; GA 48, 12–19 / N II, 42; GA 48, 27–39 / N II, 49; GA 48, 71–85 / N II, 80; GA 48, 134– 158 / N II, 127; GA 48,166–174 / N II, 135; GA 48, 208–229 / N II, 168; GA 48, 253–257 / N II, 192; GA 48, 269–278 / N II, 202.

Verkürzte Darstellung: GA 43, 243–246 / N I, 229. Mündliche Bemerkungen: GA 43, 193 / N I, 183; GA 43, 155 / N I, 154; GA 44, 99 / N I, 353. Klammerbemerkungen und Fußnoten (Randbemerkungen)72: GA 43, 4 / N I, 12; GA 43, 9 / N I, 15; GA 43, 21 / N I, 27; GA 43, 22 / N I, 27; GA 43, 25 / N I, 30; GA 43, 39 / N I, 43; GA 43, 48 / N I, 51; GA 43, 49 / N I, 52; GA 43, 54 / N I, 56; GA 43, 76 / N I, 78; GA 43, 79 / N I, 81; GA 43, 84 / N I, 86; GA 43, 94 / N I, 96; GA 43, 118 / N I, 120; GA 43, 138 / N I, 140; GA 43, 153 / N I, 153; GA 43, 184 / N I, 177; GA 43, 207 / N I, 197; GA 43, 213 / N I, 202; GA 43, 229 / N I, 216; GA 43, 230 / N I, 217; GA 43, 232 / N I, 219; GA 43, 238 / N I, 224; GA 43, 243 / N I, 229; GA 43, 247 / N I, 230; GA 43, 250 / N I, 232; GA 43, 257 / N I, 239; GA 43, 259 / N I, 241; GA 43, 263 / N I, 243; GA 43, 265 / N I, 245; GA 43, 268 / N I, 248; GA 43, 271 / N I, 251; GA 43, 272 / N I, 253; GA 44, 5 / N I, 259; GA 44, 10 / N I, 262; GA 44, 19 / N I, 271; GA 44, 19 / N I, 272; GA 44, 20 / N I, 272; GA 44, 20 / N I, 273; GA 44, 21 / N I, 274; GA 44, 22 / N I, 274; GA 44, 23 / N I, 275; GA 44, 25 / N I, 277; GA 44, 29 / N I, 281; GA 44, 34 / N I, 285; GA 44, 41 / N I, 292; GA 44, 42 / N I, 293; GA 44, 47 / N I, 298; GA 44, 49 / N I, 300; GA 44, 51 / N I, 302; GA 44, 82 / N I, 334; GA 44, 93 / N I, 346; GA 44, 94 / N I; 347; GA 44, 95 / N I, 348; GA 44, 96 / N I, 349; GA 44, 97 / N I, 350; GA 44, 102 / N I, 356; GA 44, 103 / N I, 357; GA 44, 104 / N I, 357; GA 44, 105 / N I, 359; GA 44, 107 / N I, 360; GA 44, 110 / N I, 364; GA 44, 112 / N I, 366; GA 44, 123 / N I, 375; GA 44, 129 / N I, 381; GA 44, 134 / N I, 386; GA 44, 138 / N I, 310; GA 44, 141 / N I, 393; GA 44, 148 / N I, 401; GA 44, 158 / N I, 412; GA 44, 160 / N I, 413; GA 44, 160f. / N I, 414, GA 44, 161 / N I, 414; GA 44, 167 / N I, 421; GA 44, 168 / N I; 423; GA 44, 169 / N I, 71

Diese „Wiederholungen“, die Heidegger in vom Haupttext abgetrennten Konvoluten gesammelt hatte, werden in GA unterschiedlich behandelt. In GA 43, 47 und 48 sind sie unter dem Titel „Wiederholung“ in den Haupttext eingefügt, in GA 44 werden sie im Anhang abgedruckt. 72 Auf der Basis der bestehenden Texteditionen lässt sich nicht klar erkennen, ob und in welchem Umfang Klammerbemerkungen Randbemerkungen Heideggers wiedergeben. In GA 43 werden Einschübe und Randbemerkungen entweder in den Haupttext eingefügt oder als Fußnoten gesetzt (vgl. das editorische Nachwort in GA 43, 295). Es ist unklar, ob es sich bei den in runde Klammern gesetzten Bemerkungen um die in den Haupttext integrierten Randbemerkungen Heideggers handelt. Eckige Klammern stehen in GA 43 nur innerhalb von Zitaten. – In GA 44 werden Zusätze Heideggers entweder in den Text eingefügt und, wo sie sich nicht eindeutig zuordnen lassen, in eckige Klammern gesetzt oder in Fußnoten angemerkt (vgl. editorisches Nachwort in GA 44, 250). Auch hier ist unklar, ob es sich bei den Bemerkungen in runden Klammern im Haupttext von GA 44 um Randbemerkungen Heideggers handelt. – Ob und wie in GA 47 und 48 Zusätze Heideggers eingearbeitet wurden, ist aufgrund der editorischen Nachworte nicht klar. Die Texte beinhalten jeweils Fußnoten und Bemerkungen in runden Klammern. – Gemäß editorischem Nachwort in GA 50, 162 werden in GA 50 Heideggers Randbemerkungen als Fußnoten wiedergegeben.

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424; GA 44, 170 / N I, 424; GA 44, 171 / N I, 425; GA 44, 172 / N I, 427; GA 44, 174 / N I, 428; GA 44, 179 / N I, 433; GA 44, 180 / N I, 434; GA 44, 195 / N I, 438; GA 44, 196 / N I, 439; GA 44, 202 / N I, 444; GA 44, 210 / N I, 455; GA 44, 225 / N I, 463; GA 44, 226 / N I, 464; GA 44, 227 / N I, 465; GA 44, 229 / N I, 467; GA 44, 230 / N I, 469; GA 44, 231f. / N I, 470; GA 47, 41 / N I, 505; GA 47, 64 / N I, 523; GA 47, 67 / N I, 526; GA 47, 94 / N I, 528; GA 47, 124 / N I, 548; GA 47, 150 / N I, 562; GA 47, 166 / N I, 575; GA 47, 177 / N I, 581; GA 47, 180 / N I, 585; GA 47, 217 / N I, 611; GA 47, 240 / N I, 626; GA 47, 249 / N I, 635; GA 47, 270 / N I, 655; GA 47, 271f. / N I, 656; GA 47, 280 / N II, 13; GA 47, 281 / N II, 13; GA 47, 285 / N II, 18; GA 48, 10 / N II, 40; GA 48, 26 / N II, 49; GA 48, 43 / N II, 53; GA 48, 46 / N II, 56; GA 48, 54 / N II, 63; GA 48, 65 / N II, 73; GA 48, 94f. / N II, 88; GA 48, 105 / N II, 98; GA 48, 260 / N II, 194; GA 48, 261 / N II, 194; GA 48, 264 / N II, 198; GA 48, 284 / N II, 208; GA 48, 286 / N II, 210; GA 48, 298 / N II, 222; GA 48, 310 / N II, 233; GA 48, 334 / N II, 256; GA 50, 3 / N II, 257; GA 50, 4 / N II, 258; GA 50, 6 / N II, 260; GA 50, 9 / N II, 263; GA 50, 13 / N II, 265; GA 50, 17 / N II, 269; GA 50, 22 / N II, 274; GA 50, 24 / N II, 276; GA 50, 26 / N II, 278; GA 50, 32 / N II, 284; GA 50, 35 / N II, 287; GA 50, 36 / N II, 288; GA 50, 37 / N II, 289; GA 50, 46 / N II, 299; GA 50, 47 / N II, 300; GA 50, 51 / N II, 304; GA 50, 54 / N II, 306; GA 50, 55 / N II, 308; GA 50, 56 / N II, 308; GA 50, 62 / N II, 314; GA 50, 64 / N II, 317; GA 50, 65 / N II 318; GA 50, 66 / ; N II, 318; GA 50, 67 / N II, 319; GA 50, 79 / N II, 331; GA 50, 81 / N II, 333.

Starke Kürzungen des Vorlesungsmanuskripts (mehrere Sätze, ganze Abschnitte bis zu mehreren Seiten): GA 43, 4f. / N I, 13; GA 43, 26f. / N I, 31; GA 43, 62 / N I, 64; GA 43, 97 / N I, 99; GA 43, 104f. / N I, 106; GA 43, 107 / N I, 108; GA 43, 151f. / N I, 152; GA 43, 180 / N I, 173; GA 43, 190– 193 / N I, 183; GA 43, 226f. / N I, 213; GA 43, 232 / N I, 219; GA 43, 261f. / N I, 242; GA 43, 274 / N I, 254; GA 44, 9f. / N I, 262; GA 44, 26 / N I, 278; GA 44, 27f. / N I, 279; GA 44, 34 / N I, 285; GA 44, 120f. / N I, 376f.; GA 44, 123–125 / N I, 375; GA 44,133f. / N I, 385; GA 44, 150 / N I, 403; GA 44, 181f. / N I, 435; GA 44, 183–194 / N I, 436; GA 44, 199 / N I, 442; GA 44, 220ff. / N I, 463; GA 44, 223–225 / N I, 463–472; GA 47, 135 / N I, 553; GA 47, 177 / N I, 581; GA 47, 239 / N I, 626; GA 47, 256f. / N I, 643; GA 48, 21 / N II, 44; GA 48, 45 / N II, 55; GA 48, 54 / N II, 63; GA 48, 306 / N II, 230; GA 48, 332–334 / N II, 256.

Schwache Kürzungen des Vorlesungsmanuskripts (ein bis zwei Sätze): GA 43, 6 / N I, 13; GA 43, 13 / N I, 19; GA 43, 19 / N I, 25; GA 43, 20 / N I, 26; GA 43, 21 / N I, 27; GA 43, 25 / N I, 30; GA 43, 31 / N I, 36; GA 43, 67 / N I, 70; GA 43, 68 / N I, 70; GA 43, 84 / N I, 86; GA 43, 91 / N I, 93; GA 43, 121 / N I, 123; GA 43, 125 / N I, 127; GA 43, 126 / N I, 128; GA 43, 128 / N I, 129; GA 43, 140 / N I, 141; GA 43, 153 / N I, 152; GA 43, 153 / N I, 153; GA 43, 154 / N I, 153; GA 43, 186f. / N I, 179; GA 43, 196 / N I, 186; GA 43, 198 / N I, 188; GA 43,200 / N I, 190; GA 43, 209 / N I, 198; GA 43, 213 / N I, 202; GA 43, 225 / N I, 212; GA 43, 232 / N I, 219; GA 43, 243 / N I, 229; GA 43, 259 / N I, 241; GA 43, 260f. / N I, 242; GA 44, 14 / N I, 267; GA 44, 30 / N I, 281; GA 44, 39 / N I, 289; GA 44, 64 /

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N I, 316; GA 44, 70 / N I, 322f.; GA 44, 82 / N I, 334; GA 44, 96 / N I, 349; GA 44, 127 / N I, 380; GA 44, 129 / N I, 381; GA 44, 154 / N I, 408; GA 44, 156 / N I, 410; GA 44, 160 / N I, 414; GA 44, 163 / N I, 418; GA 44, 167 / N I, 422; GA 44, 167f. / N I, 422; GA 44, 171 / N I, 425; GA 44, 179 / N I, 433; GA 44, 182 / N I, 436; GA 44, 197 / N I, 440; GA 47, 2 / N I, 474; GA 47, 4 / N I, 476; GA 47, 9 / N I, 481; GA 47, 16f. / N I, 486; GA 47, 18 / N I, 487; GA 47, 51 / N I, 512; GA 47, 67 / N I, 527; GA 47, 118 / N I, 545; GA 47, 180 / N I, 585; GA 47, 193 / N I, 591; GA 47, 194f. / N I, 593; GA 47, 196 / N I, 595; GA 47, 207 / N I, 605; GA 47, 235 / N I, 625; GA 47, 246f. / N I, 633; GA 47, 294 / N II, 29; GA 48, 50 / N II, 59; GA 48, 165 / N II, 134; GA 48, 180 / N II, 141; GA 48, 184 / N II, 144; GA 48, 189 / N II, 150; GA 48, 230 / N II, 168; GA 48, 243 / N II, 183; GA 48, 248 / N II, 188; GA 48, 293ff. / N II, 217ff.; GA 48, 297 / N II, 221; GA 48, 304 / N II, 228; GA 48, 315 / N II, 239; GA 48, 319 / N II, 242; GA 48, 330 / N II, 253; GA 50, 1 / N II, 257; GA 50, 45 / N II, 297; GA 50, 64 / N II, 316; GA 50, 66 / N II, 319; GA 50, 81f. / N II, 333.

Terminologisch relevante Wortersetzungen: N I, 12 / GA 43, 4; N I, 15 / GA 43, 9; N I, 128 / GA 43, 126; N I, 219 / GA 43, 232; N I, 287 / GA 44, 37; N I, 304 / GA 44, 53; N I, 657 / GA 47, 272; N II, 10 / GA 47, 278; N II, 11 / GA 47, 279; N II, 12 / GA 47, 279; N II, 13 / GA 47, 281; N II, 21 / GA 47, 287; N II, 89 / GA 48, 95; N II, 97 / GA 48, 104; N II, 194 / GA 48, 260; N II, 217 / GA 48, 293; N II, 218 / GA 48, 294; N II, 226 / GA 48, 302; N II, 235 / GA 48, 311; N II, 240 / GA 48, 316; N II, 262 / GA 50, 8.

Ergänzungen (Begriffe, ein oder mehrere Sätze) oder Umformulierungen des Vorlesungsmanuskripts: N I, 13 / GA 43, 4; N I, 46 / GA 43, 43; N I, 68 / GA 43, 65; N I, 97 / GA 43, 96; N I, 183 / GA 43, 193; N I, 215 / GA 43, 228; N I, 232 / GA 43, 250; N I, 236 / GA 43, 254; N I, 254 / GA 43, 273; N I, 259 / GA 44, 4f.; N I, 278 / GA 44, 27; N I, 304f. / GA 44, 53; N I, 412 / GA 44, 158; N I, 415f. / GA 44, 161; N I, 425 / GA 44, 171; N I, 436 / GA 44, 183; N I, 467f. / GA 44, 229; N I, 535 / GA 47, 104; N I, 563 / GA 47, 150; N I, 654 / GA 47, 269; N I, 658 / GA 47, 273; N II, 7 / GA 47, 275; N II, 8 / GA 47, 275; N II, 9 / GA 47, 277; N II, 11 / GA 47, 279; N II, 12 / GA 47, 280; N II, 13 / GA 47, 281; N II, 18 / GA 47, 285; N II, 20 / GA 47, 287; N II, 22 / GA 47, 288; N II, 23 / GA 47, 289; N II, 28f. / GA 47, 294; N II, 29 / GA 47, 295; N II, 31 / GA 48, 1; N II, 42 / GA 48, 12; N II, 43 / GA 48, 20; N II, 44 / GA 48, 21; N II, 52 / GA 48, 42; N II, 251 / GA 48, 328; N II, 256 / GA 48, 336; N II, 296 / GA 50, 44; N II, 297 / GA 50, 45; N II, 309 / GA 50, 57; N II, 319 / GA 50, 66; N II, 321 / GA 50, 68.

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