Das Geschlecht der Grenze. Genderrepräsentationen von der Berliner Mauer bis zur EU-Außengrenze, in: Bettina Dennerlein, Elke Frietsch (Hg.), Identitäten in Bewegung. Migration im Film, Bielefeld: transcript 2011, S. 35-56.
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DreGREilzE ArscEscHrEcHTssEilsrBrER PoLrrrrsEcRrFF In der feministischen Theoriebildung hat sich die Korrelation von Grenzeund Gender als ein perspektivenreichesForschungsfeldetablieren können.'In diesem Zusammenhang ist der kritische AnalysebegriffGender nicht bloß hinsichtlich der Verfasstheitvon Grenzsetzungen, sondern auch in Bezug auf mögliche Entgrenzungen und Grenzverschiebungenzrt befragen.' Beide Problemstellungen blieben bisher auf das Feld der Geschlechterforschuttg beschränh und haben kaum zur ttreoretischen Neubestimmung der Geschlechtersignifikation der Grenze beigetragen. Diese Vernachlässigung der Genderrepräsentation von Grenzziehungen im politischen Raum hat historische und soziale Verwurzelungen. Ietztlich ftihrte sie dazu, dass die einflussreichsten Grenzziehungsdiskurseder iüngeren Ver>Berliner MauerOst-West-Konfliktmännlich< festgelegtwerden. Dabeiwird der filmische Gegenstand(Mauer) oder eine filmisch artikulierte Idee (Totalitarismus)mit einer spezifischen Eigenschaft (männlich/weiblich) konnotiert. In der filmischen Medienberichterstattung über die >Zonen..Grenze zwischen West und Ost dominieren Männlichkeitskonstruktionen.EIn dokumentarischen Formaten wie der Newsreeloder der Wochenschau stnrkturieren männliche Bau-, Verwaltungs- und Kontrollaktivitäten dle Zeichenregister der filmischen Repräsentation von der PlotentwicHung, dem Point of View, dem Voice Overbis zrtr
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Figurenkonstellation. In der Regelsind den männlich konstruierten Grenzsuietsweibliche Genderrepräsentationenbeigeftigt, welche auf die Charakteristik beschränh sind, die männliche Attribuierung der Grenze zu bestärken. Innerhalb dieser Matrix fungieren männliche Figuren ausnahmslosals militärische oder polizeiliche Kontrollorgane. Die Herrschaft der männlichen Akteure im politischen Raum der Ost-West-Grenzeist eine Konstante,die Ost- und Westnedien glei chermaßen tradieren. Im Ost-West-Konflih treten weibliche Figuren buchstäblich auf der Stelle, die einem häuslich-familiären Kontext entstammt und über kein eigenesHandlungsfeld verftigt. Der männliche Handlungsraum erstreckt sich hingegen über alle Sichtachsen hinweg und reicht vom Bildhintergrund bis zum Bildvordergrund: männliche Akteure bewachen nicht nur die Grenze, sondern üben auch Kontrolle über den filmischen Raum aus. In diesem filmisdren Raum der Mise en Scöneverftigen die weiblichen Figuren, die ausschließlich aus der Sicht ihrer >genuinWestThe Wall.Schautauf diese Stadt..geht es inhaltlich darum, die DDR-Perspektivedes Mauerbaus zu rechfertigen. Im 84-minütigen Film wird der Mauerbau zwar rhetorisch gefeiert, das Bild der Mauer und Bilder vom Mauer-
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bau bleiben iedoch weitgehend abwesend.Abbildung r zeigt eine der raren Einstellungen zu den Befestigungsarbeitenam rt. August 196r an der >Zonen..-Grenzein Berlin. Die Szeneist mit dem Teleobiektiv aufgenommen und zeigt in der Halbtotale Grenzsoldaten beim AuG stellen eines Betonpfostens.In dieser Mauerszene- der einzigen im Film - dominiert aber der Arbeitsaspeh beim Aufbau der Grenzbefestigung: Es sind die Arbeiter und nicht die Grenze selbst, die im Bildzentrum und damit im Mittelpunkt des Geschehensstehen. Der Mauerbau selbst ist lediglich in einer sehr kwzen Einstellung von einer Sekundezu sehen. ,trhb.r Atts>Sclwut ouf dieseStndt<
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zuAbb.1-2:DDR1962,Regie:Karl Quelle fürWochenschau Gass.DEFA-Studio und Berlin-Johannistha Dokumentarfilme, l, Verleih, @ Progresstilm Berlin
Dls GescnlEcHT DER Gnenze
Die emotionale Lücke der Grenzsetzung ftillt der Film mit der Nahaufnahme einer Frau, die Teil einer sich auf der Straße versammelnden Menschenmengeist und die eine visuelle Begrümdungftir die Grenzsicherungund den Bau der Mauer darstellen soll (Abb. z). In halbnaher und naher Einstellungsgrößewird ihr Gesicht in Szene gesetzt. Die Aufnahme operiert mit dem Stilpinzip der Synekdoche (pars pro toto): Das mimisch und gestisch präsentierte Affehbild der Frauenfigursoll die (bedingungslose)Unterstützung der Bevölkerung ftir den Mauerbau anzeigen. Im Rahmen dieser Montagesequenz wird eine iunge Frau gezeigt, die in ihrer Funltion ds mütterliches Rollenvorbild die >Zukunft der DDR>anzuprangernFestungEuropas..haben Fernsehbilder geleistet: immerhäufiger undfast und Dokumentationen "Dassin den Reportagen in liegt von Grenzanlage Ceuta auftauchen, Bilder der vorhersagbar schon Fer nsehen alseinRealsym bol dasss ief ürdasBildm edium voral l emdaran, f ungiert..16 Der spanischeGrenzschutz,die Gwrdia Civil, instrumentalisierte die ftir die Legitimation der eiKontrollbilder der Übenn'achungskameras genen - und vielerorts kritisierten - Flüchtlingspolitik'z und bot sie dem Fernsehenzur Veröffentlichung an. Heute werden Bilder der Überwachungskamera in Nachridrtensendungen vermehrt eingesetzt, unl Authentizität zu evozieren. Im und Fernsehenwird auf diese Weise iedoch nidlt mehr die >rreinemassenhaftenErsti.irmungAnsturmauf die Festung Europaanachronistische.. und >naiveFestungzur affirmativen Anschauung der als überlebensnot-
DERGnsnze Dns GEscxr-EcHT
wendig geltenden, Sicherheit und Stabilität garantierenden Maßnahmen zur Sicherung der europäisdten AußengrenzenDie Rhetorik der Zeitanzeige.Erzählenund Überin: Malte Hagener/fohann N. wachen im Kino der >EchtzeitCheckpoint< (Yoav Shamir, Israel zoql etwa zeigt Gesprächezwischen israelischen Besatzungsoldat/inn/en und Pdästinenser/inne/n an den Checkpoints, die konkrete Erfahrungen auf beiden Seiten sichtbar machen. Audr Spielfilme greifen die Thematik in unterschiedlicher Weise auf, um sich in das Konflihfeld der Deutungen einzumischen. Die Auswahl der im vorliegenden Außatz besprochenenFilme dokumentiert nur einen Heinen Ausschnitt möglicher filmischer Aufarbeitung: nAlles ftir meinen Vater
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