Percorso di Doppia Laurea: Dipartimento di Lettere e Filosofia Corso di laurea magistrale in: Letterature euroamericane, traduzione e critica letteraria - LM37 Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften Master in: Germanistik (HF) und Anglistik (HF)
Das Fremdsprachenlernen im Alter: Der Einfluss des Faktors Alter und anderer individuellen Variablen.
Inhaltsverzeichnis. 1. Einführung. 1.1. Motivation der Arbeit ........................................................................................................................................
S.1
1.2. Ziele und Struktur der Arbeit..............................................................................................................................
S.4
1.3. Einige terminologische Erklärungen..................................................................................................................
2. Der „Faktor Alter“. 2.1. Ein komplexer und multidimensionaler Faktor..................................................................................................
S.9
2.1.1. Die „biologische Dimension“ des Alters....................................................................................................
S.10
2.1.1.1. Das Gehirn im Alter........................................................................................................................
S.10
2.1.1.2. Sensorische Veränderungen im Alter..............................................................................................
S.13
2.1.1.3. Psychomotorische Veränderungen im Alter...................................................................................
S.14
2.1.1.4. Das Gedächtnis im Alter.................................................................................................................
S.15
2.2. Alter und Altern als Forschungsgegenstand der Gerontologie...........................................................................
2.2.2.2. Optimierung durch Selektion und Kompensation (OSK)...............................................................
S.25
2.2.2.3. Das Konzept des kognitiven Trainings...........................................................................................
S.27
2.2.3. Die Verbreitung von Modellen des erfolgreichen Alterns und von Initiativen zum lebenslangen Lernen.........................................................................................................................................................
S.28
2.3. Der Faktor Alter und das Fremdsprachenlernen.................................................................................................
S.31
2.3.1. Falsche Mythen und Stereotype..................................................................................................................
S.32
2.3.2. Critical Period Hypothesis (CPH)..............................................................................................................
S.33
2.3.3. Unterschiede beim Fremdsprachenlernen in verschiedenen Lebensphasen................................................
S.37
2.3.4. Die „biologische“ Dimension des Alters: Charakteristika des Lernens im höheren Alter und einige Schlussfolgerungen für den Fremdsprachenunterricht................................................................................
S.41
2.4. Das Altern und das Fremdsprachenlernen: Ein bidirektionaler Einfluss...........................................................
S.46
2.4.1. Die Effekte des Multilingualismus auf der exekutiven Kontrolle..............................................................
S.47
2.4.1.1. Die selektive Kontrolle der Aufmerksamkeit..................................................................................
4.3. Die Probandengruppe.........................................................................................................................................
S.92
4.4. Die Genehmigung zur Verarbeitung personenbezogener Daten........................................................................
S.92
4.5. Die Beschreibung der Untersuchung..................................................................................................................
S.92
4.6. Die Ergebnisse der Untersuchung......................................................................................................................
4.6.3. Affektive und psychologische Faktoren.....................................................................................................
S.109
4.7. Diskussion: Allgemeine Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter und einige fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen...............................................................................................
Università della Terza Età e del Tempo Disponibile (auf Deutsch: „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“)
VLPFC
Ventrolateraler präfrontaler Cortex
1. Einführung. 1.1. Motivation der Arbeit. Im Folgenden werde ich zusammenfassend auf drei wichtige Motivationen eingehen, die zur Wahl des Themas vorliegender Masterarbeit geführt haben. Die Aktualität des Themas im heutigen Kontext des „kollektiven Alterns“. Das Fremdsprachenlernen im Alter und, im Allgemeinen, das Lernen im Alter, stellen heutzutage sehr aktuelle Themen dar (vgl. Edlinger 2013:8). Wie Berndt behauptet, „rückt [nämlich] der ältere Mensch zunehmend ins Blickfeld [gesellschaftlichen und] politischen Interesses“ (vgl. Berndt 2007:470), was mit unterschiedlichen Begründungen erklärt werden könnte. In erster Linie sollten wichtige quantitative Veränderungen im Bereich der Demographie erwähnt werden. Seit einigen Jahrzehnten, kann man nämlich in allen modernen Industrieländern einen allgemeinen demographischen Alterungsprozess beobachten, der zu einer Umstrukturierung der Bevölkerungspyramide und zu einer „ergrauenden Gesellschaft“ geführt hat (vgl. Ebd.; Berndt 2003:11), wie außerdem von der Europäischen Kommission mit dem Aging Report im Jahr 2015 neulich bestätigt worden ist: Due to the dynamics in fertility, life expectancy and migration the age structure of the EU population will change strongly in the coming decades. The overall size of the population is projected to be slightly larger by 2060 but much older than it is now1.
Die Altersstruktur der europäischen Bevölkerung sollte sich also in den nächsten Jahrzehnten dramatisch verändern (vgl. Ebd.), wie die Grafiken auf dem Bild 1 zeigen (vgl. S.2). Im Jahr 2013 lag nämlich das Durchschnittsalter für Männer und Frauen bei 40 bzw. 43 Jahren, während es im Jahr 2060, wegen der steigenden Anzahl von Menschen im höheren Alter aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der Alterung der zahlreichen Kohorten der 1950er und 1960er Jahre, die sogenannten „Baby Boomers“, auf 45 bzw. 47 aufsteigen sollte (vgl. Ebd.). Gleichzeitig sollte die Basis der Bevölkerungspyramide kleiner werden, weil die zusammengefasste Geburtenziffer in den letzten Jahrzehnten stark gesunken ist (vgl. Ebd.). Es wird außerdem vorgesehen, dass die Anzahl jüngerer Menschen (im Alter zwischen 0 und 19 Jahren) bis ins Jahr 2060 ziemlich stabil bleiben wird (ungefähr 20% der Gesamtbevölkerung), während die Anzahl der Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren wesentlich geringer 1 European Commission (2015): „The 2015 Ageing Report: Economic and Budgetary Projections for the 28 EU Member States (2013-2060)", S.19.
1
werden und von 61% auf 51% zurückgehen wird (vgl. Ebd.). Die Anzahl von Menschen über 65 Jahre sollte dagegen von 18% auf 28% steigen, während die von Menschen über 80 Jahre von 5% auf 12% (vgl. Ebd.). Diese
Statistiken
aktuellen
bestätigen
demographischen
also
den
Trend
der
Alterung der Bevölkerung und deuten auf ein Szenario hin, bei dem im Jahr 2060 etwa 40% der europäischen Bevölkerung aus Menschen über 65 Jahre bestehen wird. Die Alterung der Bevölkerung stellt ein bekanntes
Phänomen
Bevölkerungspyramiden
der
Jahren
2013
(dunkelblau/dunkelrosa) und 2060 (hellblau/hellrosa).
der
Quelle: European Commission (2015): „The 2015 Ageing
Europäischen Union dar, indem ähnliche
Report. Economic and Budgetary Projections for the 28
nicht
eine
1:
große
Herausforderung
und
Bild
nur
in
Trends derzeit in unterschiedlichem Maße
EU Member States (2013-2060)", S.20.
auch in anderen Teilen der Welt feststellbar sind (vgl. Ebd.). Wie Berndt behauptet, werden die obengenannten quantitativen Umstrukturierungen der Gesellschaft auch von qualitativen Veränderungen begleitet (vgl. Berndt 2003:14). Menschen im höheren Alter weisen beispielsweise ein immer höheres Bildungsniveau vor, was „ein wesentlicher Indikator für Weiterbildung im Alter ist“ (vgl. Berndt 2007:470). Eine weitere qualitative Veränderung, auf die Berndt Bezug nimmt, stellt die zunehmende Singularisierung und Vereinsamung älterer Menschen dar, die vor allem nach der Pensionierung und der steigenden Reduzierung sozialer Kontakten oft einen starken Wunsch nach sinnvollen Aktivitäten in äußeren und sozialen Kontexten aufzeigen (vgl. Ebd., S.16). Alle diese Veränderungen haben wichtige Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft eines Landes (z.B. im Bereich des Rentensystems, usw.), so wie auf die Bildungspolitiken, Fortbildungsbedürfnisse und -angebote2. Wie Berndt behauptet, wird nämlich das Weiterlernen bis ins höhere Alter im aktuellen Kontext immer relevanter (vgl. Berndt 2007: 470), um allen den Bürgern die gleichen Gelegenheiten anzubieten und den Menschen im höheren Alter eine bessere und einfachere Integration in allen Bereichen des Lebens zu ermöglichen (nicht nur beruflich, in einigen Fällen, sondern auch politisch, kulturell 2 vgl. AGE – The European Older People's Platform (2007): “Lifelong Learning: A Tool For All Ages. Age Statement For The 2007 European Year Of Equal Opportunities For All”. URL: http://www.ageplatform.eu/images/stories/EN/AGE_leaflet_lifelong_learning.pdf (Download am 04.10.2016)
2
und gesellschaftlich). „Der Rat der Europäischen Union“ – schreibt Berndt (2007) – „reagiert auf diese Situation mit Ratschlägen zu einer Politik des lebenslangen Lernens“ (wie besser im Kapitel 2.2.3. verdeutlicht wird). Im Bereich des Sprachenlernens, zum Beispiel, könnte der Aktionsplan für das Sprachenlernen und die Sprachvielfalt (2003) erwähnt werden (vgl. Edlinger 2013:8), und zwar der erste Aktionsbereich des Plans, in dem es um die Förderung des lebenslangen Sprachenlernens geht: Fremdsprachenkenntnisse gehören zu den Kernkompetenzen, die jeder Bürger benötigt für Ausbildung, Beschäftigung, kulturellen Austausch und persönliche Entfaltung; Sprachenlernen ist eine lebenslange Tätigkeit.3
Das Fremdsprachenlernen im höheren Alter als „Forschungslücke“. Trotz der Aktualität des Themas und der Neuheit der Zielgruppe, wird jedoch das Fremdsprachenlernen im höheren Alter von Berndt als eine „Forschungslücke“ in der Fremdsprachendidaktik und -erwerbsforschung definiert: Außer wenigen Außnahmen, vor allem aus dem amerikanischen Kontext (u.a. Joiner 1981 und Brown 1983, zitiert in Berndt 2003:30f.), beziehen sich nämlich fast alle die Studien „auf Vergleiche innerhalb der frühen Kindheit bis zum frühen Erwachsenenalter“ (Berndt 2003:11). Im deutschsprachigen Raum könnten dagegen sicherlich die wissenschaftlichen Untersuchungen von Berndt erwähnt werden, eine der relevantesten Spezialistinnen im Bereich der Fremsprachengeragogik, so wie eine relativ neulich erschienene Dissertationsarbeit von Edlinger (2013) aus der Karl-FranzensUniversität in Graz. In vorliegender Masterarbeit werde ich sehr oft Bezug auf deren Arbeiten nehmen, gleichzeitig werde ich aber auch versuchen, zu sehen, was sich genau seit Berndts empirischer Studie am Ende der 1990er Jahre verändert hat (z.B. im Bezug auf die Fremdsprachenlerner oder auf die Fremdsprachenlernangebote für Senioren) und wie die Situation im Bezug auf das Fremdsprachenlernen im höheren Alter in einem Gebiet meiner Region, Trentino-Südtirol (Italien), aussieht, indem ich eine kurze empirische Untersuchung an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit” (Università della Terza Età e del Tempo Disponibile - Fondazione Franco Demarchi) in Trento durchführen werde.
3 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2003): „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004 – 2006", S.8. URL: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/? uri=CELEX:52003DC0449&from=DE (Download am 05.10.2016)
3
Das Andauern negativer Mythen und Stereotype. Die Tatsache, dass es so wenige Studien im Bereich des Fremdsprachenlernens im höheren Alter gibt, und dass die wenigen Ergebnisse nicht so verbreitet außerhalb des akademischen Kontextes sind, trägt sicher dazu bei, viele Mythen und Stereotype über dieses Thema aufrechtzuerhalten. Wie Grotjahn behauptet, herrscht nämlich in unserer Gesellschaft die Idee, dass „ältere“ Erwachsenen im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen oder Kinder „nur noch sehr eingeschränkt eine Sprache erlernen können“ (Grotjahn 2003:32), eine Idee, zu der auch die Linguistik mit ihrer Critical Period Hypothesis in den 1970er Jahren in wichtigem Maße beigetragen hat (vgl. Edlinger 2013:8). Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, solche Stereotype abzubauen (was ich auch teilweise versuche, im Rahmen dieser Arbeit zu machen), weil sie wirklich eine Barriere für das erfolgreiche Fremdsprachenlernen darstellen können, indem sie nicht nur die Motivation des Lerners negativ beeinflussen können, zum Beispiel, sondern auch relevante bildungspolitische Entscheidungen (z.B. sie können zu einer ausschließlichen Förderung des Fremdsprachenfrühbeginns
führen,
statt
einer
Förderung
des
lebenslangen
Fremdsprachenlernens für alle Altersgruppen).
1.2. Ziele und Struktur der Arbeit. Ziele: In vorliegender Arbeit geht es um das Thema des Fremdsprachenlernens im Alter, und zwar des Fremdsprachenlernens im höheren Alter. Das Kernziel der ganzen Arbeit ist es, zu zeigen, dass Alter
nicht
der
einzige
Faktor
ist,
der
den
Erfolg
(oder
Misserfolg)
des
Fremdsprachenlernprozesses beeinflusst: Dieser könnte nämlich vielmehr als Ergebnis eines komplexen
Zusammenspiels
unterschiedlicher
interdependenten
lernerexternen
und
lernerinternen Faktoren (u.a. sozialen Faktoren, linguistischen Faktoren, kognitiven Faktoren, affektiven und psychologischen Faktoren, usw.) angesehen werden, wie außerdem von neueren dynamischen Modellen der Mehrsprachigkeit postuliert wird (vgl. das Dynamische Modell des Multilingualismus von Herdina und Jessner 2002, das Faktorenmodell von Hufeisen 2001, das ökologische Modell des Multilingualismus von Aronin und O'Laoire 2002, usw.). Aus diesem Grund könnte man in Übereinstimmung mit Riemers Einzelgängerhypothese auch behaupten, dass das Fremdsprachenlernen als „ein hochgradig individuell ablaufender Prozess“ angesehen werden könnte (Riemer 2006:231), indem die obenerwähnten Faktoren natürlich individuell sehr unterschiedlich sind, weshalb der Fremdsprachenlerner – und gerade der Fremdsprachenlerner 4
im höheren Alter – als ein „Einzelgänger“ definiert werden könnte, deren Individualität auch in didaktischen Kontexten betrachtet werden sollte.
Mittels einer kurzen empirischen
Untersuchung (vgl. Kapitel 4), werde ich versuchen, diese Individualität am Beispiel einer Gruppe von Lernenden im höheren Alter zu untersuchen, die seit einigen Jahren Deutsch als Fremdsprache an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit” in Trento studieren. Aus dem Vergleich der erhobenen Daten und der unterschiedlichen Profilen der Lernenden (jeder mit seinen individuellen Charakteristika), werde ich aber dann versuchen, generalisierbare Erkenntnisse hinsichtlich der Relevanz der verschiedenen lernerexternen und lernerinternen Faktoren für das erfolgreiche Fremdsprachenlernen im höheren Alter zu gewinnen und dadurch bestimmte fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen zu ziehen. Struktur: Im
ersten Teil
(Kapitel
2)
wird
der
Einfluss
des
Faktors
“Alter”
auf
das
Fremdsprachenlernen mithilfe der vorhandenen Fachliteratur zum Thema ausführlich diskutiert. Erstens, im Kapitel 2.1. wird die Komplexität und die Multidimensionalität des Faktors Alter betont, der immer unter unterschiedlichen Dimensionen (chronologische, psychologische, soziale und biologische Dimension) betrachtet werden sollte und nicht unmittelbar auf das Fremdsprachenlernen einwirkt, sonder indirekt, über bestimmte Veränderungen auf sozialer, psychologischer und physiologischer Ebene. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang auf die biologische Komponente des Alters gelenkt, indem hier die wichtigsten ontogenetischen Veränderungen im Bereich des Gehirns, der Sensorik,
Psychomotorik,
Intelligenz
und
des
Gedächtnisses,
die
für
den
Fremdsprachenlernprozess relevant sein können, dargestellt werden. Der Faktor „Alter“ in allen seinen Dimensionen stellt das Forschungsgegenstand der Gerontologie dar, deren Definition und Methoden im Kapitel 2.2. erklärt werden. In Bezug auf die Forschungen der Gerontologie und der Psychologie der Lebensspanne wird dann genauer gezeigt, wie man im Laufe der Jahrzehnten aus einem Defizit-Modell des Alterns zu einem Kompetenzmodell gekommen ist, der von einer lebenslangen Plastizität der kognitiven Fuktionen und des Gehirns, so wie aus der Möglichkeit einer „Optimierung durch Selektion und Kompensation“ (vgl. Baltes&Baltes 1990) und des kognitiven Trainings ausgeht. Es wird außerdem gezeigt, wie die Einführung dieses neuen positiven Modells in wichtigem Maße zur Förderung von Modellen des erfolgreichen Alterns und zu ihrer Verbreitung in Form von Initiativen zum lebenslangen Lernen auf institutioneller Ebene (z.B. Europäische Union) beigetragen hat. Kapitel 2.3. stellt der „Kern“ 5
des ersten Teils dar, indem hier der Faktor Alter spezifisch im Bezug auf das Fremdsprachenlernen betrachtet wird. Nach einem kurzen Exkurs über die wichtigsten Mythen und Stereotype im Bereich des Fremdsprachenlernens im Alter (z.B. „Nach einem bestimmten Alter ist es nicht mehr möglich, Fremdsprachen erfolgreich zu lernen“), die leider noch heute auf unterschiedliche Ebenen überleben, wird dann ausführlich auf das Konzept der „kritischen Phase“ innerhalb der linguischen Tradition eingegangen (die sogenannte “Critical Period Hypothesis“), so wie auf die relevantesten Unterschiede im Bereich des Fremdsprachenlernens in unterschiedlichen Altersstufen. Am Ende des ersten Teils wird außerdem gezeigt, dass der Einfluss des Faktors Alter auf das Fremdsprachenlernen nicht eindirektional ist. Ganz im Gegenteil haben neulich erschienene neurolinguistische und kognitionswissenschaftliche Studien (ich beziehe mich vor allem auf die Arbeiten von Bialystok und Kollegen) sehr interessante
Effekte
des
Fremdsprachenlernens
auf
das
Altern
bestätigt,
die
zusammenfassend in Kapitel 2.4. dargestellt werden. Es handelt sich vor allem von vorteilhaften Effekten auf der exekutiven Kontrolle, beispielsweise auf der selektiven Kontrolle der Aufmerksamkeit, so wie auf Switching-Mechanismen und dem Arbeitsgedächtnis, die durch das konstante Bedürfnis bei multilingualen Individuen verursacht werden, die „nicht-TargetSprache“ zu hemmen. Außerdem haben relevante fMRT-Studien (u.a. Abutalebi et al. 2015; Olsen et al. 2015, usw.) gezeigt, dass der lebenslange Multilingualismus Effekte auf derselben Hirnstruktur – auf der grauen bzw. weißen Substanz – haben kann und als eine „kognitive Reserve“ im Alter wirken kann, indem es zu einer durchschnittlich 4-jährigen Verspätung der ersten klinischen Symptomen von alterbedingten Krankheiten führt (vgl. Bialystok et al. 2007, 2015). Indem in den meisten Studien über die obenerwähnten kognitiven Vorteilen von „lebenslangem Multilingualismus“ die Rede ist, wird es auch interessant zu sehen, ob irgendwelche vorteilhafte Effekte auch im Fall von einer spät erworbenen Fremdsprache und bei „niedrigem“ Niveau (wie beispielsweise im Fall von Fremdsprachenlernen im höheren Alter sein könnte) feststellbar sind, eine Forschungsfrage, die bisher unbeantwortet bleibt (ich werde jedoch auf drei sehr neue Studien – von Bak, Sorace und Vega-Mendoza (2016) – eingehen, die eine positive Antwort vermuten lassen!). Ausgehend von der Tatsache, dass die interindividuelle Varianz im Alter steigt (vgl. u.a. Johnson&Newport 1989), werde ich im zweiten Teil dieser Arbeit (Kapitel 3.1) auf die anderen lernerinternen und lernerexternen Faktoren (z.B. sozialen, kognitiven, linguistischen, affektiven/psychologischen Faktoren) eingehen, die das Fremdsprachenlernen beeinflussen
6
können. Wie schon erwähnt worden ist, wird im Bezug auf Riemers Einzelgängerhypothese gezeigt (Kapitel 3.2.), dass das Fremdsprachenlernen als „ein hochgradig individuell ablaufender
Prozess“
(Riemer
2006:231)
angesehen
werden
könnte
und
jeder
Fremdsprachenlerner als ein „Einzelgänger“ betrachtet werden sollte, dessen Erfolg beim Fremdsprachenlernprozess
von
einem
komplexen,
dynamischen
und
einzigartigen
Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren abhängt. Dies bedeutet nicht, wie Riemer betont, dass die Ermittlung von vergleichbaren oder vielleicht sogar generellen Merkmalen innerhalb eines Forschungsprojekts unmöglich ist (vgl. Ebd, S.237). Es bedeutet aber, dass „als allgemeine forschungsmethodologische Konsequenz die Notwendigkeit erkannt wird, subjektive Daten immer mit zu erheben und zur Überprüfung der Befunde heranzuziehen“ (Ebd.). Ein solcher methodologischer Ansatz, der quantitativen und qualitativen/subjektiven Daten kombiniert und den Fremdsprachenlerner mit seinen Einstellungen, Motivationen, usw. in Fokus stellt, könnte im Rahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien (FST) kontextualisiert werden. Wie im Kapitel 3.3. erklärt wird, werde ich versuchen, bestimmte Elemente dieses Ansatzes auch innerhalb meiner kurzen empirischen Untersuchung zu betrachten. Der dritte und letzte Teil der Arbeit (Kapitel 4) wird einer kurzen empirischen Studie mit einer Gruppe von Studenten der deutschen Sprache an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ (Fondazione Franco Demarchi) in Trento gewidmet, deren Ziel es ist, die Individualität der Lernenden anhand ihrer individuellen Charakteristika (u.a. Motivationen, Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, zur Zielsprache und Kultur, Sprachlernerfahrungen, usw.) zu untersuchen, gleichzeitig aber auch bestimmte generalisierbare Erkenntnisse über das Fremdsprachenlernen
im
höheren
Alter
zu
gewinnen
und,
dadurch,
bestimmte
fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen zu ziehen.
1.3. Einige terminologische Klärungen. Indem es in dieser Arbeit um das Thema des Fremdsprachenlernens im Alter geht, hat sich sehr oft das Problem gestellt, einen geeigneten Terminus für die „Zielgruppe“ zu finden. Obwohl Begriffe wie beispielsweise „das dritte Alter“, „Senioren“, „die Über-X-Jährige“, „ältere Menschen“, usw. oft umgänglich und auch auf institutioneller Ebene benutzt werden (vgl. denselben Name der italienischen Institutionen, die das lebenslage Lernen fördern →
7
„Università della Terza Età”, auf Deutsch: “Universitäten des Dritten Alters“), habe ich bewusst versucht, solche Bezeichnungen zu vermeiden, indem sie meiner Meinung nach in einem altersdiskriminierenden Diskurs eingebunden sind und manchmal auch als „beleidigend“ von den Personen empfunden werden können. Ich wollte einfach eine Bezeichnung finden, die am besten und so objektiv wie möglich die Situation von Menschen definiert, die ziemlich „spät“ im Leben (oft nach der Überwindung des mittleren Alters, in einem Durchschnittsalter von ca. 65 Jahren) anfangen, eine Fremdsprache zu lernen (oder wiederzulernen, wie bei den Probanden meiner Untersuchung der Fall ist). Nach langer Überlegung habe ich schließlich entschieden, die Definitionen „Fremdsprachenlerner bzw. Fremdsprachenlernen im höheren Alter“ zu benutzten, indem sie meiner Meinung nach ziemlich objektiv und ohne Umschweife die obenerwähnte Situation bezeichnen.
1.4. Danksagung. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während der Anfertigung dieser Masterarbeit unterstützt und motiviert haben. Zuerst gebührt mein Dank Frau Prof. Ricci Garotti und Herrn Dr. Zeuner, die meine Masterarbeit betreut haben: Für die hilfreichen Anregungen, Literaturhinweise und die motivierenden Wörter möchte ich mich bei ihnen herzlich bedanken. Ebenfalls möchte ich mich bei der Verantwortliche der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ von Trento („Fondazione Franco Demarchi“), Frau Antonacci, bedanken, so wie bei der Professorin des Kurses „Die deutsche Sprache und Kultur 4. Stufe“, Frau Prof. Togni, die mit viel Interesse und Hilfsbereitschaft die Realisierung meiner empirischen Untersuchung ermöglicht und unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt außerdem allen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Studie, ohne die diese Arbeit nicht hätte entstehen können: Mein Dank gilt ihrer Informationsbereitschaft und ihren interessanten Beiträgen und Antworten auf meine Fragen. Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie, meinem Freund Stefano und allen meinen Freundinnen und Freunden für den starken emotionalen Rückhalt über die Dauer meines gesamten Studiums bedanken.
Laura Santoni Trento, 02.01.2017
8
2. Der „Faktor Alter“. 2.1. Ein komplexer und multidimensionaler Faktor. Wenn man den Einfluss des Faktors Alter auf das Fremdsprachenlernen untersuchen möchte, sollte man in erster Linie verstehen, was der Begriff „Alter“ genau bedeutet, indem es sich um einen sehr komplexen und multidimensionalen Konstrukt handelt, der „nicht direkt auf das Sprachenlernen einwirkt, sondern indirekt über altersbedingte Entwicklungen in anderen Bereichen“ (Wode 1993:302, zitiert in Berndt 2003:27). Wie Edlinger (2013) behauptet, unterscheidet die klassische Gerontologie zwischen vier Dimensionen des individuellen Alters, d.h. des Alters einer Person: Altersdimension:
Beschreibung:
1. Chronologisches Alter
Anzahl der Lebensjahre.
(auch „kalendarisches Alter“)
Beispiel: Anna ist 50 Jahre alt: Sie ist im Jahr 1966 geboren.
2. Biologisches Alter
Gesundheitlicher Zustand.
(auch „medizinisches“ oder „funktionelles“ Alter)
Beispiel: Anna kann ja 50 Jahre alt sein, aber sie ist so fit und aktiv, dass sie als eine 30-Jährige aussieht.
3. Soziales Alter
Die soziale/gesellschaftliche Konstruktion von Alter, beispielsweise in Form von an das Alter geknüpften Rollen und Zuschreibungen. Beispiel: Anna ist 50 aber sie bennimt sich wie eine 16-Jährige: Sie geht abends immer in die Disko! (soziale Erwartung = 50-jährige Frauen gehen abends nicht in die Disko).
4. Psychologisches Alter
Das subjektive Altersgefühl des Einzelnen. Beispiel: Anna ist 50 aber sie fühlt sich wie eine 20-Jährige.
Tabelle 1: Die vier Dimensionen des Alters. Quellen: Siebert 2011, zitiert in Edlinger 2013:43; Berndt 2003:27; eigene Beispiele.
Im Bezug auf das Fremdsprachenlernen spielen diese vier Dimensionen des Alters eine unterschiedlich wichtige Rolle. Obwohl sie beispielsweise überhaupt nicht zeigt, in welchem Stand eine Person ist (Grad der Vitalität), indem sie einfach eine „numerische Konvention“ darstellt, die als Basis institutioneller Regulierungen benutzt wird, die den Individuen altersbasierte Rollen, Aufgaben, Pflichten und Rechte zuschreiben (vgl. Edlinger 2013:44), wird die chronologische Dimension des Alters in diesem Zusammenhang oft überschätzt. Viel wichtiger sind dagegen die biologische Dimension (die ausführlich im nächsten Kapitel behandelt wird) und die soziale Dimension des Alters, indem beide einen maßgeblichen Einfluss auf das subjekive Altersgefühl haben, und folglich auch die individuellen 9
Einstellungen, Motivationen, usw. zum Lernen einer Frandsprache negativ oder positiv beeinflussen können. Wenn man beispielsweise anfängt, bestimmte gesundheitliche Probleme aufzuweisen (→ biologische Dimension) oder wenn die Gesellschaft jeden Tag negative Altersdiskursen vermittelt (→ soziale Dimension), die voll von negativen Stereotypen oder Defizit-Diskursen über das Altern sind, dann könnten vielleicht negative oder pessimistische Selbstbilder und -einschätzungen von Menschen in höherem Alter auch einfacher erklärt werden.
2.1.1. Die biologische Dimension des Alters. In vorliegendem Kapitel werden die wichtigsten ontogenetischen Veränderungen diskutiert, die das Fremdsprachenlernen im höheren Erwachsenenalter beeinflüssen können. Insbesondere werden relevente biologische und funktionelle Entwicklungen im Bereich des Gehirns, der Sensorik, Psychomotorik, Intelligenz und des Gedächtnisses ausführlich beschrieben. 2.1.1.1. Das Gehirn im Alter4. Indem die meisten Studien im Bereich der Gerontoneurobiologie auf pathologische Entwicklungen fokussieren, gibt es relativ wenige Forschungen über die Biologie des alternden Gehirns in Abwesenheit von neurodegenerativen Erkränkungen, d.h. bei gesunden älteren Erwachsenen (vgl. Rodgers 2008:17). In den vergangenen Jahrzehnten haben jedoch die Ergebnisse von Studien über neurodegenerative Erkränkungen (u.a. leichte kognitive Beeinträchtigung, Alzheimer- und Parkinson-Krankheiten, usw.) teilweise dazu beigetragen, bestimmte strukturelle, chemische und funktionelle Veränderungen im gesund alternden Gehirn besser zu verstehen (vgl. Ebd.). Diese werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Was spezifisch die strukturellen Veränderungen angeht, lässt sich in erster Linie eine allgemeine Schrumpfung des Hirnvolumens feststellen (vgl. Bild 2, S.11), die im Alter zwischen 50 und 90 Jahren insgesamt bei ca. 7% liegt (vgl. Berndt 2003:122; Edlinger 2013:64; Rodgers 2008:17). Wie Berndt betont, betrifft diese die verschiedenen Hirnareale in unterschiedlicher Weise: „Während der frontale Bereich der Hirnrinde sich stark zurückbildet (-9%), bleibt der hintere Bereich mehr oder weniger unverändert erhalten“ (Ebd.). Besonders vom Altern betroffen sind Regionen der Gehirnoberfläche, die wichtig für komplexes Verarbeiten sind, aber 4 vgl. Anhang → “Das menschliche Gehirn: Die neuroanatomische Grundlagenterminologie” (Abschnitt 6.1): Hier werden einige Illustrationen über die relvantesten neuroanatomischen Teilen des menschlichen Gehirns dargestellt, die sehr nützlich für diesen Teil der Arbeit, aber vor allem für das Kapitel 2.4, sein könnten.
10
auch das Verhalten beeinflussen: Regionen des präfrontalen Kortex, zum Beispiel, oder des Hippocampus (vgl. Edlinger 2013:65; Rodgers 2008:17). Der Erste ist ein
Teil
des
Großhirnrinde,
Frontallappens das
Organisierung,
für
der
Planung,
Entscheidungsfindung
Bild 2: fMRT-Hirnscans zum Vergleich eines jungen (links) und
eines
gesund
alternden
Gehirns
(links).
In
und das Arbeitsgedächtnis zuständig ist
pathologischen Fällen (u.a. bei der Alzheimer-Krankheit) ist
(vgl. Ebd.), während der Zweite, der sich
die Volumabnahme wesentlich erheblicher. Quelle: Berndt
dagegen in dem Temporallappen befindet,
2003:123.
insbesondere für Gedächtniskonsolidierung und Emotionen eine wichtige Rolle spielt (vgl. Purves at al. 2004:20). Beide diese Areale sind sehr wichtig für das Lernen, das Gedächtnis, das Planen und für andere komplexe geistige Aktivitäten (vgl. Rodgers 2008:17). Auf mikroskopischer Ebene lässt sich außerdem ein Rückgang in der Dichte der weißen Gehirnsubstanz (die aus myelinbedeckten Axonen besteht) und in der Neuronenanzahl und – dichte beobachten, der gepaart mit bestimmten Veränderungen auf biochemischer Ebene negative Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen Netzwerken von Nervenzellen haben kann, wie Edlinger behauptet (vgl. Edlinger 2013:65). Auch im System der Neurotransmitter sind nämlich altersbedingte Veränderungen beobachtbar: Die D2-Dopamin und Serotonin Rezeptoren,
die
eine
wichtige
Rolle
in
der
Aufmerksamkeitsregulierung
und
Reaktionsmodulierung haben, gehen normalerweise mit dem Alter zurück (vgl. Ebd.). Weitere strukturelle
Veränderungen
beispielsweise
aus
können
Veränderungen
der
hirnversorgenden Gefäße bestehen, indem die Arterien
mit
dem Altern
verengen,
die
Durchblutung verschlechtert sich, und folglich auch das Wachstum neuer Kapillaren gestört wird (vgl. Rodgers 2008:17). Oft kann man außerdem in den Gehirnen gesund alternder Bild 3: Das Entstehen von senilen Plaques und von neurofibrillären Tangles (rechts) in einem alternden Gehirn, im Vergleich zu einem jungen Gehirn (links).
Menschen (auch wenn in geringerem Maße im Vergleich
Gehirnzellen ("senile Plaques") feststellen (vgl. Bild 3), die nach zahlreichen Wissenschaftlern als Hauptverdächtigen für Zellverlust und Gewebeschwund angesehen werden, so wie allgemeine Schäden durch „freie Radikale“ (vgl. Ebd.), d.h. durch hoch reaktive Moleküle (meistens Sauerstoff oder Stickstoff), die die Zellen und das Gewebe angreifen und so schrittweise, durch oxidative Schäden, das Vorkommen von Alterungsprozessen und degenerativen Krankheiten unterstützen können (vgl. Harman 1956:299). Die oben beschriebenen strukturellen und physiologischen Veränderungen im Gehirn, die im nachstehenden Schema zusammenfassend dargestellt werden (vgl. Bild 4), führen zu Veränderungen der Informationsverarbeitung und der kognitiven Leistungen (vgl. Berndt 2003:122), die natürlich das Lernen im höheren Alter negativ beeinflussen können. Manche Menschen könnten beispielsweise eine größere Schwierigkeit beim Lernen neuer Dinge oder beim Abrufen von Informationen feststellen, so wie bei komplexen Aufgaben der Aufmerksamkeit, des Lernens und des Gedächtnisses (vgl. Rodgers 2008:17).
Bild 4: Die wichtigsten Veränderungen im Bereich des alternden Gehirns und folgende Effekte auf der Informationsverarbeitung und den kognitiven Leistungen.
Trotzdem geht man heute im Bereich der Gehirnforschung davon aus, dass solche kognitive Leistungen auch im höheren Alter durch ein angemessenes Training verbessert werden können, indem die Plastizität neuronaler Strukturen in unterschiedlichem Maße über die ganze Lebensspanne vorhanden ist (vgl. Berndt 2003:123), so wie durch bestimmte bewusste und unbewusste Kompensationsmechanismen (z.B. das Gehirn rekrutiert alternative Netzwerke, um 12
eine bestimmte Aufgabe durchzuführen). Über die Konzepte der Plastiziät, der Kompensation und des kognitiven Trainings wird jedoch ausführlicher im Kapitel 2.2.3. diskutiert, der sich spezifisch mit dem Übergang von dem Defizit-Modell zu dem Kompetenzmodell des Alterns beschäftigt. 2.1.1.2. Sensorische Veränderungen im Alter. Im vorliegenden Abschnitt werden die wichtigsten Veänderungen der Sensorik behandelt, und zwar im Bereich des Hörens und des Sehens: „Dass Hören und Sehen im Alter abnehmen, ist [nämlich]
eine
Binsenweisheit“,
wie
Berndt
betont
(Berndt
2001:78).
Was
die
Hörveränderungen im Alter angeht, stellt die primäre Presbykusis (auch Altersschwerhörigkeit genannt) die häufigste Form des Hörverlusts im Alter dar, indem sie ungefähr 40% der Menschen über 65 Jahre betrifft (vgl. Mazurek et al. 2008:429). Im Allgemeinen könnte sie als eine Folge von Abnutzungserscheinungen des Hörapparates angesehen werden (vgl. Berndt 2001:78), die jedoch auch von anderen Faktoren (u.a. Hypoxie, Lärm, Hypertonus, Hypercholesterinämie oder Diabetes mellitus) verursacht werden kann (vgl. Mazurek et al. 2008:429). Wie Berndt in Bezug auf audiometrische Tests betont, „beträgt der mittlere Hörverlust für 60-Jährige ca. 20%, für 70-Jährige ca. 30% und für 80-Jährige ca. 43% bezogen auf eine fiktiv angenommene 100-prozentige Hörfähigkeit im Alter von 20 Jahren“ (Berndt 2003:124). Wie man aus den zwei Audiogrammen im Bild 5 sehen kann, bezieht sich dieser Hörverlust vor allem auf das Hören von Tonen im höheren Frequenzbereich (>1.0 kHz) und ist ausgeprägter bei Männern als bei Frauen (vgl. Ebd.). Im phonologischen Bereich könnte dies bedeuten, dass bestimmte Phoneme (insbesondere Konsonanten, die oft höhere Tonbereiche als Vokale besitzen
Bild
und weniger lautbetont sind) von dem
Altersgruppen von Männern (links) und Frauen (rechts).
Bedingungen (z.B. wenn Sprechteile sich überschneiden oder wenn Hörinformationen Unterbrechungen aufweisen) noch erschwerend erscheint (vgl. Berndt 2001:78). Im Bereich des Sehens stellt Presbyopie (auch Altersweitsichtigkeit genannt) ein gewöhnliches Problem dar 13
(vgl. Mancil et al. 2010:3). Mit ca. 95% der Fälle stellt sie nämlich die häufigste Fehlsichtigkeit im
höheren
Alter
dar5.
Diese
Sehschädigung
wird
durch
eine
allmähliche
Akkomodationsabnahme des Auges, und zwar durch eine Elastizitätsabnahme der Augenlinsen, über das ganze Leben verursacht und kann oft zu Schwierigkeiten bei der Durchführung von Aufgaben im Nahbereich (z.B. lesen oder schreiben) führen (vgl. Ebd.). Wie Berndt behauptet, stellt sie jedoch ein geringeres Problem dar, indem sie einfach durch Sehhilfen (z.B. Brille, Kontaktlinsen, usw.) korrigiert werden kann (vgl. Berndt 2001:79). Weitere Veränderungen beziehen sich spezifisch auf die Retina, die mit dem Alter an Trasparenz verliert, „so dass das Auge eines 60-Jährigen im Durchschnitt weniger als ein Drittel an Helligkeit wahrnimmt als das eines vergleichbaren 20-Jährigen“ (Ebd.), und auf eine geringere Kontrastwahrnehmung (vgl. Ebd.; Berndt 2003:126). Die obenbeschriebenen sensorischen Entwicklungen im Alter sollten für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts mit Lernenden im höheren Alter immer berücksichtigt werden, wie auch ausführlicher im Kapitel 2.3.4. erklärt wird. 2.1.1.3. Psycho-motorische Veränderungen im Alter. Auch psychomotorische Fähigkeiten verändern sich im Laufe des Lebens, wie Berndt betont (Berndt 2007:471f.). Zapotoczky und Fischhof (2013), im Bezug auf die klassische Definition von Welford (1959), definieren Psychomotorik als „erworbene Verhaltensmuster koordinierter, willentlicher Bewegungen, die auch [...] automatisiert ablaufen können und auf eine bestimmte Situation bzw. auf einen bestimmten Stimulus hin erfolgen“ (Zapotoczky&Fischhof 2013:56). Nach Lehr (1991) sollte Psychomotorik immer als ein komplexes und „kollektives Konzept“ angesehen werden, indem es aus unterschiedlichen Funktionsbereichen – aus einem sensorischen, kognitiven und motorischen Bereich – besteht, die für Aufgaben unterschiedlicher Art verantwortlich sind (vgl. Lehr 1991:102). Die Kriterien einer psychomotorischer Leistung werden testpsychologisch durch die Messung der Reaktionszeit und der Feheleranzahl zu erfassen versucht (vgl. Zapotoczky&Fischhof 2013:56). Wie Berndt behauptet, wird im Alter eine allgemeine Verlangsamung der Reaktionsprozesse festgestellt, „die jedoch weniger mit der motorischen als mit der prämotorischen Reaktionszeit zu tun hat“ (Berndt 2003:127). Grundsätzlich ist es so, dass der Mensch mit zunehmendem Alter einen längeren Zeitraum benötigt, bis er auf ein gegebenes Signal reagiert, während der benötigte Zeitraum für die Ausführung der Handlung relativ konstant bleibt (Ebd.). Beim Schreiben kann man vielleicht 5 Vgl. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands: Fehlsichtigkeiten in http://cms.augeninfo.de/nc/hauptmenu/presse/statistiken/statistik-fehlsichtigkeiten.html 12.10.2016).
14
Deutschland. (Download
URL: am
die eklatantesten Effekte dieser Verlangsamung deuten. Die Schreibgeschwindigkeit nimmt nämlich ab einem Alter von ca. 60 Jahren deutlich ab, was vor allem mit dem primären neurophysiologischen Abbau (vgl. Abschnitt 2.1.1.1.) und einer folgenden verminderten motorischen Koordinationsfähigkeit der Finger, so wie mit einer geringeren Fehlertoleranz, erklärt werden könnte (vgl. Ebd.). Ebenso problematisch erscheint die Fähigkeit, mehrere Reize gleichzeitig zu verarbeiten und mehrere Aufgaben nebenläufig auszuführen (Multitasking): Auch in diesem Fall könnte die Begründung in der oben erwähnten geringeren Fehlertoleranz älterer Menschen liegen, indem sie häufiger nach Sicherheit streben und die Richtigkeit ihrer Reaktionen und Antworten länger überprüfen, so wie in einer mangelnden Bereitschaft des zentralen
Nervensystems
Verarbeitung
von
Reizen
zur
parallelen
(vgl.
Berndt
2003:127f.). Faktoren wie Zeitdruck und große Komplexität
der
Aufgabe
können
die
Ausführung von Handlungen im Alter noch weiter Bild 6: Das Verhältnis zwischen Alter, Gesamtbetrag der Fehler und Schwierigkeitsgrad. Quelle: Kay, H. (1954): „The effects of position in a display upon problem
solving“.
In:
Quarterly
Experimental Psychology, 6(4), S.160.
Journal
of
erschweren,
wesentlichen
indem
sie
Verlangsamung
zu
einer der
Reaktionszeiten und zu einer exponentiellen Zunahme der Fehlerhäufigkeiten führen (vgl. Ebd.), wie aus der Grafik im Bild 6 hervorgeht.
2.1.1.4. Das Gedächtnis im Alter. Das Gedächtnis könnte als die Fähigkeit definiert werden, Informationen zu speichern und bei Bedarf, explizit oder implizit, wieder abzurufen (vgl. Berndt 2007:472; Purves et al. 2004:733). Aus dieser Definition lässt sich einfach verstehen, dass es sich um einen kognitiven Leistungsbereich handelt, der beim Lernen eine sehr wichtige Rolle spielt, wobei eventuelle altersbedingte Defizite das erfolgreiche Fremdsprachenlernen im Alter wesentlich beeinflussen können. Im vorliegen Abschnitt werden zusammenfassend die wichtigsten Veränderungen gezeigt, denen das Gedächtnis im Laufe der Alterung ausgesetzt ist. In erster Linie ist es jedoch wichtig zu betonen, dass aktuelle Konzeptualisierungen der kognitiven Neurowissenschaften das Gedächtnis nicht als ein einheitliches System betrachten, sondern es in hierarchischen Taxonomien teilen, je nach Art der gespeicherten Information und Dauer der Speicherung (vgl. 15
Gazzaniga et al. 2009:655; Brickman & Stern 2009:175). Was die Art der gespeicherten Information angeht, kann man nach Squires Gedächtnismodell das Langzeitgedächtnis in zwei qualitativ unterschiedliche Systeme der Informationsspeicherung
unterteilen, die als
„deklaratives (explizites) Gedächtnis“ und „nicht-deklaratives (implizites) Gedächtnis“ bezeichnet werden (vgl. Ebd.). Deklaratives Gedächtnis wird als die Fähigkeit definiert, die Informationen über Fakten und Ereignisse zu speichern und wieder abzurufen, die zum Bewusstsein einer Person gehören und durch die Sprache (daher "deklaratives G.") ausgedrückt werden können (vgl. Purves et al. 2004:733). Als Beispiel für deklaratives Gedächtnis könnte u.a. die Fähigkeit erwähnt werden, sich an eine Telefonnummer, ein Lied oder die Bilder eines vergangenen Ereignisses zu erinnern (vgl. Ebd.). Das deklarative Gedächtnis kann wiederum in „episodisches (aktives) Gedächtnis“ (die Fähigkeit, sich bewusst an Ereignisse zu erinnern, die zur eigenen Biographie gehören: z.B. „Party am ...“) und „semantisches (passives) Gedächtnis“ (die Fähigkeit, sich bewusst an Fakten zu erinnern, die das sogenannte Weltwissen einer Person ausmachen, u.a. berufliche Kenntnisse, Fakten aus der Geschichte, Politik, usw.: z.B. „2+2=4“) unterteilt werden (vgl. Brickman & Stern 2009:175). Das nicht-deklarative Gedächtnis fasst dagegen solche Fertigkeiten um, die normalerweise automatisch, ohne Nachdenken eingesetzt werden, wie beispielsweise bei motorischen Aktivitäten (u.a. Radfahren, Autofahren, Laufen, usw.) der Fall ist, und wird konventionell in vier Unterkategorien unterteilt: „Prozedurales
Gedächtnis“,
„Priming“,
„klassisches
Konditionieren“
und
„nicht-
assoziatives Lernen“ (vgl. Purves et al. 2004:733f.). Was die Dauer der Speicherung der Informationen angeht, unterscheidet die Forschung unter drei zeitlichen Kategorien des Gedächtnisses (vgl. Ebd.).
Die Erste, das sogennante sensorische Gedächtnis (auch
„Ultrakurzzeitgedächtnis“), bezieht sich auf die allgemeine Fähigkeit, laufende Informationen auf unterschiedliche Empfindungsweisen (visuell, auditiv, taktil, usw.) wahrzunehmen und sie für Millisekunden oder wenige Sekunden zu behalten (vgl. Ebd.). Das Kurzzeitgedächtnis (auch „Arbeitsgedächtnis“) als zweite zeitliche Kategorie behält dagegen die Informationen für einige Sekunden bis zu einigen Minuten (vgl. Ebd.). Die dritte und letzte zeitliche Komponente des Gedächtnisses wird als Langzeitgedächtnis definiert, indem sie die Informationen dauerhaft speichert (obwohl bestimmte Information dem Fergessen oder Interferenzen unterworfen sein können) und sie über Tage, Wochen oder sogar die ganze Lebensspanne behält (vgl. Ebd.). Eine interessante und noch unbeantwortete Frage betrifft die genauen Mechanismen, mit denen die durch das Kurzzeitgedächtnis gespeicherten Informationen auf das Langzeitgedächtnis übergehen (vgl. Brickman&Stern 2009:178). Das „Mehrspeichermodell“ von Atkinson und 16
Shiffrin, das ab den 1960er Jahren über Jahrzehnte einen theoretischen Bezugsmodell in der kognitionswissenschaftlichen Fachliteratur darstellte, erklärt das Phänomen wie folgt: "Briefly, information flows from the environment to primary sensory (perceptual) stores and then into a short-term store, which can include rehearsal, coding, or decision. The capacity of the short-term store is limited and information can leave the system (i.e., forgetting), lead to a response output, or enter long-term storage, which is fairly permanent" (Brickman&Stern 2009:178).
Das folgende Schema fasst die Komponenten des Gedächtnisses nach Art der gespeicherten Information und Dauer der Speicherung zusammen und zeigt die wichtigsten Verhältnisse, die unter diesen Komponenten bestehen:
Bild 7: Die wichtigsten Komponenten des Gedächtnisses, nach den Kriterien der Art der gespeicherten Information (deklaratives und non-deklaratives Gedächtnis) und der Dauer der Speicherung (Sensorisches, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis).
Kommen wir aber nun zurück zum Hauptthema dieses Abschnitts, der sich spezifisch mit den Veränderungen des Gedächtnisses im Alter beschäftigt. Es muss jedoch zugegeben werden, dass das Aufzeigen der Multidimensionalität des Gedächtnisses für die Zwecke dieser Arbeit sehr wichtig war, indem man für die verschiedenen Gedächtnisleistungen unterschiedliche Alterskorrelationen feststellen kann, wie Berndt behauptet (vgl. Berndt 2001:80f.; Berndt 2007: 472). Während zum Beispiel das semantische Gedächtnis mehr oder weniger stabil über die ganze Lebensspanne bleibt, oder mit der Ansammlung neues semantischen Wissens im Laufe 17
der Jahre sogar zunehmen kann, zeigen die Bereichen, die für das Lernen neuer Informationen zuständig sind, größere Leistungsdefizite auf: Das Arbeitsgedächtnis als Bereich der bewussten Verarbeitung neuer Informationen, zum Beispiel, oder der episodische Speicher (episodisches Gedächtnis) als langfristige Merkfunktion neuer Informationen werden nämlich von einen starken alterskorrelierenden Leistungsabfall betroffen (vgl. Ebd.). Wie Grotjahn behauptet, können diese Defizite bei aktiven Gedächtnisleistungen (u.a. das gezielte Lernen und der Abruf von Informationen) mit einer allgemeinen Verlangsamung kognitiver Prozesse, mit der Abnahme der sensorischen Leistungen und mit Problemen bei der selektiven Aufmerksamkeit erklärt werden (vgl. Grotjahn 2003:37). Im
vorliegenden
Kapitel
sind
zusammenfassend
die
häufigsten
biologischen
und
physiologischen Veränderungen präsentiert worden, die mit einer normalen und gesunden Alterung des menschlichen Organismus festgestellt werden können. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass solche Entwicklungen zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Individuen stattfinden, indem es keine eindeutige Entsprechung zwischen der chronologischen und biologischen Dimension des Alters besteht. Indem sie uns alle früher oder später betreffen werden, in unterschiedlichem Maße aber ohne Außnahmen, ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, solche altersbedingte Veränderungen zu betrachten und zu kennen. Diese können sich nämlich in wichtigem Maße auf das Lernen (und auch auf das Fremdsprachenlernen) einwirken, indem sie – wie schon erklärt worden ist – zu bestimmten Problemen und Defiziten führen können, die jedoch durch bestimmte Kompensationsmechanismen und praktische Maßnahmen ausgegliechen werden können, wie besser im Kapitel 2.3.4 gezeigt wird.
18
2.2. Alter und Altern als Forschungsgegenstand der Gerontologie. Nach dem Versuch, im vorherigen Kapitel, das Konzept von Alter zu definieren und seine Komplexität und Multidimensionalität zu zeigen, wird es im vorliegenden Kapitel auf die Disziplin eingegangen, die „Alter“ als Forschungsgegenstand betrachtet: Die Gerontologie. In erster Linie wird es versucht, eine Definition der Disziplin zu skizzieren und deren Relevanz in heutigem Kontext der demographischen Alterung zu betonen. Es wird außerdem gezeigt, inwieweit die Gerontologie als ein „interdisziplinäres“ Forschungsfeld definiert werden könnte, dessen anwendungsbezogener Bereich oft auch eine interventionistische Grundhaltung zeigt (vgl. Berndt 2003:114), die auf die Verbreitung von Modellen des erfolgreichen Alterns zielt. Insbesondere wird gezeigt, wie man schrittweise von dem traditionellen Defizit-Modell des Alterns zu einem „Kompetenzmodell“ des Alterns gekommen ist, das beispielsweise von der Möglichkeit einer Optimierung der Leistungen durch „Selektion und Kompensation“ oder „kognitives Training“ ausgeht, so wie von einer allgemeinen „Plastizität“ des Gehirns und der kognitiven Funktionen. Zu dieser Veränderung der Wahrnehmung des Alternsphänomens ab Ende der 1980er Jahre hat im wichtigem Maße auch die Psychologie der Lebensspanne beigetragen, die mit ihren theoretischen Leitsätzen zu einer neuen Konzeptualisierung geführt hat, die das Altern als ein hoch individueller und dynamischer Prozess ansieht, der sowohl von einer interindividuellen Varianz (d.h. Differenzen zwischen verschiedenen Individuen) als auch von einer intraindividuellen Varianz (d.h. Differenzen innerhalb desselben Individuums) gekennzeichnet ist, indem man mit dem Altern bei bestimmten Fähigkeiten eine negative Entwicklung, während bei Anderen eine positive Entwicklung feststellen kann („development as gain/loss“). In diesem Sinne kann man auch die Relevanz des Cattel-Horn-Modells (1967) verstehen, das die menschliche Intelligenz in zwei wichtigsten Komponenten unterteilt: Eine fluide
Komponente
(d.h.
universelle,
biologisch
determinierte
Basisprozesse
der
Informationsverarbeitung), die im Laufe der Jahre eine defizitäre Entwicklung erleidet, und eine kristalline Komponente (d.h. bildungs- und übungsabhängiges faktisches und prozedurales Wissen), die dagegen weitgehend konstant bleibt oder sogar zunehmen kann (vgl. Grotjahn 2003:37). Schließlich wird die oben erwähnte „interventionistische Grundhaltung“ der Gerontologie ein bisschen ausführlicher besprochen, und zwar in Bezug auf die Verbreitung von Modellen des erfolgreichen Alterns durch Initiativen zum lebenslangen Lernen. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang solchen Initiativen und Institutionen gewidmet, die in meiner Provinz (Trento, in der Region Trentino-Südtirol) aktiv sind, beispielsweise der schon erwähnten „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ von Trento („Fondazione 19
Bruno Demarchi“), mit deren Unterstützung ich auch meine kurze empirische Untersuchung im Bereich des Fremdsprachenlernens im höheren Alter durchführen konnte. 2.2.1. Definition. Auch wenn Alter und Altern seit vielen Jahrzehnten Gegenstand des philosophischen Denkens sind (man kann nämlich Behauptungen über die Senilität schon in der Antike finden, u.a. in den Werken von Platon, Aristoteles, Seneca, Cicero, usw. → vgl. Lehr 1991:9-15), ist jedoch die Gerontologie als eigenständige Disziplin relativ jung, wie Berndt behauptet (vgl. Berndt 2003:114). Trotzdem, mit den demographischen Entwicklungen, die seit einigen Jahrzehnten eine allgeimeine Alterung der Bevölkerung signalisieren (vgl. Einführung), gewinnt diese Disziplin zunehmend an Relevanz (vgl. Ebd.). Der Begriff „Gerontologie“ stammt aus dem Altgriechischen γέρων („géron“ = Greis) und λόγος („lógos“ = Lehre)6 und bezieht sich auf die Wissenschaft, deren Forschungsgegenstand das Phänomen des Alterns ist (vgl. Grotjahn 2003:38). Baltes und Baltes (1992), zwei der führenden Gerontopsychologen weltweit, definierten das Konzept wie folgt: "Gerontologie beschäftigt sich mit Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen, sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und Alters, einschließlich der Analyse von altersrelevanten und alterskonstituierenden Umwelten und sozialen Institutionen" (Baltes & Baltes 1992:8).
Wie sich aus dieser Definition verstehen lässt, stellt Altern ein allumfassendes Phänomen dar, das gleichzeitig physische, psychische, soziale
und
kulturelle
Aspekte
miteinbezieht (vgl. Kapitel 2.1.), weshalb
sich
auch
„die
Alternsforschung sehr stark um Interdisziplinarität Integration Bild 8: Der Beitrag von Wissenschaft und Praxis zur Gerontologie. Quelle: Reimann&Reimann (1994). "Das Alter. Einführung in die Gerontologie". Stuttgart: Enke, 1994, S.11.
und
die
unterschiedlicher
Wissenschaftsbereiche
[bemüht]“
(Berndt 2003:114), wie man auch im Bild 8 sehen kann.
Im Bereich des Fremdsprachenlernens und -lehrens für Menschen im höheren Alter ist beispielsweise spezifisch von „Fremdsprachengeragogik“ die Rede, ein Begriff, der von Berndt am Ende der 1990er Jahre eingeführt wurde und sich auf eine ziemlich neue Disziplin bezieht, die sich nach dem numerischen Anwachsen von Fremdsprachenlerner im höheren Alter und
dem
dadurch
offenbar
werdenden
Forschungsdefizit
zum
Thema
als
Fremdsprachenmethodik und -didaktik für Menschen ab ca. 60 Jahren etabliert hat (vgl. Berndt 2007:470). Was aber noch schließlich das Konzept der Gerontologie im Allgemeinen angeht, weist Berndt auf den anwendungsbezogenen Bereich der Disziplin hin, die sogenannte praktische Gerontologie, die „von einer interventionistischen Grundhaltung geprägt ist“, indem sie versucht, Modelle für erfolgreiches Altern zu suchen und zu verbreiten, die den Alternsprozess von seinen teilweise defizitären Effekten entlasten könnten (vgl. Berndt 2003:114). Diese interventionistische Grundhaltung der Gerontologie wird besser im Abschnitt 2.2.3. gezeigt, der der Verbeitung von Modellen des erfolgreichen Alterns durch Initiativen zum lebenslangen Lernen gewidmet ist. 2.2.2. Von dem Defizit-Modell zum Kompetenzmodell des Alterns. Wie Berndt (2001) betont, waren Intelligenz- und Gedächtnistests über Jahrzehnte das Hauptinstrument gerontopsychologischer Forschung, um Altersunterschieden zu erheben (vgl. Berndt
2001:79).
Das
Problem
dabei
war,
dass
solche
Tests
innerhalb
von
Querschnittuntersuchungen (auch „Trasversalstudien“ genannt) durchgeführt wurden, die die Leistungen von Menschen in unterschiedlichem Alter zum gleichen Zeitpunkt messen und so zur Konfundierung von Kohorten- und Alterseffekten führen (vgl. Berndt 2003:117f.). Nach dem sogenannten "Kohorteneffekt" zeigen nämlich die unterschiedlichen Kohorten (d.h. Gruppen von Personen, die einer bestimmten Generation gehören und gemeinsam bestimmte längerfristig prägende Ereignisse erlebt haben) unterschiedliche Ergebnisse in den Intelligenztests auf, weil sie auch unterschiedliche Lernbedingungen gehabt haben: Insbesondere kann man eine große Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der "älteren" Generationen und der „jüngeren“ Generation festellen, die natürlich mehrere Lernchancen zur Verfügung hat (vgl. Berndt 2001:79). Die Tatsache, dass ältere Testpersonen in diesen Querschnittuntersuchungen schlechter als jüngere Probanden abschnitten, führte zur Entstehung des so genannten Defizit-Modells des Alterns, das über Jahrzehnte hin die Altersforschung beherrschte und „von einem generellen und kontinuierlichen Leistungsabbau im Alter ausgeht" (Grotjahn
2003:38).
Der
methodologische 21
Wechsel
von
Querschnitt-
zu
Längschnittuntersuchungen (auch „Longitudinalstudien“ genannt), die eine Kohorte über einen langen Zeitraum zu bestimmten Zeitpunkten untersuchen und so zu einer klaren Trennung von generationsspezifischen Einflüssen auf bestimmte Ergebnisse (z.B. Bildung) und tatsächlichen Alterseffekten führen, hat in wichtigem Maße dazu beigetragen, qualitativ andere Ergebnisse in der Gerontologie zu bringen, „die […] eine neue Sicht auf Alter und Altern nach sich zogen“ (vgl. Berndt 2003:119f.). Wie Berndt behauptet, entwirft die aktuelle Gerontologie im Gegensatz zu den den früheren defizitären Vorstellungen des Alternsprozesses das sogenannte „Kompetenz-Modell“ des Alters, nach dem auch Menschen im höheren Alter in vielen Bereichen ähnlich höhe Leistungen wie junge Personen erbringen können (vgl. Ebd.). Sehr wichtig bei der Einführung dieses Modells war die Idee, dass Altern als ein äußerst heterogener und dynamischer Prozess zu betrachten ist, der sowohl zu einer größeren interindividuellen Variabilität (d.h. Differenzen zwischen einzelnen Individuen) als auch zu einer größeren intraindividuellen Variabilität (d.h. Differenzen innerhalb desselben Individuums) führt (vgl. Berndt 2001:78). Mit dem Alter nimmt nämlich die Individualität einer Person stark zu (vor allem wegen äußeren Faktoren wie genetisch vorprogrammierten Veränderungen, unterschiedliche Lebensumstände oder pathologische Einbrüche), so dass Individuen im selben Alter sehr unterschiedliche Leistungsfähigkeiten zeigen können; was dagegen die intraindividuelle Variabilität angeht, kann man sagen, dass das Altern nicht alle die Funktionen in gleichem Maße betrifft, sondern bereichsspezifisch von Zu- und Abnahmen gekennzeichnet ist (vgl. Ebd.). Dieses Konzept der „bereichsspezifischen Zu- und Abnahmen“ stellt auch eine der theoretischen Leitsätzen der Psychologie der Lebensspanne dar (die von Baltes, deren Hauptvertreter, als „the study of constancy and change in behavior throughout the life course (ontogenesis), from conception to death“ definiert wird - Baltes 1987:611), die ebenso in wichtigem Maße zum Entstehen des Kompetenz-Modells des Alterns beigetragen hat. Eine der wichtigsten Kernannahmen der Psychologie der Lebensspanne (auf English: "life span psychology") ist nämlich die Idee, dass die menschliche Entwicklung nach dem Erreichen des Erwachsenealters nicht zu Ende kommt, wie sich aus diesem Zitat von Baltes et al. (2006) verstehen lässt: "A core assumption of life span psychology is that development is not completed at adulthood (maturity). Rather, ontogenesis extends across the entire life course and lifelong adaptive processes are involved. [...] life span researchers expect each age period of the life span (e.g. infancy, childhood, adolescence, adulthood, old age) to have its own developmental agenda and to make some unique contribution to the organization of the past, present, and future in ontogenetic development." (Baltes et al. 2006:569f.)
22
23
2.2.2.1. Plastizität. Wie Villringer und Pleger (2010) des Max Planck Institutes in Leipzig feststellen, ist „unser Gehirn […] nicht starr wie ein Computer verdrahtet“: Es wird ständig umgebaut und an neue Erfordernisse angepasst, als Reaktion auf Umweltbedingungen (weil wir beispielsweise etwas Neues gelernt haben), oder wenn es sich beispielsweise von einer Schädigung erholen muss (Villringer&Pleger 2010:90). Als Beispiel für diese neuronale Plastizität weisen sie auf eine Studie von Maguire at al. (2000) hin, die bei Londoner Taxifahrern ein vergrößertes für die räumliche Orientierung zuständiges Hirnareal festgestellt haben und so eine mögliche strukturelle Umformung des Gehirns durch Erfahrung hypothisierten. Auch wenn man heute davon ausgeht, dass diese „Plastizität“ in unterschiedlichem Maße über die ganze Lebensspanne vorhanden ist, so dass man auch im Gehirn von Erwachsenen und älteren Erwachsenen eine bestimmte Synaptogenese feststellen kann, war diese These innerhalb der Gehirnforschung nicht immer akzeptiert. Bis zu den späten 1970er Jahren wurde nämlich davon ausgegangen, dass kortikale
Reorganisation
nur
in
kritischen
pränatalen
und
früh-postnatalen
Entwicklungsperioden stattfinden konnte, was außerdem dadurch bestätigt wurde, dass posttraumatische neuronale Defizite in Erwachsenen mehr oder weniger permanent waren (vgl. Purves et al. 2004:599). Wie Berndt betont, wurde „die Plastizität-Hypothese hauptsächlich durch
Studien
zur
Intelligenzveränderung
bei
älteren
Menschen
nach
kognitiven
Trainingseinheiten“ gestützt, deren Ergebnisse zur Annahme einer Aufrechterhaltung der geistigen Plastizität führten (Berndt 2003:120f.). Die zentrale Forschungshypothese dieser Studien, die vor allem am Anfang der 1970er Jahre stattfanden und als Ziel die Überprüfung einer möglichen Steigerung der fluiden Komponente der Intelligenz durch gezieltes Training hatten, bestand darin, dass ältere Menschen durchschnittlich relativ wenig Erfahrung und tägliche Praxis im Bereich der fluiden Intelligenz haben, obwohl sie eine „Reserve“ („the latent competence“) besitzen, das Leistungsniveau jüngerer Erwachsenen zu erreichen (vgl. Baltes 1987:618). In diesen Studien, so wie auch in späteren Untersuchungen über andere kognitive Funktionen (u.a. Denney 1984; Labouvie-Vief 1985; Willis 1985), haben zahlreiche Probanden im höheren Alter (im Alter von ca. 60-80 Jahren) nach einem relativ kurzen kognitiven Trainingsprogramm ein Leistungsniveau erreicht, das mit dem untrainierter jüngeren Erwachsenen vergleichbar war, was zur Bestätigung einer lebenslangen Plastizität in wichtigem Maße beigetragen hat (vgl. Ebd.). Allerdings muss man auch sagen, dass das Konzept der Plastizität
mehrmals
überschätzt
und
missverstanden
wird,
vor
allem
auf
einer
populärwissenschaftlichen Ebene und mit gewinnorientierten Zwecken. Wie Berndt in Bezug 24
auf Baltes behauptet, „zeigt sich [nämlich] beim Austesten der Leistungsgrenzen (testing-thelimits), dass die Kapazität älterer Menschen im Vergleich zu Jüngeren wesentlich geringer bleibt“ (Berndt 2003:120f.), was also einen alternsbezogenen Abfall in den Maximalleistungen annehmen lässt. Obwohl sie bestimmte Grenzen aufzeigt, stellt jedoch die neuronale Plasizität ein wichtiges Konzept innerhalb der Gerontologie und der Psychologie der Lebensspanne dar, indem sie in wichtigem Maße zu einer nicht unbedigt defizitären Vision des Alterungsprozesses beiträgt (vgl. Kompetenzmodell des Alterns) und eine positive und aktive Haltung auch im höheren Alter unterstützen kann (vgl. erfolgreiches Altern). 2.2.2.2. Optimierung durch Selektion und Kompensation (SOK). Wie Lindenberger und Schaefer (2008) behaupten, entstand „[d]as Modell der selektiven Optimierung mit Kompensation
(SOK)
[...]
vorwiegend im Kontext theoretischer
Überlegungen zur erfolgreichen Entwicklung im Erwachsenenalter“ (Lindenberger&Schaefer 2008:370), und zwar mit den Forschungen der früher erwähnten Gerontopsychologen Paul Baltes und Margret Baltes (1980, 1990). Nach diesem Modell kann erfolgreiche Entwicklung im Alter, die als „Maximierung der Gewinne und Minimierung der Verluste“ (Ebd.) definiert werden könnte, durch das Zusammenspiel von drei wichtigen Prozessen hervorgebracht werden: Selektion, Optimierung und Kompensation: ■ Selektion: die Auswahl von Funktionsbereichen, auf die sich die zu jedem Zeitpunkt der Lebensspanne begrenzten Ressourcen konzentrieren; sie ermöglicht Spezialisierung. ■ Optimierung: dient der Produktion von Entwicklungsgewinnen und bezieht sich auf den Erwerb, die Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen zum Erreichen von Entwicklungszielen. ■ Kompensation: dient der Aufrechterhaltung des Funktionsniveaus bei Verlusten und bezeichnet somit den Erwerb, die Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen, die diesen Verlusten entgegenwirken. (Baltes 1997, zitiert in Lindenberger&Schaefer 2008:370) Wie aus dem Bild 10 hervorgeht, entwickelt sich das SOK-Modell in drei Phasen: Von einer Reihe von Vorbedingungen (u.a. Entwicklung und Altern als Prozess der selektiven Adaption
25
und Spezialisierung, Verslust an biologischen Entwicklungs- und Kapazitätsreserven, altersbedingte Veränderungen der Plastizität, usw.) kommt man durch die obenbeschriebenen Mechanismen der Selektion, Optimierung und Kompensation (SOK) zu bestimmten Ergebnissen (u.a. Maximierung der Gewinne und Minimierung der Verluste, Beibehaltung der Funktionen, erfolgreiches Erreichen bestimmter Ziele, usw.) (vgl. Martin et al. 2015:18).
Bild 10: Das Modell der Selektiven Optimierung durch Kompensation nach Baltes&Baltes (1990). Quelle: Baltes, P. B., Lindenberger, U., Staudinger, U. M. (1998): „Life-span theory in developmental psychology“. In: Lerner, R. M. (ed.): Handbook of Child Psychology: Theoretical Models of Human Development, 5th ed., Wiley, New York, Vol. 1, S.1055 (bearbeitet).
Wie Lindenberger und Schaefer betonen, handelt es sich beim SOK-Modell um eine allgemeine Entwicklungtheorie, „die sich auf unterschiedliche Funktionen (z.B. Kognition und Persönlichkeit) sowie auf verschiedenen Analyseebenen (z.B. Ontogenese und Lernen) anwenden lässt“ (Lindenberger&Schaefer 2008:370). In den Kapiteln 2.3.4. und 4.7., die sich mit einigen allgemeinen Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter beschäftigen und somit auch einige fremdsprachengeragogischen Schlussfolgerungen ziehen lassen, wird beispielsweise ausführlich gezeigt, wie sich das SOK-Modell spezifisch auf das Fremdsprachenlernen im höheren Alter anwenden lässt.
26
2.2.2.3. Das Konzept des „kognitiven Trainings“. Im Abschnitt 2.2.2.1, der sich zusammenfassend mit dem Konzept der neuronalen Plastizität beschäftigt, ist auch indirekt der Begriff des „kognitiven Trainings“ eingeführt worden, und zwar im Bezug auf den Studien mit Menschen im höheren Alter, bei denen man nach spezifischen Trainingseinheiten eine Veränderung der Intelligenz (und zwar der fluiden Intelligenz) feststellen konnte. Das Konzept des „kognitiven Trainings“ stellt seit einigen Jahrzehnten eines der Hauptinteressen in der kognitions- und neurowissenschaftlichen Forschung dar. Seine Kernvoraussetzung besteht aus der Idee, dass kognitive Funktionen auch im höheren Alter verbessert werden können, oder, mit anderen Wörtern, dass das menschliche Gehirn über eine lebenslange Plastizität verfügt: So wie man beim physischen Training eine Verbesserung der physischen Fähigkeiten feststellen kann, kann man beim kognitiven Training eine Verbesserung der kognitiven und geistigen Fähigkeiten feststellen (vgl. Kueider et al. 2014:2). Kueider et al. (2014) schlagen die folgende Definition von „kognitivem Training“ vor: „Cognitive training uses guided practice on a set of tasks related to memory, attention, or other brain functions. This training can take many shapes. For instance, it can be conducted on the computer or delivered in person, either individually or in small groups. But it typically involves using repetitive exercises designed to improve single (e.g., memory) or multiple (e.g., memory and reasoning) cognitive abilities.“ (Ebd.)
Um wirklich erfolgreich und wirksam zu sein, sollte ein kognitives-Training-Programm kontinuierlich durchgeführt werden, gleichzeitig mehrere kognitive Strategien beinhalten (z.B. die Verwendung von Bildern um Gedächtnis und Wiederholung zu erleichtern) und, je nach Verbesserung der Leistungen, immer anspruchsvoller werden (vgl. Ebd.). Wie sich aus der Definition oben verstehen lässt, gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem SOKModell und dem Konzept des kognitiven Trainings: Während bei dem Ersten eine Selektion der Stärken stattfindet, die dann zum Ersatz und Kompensation bestimmter Defiziten dienen sollten, wird es im zweiten Fall versucht, genau die am meisten defizitären Bereichen zu trainieren, um so durch kontinuierliche und progressive Übung zu einer Leistungsverbesserung zu kommen. Was den Erfolg solcher Programmen zum kognitiven Training im höheren Alter angeht, kann man sagen, dass die Ergebnisse irgendwie widersprüchlich sind. Was beispielsweise den Vergleich von jüngeren and älteren Probanden bezüglich der Trainierbarkeit von kognitiven Fähigkeiten angeht, weist Berndt einerseits auf positive Ergebnisse von Studien zum NovizenExperten-Vergleich hin, nach denen kognitives Training im Alter im Allgemeinen erfolgreich wäre, anderseits aber auch auf schon besprochenen „testing-the-limits“-Studien, die dagegen die 27
Unterlegenheit älterer Probanden bei Maximalleistungen beweisen (vgl. Berndt 2003:135). Obwohl es also keinen Beweis gibt, dass man durch kognitives Training seine/ihre kognitive Leistungsfähigkeiten
(beispielsweise
vor
pathologischen
altersbedingten
kognitiven
Entwicklungen) bewahren kann, kann man sicher annehmen, dass die Teilnahme an geistig anregenden Aktivitäten – wie beispielsweise beim Lernen der Fall ist – mit einer größeren „kognitiven Reserve“ verbunden ist. Über das Konzept der kognitiven Reserve wird aber besser im Kapitel 2.4.3 eingegangen, in dem es gezeigt wird, wie das lebenslange Multilingualismus in wichtigem Maße zur kognitiven Reserve beitragen kann. Im nächsten Abschnitt wird dagegen gezeigt, wie das Modell des erfolgreichen Alterns durch Initiativen zum lebenslangen Lernen verbreitet wird. 2.2.3. Die Verbreitung von Modellen des erfolgreichen Alterns durch Initiativen zum lebenslangen Lernen. Wie schon mehrmals in den vorherigen Abschnitten betont worden ist, zielen die Psychologie der Lebensspanne und die praktische Gerontologie auf die Verbreitung eines positiven Bildes des Alterns, der mit Schlagwörtern wie „Kompetenzmodell des Alterns“ oder „erfolgreiches Altern“ zusammengefasst werden könnte. Was die konkreten Verbreitungswege dieser positiven Modelle (u.a. durch Medien, Konferenzen mit Experten, Informationsmaterialien, usw.) angeht, könnte man sagen, dass Initiativen zum lebenslangen Lernen heutzutage eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang spielen. Wie Edlinger behauptet, ist „[l]ebenslanges Lernen [...] ein Schlagwort unserer Gesellschaft geworden und wurde von der Europäischen Union als Leitprinzip einer modernen europäischen Wissensgesellschaft definiert“ (Edlinger 2013:24). Berndt (2012) definiert es
als ein „konzeptueller Rahmen“, der auf inklusiven,
emanzipatorischen, humanistischen und demokratischen Werten beruht, die gesamte Lebensspanne umfasst und formales, nicht formales und informelles Lernen einschließt (vgl. Berndt 2012:12). Das Ziel von Initiativen zum lebenslangen Lernen besteht darin, Bildung in allen den Lebensphasen zu fördern, um so allen den Individuen eine persönliche Weiterentwicklung, eine Erhaltung bzw. Aktualisierung der Alltagskompetenzen, so wie eine egalitäre Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen (vgl. Ebd., S.11). Was die allgemeinen positiven Wirkungen des lebenslangen Lernens angeht, könnte man sagen, dass das Lernen – im Sinne eines allmählichen Aufbaus neuer Synapsen – als eine wichtige geistige Tätigkeit angesehen werden könnte, die zur sogenannten „kognitiven Reserve“ des Individuums beiträgt (vgl. Kapitel 2.4.3), was außerdem auch von Edlinger bestätigt wird, die auf einen positiven 28
Einfluss der Bildung auf Lebensdauer und auf Gesundheit im Alter hinweist (vgl. Ebd., S.35). Obwohl das Konzept des lebenslangen Lernens auf so viele positive Ideen schließen lässt, ist es auch mehrmals kritisiert worden, vor allem in Bezug auf die Weise, wie es interpretiert und in die Praxis umgesetzt worden ist. Während Edlinger beispielsweise Kollands Kritik (2005) erwähnt, dass „lebenslanges Lernen nach wie vor vielfach als berufliche Weiterbildung verstanden wird“ (vgl. Edlinger 2013:25), weist Berndt auf die Kritik des Philosophen Liessmann hin, der die Knappheit an Inhalten in der Wissensübermittlung und die simulierte Bereitschaft zur lebenslangen Bildung wie folgt kritisiert: „Ständiges Lernen wird zu einer Notwendigkeit, genauer zu einem Zwang, aber niemand weiß genau, wozu genau gelernt werden soll“ (Liessmann 2006, zitiert in Berndt 2012:13). Außerdem kritisiert er auch die allgemeine Tendenz zur „Sloganisierung“ didaktischer Konzepte vonseiten der Institutionen, der Politik, der Wirtschaft, usw. (vgl. Ebd.). Abgesehen von diesen Kritiken, kann man jedoch einen allgemeinen Enthusiasmus in Bezug auf Initiativen zum lebenslangen Lernen feststellen, die insbesondere in den letzten Jahrzehnten auf institutioneller Ebene stark gefördert worden sind. Im Bereich des Fremdsprachenlernens ist beispielsweise schon auf das europäische „Aktionsplan für das Sprachenlernen und die Sprachvielfalt“ (2003) hingewiesen worden (vgl. Einführung), dessen Ziel es ist, das Fremdsprachenlernen in allen den Lebensphasen zu fördern, d.h. nicht nur während der Kindheit oder Jugend, sondern auch im frühen und späten Erwachsenenalter. Was dagegen die konkreten Initiativen und Insitutionen angeht, die das lebenslange Lernen direkt fördern, und so auch das Fremdsprachenlernen im höheren Alter (u.a. mit der Organisierung von Kursen, usw.), könnten beispielsweise im italienischen Kontext die sogenannten „Universitäten des Dritten Alters“ („Università della Terza Età”) erwähnt werden,
die
eine
ähnliche
Rolle
wie
die
„Volkshochschulen“ in Deutschland spielen. Wie ich in der Einfühung schon erwähnt habe, habe ich meine empirische Studie (vgl. Kapitel 4) gerade bei einer dieser Universitäten durchgeführt, und zwar bei der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ in Trient. Die 1979 gegründete
Bild 11: Der Sitzt der „Universität des
„Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ von Dritten Alters und der Freien Zeit“, auf Trento, die als einen Bezugspunkt für das lebenslange dem Santa Maggiore Platz in Trient. Lernen und für Erwachsenen- und Weiterbildung konzipiert Quelle:http://www.fdemarchi.it/ita/Utetd 29
wurde, zählt heute, dank der erheblichen Unterstützung vonseiten der Autonomen Provinz Trient und der verschiedenen Gemeideverwaltungen, insgesamt 78 Sitze (vgl. Bild 12) in der gesamten Provinz, die von mehr als 6500 Studenten (1600 nur in Trient) besucht werden 7. Obwohl man sich schon ab einem Alter von 35 Jahren einschreiben kann, beträgt das Durchschnittsalter der Studenten ungefähr 65 Jahre. Im Allgemeinen lässt sich einen erheblichen Frauenanteil (80%) beobachten. Wie aus dem „kulturellen Projekt“ der Universität hervorgeht, wird die Person in den Mittelpunkt des reichen kulturellen Angebots gestellt, das mehr als 800 Kursen und Aktivitäten enthält, die in fünf wichtigsten „Lernwege“ unterteilt worden sind: 1.
Die Person: Körper, Geist und Beziehungen.
2.
Die Person: Sprachen, Bilder und Zeichen.
3.
Die Person: Denken, kollektives Gedächtnis, Kultur und Glauben.
4.
Die Person: Das Wörterbuch der Bürgerschaft.
5.
Die Person: Umwelt, Technologie und Wissenschaft.
Die Fremdsprachenkurse und -aktivitäten (u.a. Konversation in der Fremdsprache, Filme, usw.) werden innerhalb des zweiten „Lernwegs“ angeboten. Man kann unter drei Fremdsprachen (Englisch, Deutsch und Spanisch) und vier verschiedenen Niveaus wählen. Weitere Informationen (vor allem im Bezug auf den Deutschkurs) werden im Kapitel 4 bereitgestellt.
Bild 12: Die Sitze der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ in der Provinz Trient. Quelle: "La vita è sempre in avanti: periodico annuale di informazione, aggiornamento, cultura dell'UTETD”, Nr.2, August 2016. 7 Fondazione Franco Demarchi: „Università della Terza Età e del Tempo Disponibile (UTETD): Il progetto culturale“. URL: http://www.fdemarchi.it/ita/Utetd/Progetto-culturale (Letzter Zugriff am 19.12.2016).
30
2.3. Der Faktor Alter und das Fremdsprachenlernen. In den vorherigen Kapiteln ist der Einfluss des Faktors Alter vor allem aus biologischer Sicht diskutiert worden, und zwar in Bezug auf die relevantesten physischen, sensorischen und psychomotorischen
altersbedingten
Veränderungen
(u.a.
Schrumpfung
des
Gehirns,
Reduzierung des Seh- und Hörvermögens, Verlängerung der Reaktionszeiten, usw.) und auf Veränderungen der Kognition (u.a. defizitäre Entwicklungen bestimmter Gedächtnis- und Intelligenzkomponenten, usw.). Es ist auch gezeigt worden, dass „Alter“ als der Forschungsgegenstand der Gerontologie anzusehen ist, deren wichtigsten Ziel es ist, Modelle des erfolgreichen Alterns zu theorisieren und zu verbreiten. Alle diese biologische altersbedingte Entwicklungen, wie im Folgenden gezeigt wird, können natürlich einen negativen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen im höheren Alter haben: Hierzu schreitet die so genannte "Fremdsprachengeragogik“ ein, deren Hauptziel es ist, durch Strategien und Prozesse (wie beispielsweise das schon besprochene Modell der Optimierung durch Selektion und Kompensation) Barrieren im Fremdsprachenlernen im höheren Alter abzubauen und das Lernen so angenehm und erfolgreich wie möglich zu gestalten. Im vorliegenden Kapitel wird es also spezifisch auf den Einfluss des Faktors „Alter“ auf das Fremdsprachenlernen eingegangen: Wie Berndt betont, ist nämlich „[d]as Alter eines Fremdsprachenlerners […] einer der Faktoren, von denen die Wissenschaft annimmt, dass sie Prozess und Ergebnis des Sprachenlernens wesentlich beeinflussen“ (Berndt 2001:77). In erster Linie wird es versucht, einige falsche Mythen und Volksweisheiten zu zeigen und abzubauen, die man leider oft auch in den Argumenten von Politikern, Lehrern, Pädagogen, usw. finden kann (vgl. Einführung und Abschnitt 2.3.1). Es wird außerdem gezeigt, wie auch die Linguistik ab Ende der 1960er Jahre mit ihrer „Critical Period Hypothesis“ (CPH) in wichtigem Maße dazu beigetragen hat, die Idee zu nähren und zu verbreiten, dass nach einem bestimmten Alter („kritische Phase“) es unmöglich ist, eine Fremdsprache korrekt und ohne Probleme zu erlernen. In diesem Zusammenhang wird zusammenfassend die Entwicklung der „Critical Period Hypothesis“ im Laufe der Jahre illustriert, ab ihrer Einführung vonseiten Lennebergs (1967) bis heute, und es wird gezeigt, wie es z.Z. lieber auf „Differenzen“ (als auf „Grenzen“) innerhalb des Fremdsprachenlernens
in
unterschiedlichen
Lebensphasen
hingewiesen
wird,
indem
unterschiedliche Parameter zum Vergleich jüngerer und älterer Lerner betrachtet werden (u.a. Sprachkompetenzen: BICS vs. CALP; Erwerbtyp: gesteuerter vs. ungesteuerter Erwerb; Möglichkeit, ein native-like Niveau zu erreichen, ultimate attainment, usw.). Meiner Meining nach sind theoretische Modelle, die ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren (gemeinsam 31
mit Reifungsprozessen) postulieren (u.a. Flege 1987), viel wirksamer und geeigneter als „Critical Period“-Ansätzen, indem sie auch besser die steigende interindividuelle Variaz im Alter erklären können. Ausgehend von den bisher behandelten Themen (u.a. biologische Veränderungen im Alter, Unterschiede beim Fremdsprachenlernen zwischen verschiedenen Altersgruppen, usw.) wird es schließlich versucht, ein sehr allgemeines Bild der typischen Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter zu skizzieren und, in Bezug auf Berndt, einige fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere wird gezeigt, wie sich das Modell der Optimierung durch Selektion und Kompensation (SOK) sehr gut auf das Fremdsprachenlernen im höheren Alter anwenden lässt, um bestimmte Defizite zu kompensieren. Es ist wichtig, zu betonen, dass dieser Kapitel ausschließlich den Effekten des Faktors Alter auf das Fremdsprachenlernen gewidmet ist. Wie im Folgenden gezeigt wird, stellt nämlich das „Alter“ nur eine der zahlreichen Variablen dar, die das Fremdsprachenlernen beeinflussen können (u.a. Motivation, Einstellungen, Lernstrategien, usw. → vgl. Kapitel 3). Um einen allgemeinen Bild über die verschiedenen individuellen Faktoren bei dem Fremdsprachenlerner im höheren Alter zu erhalten, wird auf die Ergebnisse der empirischen Untersuchung im Kapitel 4 hingewiesen. 2.3.1. Falsche Mythen und Stereotype. Wie Edlinger behauptet, „[herrscht] in der Bevölkerung […] vielfach die Meinung vor, dass Sprachen Lernen nur in jungen Jahren erfolgreich gemeistert werden kann" (Edlinger 2013:8). Im Bezug auf das Verhältnis zwischen Alter und Fremdsprachenlernen weist Grotjahn auf zahlreiche Stereotype und Volksweisheiten hin (vgl. Grotjahn 2003:32), die zu einer bestimmten sozialen Konstruktion des Fremdsprachenlernens im Alter geführt haben, u.a. : 1. "Sehr junge Kinder können eine Sprache schnell und mühelos erwerben." 2. "Ältere Erwachsene können im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen nur noch sehr eingeschränkt eine Sprache erlernen." 3. "Was man als Kind nicht gelernt hat, kann man als Erwachsener häufig nicht mehr lernen (Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“)." 4. "Es gibt eine kritische Phase ("critical period"), nach deren Abschluss sowohl die Muttersprache als auch weitere Sprachen nicht mehr perfekt erlernt werden können." Diese Volksweisheiten können natürlich eine Barriere für das Fremdsprachenlernen darstellen, indem sie einen großen Einfluss auf die Sprachlernerfahrungen und -Erwartungen von
32
Fremdsprachenlernern im höheren Alter haben können (vgl. Edlinger 2013:61), beispielsweise über Selbstattribuierungen (z.B. "Ich bin schon ... Jahre alt, d.h. ich kann sowieso eine Fremdsprache nicht mehr gut erlernen!"). Wie Grotjahn behauptet, findet man leider diese Mythen
und
Stereotype
auch
in
vielen
fremdsprachenpolitischen
und
fremdsprachendidaktischen Argumenten von Politikern, Lehrern, Pädagogen, Eltern, usw. (vgl. Grotjahn 2003:32). Als Beweis dafür könnte die aktuelle intensive Förderung des Fremdsprachenfrühbeginns vonseiten der Institutionen erwähnt werden, die zu einem wirklichen „Boom“ von Initiativen wie Fremdsprachenkurse im Kindergarten, bilinguale Spielgruppen, usw.
und
gleichzeitig,
abgesehen
von
einigen Ausnahmen,
zu
einer
allgemeinen
Vernachlässigung des Fremdsprachenlernens im höheren Alter führt (vgl. Edlinger 2013:58). 2.3.2. Critical Period Hypothesis (CPH). Die Existenz einer "kritischen Phase" für den Spracherwerb ist eine der wichtigsten Fragestellungen des Forschungsgebiets, das den Zusammenhang zwischen Alter und Spracherwerb erforscht. Die sogenannte "Critical Period Hypothesis" wurde ursprünglich in der neurolinguistischen Literatur von Penfield und Roberts (1959) vorgeschlagen und später von Lenneberg (1967) aufgenommen, entwickelt, und mit seinem Werk „The Biological Foundation of Language“ in die Linguistik eingeführt (vgl. Hakuta et al. 2003:31). Lenneberg ging von Sprache als biologische Funktion aus und postulierte, dass dieser, so wie anderen Funktionen, Reifungsprozesse unterliegen. Nach ihm kann nämlich die Sprache nur in einer bestimmten "kritischen Phase" erworben werden, d.h. in einem geschlossenen Zeitfenster, das ungefähr von dem 2. Lebensjahr bis zur vollkommenen Lateralisierung der Sprachfunktionen in der linken Gehirnhemisphäre (nach Lenneberg, gegen 10-15 Jahren) dauert (vgl. Edlinger 2013:79; Singleton&Ryan 2004:33). Der Begriff "kritisch" bezieht sich auf die Tatsache, dass man nach dieser Altersgrenze nicht mehr seine Erstsprache(n) erlernen könnte (vgl. Patkowski 1980:449). Als empirischer Beweis für diese Annahme hat die Linguistik oft die sogenannten Wolfskinder angeführt, d.h. Kinder, die aus verschiedenen Gründen (z.B. Opfer von Gewalt, Brutalität, Verlassen, usw.) in extreme Isolation und ohne sprachlichen Input die ersten Jahre ihres Lebens verbracht und so nie mehr eine Sprache erworben haben, so wie Beispiele von Aphasikern, die ihre Sprachfähigkeit nicht mehr wiedergewinnen konnten, falls die Hirnbeschädigung post-pubertär war (vgl. Ioup et al. 1994:74; Singleton&Ryan 2004:46). Es ist wichtig zu betonen, dass die „kritische Phase nach Lenneberg“ sowohl für den Erstspracherwerb als auch für den Zweit- oder Fremdsprachenerwerb gilt. Wie Grosjean und Li betonen, fand die 33
Critical Period Hypothesis (von jetzt an: CPH) von Anfang an eine große Resonanz, vor allem dank ihrer scheinbaren Unkompliziertheit und ihrer Übereinstimmung mit gängigen Volksweisheiten (nach denen Kinder bessere Sprachenlerner als Erwachsene sind), so wie mit nativistischen Auffassungen der Sprache (vgl. Grosjean&Li 2013:146). Viele Forscher haben jedoch ab den 1980er Jahren angefangen, die Anwendbarkeit der CPH auf den Zweit- und Fremdspracherwerb in Frage zu stellen und, durch den Vergleich der Leistungen von Kindern und Erwachsenen in Bezug auf die Lerngeschwindigkeit (learning speed) und das erreichbare Endstand (ultimate attainment) sind sie zu bestimmten Gegenbeweisen gekommen: Snow&Hoefnagel-Höhle (1978), zum Beispiel, sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ältere Kinder (im Alter von ca. 12-15 Jahren) im Vergleich zu jüngeren Kindern (im den Altersstufen: 3-5; 6-7; 8-10) ein schnelleres Lerntempo aufzeigen (vgl. Ebd., S.147). Als weiterer Beweis gegen die CPH wurde die Feststellung angeführt, dass Lateralisierung sehr früh, weit früher als Lenneberg annahm, stattfindet (vgl. Ebd.). Als Folge davon wurde der Begriff "sensitive period" ("sensible Phase") vorgeschlagen, der wie folgt definiert werden kann: "The term sensitive period has been proposed as a means of indicating that the critical period is not an abrupt or absolute criterion after which L2 acquisition is impossible but rather a gradual process within which the ultimate level of L2 attainment becomes variable. Within this framework reasearchers have proposed the maturational state hypothesis (Long 1990), which predicts that not only will there be differences between children and adults acquiring L2, but also children learning L2 will find their task easier than adults." (Ioup et al. 1994:74)
Unter den Anhängern dieser Maturational State Hypothesis gehören auch die Linguistinnen Jacqueline Johnson und Elissa Newport, die Autorinnen einer relevanten Studie über die „Critical Period“-Effekten auf den Zweitspracherwerb. Johnson&Newport (1989) haben eine Gruppe von 46 Koreanern und Chinesen in Bezug auf eine Vielfalt grammatischer Strukturen des Englischen untersucht, die mit unterschiedlichem Alter (3 bis 39 Jahren) in den USA eingewandert waren. Die Ergebnisse der verschiedenen Tests zeigten einen deutlichen Vorteil der jüngeren Einwanderer, im Vergleich zu denen, die mit einem höheren Alter eingewandert waren (vgl. Johnson&Newport 1989:80f.). Vor der Pubertät (bis einem Alter von ca. 15 Jahren) waren die Testleitungen generell höher und eng mit dem Einwanderungsalter verbunden: Je früher die Zweit- oder Fremdsprache gelernt wurde, desto höher war auch die Performanz in derselben Sprache (vgl. Ebd.). Nach der Pubertät waren sie niedriger, sehr uneinheitlich und unabhängiger von dem Einwanderungsalter: Wie die Autorinnen der Studie berichten, kann man
34
nämlich bei Erwachsenen (>16 Jahre) eine größere interindividuelle Varianz feststellen, so dass bestimmte Lerner sehr gut in den Tests abschneiden, während Andere sehr schlecht (vgl. Bild 13):
Bild 13: Grafik der Testleistungen im Bezug auf den Einwanderungsalter für Subjekte die vor vs. nach der Pubertät in den USA eingewandert sind. Quelle: Johnson&Newport 1989:80.
Die festgestellte interindividuelle Unterschiede könnten mit einer Reihe von kognitiven, psychologischen-affektiven und sozio-kulturellen Faktoren (u.a. Bildungsniveau) erklärt werden (vgl. Grosjean&Li 2003:148). Dieses zweite Ergebnis der Studie von Johnson&Newport ist besonders deswegen wichtig, weil es indirekt auf eine andere wichtige Theorie im Bereich möglicher kritischen oder sensitiven Perioden für das Fremdsprachenerwerb hinweisen könnte: Ich beziehe mich spezifisch auf Flege (1987), der die Hypothese einer zeitlich fixierbaren und biologisch basierten "kritischen Phase" beim L2-Lernen in wichtigem Maße ausschließt und lieber ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren (z.B. Qualität und Quantität des Inputs, Motivation, affektive und soziale Faktoren, usw.), gemeinsam mit Reifungsprozessen, annimmt, bei denen nicht der Einfluss eines einzigen Faktors herausgefiltert werden kann (vgl. Edlinger 2013:82). Seine These steht also im Einklang auch mit dem theoretischen Ansatz vorliegender Arbeit (vgl. Einführung). Was die rein "kognitiven“ Begründungen von möglichen "kritischen" oder "sensitiven" Phasen für das Zweit- oder Fremdspracherwerb angeht, so wie von Differenzen zwischen Kindern und Erwachsenen beim Sprachenlernen (vgl. Abschnitt 2.3.3), weist Grotjahn u.a. auf wichtige neurolinguistische Reifungsprozesse und Veränderungen in den kognitiven Verarbeitungsprozessen hin. Beispielsweise kann man bestimmte „Critical Period“-Effekte in Bezug auf den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Sprachen ("crosslinguistic influence“) feststellen: Je etablierter die Kenntnisse und Fähigkeiten in der Erstsprache werden, desto stabiler werden auch die dafür verantwortlichen neuronalen Verbindungen (vgl. 35
Grotjahn 2003:34; Grosjean&Li 2003:150). In diesem Fall spricht man von einer "Modularisierung" der sprachlichen Funktionen („Entrenchment“), die auf neurologischer Ebene zu einer fester kortikalen Repräsentationsstruktur der Erstsprache (L1) führt, die folglich zunehmend resistent gegen neues Input oder neue Daten wird (vgl. Ebd.). In diesem Sinne könnte also der Erstspracherwerb als ein ontogenetisches Hindernis für den Fremdspracherwerb betrachtet werden. Entrenchment wird außerdem von altersbedingten Veränderungen der neuronalen Plastizität begleitet, insbesondere der sensomotorischen Integration, so dass hochflexible neuronale Systeme zur Entwicklung komplexer artikulationsmotorischen Handlungen und zur Sequenzverarbeitung nach einem bestimmten Alter nicht mehr verfügbar sind (vgl. Grosjean&Li 2003:150). Nach Grotjahn ist jedoch das Argument einer generellen Abnahme der Plastizität nur sehr eingeschränkt gültig: Wie schon nämlich im Kapitel 2.2.2.1 gezeigt worden ist, können „neue, für das Lernen wichtige neuronale Strukturen“ immer "über eine Stimulierung durch geeignete Reize [oder Training] aufgebaut werden“ (Grotjahn 2003:34), indem es gezeigt worden ist, dass die neuronale Plastizität in unterschiedlichem Maße über die ganze Lebensspanne vorhanden ist. Was die schon erwähnten Veränderungen in den kognitiven Verarbeitungsprozessen angeht, weist Grotjahn auf die sogenannte „Less is more Hypothesis“ von Johnson&Newport (1989) hin, die besagt, dass die weniger entwickelten kognitiven Fähigkeiten bei Kindern zu bestimmten Lernvorteilen führen können: Während junge
Lernende
aufgrund
altersspezifischer
Beschränkungen
in
ihrer
Sprachverarbeitungskapazität nämlich dazu neigen, den sprachlichen Input fokussierter zu verarbeiten und schrittweise und implizit zu lernen, neigen Erwachsene aufgrund formaler operativen Fähigkeiten dazu, auf explizite Weise zu lernen und analytisches Verfahren zu verwenden, wenn es um komplexe Aspekte der Sprache geht (vgl. Ebd.). Es wird oft argumentiert, dass genau dieses „implizite Lernen“ einfacher zum Erreichen eines muttersprachlichen Kompetenzniveaus führen kann (vgl. Ebd.), auch wenn im Folgenden gezeigt wird, dass es nicht immer der Fall ist. Natürlich spielen auch die schon behandelten sensorischen und psychomotorischen Veränderungen (vgl. Kapitel 2.1) eine sehr wichtige Rolle: Über diese wird noch einmal am Ende des Kapitels eingegangen, und zwar aus fremdsprachengeragogischer Perspektive. In Bezug auf dem Konzept der „Maturational State Hypothesis“ ist in diesem Abschnitt auch die Existenz bestimmter Unterschiede beim Zweitoder
Fremdspracherwerb
zwischen
Kindern
und
Erwachsenen
in
unterschiedlichen
Lebensphasen erwähnt worden: Über einige dieser Unterschiede wird zusammenfassend im nächsten Abschnitt eingegangen. 36
2.3.3. Unterschiede beim Fremdsprachenlernen in verschiedenen Lebensphasen. Wenn man sich mit den Unterschieden beim Fremdsprachenlernen in verschiedenen Lebensphasen (u.a. Kindheit, Jugend, frühes Erwachsenealter, Erwachsenealter, spätes Erwachsenealter) beschäftigen möchte, ist es nach Grotjahn und Schlak in erster Linie wichtig, einige Grundkonzepte zu präzisieren, und zwar: Die Altersstufen, auf welche sich die verschiedenen Studien beziehen. Angaben wie "Kinder" oder "Erwachsene" sind nämlich nach ihnen viel zu ungenau. Nach Grotjahn gilt ein Lerner als erwachsen, "wenn er den Anfang der Pubertät, d.h. ein Alter von ca. 10-15 Jahren, erreicht hat" (Grotjahn 2003:32). Womit sich die Untersuchungen beschäftigen: mit dem erreichten/erreichbaren Sprachstand, mit der Geschwindigkeit des Erwerbs oder mit den Lern- und Verarbeitungsprozessen? Und was genau gemeint ist: die Kompetenz oder die Performanz? Den Kontext, in dem der Spracherwerb passiert: findet das Lernen unter unterrichtlichen oder außerunterrichtlichen Bedingungen statt? (vgl. Grotjahn&Schlak 2010:2) Im Folgenden werden einige der wichtigsten empirischen Befunde in Bezug auf die obergenannten Kriterien erläutert, die die Unterschiede im Fremdsprachenlernen zwischen Kindern und Erwachsenen zeigen. Spracherwerb im Kindesalter. Unter normalen Bedingungen gelangen Kinder zur perfekten Beherrschung ihrer Erstsprache(n) (vgl. Dimroth&Haberzettl 2008:227). Wenn genug Sprachkontakt/Input gegeben ist, können sie auch eine zweite (dritte, vierte, usw.) Sprache bis zur Perfektion lernen und muttersprachliche Kompetenzen in der L2 erreichen, was bei erwachsenen Lernern nur selten passiert (vgl. Ebd.). Diese empirische Beobachtung hat zur Formulierung des weit akzeptierten Slogans "the younger – the better" geführt, nach dem der L2-Erwerb umso erfolgreicher verläuft, je größer die zeitliche Nähe zum L1-Erwerb ist, so dass jüngere Kinder "bessere" Fremdsprachenlerner als ältere Kinder und Erwachsene wären (vgl. Ebd.). Wie aber Grotjahn und Schlak behaupten, ist der Spracherwerb im Kindesalter viel langsamer und mühevoller als oft gedacht wird, was für den Erstsprachenerwerb ebenso wie für den Zweitsprachenerwerb gilt (vgl. Grotjahn&Schlak 37
2010:4). Als Beweis für diese Annahme könnte u.a. eine interessante Studie von Dimroth und Haberzettl (2008) erwähnt werden, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass jüngere L1-Lerner (im Alter: 1;5 - 2;4) das Präsensparadigma regelmäßiger deutschen Verben langsamer als ältere L2-Lerner (Alter: 7;8 - 8;10) erwerben. Diese Untersuchung vergleicht den L1-Erwerb mit dem L2-Erwerb älterer Kinder in einem Kernbereich der deutschen Grammatik (die Verbflexion), nach einem bestimmten Kriterium: die Erwerbsdauer. Man hat auf die Erwerbsdauer fokussiert (und nicht auf den erreichten Endstand, zum Beispiel), weil sich die Leistungen der Kinder am Ende des Beobachtungszeitraums nicht mehr unterscheiden. Man kann also nur wissen, wer schneller war. Dimroth und Haberzettl nehmen an, dass der Erfolg der 7-9 jährigen L2-Lerner im Vergleich mit den L1-Lernern, sowie mit erwachsenen L2-Lernern, aus einer Kombination vorteilhafter Lernvoraussetzungen abhängt, und zwar:
Präzise Input-Imitation ("Formel-Lernen" oder "chunks learning"): Lernstrategie, die auch bei Erwachsenen Lerner vorkommt, bei Kindern aber generell stärker ausgeprägt ist. Es geht um die Reproduktion von Bausteinen aus dem Input, so wie sie gehört werden (auch wenn sie unvollständig oder fehlerhaft verstanden werden).
Weniger Einfluss der L1: Sprachverarbeitungsmechanismen, die Rezeption und Produktion der L1 zugrunde liegen, sind mit zunehmendem Alter stärker eingeschliffen und schwerer zu verändern (vgl. „Entrenchment“ → 2.3.2). Mit wachsender Automatisierung können solche L1 abhängigen Mechanismen der effizienten Verarbeitung des L2-Inputs immer stärker im Wege stehen.
Kognitive Reife: die fortgeschrittenen kognitiven Fähigkeiten der älteren Kinder ermöglichen es, Muster in kleineren Datenmengen zu erkennen, und somit schneller zu abstrahieren und zu generalisieren.
Erfahrung bei der Input-Ananlyse: erwachsene Lerner und ältere Kinder haben sie aus dem bereits erfolgten Erstspracherwerb. (vgl. Dimroth&Haberzettl 2008:235f.)
Die erwähnte Studie widerspricht dem Slogan "the youger – the better" und der These, dass kleine Kinder sowohl ihre L1 als auch andere L2 mühelos und schnell erwerben. Besonders schwer und langsam wäre bei Kindern der Erwerb der bildungssprachlichen Kompetenzen, auf Englisch "Cognitive Academic Language Proficiency" (CALP), während die "Basic Interpersonal Communicative Skills" (BICS), d.h. die alltagssprachlichen Kompetenzen, dagegen einfacher und schneller erworben werden (vgl. Singleton&Ryan 2004:89; Grotjahn&Schlak 2010:4).
38
Gesteuerter vs. ungesteuerter Erwerb. "Erwachsene erwerben Sprachen vor allem unter
unterrichtlichen ("gesteuerten")
Bedingungen schneller als Kinder", wie Grotjahn behauptet (Grotjahn 2003:33). Dies gilt aber nicht in Bezug auf die Aussprache: Mit dem Alter wird nämlich die Diskriminisierungsfähigkeit (d.h. die Fähigkeit, Laute zu differenzieren), und folglich auch die Aussprachekompetenz, aus physiologischen Gründen schlechter (vgl. Defiziten des Hörvermögens), was gepaart mit einem größeren Transfer von der L1 auf die L2 zu einer geringeren Möglichkeit führt, eine native-like Aussprache in der L2 zu entwickeln (vgl. Krumm et al. 2010:870). Trotzdem sind einige Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass auch Erwachsene mithilfe geeigneter unterrichtlichen Maßnahmen ähnlich hohe Leistungen wie Kinder erreichen können (u.a. Neufeld 2001 und Pennington 1998, zitiert in Grotjahn 2003:34). Eine zunehmende Zahl von Einzelfallanalysen dokumentiert außerdem, dass erwachsene Lerner auch ohne unterrichtliche Maßnahmen ein muttersprachliches Fähigkeitenprofil in einer L2 erreichen können (z.B. die Studie von Ioup et al. 1994). Auch was den ungesteuerten Erwerb der L2 betrifft, sind nach Grotjahn und Schlak (jüngere) Erwachsene anfänglich im Vorteil. Nach Grotjahn und Schlak "lassen sich die Vorteile älterer Lerner in bestimmten [...] Sprachbereichen anhand [einer größeren kognitiven Reife [und eines größeren Sprach- und Weltwissens] erklären" (Grotjahn/Schlak 2010:5). Muttersprachliche Kompetenz und Endstand ("ultimate attainment"). Wenn der L2-Erwerb unter ähnlichen Bedingungen wie der L1-Erwerb erfolgt, dann sind Kinder Erwachsenen normalerweise überlegen, vor allem im Bereich der Aussprache und der Morphosyntax: "Ab einem Alter von ca. sechs Jahren nimmt [nämlich] die Wahrscheinlichkeit ab, ein muttersprachliches Kompetenzprofil [im Bereich der Aussprache] zu erreichen" (Grotjahn&Schlak 2010:6). Trotzdem bleibt es umstritten, ob erwachsene Lernende in der Lage sind, ein native-like Niveau in der Fremdsprache zu erreichen. Einige Studien berichten von besonders motivierten und talentierten Lernenden, die muttersprachliche Kompetenzen in einer Fremdsprache erreicht haben. In diesen Fällen spielen u.a. die sogenannten affektiven Faktoren (z.B. Motivation, Einstellungen zur L2, Selbstvertrauen, fremdsprachenspezifische Angst, usw.) eine sehr wichtige Rolle: Sie können sogar eine neurophysiologisch bedingte Einschränkung (wie eine "sensible Phase" beim Fremdsprachenlernen) teilweise abschwächen. Ioup und Kollegen zeigen das Beispiel der Engländerin Julie, die einen Ägypter verheiratet hat: Trotz sie erst mit 21 Jahren in Kontakt mit dem Arabischen gekommen ist, hat sie im natürlichen (ungesteuerten) Kontext diese Sprache vollständig und "muttersprachenidentisch" erworben. 39
Der Grund für ihren Erfolg lag bei der starken Motivation, Arabisch zu lernen, um in die ägyptische Kultur und Gemeinschaft integriert zu werden (und sicher auch bei einer besonderen Sprachlerneignung!). Nach Bialystok stellt Julie jedoch kein Einzelfall dar: "[...] the documented cases of perfect mastery of a second language achieved by late learners are not anomalous exceptions to a biological law or extraordinary feats by rare individuals with an unusual and prodigious talent. Rather, they are quite ordinary occurences that emerge when conditions are favourable." (Bialystok 1997:134, zit. in Traoré 2000:235)
Wie Krumm et al. behaupten, bleibt jedoch die Frage nach der Erreichbarkeit muttersprachlicher Kompetenz nicht nur bisher unbeantwortet, sondern „ist angesichts der generellen Problematik des Muttersprachlers als Referenzperson eventuell sogar falsch gestellt worden" (Krumm et al. 2010:873f.):
Muttersprachler
wären
nämlich
nur
mit
Einschränkungen
adäquate
Referenzpersonen für Untersuchungen zum ultimate attainment. Interindividuelle Varianz bei Kindern und Erwachsenen. Schließlich, wie schon bezüglich der Studie von Johnson&Newport verdeutlicht worden ist (vgl. Abschnitt 2.3.2.), zeigen Erwachsene beim Zweit- bzw. Fremdsprachlernprozess eine größere interindividuelle Varianz als Kinder beim Erst- oder Zweitsprachenerwerb. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Geschwindigkeit der Aneignung als auch im Hinblick auf den letztendlich erreichten Stand und kann als Beleg für die mit zunehmendem Alter wachsende Bedeutsamkeit von Variablen wie Qualität des Inputs, kognitive Fähigkeiten, Persönlichkeit, usw. interpretiert werden (vgl. Ebd., S.870). Wie sich also aus den oben erwähnten Ergebnissen feststellen lässt, können auch erwachsene Lerner bei günstigen Voraussetzungen hohe Kompetenzen in einer Fremdsprache erwerben, indem der Erfolg beim Fremdsprachenlernprozess nicht nur von dem Alter
abhängt,
sondern
auch
von
anderen
Faktoren
(u.a.
Unterschiede
bei
der
Sprachlerneignung, Motivation, Lernstrategien, Lerntyp, kognitive Fähigkeiten, usw.), die ausführlicher im Kapitel 3 dargestellt werden. Deswegen sind nach Grotjahn (2003) eindimensionale Erklärungen, die nur neurologische-biologische Aspekte altersbedingter Leistungsunterschiede berücksichtigen (z.B. CPH), zu vereinfachend und ungeeignet, die große interindividuelle Varianz zu erklären, die vor allem bei erwachsenen Lernern festgestellt werden kann: „Wir benötigen vielmehr multidimensionale Erklarungsansätze, die der Komplexität des Faktors Alter in adaquater Weise Rechnung tragen" (Grotjahn 2003:35f.).
40
2.3.4. Die „biologische“ Dimension des Alters: Charakteristika des Lernens im höheren Alter und einige Schlussfolgerungen für den Fremdsprachenunterricht. Nach Berndt werden Lerner im höheren Alter (ab ca. 60 Jahren) zu oft der Gruppe der erwachsenen Lerner allgemein zugeordnet, was ein wichtiges Problem darstellen kann (vgl. Berndt 2007:470). Natürlich gibt es Ähnlichkeiten zwischen diesen zwei Gruppen, aber es gibt vor allem Unterschiede, die genau betrachtet werden sollten, wenn man im Bereich der Fremdsprachengeragogik tätig ist: Fremdsprachenlerner im höheren Alter sollten nämlich als eine spezifische Gruppe anerkannt werden, die von bestimmten Charakteristika gekennzeichnet ist. Einige dieser Charakteristika sind schon in den vorherigen Kapiteln dargestellt worden, vor allem in Bezug auf die ontogenetischen Veränderungen der Sensorik, Psychomotorik, Intelligenz und des Gedächtnisses (d.h. biologische und kognitive Entwicklungen). In diesem Abschnitt werden diese noch eimal zusammengefasst und es wird gezeigt, wie sie spezifisch das Lernen
im
Alter
beeinflussen
können.
Es
wird
außerdem
gezeigt,
wie
die
Fremdsprachengeragogik mithilfe praktischer Maßnahmen und dem schon besprochenen Ansatz der Optimierung durch Selektion und Kompensation (SOK) darauf reagiert, um eventuelle Probleme und Defizite zu kompensieren und das Fremdsprachenlernen im Alter so erfolgreich und effektiv wie möglich zu gestalten. Wie schon erklärt worden ist, werden hier ausschließlich Charakteristika und Probleme behandelt, die mit der biologischen Alterung des Organismus zu tun haben. Übere andere Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter (u.a. Motivation, fremdsprachenspezifische Angst, Einstellung zur L2, usw.) wird ausführlich in den Kapiteln 3 und 4 eingegangen. Das Lernen im Alter. Wie Berndt behauptet, kann man aus den Ergebnissen der Intelligenz- und Gedächtnisforschung folgern, dass die Lernfähigkeit (die im psychologischen Sinne als „Speicherung neuer Informationen und deren Abruf, im alltäglichen Gebrauch auch die Anwendung neuen Wissens“ definiert wird) älterer Menschen im Vergleich zu jüngeren in modifizierter und etwas abgeschwächter Form vorhanden ist (vgl. Berndt 2003:146). In den Kapiteln 2.1. und 2.2. sind nämlich relevante ontogenetische Veränderungen behandelt worden, die mit dem Altern stattfinden: u.a. physiologische Veränderungen des Gehirns (z.B. generelle Abnahme des Hirnvolumes, hormonelle Veränderungen, usw.), konsequente Veränderungen der kognitiven Funktionen und der Intelligenz, so wie Funktionsbeschränkungen in sensorischen Bereichen (z.B. Hören, Sehen, Psychomotorik). Was die physiologischen Entwickungen im Bereich des 41
Gehirns angeht, ist bereits gezeigt worden, dass diese zu einer Veränderung kognitiver Funktionen führen. Edlinger weist beispielsweise auf ein schlechter funktionierendes Herstellen neuer Verbindungen hin (das beispielsweise das Lernen neuer Vokabeln wesentlich beeinflusst), so wie auf eine allgemeine Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit und der inhibitorischen Prozessen, so dass Aktivierungen nicht mehr so leicht unterdrückt werden und man einfacher durch den großen Erfahrungsschatz zu Interferenzen kommt (vgl. Edlinger 2013:76). Ihre Beobachungen stehen in Einklang mit den schon erwähnten Ergebnissen der Intelligenzforschung, die einerseits eine altersbedingte defizitäre Entwicklung der sogenannten fluiden Komponente der Intelligenz (d.h. der universellen, biologisch determinierten Basisprozessen der Informationsverarbeitung) und anderseits eine Aufrechterhaltung oder sogar Zunahme der kristallinen Komponente der Intelligenz (d.h. das bildungs- und übungsabhängigen faktischen und prozeduralen Wissen) bestätigen (vgl. Kapitel 2.2.3). Änliche Erkenntnisse kann man auch innerhalb der Gedächtnisforschung beobachten. Während das semantische Gedächtnis (d.h. das sogenannte „Weltwissen“ einer Person oder die Fähigkeit, sich an Fakten zu erinnern) mehr oder weniger stabil über die ganze Lebensspanne bleibt, oder mit der Ansammlung neues semantischen Wissens im Laufe der Jahre sogar zunehmen kann, zeigen die Bereichen, die für das
Lernen
neuer
Informationen
zuständig
sind,
größere
Leistungsdefizite:
Das
Arbeitsgedächtnis als Bereich der bewussten Verarbeitung neuer Informationen, zum Beispiel, oder der episodische Speicher (episodisches Gedächtnis) als langfristige Merkfunktion neuer Informationen zeigen einen starken alterskorrelierenden Leistungsabfall auf (vgl. Berndt 2001:80f.). Der Grund für diese allgemeine Verschlechtung auf der Ebene der Informationsverarbeitung liegt sowohl in einer wesentlichen Hirnvolumabnahme des präfrontalen Cortex und des Hippocampus (die eine wichtige Rolle für diese Prozesse spielen), als auch in den sensorischen Veränderungen im Bereich des Hörens (u.a. primäre Presbykusis oder „Altersschwerhörigkeit“, niedrigere Diskriminierungsfähigkeit, vor allem von Tonen im höheren Frenquenzbereich, usw.), des Sehens (u.a. Presbyopie oder „Altersweitsichtigkeit“, Verlust an Trasparenz der Retina, geringere Kontrastwahrnehmung, usw.) und der Psychomotorik (u.a. Verlangsamung der Reaktionszeiten, und zwar der prämotorischen Reaktionszeit, Verlangsamung der Schreibgeschwindigkeit, Schwierigkeiten beim Multitasking, usw.), die im Kapitel 2.1.1 behandelt worden sind. Indem alle diese altersbedingte Veränderungen in unterschiedlichem Maße dazu beitragen, die Lernfähigkeit im Alter abzuschwächen, sollte nach Berndt das Lernen für ältere Menschen immer einen interventionistischen Auftrag haben, „um defizitäre Entwicklungen zu hemmen oder 42
auszugleichen“ (Ebd., S.147). In diesem Sinne schlägt sie vor, das schon behandelte Konzept der Optimierung durch Selektion und Kompensation (vgl. Kapitel 2.2.2.1) spezifisch für den Fremdsprachenunterricht mit Menschen im höheren Alter anzuwenden, und zwar mit den folgenden drei Phasen: Optimierung: Lernen im Alter ist defizitär belastet, kann jedoch aufgrund der lebenslang vorhandenen Plastizität durch geeignete Maßnahmen und Strategien verbessert („optimiert“) werden. Selektion: Bestimmte Lerngegenständen und -vorgängen sollten ausgewählt werden, die dem älteren Menschen zur Verfügung stehen und von defizitären Entwicklungen weniger belastet sind (z.B. „fluide Komponente“ der Intelligenz). Kompensation: Der Kompensationsmechanismus wird dann wirksam, wenn Defizite in einem Bereich durch Kompetenzen in einem anderen Bereich ersetzt werden. (vgl. Berndt 2001:83) Im Folgenden wird zusammenfassend gezeigt, wie sich konkret das SOK-Modell auf die fremdsprachliche Praxis anwenden lässt. Einige methodisch-didaktische Schlussfolgerungen für den Fremdsprachenunterricht mit Menschen im höheren Alter. Welche konkrete Schlussfolgerungen sollte man aus diesen Entwicklungen für das erfolgreiche Fremdsprachenlernen im höheren Alter ziehen? In erster Linie sollte es versucht werden, auf die obenbeschriebenen Funktionseinschränkungen in sensorischen Bereichen zu achten (vgl. Berndt 2007:472; Edlinger 2013:76f.). Was beispielsweise altersbedingte Probleme beim Hören angeht, sollte der Lehrer – und zwar der „Fremdsprachengeragoge“ – immer laut und sehr deutlich sprechen, und, wenn möglich, eine Mittelposition einnehmen und ein häufiges Wechseln des Standortes vermeiden, damit er allen den Lernern in gleichem Maße hörbar und sichtbar ist (vgl. Berndt 2001:79; Berndt 2007:472). Wie Berndt betont, könnte nämlich auch das Lippenlesen im Fremdsprachenunterricht mit älteren Menschen eine sehr wichtige Hilfsstrategie darstellen (vgl. Ebd.). Was die konkrete Unterrichtsgestaltung angeht, sollte daran geachtet werden, dass die Lernräume eine gute akustische Qualität vorweisen und dass Hörmaterialien nach Kriterien einer betmöglichen akustischen Verständlichkeit konzipiert werden, sowie einer geringeren Sprachgeschwindigkeit und der deutlichen Diskrimination von Einzeleinheiten (vgl. Ebd.).
43
Obwohl die Problemen im Sehbereich, wie schon erwähnt worden ist, einfach durch Sehhilfen (u.a. Brille, Kontaktlinsen, usw.) lösbar sind, sollten trotzdem einige einfache Maßnahmen beachtet werden. Räumlichkeiten sollten beispielsweise günstige Lichtverhältnisse haben, visuelle Mittel (u.a. Tafel, usw.) sollten allen den Lernern deutlich sichtbar sein (d.h. wenn möglich, im Nähbereich positioniert werden) und alle die schriftlichen Materialien sollten geeignete Buchstabengröße und Kontrastverhältnisse besitzen (vgl. Berndt 2001:79; Berndt 2007:472). Wegen den schon beschriebenen Veränderungen der psychomotorischen Prozessen sollte außerdem das Fremdsprachenlernen mit Menschen im höheren Alter in einer entspannten Atmosphäre stattfinden, die jede Form von Zeitdruck vermeidet, und auf einer ständigen Selektion der Materialien basieren, um die Lerner nicht mit zu vielen neuen Kentnissen zu überlasten (vgl. Ebd.). Was spezifisch die Veränderungen im Bereich der Intelligenz und des Gedächtnisses angeht, sollte sich der Sprachunterricht mit Lernenden in höherem Alter in wichtigem Maße an der sogenannten „kristallinen Komponente“ der Intelligenz (d.h. das Weltwissen) orientieren, weil diese normalerweise altersstabil bleibt oder sogar zunehmen kann, wenn günstige Bedingungen vorliegen. In diesem Sinne sollte es nach Berndt und Edlinger beispielsweise
versucht
werden,
frühere
Erfahrungen
der
Lerner
im
Lernkontext
miteinzubeziehen, was methodisch-didaktisch die Hinwendung eines „Erfahrungsansatzes“, und zwar eines „biografischen Ansatzes“, bedeuten könnte (vgl. Berndt 2001:80; Berndt 2003:147; Edlinger 2013:76f.), „dessen methodisches Grundprinzip es ist, über die persönlichen Lebens- und Lernerfahrungen Interessen und Dispositionen der Lerner zu eruieren und entsprechende methodisch-didaktische Konsequenzen zu ziehen“ (Berndt 2007:473). In Bezug auf eine Studie von Van der Hoeven und de Bot (2010) zeigt außerdem Edlinger, dass ältere Lerner einen Vorteil haben, wenn es um Reaktivierung von bereits Gelerntem geht, weshalb es auch empfehlenswert wäre, im Fremdsprachenunterricht so oft wie möglich auf bereits vorhandene Kenntnisse Bezug zu nehmen, um so einen sinnvollen Kontext herzustellen, der die Bildung neuer neuronalen Verbindungen („Synapsen“) erleichtern kann (vgl. Edlinger 2013:77). Auch die Kognitivierung des Lernens, im Sinne einer Vermittlung kognitiver Strategien und einer „kognitiven Schulung“, könnte eine sehr wichtige Rolle im Fremdsprachenunterricht mit Menschen im höheren Alter spielen, indem sie nicht nur nützliche Lernstrategien zur Optimierung des Lernens zeigt, sondern auch die Lernautonomie in wichtigem Maße fördern kann (vgl. Berndt 2003:147; Berndt 2007:473). Über Konzepte wie „Lernstrategie“ oder „Autonomie“ wird ausführlicher im Kapitel 3 eingegangen. Schließlich ist es nochmals wichtig zu betonen, dass „Alter nicht der entscheidende Faktor [ist], der über den Erfolg von Sprachen 44
Lernen entscheidet“ (Edlinger 2013:18). Die veschiedenen mit dem Altern verbundenen biologischen Veränderungen, deren Einfluss auf das Lernen zusammenfassend in vorliegendem Kapitel gezeigt worden ist, sind nämlich nach Edlinger nicht die einzigen bestimmenden Faktoren, indem psychologische-affektive Faktoren (u.a. Motivation, fremdsprachenspezifische Angst, usw.), soziale Faktoren (u.a. Selbstbild, usw.) und linguistische Faktoren (u.a. Sprachlernbiografien, linguistischer Input, usw.) genauso starke Einflüsse auf das erfolgreiche Fremdsprachenlernen haben können (vgl. Ebd., S.77). Man könnte also sagen, dass die Zusammenhänge zwischen dem Alter und dem Fremsprachenlernen sehr komplex und dynamisch sind (Ebd.). In Bezug auf neuere Forschungsergebnisse im neurolinguistischen und kognitionswissenschaftlichen Bereich würde ich auch sagen, dass sie „bidirektional“ sind: Wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, kann nämlich auch das Fremdsprachenlernen – unter bestimmten Voraussetzungen – den Alterungsprozess indirekt (z.B. über Effekte auf der exekutiven Kontrolle und der Hirnstruktur) beeinflussen.
45
2.4. Das Altern und das Fremdsprachenlernen: Ein bidirektionaler Einfluss. Wie im vorherigen Kapitel erwähnt worden ist, kann im Bezug auf das Altern und das Fremdsprachenlernen von einem „bidirektionalen“ Einfluss die Rede sein: Nicht nur das Altern und die damit verbundenen ontogenetischen Veränderungen beeinflussen nämlich das Fremdsprachenlernen, sondern dasselbe Fremdsprachenlernen kann unter bestimmten Bedingungen den Alterungsprozess indirekt (d.h. über funktionelle und strukturelle Veränderungen des Gehirns) beeinflussen. Was beispielsweise die funktionellen Veränderungen angeht, ist die aktuelle Neurolinguistik zu dem Ergebnis gekommen, dass der lebensalange Bilinguismus zu einem Vorteil auf der Ebene der exekutiven Kontrolle führen kann, d.h. auf Funktionen wie u.a. die Inhibition irrelevanter Reizen und die gleichzeitige Selektion relevanter Reizen, das Switching zwischen Aufgaben, das Multitasking, das Arbeitsgedächtnis, usw. Dieser Vorteil wird spezifisch durch die konstante Notwendigkeit bei bilingualen Individuen verursacht, die nicht-Zielsprache zu hemmen und je nach Kontext die richtige Zielsprache auszuwählen, indem nach Grosjeans „language mode“-Theorie beide die Sprachen immer in gewissem Maße aktiviert sind. Gleichzeitig sind mithilfe der modernen NeuroimagingTechniken (fMRT, EKP, usw.) wichtige Veränderungen auf der Hirnstruktur bestätigt worden, sowohl auf die graue Substanz (vgl. Abutalebi et al. 2014), die vor allem aus Zellkörpern besteht, als auch auf die weiße Substanz (vgl. Luk et al. 2011), deren Hauptbestandteil myelinisierte Axone darstellen. Nach einer detaillierten Darstellung der Effekte des Bilingualismus auf der funktionellen (in Abschnitten 2.4.1.1., 2.4.1.2. e 2.4.1.3.) und strukturellen (Abschnitt 2.4.2.) Ebene, wird dann gezeigt, wie diese eine positive Wirkung auf den Alterungsprozess und den damit verbundenen Abbau der kognitiven Fähigkeiten haben. Insbesondere wird in Bezug auf Studien von Bialystok und Kollegen gezeigt, wie der lebenslange Bilingualismus in wichtigem Maße das Auftreten der ersten klinischen Symptome neurodegenerativer Krankheiten (u.a. Demenz, Alzheimer-Krankheit, usw.) verspäten kann und, im Allgemeinen, zu der sogenannten „kognitiven Reserve“ des Individuums beiträgt, indem es zu einer verstärkten Fähigkeit des Gehirns führt, altersbedingte Schäden zu begegnen. Schließlich werden die grundlegenden Bedingungen (z.B. das notwendige Sprachniveau, damit die obenbeschriebenen positiven Wirkungen stattfinden können, ein möglicher kumulativer Effekt bei mehr als zwei Sprachen, usw.) im Abschnitt 2.4.4 diskutiert, soweit es möglich ist, indem die aktuelle Forschung zum Thema noch wenige Antworten besitzt. In Bezug auf sehr neue neurolinguistische Studien und ausgehend von der Grundvoraussetzung der lebenslangen neuronalen Plastizität wird außerdem die Möglichkeit diskutiert, einige dieser positiven Effekte 46
(vor allem auf der exekutiven Kontrolle) auch im Fall des sukzessiven Bilingualismus herauszufinden, beispielsweise beim Erlernen einer Fremdsprache in höherem Alter, das das Haupthema vorliegender Arbeit darstellt. 2.4.1. Die Effekte des Multilinguismus auf der exekutiven Kontrolle. Die Idee, dass der Bilingualismus wichtige Vorteile bringen kann, war nicht immer umstritten innerhalb der linguistischen Tradition, ganz im Gegenteil: Jahrzehntelang haben sich nämlich Studien und Theorien durchgesetzt, die ein bilinguales „Defizit“ unterstützten, was in wichtigem Maße von Fehlern bei der Erhebung der Daten (z.B. von dem Vergleich bilingualer und monolingualer Individuen mit unterschiedlichem sozio-ökonomischen Status, so wie mit unterschiedlichen Kenntnissen des Englischen – die Sprache der Tests, usw.) und von der Vernachlässigung anderer wichtigen Aspekten des Bilingualismus (z.B. Kompetenzgrad bei den zwei Sprachen, balancierte/unbalancierte Zweitsprachigkeit, Erwerbsalter, Häufigkeit des Gebrauchs der Sprachen, usw.) abhing (vgl. Grosjean&Li 2013:192). Wie Grosjean und Li behaupten, kann man eine erste Veränderung dieser Haltung nach einer relevanten Studie von Peal und Lambert (1962) feststellen, die bilinguale (Französisch/Englisch) und monolinguale (Englisch) Kinder in Montreal mit einer Batterie von Standard-Intelligenztests testeten und zum Ergebnis kamen, dass bilinguale Kinder tatsächlich verstärkte kognitive Fähigkeiten zeigten, vor allem in Bezug auf Tests der geistigen Flexibilität (vgl. Ebd.). Seit den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts hat sich ein aktives Forschungsgebit entwickelt, das intensiv den obenerwähnten bilingualen Vorteil untersucht (vor allem in Bezug auf die sogenannte „exekutive Kontrolle“) und bisher zu sehr interessanten Ergebnissen gekommen ist, einige von denen im Folgenden zusammenfassend präsentiert werden (vgl. Ebd.). Für die aktuelle Neurolinguistik steht außer Frage, dass die Zweisprachigkeit zu positiven Effekten auf der exekutiven Kontrolle führen kann. Um genau zu verstehen, wie diese positiven Effekte entstehen, weist Bialystok (2015) auf eine grundlegende Erwägung hin, und zwar auf die Tatsache, dass bei bilingualen Individuen beide die Sprachen immer in gewissem Maße aktiv sind (Bialystok 2015), was außerdem im Einklang mit Grosjeans Theorie des Sprachmodus (language mode) steht. Grosjean definiert “Language-Mode“
als
den
Aktivierungsgrad
der
Sprachen
und
der
Spracheverarbeitungsmechanismen bilingualer Sprecher zu einem bestimmten Zeitpunkt (vgl. Grosjean&Li 2013:15). Diese befinden sich nämlich in ihrem alltäglichen Leben an verschiedenen Stellen eines „bilingualen Kontinuums“, denen unterschiedlichen Sprachmodi entsprechen: Während beim bilingualen Sprachmodus beide die Sprachen aktiviert sind, indem 47
eine zur „Base-Language“ gewählt und die andere in unterschiedlicher Weise eingebracht wird (z.B. Code-Switching, Borrowings, usw.), wird in dem monolingualen Sprachmodus die Sprache des monolingualen Gesprächspartners gewählt und gleichzeitig die andere deaktiviert (vgl. Grosjean 2008:119). Eine totale Deaktivierung findet jedoch nach Grosjean nie statt: „They also deactivate, as best as they can, the other language. This deactivation has led to much theorizing and much controversy […]. What is certain, however, is that bilinguals rarely deactivate the other language totally […] .“ (Ebd.)
Genau diese gleichzeitige Aktivierung („joint activation“) der beiden Sprachen könnte nach Bialystok und Kollegen als den Mechanismus angesehen werden, der zu den Konsequenzen des Bilingualismus für die linguistische und nicht-linguistische Verarbeitung führt: Auf der sprachlichen Ebene verursacht diese nämlich ein Aufmerksamkeitsproblem bei bilingualen Sprechern, das für monolinguale Sprecher nicht existiert, indem diese außer den korrekten Register, die korrekte Kollokation, usw. auch die korrekte Sprache unter zwei oder mehreren konkurrierenden Optionen auswählen müssen (vgl. Bialystok et al. 2015:243). Obwohl die gleichzeitige Aktivierung der Sprachen ein Risiko für Sprachinterferenzen und -fehler schaffen könnte, treten diese nur selten auf, was als Beweis dafür angesehen werden kann, dass die Auswahl der Zielsprache mit großer Genauigkeit erfolgt (vgl. Ebd.). Hierzu spielen die schon erwähnten exekutiven Funktionen (u.a. Prozesse der Aufmerksamkeit, Selektion, Inhibition, Flexibilität und des Shiftigs, so wie des Arbeitsgedächtnisses) eine sehr wichtige Rolle. Diese entwickeln sich parallel zur Reifung des präfrontalen Cortex (was außerdem erklärt, warum sie auch die ersten Fähigkeiten sind, die von altersbedingten Schäden betroffen sind → vgl. Kapitel 2.1.1.1. → der präfrontale Cortex ist eines der Gehirnareale, die als erste und am meisten von der altersbedingten Hirnvolumabnahme betroffen sind) und werden in drei wichtigen Hauptfähigkeiten unterteilt: 1. Inhibitorische Kontrolle („inhibitory control“) als Fähigkeit, eine gewohnheitsmäßige
Reaktion
oder
eine
irrelevante
Information
zu
hemmen;
2.
Arbeitsgedächtnis („working memory“) als Fähigkeit, Informationen im Kopf zu halten und sie geistig zu verarbeiten; 3. Kognitive Flexibilität („cognitive flexibility“) als Fähigkeit, sich an Veränderungen der Forderungen und der Prioritäten anzupassen oder zwischen Aufgaben zu wechseln (vgl. Grosjean&Li 2013:202). Aus dieser Definition lässt sich einfach verstehen, dass die exekutiven Funktionen eine wichtige Rolle für die bilinguale Sprachverarbeitung spielen, wie oben angenommen worden ist, und dass sie sich schrittweise im Laufe des Lebens durch die bilinguale Erfahrung verstärken können, wie Gold und Kollegen behaupten:
48
„It appears that the lifelong bilingual experience of continuously switching between two languages strengthens general-purpose executive control systems, maintaining their neural efficiency in aging. Lifelong bilingualism thus confers not only social and economic advantages, but benefits the functioning of the aging brain." (Gold et al. 2013:395)
Um genau zu verstehen, wie der lebenslange Bilingualismus die Schaltungen der exekutiven Funktionen verstärken kann, ist es wichtig zu betonen, dass die Beherrschung von zwei Sprachen die Beteiligung von frontostriatalen und frontoparietalen Strukturen (u.a. der dorsolaterale präfrontele Cortex – DLPFC, der ventrolaterale präfrontele Cortex – VLPFC, die Inselrinde, der anteriore cinguläre Cortex – ACC, die Basalganglien, der Thalamus und der posteriore parietale Cortex) voraussetzt, d.h. von Gehirnarealen, die normalerweise auch bei allgemeinen Prozessen der exekutiven Kontrolle beteiligt sind und folglich durch die bilinguale Erfahrung verstärkt werden (vgl. Gold 2015:11f.). Als Beweis dafür könnte u.a. eine interessante Studie von Grady et al. (2015) erwähnt werden, die relevante Unterschiede zwischen bilingualen und
monolingualen
Individuen
in
Bezug
auf
die
funktionelle
Eigenschaften
der
„Gehirnnetzwerken“ entdeckt hat, die der exekutiven Kontrolle zugrunde liegen (vgl. Grady et al. 2015:175). In diesem Zusammenhang wäre aber erstens eine Kurzbemerkung erforderlich, und zwar, dass spezifische neurologische Prozesse und Funktionen (z.B. exekutive Funktionen) nicht in einem einzigen Gehirnareal lokalisiert sind, wie früher angenommen wurde. Nach der aktuellen Gehirnforschung sollten nämlich kognitive Funktionen als Ergebnis der Interaktion und Kommunikation zwischen verschiedenen, im gesamten Gehirn verteilten, Gehirn-Systeme angesehen werden: „[...] When performing a particular task, just one isolated brain area is not working alone. Instead, different areas of the brain, often far apart from each other within the geographic space of the brain, are communicating through a fast-paced sychronized set of brain signals." (McGrew 2011)
Wie Bressler und Menon (2010) behaupten, ist das “Gehirn als Netzwerk-Modell” (“large-scale brain network model”) sehr wichtig, weil es einerseits ein besseres Verständnis normaler kognitiven Funktionen ermöglicht und gleichzeitig auch nützliche Einblicke in klinische Hirnleistungsstörungen und -krankheiten bietet: Es wurde festgestellt, zum Beispiel, dass bei Alzheimer-Krankheit, so wie bei Schizophrenie, Autismus, Parkinson, usw. eine schlechte Synchronisation zwischen den wichtigsten Hirnnetzwerken impliziert ist (vgl. Bressler&Menon 2010:286). Kommen wir aber nun zurück zu der Grady et al. Studie, deren Hauptziel es war, die
49
Auswirkungen des lebenslangen Bilingualismus auf die Aktivität des Gehirnnetzwerks zu verstehen, vor allem in Bezug auf die drei Netzwerke, die bei den exekutiven Funktionen beteiligt sind, und zwar: Hirnnetzwerk:
Frontoparietales Kontrollnetzwerk
Areale:
Rolle:
Dorsolaterale und untere Frontalregionen, untere Parietallappen.
Wirkt als "Switch", um flexibel die Einbindung anderer Gehirnnetze zu kontrollieren, und unterstützt so die für die Erfüllung von Aufgabenanforderungen erforderlichen exekutiven Prozesse.
Anteriore Inselrinde, unterer präfrontaler Bereich, dorsaler anteriorer und supramarginaler Gyrus.
Verhaltenskontrolle: Es wird angenommen, dass der SLN sensorische Daten mit internen Zuständen integriert, so dass der Organismus sein Verhalten an veränderten Anforderungen in der Umgebung anpassen kann.
Mediale präfrontale Cortex, Praecuneus, Teile des Gyrus cinguli sowie der Lobulus parietalis superior, des Scheitellappens und des Hippocampus.
DMN zeigt eine reduzierte Aktivität während extern angetriebener Aufgaben und eine erhöhte Aktivität während Ruhe oder Fixierung. Der DMN liegt der Selbstreferenz und Projektion des Selbst durch die Vergangenheit (Erinnerung) und Zukunft (Planung) zugrunde und spielt eine Rolle in der sozialen Kognition (Theory of Mind).
(Frontoparietal control network: FPC)
Salienz-Netzwerk (Salience network: SLN)
Ruhezustandsnetzwerk (Default mode network: DMN)
fMRT-Scans:
Tabelle 1: Die wichtigsten Netzwerken, die bei Prozessen der exekutiven Funktionen direkt (FPC und SLN) oder indirekt (DMN) beteiligt sind. Quelle: Grady et al. 2015:171; Bressler&Menon 2010:285 (bearbeitet).
Die ersten zwei Netzwerke (PFC, SLN) sind während Aufgaben der exekutiven Kontrolle (u.a. Arbeitsgedächtnis, task-switching, Planen, usw.) immer aktiv (vgl. Grady et al. 2015:171). Der dritte Netzwerk (DMN), dagegen, ist nur indirekt mit der exekutiven Kontrolle verbunden, indem eine Reduktion dessen Aktivität und eine stärkere funtionelle Konnektivität zwischen dessen Knoten zu besseren Leistungen bei Aufgaben der exekutiven Kontrolle führen (vgl. Ebd.). Was die konkrete Studie von Grady und Kollegen angeht, die mithilfe mehreren fMRTSitzungen die funktionelle Konnektivität der obenerwähnten Netzwerken bei einer Gruppe von 14 monolingualen und 14 bilingualen Probanden im höheren Erwachsenenalter (≈ 70.5 Jahren) testeten, weisen die Ergebnisse auf verstärkte Verbindungen bei bilingualen Individuen im DMN und PFC hin, so wie auf eine intensivere Modulation der Aktivität zwischen Ruhe und 50
Aufgabe (vgl. Ebd., S.175). Diese Ergebnisse ergänzen also Studien, die zeigen, dass der lebenslange Bilingualismus bei älteren Erwachsenen einen gewissen Vorteil für die exekutive Kontrolle bietet, indem sie die Unterschiede zwischen Bilingualen und Monolingualen in Bezug auf die funktionellen Eigenschaften der Hirnnetzwerke zeigen, die dieser Kontrolle unterliegen (vgl.
Ebd.).
In
den
folgenden Abschnitten
wird
am
Beispiel
einiger
relevanten
neurolinguistischen Studien gezeigt, wie der Bilingualismus spezifisch auf bestimmte Komponenten der exekutiven Kontrolle einwirkt, und zwar auf die selektive Kontrolle der Aufmerksamkeit (Inhibition und Selktion), auf den Aufgabenwechsel (Task-Switching), so wie auf das Arbeitsgedächtnis. Es ist wichtig zu betonen, das man in diesem Zusammenhang mit funktionellen Effekten zu tun hat: Über die vom lebenslangen Bilingualismus verursachten strukturellen Veränderungen des Gehirns wird nämlich im Kapitel 2.4.2 diskutiert. 2.4.1.1. Die selektive Kontrolle der Aufmerksamkeit. Wie Grosjean und Li behaupten, zeigen bilinguale Sprecher eine verstärkte selektive Kontrolle der Aufmerksamkeit, die als die Fähigkeit definiert werden kann, irrelevante Informationen zu hemmen und gleichzeitig auf relevante Stimuli zu fokussieren (vgl. Grosjean&Li 2013:202). Diese Selektivität bei der Verarbeitung sensorischer Informationen könnte als ein “adaptives Mittel” angesehen werden, um eine Überlastung kognitiver Systeme zu vermeiden (vgl. Cheung-Fat-Yim et al. 2016:2). Kramer und Borges-Mota weisen auf die Tatsache hin, dass man bei der selktiven Kontrolle der Aufmerksamkeit, so wie bei vielen Komponenten der exekutiven Kontrolle, eine allgemeine altersbedingte negative Entwicklung feststellen kann, indem es für Menschen im höheren Alter schwiriger ist, Ablenkungen oder Konflikte zu hemmen und sich nur auf ein bestimmtes Element zu konzentrieren (vgl. Kramer&Borges-Mota 2015:310). Im Folgenden werden zwei relevante Studien besprochen, die den bilingualen Vorteil bei der selektiven Aufmerksamkeit in unterschiedlichen Altersgruppen beweisen. Die Studie von Kramer und Borges-Mota (2015), zum Beipiel, hat eine Gruppe von 104 bilingualen und monolingualen Probanden unterschiedlicher Altersgruppen (junge, erwachsene und ältere Probanden) mit zwei Tests (Simon Task 2 und Alpha Span Task) untersucht, um zu sehen, wie der lebenslange Bilingualismus auf die inhibitorische Kontrolle (Teil der selektiven Aufmerksamkeit) und auf das Arbeitsgedächtnis einwirkt. In diesem Abschnitt werden ausschließlich die Ergebnisse des Simon Tasks 2 diskutiert, während im Abschnitt 2.4.1.3, der sich spezifisch mit den Effekten des Bilingualismus auf das Arbeitsgedächtnis beschäftigt, wird den zweiten Teil der Studie vertieft. In dem “Simon Task 2 Colors” Test, der für den ersten Teil 51
dieser Studie verwendet worden ist, mussten die Probanden die linke oder die rechte Shift-Taste auf einem PC drücken, je nach der Farbe, die auf dem Bildschirm erschien, zum Beispiel: –
Blaues Quadrat = linke Shift-Taste
–
Gelbes Quadrat = rechte Shift-Taste
Bei kongruenten Tests lag die korrekte Taste auf der gleichen Seite des Farbreizes, während bei inkongruenten Tests auf der gegenüberliegenden Seite (vgl. Kramer&Borges-Mota 2015:315). Die Differenz zwischen den Reaktionszeiten zu kongruenten und inkongruenten Tests wird als “Simon-Effekt” bezeichnet und zeigt die Effizienz der inhibitorischen Kontrolle an (vgl. Ebd.). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die bilinguale Gruppe durchschnittlich einen niedrigeren “Simon-Effekt” (58.03 ms) aufwies als die Gruppe monolingualer Probanden (100.49 ms), was mit einer effizienteren inhibitorischen Kontrolle interpretiert wurde (vgl. Ebd., S.322).
Tabelle 2: Durchschnittliche Reaktionszeit und Genauigkeit im “Simon Task 2” Test nach Alter und Sprachgruppe. Quelle: Kramer&Borges-Mota 2015:318.
Eine weitere Studie, die sich mit dem bilingualen Vorteil bei der selektiven Kontrolle der Aufmerksamkeit beschäftigt, ist die von Cheung-Fat-Yim und Kollegen (2016), die eine Gruppe von 135 jungen Erwachsenen (63 monolingual und 72 bilingual) mit einem „Ambiguous Figures Task“ testeten, um ihre Fähigkeit zu bewerten, ein alternatives Bild in einer mehrdeutigen Figur wahrzunehmen. Mehrdeutige Figuren sind Bilder, die zwei mögliche Interpretationen aufweisen (vgl. Chung-Fat-Yim et al. 2016:2). Sobald eine Interpretation identifiziert worden ist, ist es schwierig, diese zu ignorieren, um die konkurrierende Interpretation des gleichen Bildes zu sehen: Dieser Prozess setzt nämlich die Intervention der selktiven Kontrolle der Aufmerksamkeit voraus (vgl. Ebd.). Im Folgenden werden einige der berühmtesten mehrdeutigen Figuren dargestellt, die üblicherweise im „Ambiguous Figures Task“ verwendet werden:
52
1. Junge/alte Frau
2. Hase/Ente
3. Maus/Mann
Die Ergebnisse der obenerwähnten Studie zeigten, dass bilinguale Probanden effizienter und mit weniger Hinweisen („cues“) als die monolingualen in der Lage waren, die zweite Interpretation mehrdeutiger Bilder zu erkennen, was ebenso mit einer verstärkten selektiven Kontrolle der Aufmerksamkeit, genau wie bei früheren Studien mit bilingualen und monolingualen Kindern (u.a. Bialystok&Shapero 2005; Wimmer&Marx 2014), erklärt wurde (vgl. Ebd., S.5). 2.4.1.2. Task-Switching. „Task-Switching“ kann als die Fähigkeit definiert werden, Aufmerksamkeit zwischen einer Aufgabe und einer anderen Aufgabe zu verschieben. Wie Schmitz und Voss (2014) behaupten, finden es Menschen in der Regel schwieriger, zwischen geistigen Aufgaben zu wechseln („taskswitching“), anstatt dieselbe Aufgabe mehrmals zu wiederholen ( "repetition priming"), weshalb in Laborexperimenten Task-Switches meistens mit erhöhten Reaktionszeiten (RTs) und verminderter Genauigkeit im Vergleich zu Task-Wiederholungen korreliert sind (vgl. Schmitz&Voss 2014:184). Im Folgenden wird der bilinguale Vorteil im Bereich des TaskSwitchings am Beispiel einer relevanten Studie von Gold und Kollegen (2013) erläurtert, die zum Ergebnis gekommen sind, dass diese kognitive Fähigkeit bei älteren bilingualen Sprecher effizienter und stärker im Vergleich zu einer monolingualen Kontrollgruppe war. Es wurden zwei Experimente durchgeführt, und zwar ein Task-Switching-Paradigma (vgl. Bild 14) und verschiedene fMRT-Sitzungen, die insgesamt 110 Teilnehmer testeten (vgl. Gold et al. 2013:387f.). Während man mit dem ersten Experiment bestimmen wollte, ob zweisprachige ältere Erwachsene einen Verhaltensvorteil gegenüber ihren monolingualen Kollegen in dem Task-Switching-Paradigma aufwiesen, zielte das zweite Experiment darauf, bilinguale Vorteile beim Task-Switching Paradigma im Kontext des Alterns zu verstehen, weshalb vier unterschiedliche Gruppen ausgewählt wurden: Jüngere Erwachsene und ältere Erwachsene, die entweder monolingual oder bilingual waren (vgl. Ebd.). Die Ergebnisse der fMRT-Sitzungen 53
zeigten, dass ältere Erwachsene im
Vergleich
zu
jüngeren
Erwachsenen Aktivierungserhöhungen mehreren
in
aufgabenrelevanten
Frontalregionen des Gehirns und
schlechtere
Switch-
Leistungen zeigten, was auf altersbedingte Abnahmen der neuronalen Effizienz für das Task-Switching schließen ließ (vgl. Ebd., S.392). Trotzdem
Bild 14: “Task-Switching-Paradigma”: In Formblöcken müssen die Probanden entscheiden, ob das Stimulus einen Kreis oder ein Quadrat ist, in Farbblöcken, ob es rot oder blau ist, während in den “Switch-blöcken”
hat man auch beobachtet, dass wechseln sie zwischen Form- und Farbentscheidungen. Quelle: Gold et al. der lebenslange Bilingualismus 2013:389. zu einer Verpätung dieser Defizite führte, indem die ältere bilinguale Gruppe, trotz einer niedrigeren Aktivierung in drei frontalen Knoten des Task-Switching-Netzwerks (im linken DLPFC und VLPFC und in der ACC), die monolingualen Kollegen übertraf (vgl. Ebd.). 2.4.1.3. Das Arbeitsgedächtnis („Working Memory“). Wie im Kapitel 2.1.1.4. schon erklärt worden ist, ist das Arbeitsgedächtnis („working memory“) für Aufgaben wie das Kopfrechnen, die Problemlösung, das logische Denken und die Planung zuständig. Trotz großer individuellen Unterschiede im Bereich des Arbeitsgedächtnisses, haben Park et al. (2002) festgestellt, dass diese Fähigkeit schon mit 20 Jahren abzunehmen beginnt und von einem negativen Trend über die gesamte Lebenspanne gekennzeichnet ist: Wenn wir älter werden, haben wir nämlich immer größere Schwierigkeiten, einfliessende Informationen zu halten und sie geistig zu bearbeiten, insbesondere wenn es darum geht, diese Prozesse gleichzeitig durchzuführen (vgl. Park et al. 2002, zitiert in Kramer&Borges-Mota 2015:310f.). In dem zweiten Teil der schon erwähnten Studie, haben Kramer und Borges-Mota (2015) die Effekte des lebenslangen Bilingualismus auf das Arbeitsgedächtnis untersucht. Zur Messung der Leistungen des Arbeitsgedächtnisses haben sie das sogenannte „Alpha-Span-Task“ gewählt, das von Craik in 1986 in englischer Sprache entwicklet wurde. Im Alpha-Span-Task werden Ketten von 2 bis 8 Wörtern in zufälliger Reihenfolge dargestellt, die dann von den Probanden mental in korrekter alphabetischer Reihenfolge neu angeordnet werden müssen, wie das 54
folgende Beispiel zeigt (vgl. Craik 1986:414): –
Darstellungsreihenfolge: RAT – LEG – TREE – HOUSE – WOOD – CHAIR
–
Korrekte Antwort: CHAIR – HOUSE – LEG – RAT – TREE – WOOD Was
die
traditionellen
Sekundärspeicher-Paradigmen
des
freien Rückrufs (Alpha-Span-Task) und der
Erkennung
angeht,
ist
(Digit-Span-Task)
Craik
zum
Ergebnis
gekommen, dass ältere Menschen im Vergleich
zu
jüngeren
wesentlich
schlechter in Aufgaben des freien Rückrufs
als
abschneiden
in
(vgl.
Erkennungstests Bild
15),
wie
Bild 15: Ergebnisse aus Erkennungstests (Digit-Span) und aus
außerdem im Kapitel 2.1.1.4 schon
freien Rückrufstests (Alpha-Span) bei jungen und älteren
erklärt worden ist (vgl. Ebd.). Da
Probanden. Quelle: Craik 1986:414.
Aufgaben
des
Arbeitsgedächtnisses
hohe kognitive Verarbeitungsanforderungen und Funktionen der exekutiven Kontrolle (u.a. selektive Aufmerksamkeit) voraussetzen, hatten Kramer und Borges-Mota Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen angenommen, was von den Ergebnissen des Alpha-SpanTasks bestätigt wurde: Alle die bilingualen Probanden, unabhängig vom Alter, wiesen nämlich bessere Leistungen im Vergleich zu monolingualen
Probanden
auf
(vgl.
Kramer&Borges-Mota 2015:324f.). Obwohl dieser bilinguale Vorteil statistisch nicht so signifikant war (vgl. Bild 16), deutete es trotzdem darauf hin, dass die lebenslange bilinguale Erfahrung altersbedingte Verluste im
Bereich
des
Bild 16: Leistungen bilingualer Probanden im Vergleich zu
verbalen monolingualen Probanden im Alpha-Span-Task. Quelle: Arbeitsgedächtnisses in gewissem Maße Kramer&Borges-Mota 2015:325. abschwächen kann (vgl. Ebd.).
55
2.4.2. Die Effekte des Multilingualismus auf die Hirnstruktur. Bisher sind wichtige funktionelle Effekte des lebenslangen Bilingualismus besprochen worden, und zwar in Bezug auf die exekutive Kontrolle (u.a. selektive Kontrolle der Aufmerksamkeit, Task-Switching und Arbeitsgedächtnis). Wie aber Abutalebi und Kollegen behaupten, kann der Bilingualismus auch zu strukturellen Veränderungen in bestimmten Hirnarealen (u.a. im linken unteren Parietallappen, in der ACC, im linken Caudate und Putamen, usw.) führen, vor allem in denen, die für die exekutive Kontrolle zuständig sind (vgl. Abutalebi et al. 2015:202). Im vorliegenden Abschitt werden einige neueren Studien dargestellt, die sich mit den strukturellen Effekten der lebenslangen bilingualen Erfahrung auf die „graue“ bzw. „weiße“ Substanz beschäftigen. Diese zwei groben histologischen Termini beziehen sich auf die Hirnregionen, die besonders reich an neuronalen Zellkörpern bzw. Axonen sind: "Gray matter refers to any accumulation of cell bodies and neuropil in the brain and spinal cord (e.g. nuclei or cortices), whereas white matter, named for its relatively light appearance resulting from the lipid content of myelin, refers to axon tracts and commissures." (Purves et al. 2004:15)
Was spezifisch die Effekte auf der grauen Substanz angeht, sollten zwei relvante Studien von Abutalebi und Kollegen erwähnt werden. In der ersten Studie (2014), in der die fMRT-Hirnscans von 23 bilingualen und 23 monolingualen Sprechern verglichen wurden, wurden 1) durchschnittlich mehrere und schlimmere altersbedingte Abnahmen im Volumen der grauen Substanz bei monolingualen Probanden festgestellt, so wie 2) ein deutlich erhöhtes Volumen der Grauen Substanz im linken Temporalpol bei zweisprachigen Probanden, was einerseits die Abfälligkeit des Temporalpoles im Alter und anderseits die Rolle des Bilingualismus als Schutzfaktor gegen altersbedingte Abnahmen im Volumen der grauen Substanz bestätigte (vgl. Abutalebi et al. 2014:2126). Zu ähnlichen Ergebnissen sind sie auch in der späteren Studie (2015) gekommen, die eine Gruppe bilingualer Probanden aus Hong Kong mit einer monolingualen Kontrollgruppe aus Milan verglich, um genau zu sehen, welche die neuronale Basis eines möglichen bilingualen Vorteils war (vgl. Abutalebi et al. 2015:201). Zu diesem Zweck mussten die Probanden das sogenannte Erikson-Flanker-Task durchführen, und ihre Leistungen wurden mit dem Volumen der grauen Substanz (das mittels fMRT-Sitzungen gemesst wurde) korreliert, um zu sehen, ob die kognitive Leistungsfähigkeit das Volumen der grauen Substanz spezifisch in den durch Alterung betroffenen Hirngebieten prognostiziert (vgl. Ebd.). Die Ergebnisse bestätigten bessere Leistungen der bilingualen Probandengruppe in Bezug auf das Flanker Task und zeigten, dass der lebenslange Bilingualismus mit einem allumfassenden 56
erhöhten Volumen der grauen Substanz in der ACC und in der DLPFC korreliert war, was von Abutalebi und Kollegen als eine Art von „neuronaler Reserve“ interpretiert wurde (vgl. Ebd.). Was nun die Effekte des Bilingualismus auf der weißen Substanz angeht, könnten zwei wichtige Studien (Luk et al. 2011; Olsen et al. 2015) erwähnt werden, die sowohl eine größere Integrität der weißen Substanz bei älteren bilingualen Probanden bestätigten, als auch eine bessere Konnektivität zwischen verschiedenen Hirnarealen. Ausgehend von der Voraussetzung, dass das Volumen der weißen und grauen Substanz mit dem Alter abnimmt (vgl. Kapitel 2.1.1.1), haben Luk und Kollegen (2011) die Hypothese getestet, dass der lebenslange Bilingualismus mit einer Aufrechterhaltung der weißen Substanz im Alter korreliert sein könnte (vgl. Luk et al. 2011:16808). Mithilfe der DT-MRT-Technik8 sind sie zum Ergebnis gekommen, dass ältere bilinguale Probanden im Vergleich zu Monolingualen sowohl eine allgemeine größere Integrität der weißen Substanz zeigten, als auch eine stärkere Konnektivität zwischen der linken und der rechten präfrontalen Cortex (Ebd.). Die Tatsache, dass der lebenslange Bilingualismus positiv auf die Integrität der weißen Substanz einwirkt, wurde auch von der Olsen et al. (2015) Studie bestätigt, die die strukturelle Unterschiede im Gehirn von monolingualen und bilingualen Erwachsenen untersuchte und ebenso zum Ergebnis kam, dass bilinguale Individuen im Vergleich zu Monolingualen eine größere Integrität der weißen Substanz, vor allem im Frontallappen, zeigen (vgl. Olsen et al. 2015:128f.). Die Ergebnisse des im zweiten Teil dieser Studie benutzten Stroop Tasks zeigten außerdem, dass die Leistungen positiv mit der Integrität der weißen Substanz im Frontallappen korreliert waren, was mit der Wichtigkeit einer erhaltenen weißen Substanz für die Aufrechterhaltung kognitiver Funktionen im Alter erklärt wurde (Ebd.). 2.4.3. Die Vorteile des Multilingualismus über die Lebensspanne. Die
obenbeschriebenen
funktionellen
und
strukturellen
Effekten
des
lebenslangen
Bilingualismus weisen darauf hin, dass dieser als ein Schutzfaktor angesehen werden könnte, der zu der kognitiven und neuronalen Reserve eines Individuums beiträgt, wie im vorliegenden 8 Die „Diffusions-Tensor-Bildgebung“ ist ein bildgebendes Verfahren, das mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Körpergewebe misst und räumlich aufgelöst darstellt. Es wird in erster Linie zur Untersuchung des Gehirns eingesetzt, da das Diffusionsverhalten Rückschlüsse auf den Verlauf der großen Nervenbahnen erlaubt und sich bei bestimmten Erkrankungen des zentralen Nervensystems charakteristisch verändert. Wie die klassische MRT ist die Diffusions-Tensor-Bildgebung nicht invasiv. Quelle: http://www.muenchner-wissenschaftstage.de/content/e160/e707/e728/e930/filetitle/PKlinischeRadiologie_ger.pdf (letzter Zugriff am 21.09.2016).
57
Abschnitt erklärt wird. Um das Konzept der „kognitiven Reserve“ besser zu verstehen, sollte es in erster Linie auf drei wichtigen Beobachungen erinnert werden, die in den Kapiteln 2.1. und 2.2. behandelt worden sind. Erstens sollte es auf das Konzept der funktionellen Plastizität hingewiesen werden (d.h. die lebenslange Fähigkeit des Gehirns sich funktionell und strukturell an veränderten Umweltbedingungen, an Erfahrungen, usw. anzupassen → vgl. Abschnitt 2.2.2.1.), indem diese die Voraussetzung und den Ausgangspunkt darstellt, um zu untersuchen, wie der Bilingualismus die kognitiven Fähigkeiten beeinflussen kann (vgl. Bialystok 2015:240). Zweitens sollte daran erinnert werden, dass das Altern mit einem kognitiven Abfall verbunden ist, der von einem langsamen und fortschreitenden Abbau von Gedächtnisleistungen und kognitiven Fähigkeiten gekennzeichnet ist, die aus pathologischen Zuständen (u.a. Atrophie der grauen Substanz, Störung der Faserverbindungen in der weißen Substanz, Verringerung der Gefäßintegrität, Erschöpfung von Neurotransmittersystemen, usw.) resultieren (vgl. Abutalebi et al. 2015:201; Gold et al. 2015:9f.). Die dritte und letzte Beobachtung, und zwar dass mit zunehmendem Alter die Heterogenität zwischen den Individuen („interindividuelle Variabilität“) zunimmt, führt dirket zur „Theorie der kognitiven Reserve“, wie von Stern (2009) angenommen wird: „[…] life experiences contribute to individual differences at the brain level, providing a neural basis for the concept of cognitive reserve“ (Stern 2009, zitiert in Abutalebi et al. 2015:201). Der Begriff „kognitive Reserve“ bezieht sich auf die Idee, dass ein regelmäßiges Engagement bei anregenden körperlichen und geistigen Aktivitäten dazu beitragen kann, das kognitive Funktionieren im gesunden Altern zu halten und, im Fall von neurodegenerativen Krankheiten (u.a. Alzheimer-Krankheit), das Auftreten der ersten klinischen Symptome zu verspäten (vgl. Bialystok et al. 2015:459; Gold et al. 2015:9f.). Zu den sogenannten „Schutzfakoren“ im Alter (vgl. Bild 17) zählen beispielsweise eine
gute
Ausbildung
und
Berufsstatus, die Zugehörigkeit einer
höheren
sozio-
ökonomischen Klasse, so wie die anhaltende
Beteiligung
an
physischen, intellektuellen und sozialen Aktivitäten (vgl. Ebd.). Bild 17: Faktoren, die kognitive Fähigkeiten über die ganze Wie Abutalebi und Kollegen Lebensspanne beeinflussen. Quelle: Kueider et al. 2014:5. behaupten, verfügt das Konzept der kognitiven Reserve im heutigen Kontext des kollektiven 58
Alterns und der damit verbundenen sozio-ökonomischen und affektiven Auswirkungen für die Gemeinschaft über ein erhebliches Potential, indem eine Verspätung des natürlichen kognitiven Rückgangs auch zu relevanten wirtschaftlichen Vorteilen führen könnte (vgl. Abutalebi et al. 2015:201). Da der lebenslange Bilingualismus zu zahlreichen positiven strukturellen und funktionellen Effekte auf das Gehirn führt, wie in den vorherigen Abschnitten gezeigt worden ist, könnte es angenommen werden, dass dieser als einer der Faktoren anzusehen ist, die zur neuronalen und kognitiven Reserve eines Individuums beitragen, eine Hypothese, die von zahlreichen neueren Studien bestätigt worden ist. Wie Gold (2015) behauptet, kann man nämlich die ersten Beweisen für diese Annahme u.a. in Studien von Bialystok, Craik, Bak und Kollegen finden, die zum Ergebnis gekommen sind, dass bilinguale Menschen die ersten klinischen Symptome der Alzheimer-Krakheit später als monolinguale Menschen entwickeln (vgl. Gold et al. 2015:9f.). In diesem Zusammenhang könnte beispielsweise eine der vielen Studien von Ellen Bialystok und Kollegen (2007) erwähnt werden, die eine Gruppe von 184 Patienten mit Demenz (51% bilingual) untersuchte (vgl. Bialystok et al. 2007:459). Die Ergebnisse ihrer Studie zeigten, dass die Krankheit bei bilingualen Patienten durchschnittlich 4 Jahre später als bei monolingualen Patienten auftrat, was damit erklärt wurde, dass der lebenslange Bilingualismus mit seinen hohen kognitiven Anforderungen für die Etablierung und Verwaltung von zwei linguistischen Systemen in wichtigem Maße zur kognitiven Reserve eines Individuums beitragen kann, genauso wie andere anregende geistige Aktivitäten (vgl. Ebd.). 2.4.4. Und im Fall eines sukzessiven Erwerbs einer L2? In allen den in diesem Kapitel behandelten Studien ist von „lifelong bilingualism“ oder „early bilinguals“ die Rede: In diesem Zusammenhang könnte man sich fragen, welche die genaue Voraussetzungen und Bedingungen sind, damit die schon erwähnten positiven Effekte des Bilingualismus auf der exekutiven Kontrolle stattfinden können. Das Kenntnis dieser Bedingungen könnte nämlich von großer Bedeutung sein, da beispielsweise eine Person, die eine Fremdsprache ziemlich „spät“ zu lernen beginnt, wissen wollen könnte, ob sie trotzdem irgendwelche positive Effekte feststellen kann. Die Forschung hat bisher nur wenige Antworte zu diesem Thema, das sehr aktuell ist und gerade erforscht wird. Bialystok und Kollegen fragen sich zum Beispiel, ob die Möglichkeit für einen kumulativen Effekt im Fall von mehr als zwei Sprachen (bei Dreisprachigkeit, Viersprachigkeit, usw.) besteht: „If managing two languages enhances cognitive control processes, then does further enhancement occur from the management of three or more languages?" (Bialystok et al. 2015:253). Eine zweite 59
Forschungsfrage bezieht sich auf die Ähnlichkeit zwischen den Sprachen, die eine bilinguale Person beherrscht: Benötigt beispielsweise die „Zweisprachigkeit Spanisch/Englisch“ mehr (oder weniger?) Aufmerksamkeitssteuerung als die „Zweisprachigkeit Chinesisch/Englisch“, um die Trennung der Sprachen aufrechtzuerhalten? (vgl. Ebd.). In einer Studie mit bilingualen Kindern, die Englisch plus einer zweiten Sprache (Französisch, Spanisch oder Chinesisch) beherrschten, wurden keine besondere Effekte im Bezug auf die Ähnlichkeit der Sprachen festgestellt, und alle die bilingualen Kinder schnitten besser als die monolinguale Kontrollgruppe in Bezug auf Tests der exekutiven Kontrolle ab (vgl. Ebd.). Schließlich, wie schon oben erwähnt worden ist, sollte das Problem des notwendigen Bilingualismusgrads angesprochen werden, wie Bialystok und Kollegen behaupten: “If bilingualism is protective against some forms of dementia, then middle-aged people will want to know whether it is too late to learn another language, or whether their highschool French will count towards cognitive reserve.” (Bialystok et al. 2015:253)
In solchen Fällen kann sicher von „sukzessiver Zweisprachigkeit“ die Rede sein. Aus einer Entwicklungsperspektive spricht man nämlich vom „simultanen Bilingualismus“, wenn zwei Sprachen (L1a + L1α) von der Geburt an erworben werden, und vom „sukzessiven Bilingualismus“, wenn eine Sprache (L2) nach dem grundsätzlichen Erwerb der Erstsprache (L1) erworben oder gelernt wird (vgl. Bonifacci et al. 2012:8). Der sukzessive Erwerb einer oder mehrerer Sprache/n kann über die ganze Lebenspanne stattfinden, natürlich mit bestimmten Unterschieden je nach Alter (vgl. Kapitel 2.3.3.): Dies ist beispielsweise auch bei den Probanden meiner kurzen empirischen Untersuchung (vgl. Kapitel 4) der Fall. Die schon erwähnten Studien, die einen bilingualen Vorteil beweisen, beschäftigen sich meistens mit dem Phänomen der simultanen Zweisprachigkeit, indem sie die sogennten „early bilinguals“ mit monolingualen Individuen vergleichen. Außerdem setzten sie eine bestimmte Kontinuität über die gesamte Lebensspanne voraus, weshalb oft von „lifelong bilingualism“ die Rede ist. Bisher bleibt jedoch die Frage nach der notwendigen Sprachkompetenz und dem notwendigen Erwerbstyp (simultan/sukzessiv) und -alter, um vorteilhafte kognitive Effekte zu beobachen, unbeantwortet. Wie Bialystok behauptet, könnte es jedoch angenommen werden, dass ein frühes Erwerbsalter („early acquisition“), eine allgemeine Sprachkompetenz („overall fluency“) und Gebrauchshäufigkeit („frequency of use“), so wie einen guten Alphabetisierungsgrad („levels of literacy“) und die grammatikalische Genauigkeit („grammatical accuracy“) in gleichem Maße zum bilingualen Vorteil beitragen können, idem „ein zunehmender Bilingualismus zu zunehmenden kognitiven Veränderungen führt“ (Bialystok et al. 2015:253; eigene Übersetzung). 60
Um zurück zur Frage zu kommen, ob auch das späte Fremdsprachenlernen zu irgendwelchen positiven Effekte auf der kognitiven Ebene führen kann, werden im Folgenden einige interessante Studien von Bak, Sorace, Vega-Mendoza und Kollegen diskutiert. In einer ersten Studie sind beispielsweise Bak et al. (2014) zum Ergebnis gekommen, dass je nach Erwerbsalter unterschiedliche Effekte auf die exekutive Kontrolle festzustellen sind: Während eine frühe Zweitsprachigkeit vor allem die Switching-Prozesse verstärkt, hat der spätere Erwerb einer L2 einen größeren Effekt auf der inhibitorischen Kontrolle, indem es eine stärkere Hemmung der Erstsprache (L1) voraussetzt (vgl. Bak et al. 2014:5). Diese Ergebnisse sind auch von einer späteren Studie von Vega-Mendoza und Kollegen (2015) bestätigt worden, in der Probanden, die eine Zweitsprache (L2) spät erworben hatten und keine balancierte Zweitsprachigkeit aufzeigten, ähnliche kognitive Effekte wie ihre Konkurrenten erwiesen, die dagegen eine frühe und (soweit es möglich ist) balancierte Zweisprachigkeit aufzeigten (vgl. Vega-Mendoza et al. 2015:40). Wie die Autoren annehmen, sind auch in diesem Fall Unterschiede in den betroffenen Komponenten der exekutiven Kontrolle (Switching, Inhibition, usw.) je nach Erwerbsalter festgestellt worden (Ebd.). In diesem Zusammenhang sollte es außerdem nochmals auf die schon erwähnte Studie von Kramer und Borges-Mota (2015) erinnert werden, in der alle die bilingualen Probanden („early bilinguals“ bzw. „late bilinguals“) besser als monolinguale Probanden in der Lage waren, irrelevante Stimuli zu hemmen, was mit einer Verstärkung der exekutiven Funktionen in Bezug auf nonverbale kognitive Aufgaben erklärt wurde, die spezifisch die inhibitorische Kontrolle voraussetzen (vgl. Kramer&Borges-Mota 2015:324). Diese Ergebnisse beweisen, dass sich die kognitiven Effekte des L2-Lernens im Erwachsenenalter nicht radikal von denen des Lernens in der Kindheit unterscheiden und das Erreichen einer bestimmten L2-Sprachkompetenz spät im Leben ebenso zu positiven kognitiven Vorteilen führen kann: Ein Ergebnis von erheblicher Bedeutung für Millionen von erwachsenen L2-Lernenden weltweit (vgl. Ebd., Vega-Mendoza et al. 2015:45). Schließlich sollte es auf eine letzte relevante Studie eingegangen werden, und zwar auf die kurz erschienene Studie von Bak und Kollegen (2016), die sich die folgenden drei Hauptfragen gestellt haben, um die Auswirkungen eines kurzen Intensivkurses auf Aufmerksamkeitsfunktionen in erwachsenen Fremdsprachenlernern zu untersuchen, die im Anfangsstadium ihrer Sprachkenntnisse sind: 1. How much language learning is necessary before the first cognitive changes become detectable? 2. How much practice is needed to sustain them? 3. Do they occur in people of all ages, even in the elderly? 61
(Bak et al. 2016:2) Um diese Fragen zu beantworten, haben sie mit dem sogenannten Test of Everday Attention (TEA) eine Gruppe von 33 Teilnehmern eines einwöchigen schottisch-gälischen Kurses mit einer
Kontrollgruppe
verglichen,
und
von
zwar
34
mit
Probanden 16
aktiven
Probanden, die an anderen Kursen (nicht Fremdsprachenkursen)
mit
vergleichbarer
Dauer teilnahmen und mit 18
passiven
Probanden, die einfach ihre übliche Routines folgten (vgl. Ebd., S.1). Während es zu Beginn
Bild 18: Lineare Leistungstrends der Sprach- und
des Kurses keinen Unterschied zwischen den Kontrollgruppen (aktiv und passiv) in Bezug auf den drei Gruppen in Bezug auf irgendwelchen TEA. Quelle: Bak et al. 2016:5. Parameter gab, wurde am Ende eine signifikante Verbesserung der Sprachgruppe in Bezug auf die Aufmerksamkeitsumschaltung beobachtet (vgl. Ebd.). Die Ergebnisse der Studie ermöglichten es, auf die Anfangsfragen wie folgt zu antworten: 1. Schon nach einer einzigen Woche eines Intensivkurses (ca. 14 Studen Unterricht + tägliche Unterhaltungsprogramme am Abend: Filme, Musicals, usw.) ist es möglich, die ersten positiven kognitiven Effekte zu beobachten. 2. Eine Follow-up-Studie zeigte, dass ca. 4 bis 5 Stunden Praxis pro Woche notwendig sind, um um diese kognitiven Vorteile zu erhalten. 3. Die Verbesserung wurde in allen Altersgruppen (18-78 Jahre) festgestellt: Das Altern verringert nicht die kognitiven Effekte des Sprachenlernens. (Bak et al. 2016:7f.) Die Studie von Bak und Kollegen ist vor allem deswegen wichtig, weil sie 1) die Wichtigkeit von Bemühung und Übung in Bezug auf das Sprachenlernen im Alter betont und 2) bestätigt, dass das Fremdsprachenlernen – auch im höheren Erwachsenalter – als eine Variable angesehen werden könnte, die mit ihrer Eigenschaften der Neuheit („novelty“: beim Fremdsprachenlernen wird immer etwas Neues gelernt), Herausforderung („challenge“: das Framdsprachenlernen ist eine herausfordernde Tätigkeit) und Praxis („practice“: das Fremdsprachenlernen setzt eine ständige Übung und Praxis voraus) zu relevanten Effekten auf die kognitive Ebene führt und so in wichtigem Maße zur kognitiven Reserve eines Individuums beiträgt (vgl. Ebd., S.8f.). 62
Zum Schluss könnte die Frage entstehen, was alle die in diesem Kapitel erwähnten Studien mit dem Thema der vorliegenden Arbeit zu tun haben und warum es so wichtig ist, die kognitiven Effekte des lebenslangen Bilingualismus und des Fremdsprachenlernens zu betonen. In erster Linie weisen diese darauf hin, dass der Einfluss des Faktors Alter auf das Fremdsprachenlernen nicht unidirektional ist, indem auch das Fremdsprachenlernen – auch im höheren Erwachsenenalter – mit den oben beschriebenen positiven kognitiven Effekten das Altern indirekt beeinflüssen und so zur kognitiven Reserve eines Individuums beitragen kann (vgl. Bak, Vega-Mendoza, Sorace, usw.). Diese Ergebnisse sind äußerst wichtig und sollten nach Videsott auch auf didaktischer Ebene integriert werden: „Für einen erfolgreichen Zweitsprachunterricht
ist
es
[nämlich]
unabdingbar,
die
Erkenntnisse
aus
der
Zweitspracherwerbsforschung [und Neurolinguistik] zu berücksichtigen“ (Videsott 2009:167). Wenn man nämlich die anatomischen Grundlagen, auf denen sich der Sprachprozess abspielt, erkennt und die entsprechenden Ablaufmechanismen dieser kognitiven Fähigkeiten versteht, wird dies enorm zum besseren Verständnis von Sprache im Allgemeinen beitragen und insbesondere auch für die Meta-Reflektion über Sprache in der Sprachdidaktik von Vorteil sein (vgl. Ebd.). Außerdem könnte die Verbreitung dieser Erkenntnisse auch wichtige fremdsprachenpolitische und -didaktische Maßnahmen beeinflussen (und vielleicht zu einer stärkeren
Förderung
von
Sprachlerninitiativen
im
Erwachsenenalter
und
höheren
Erwachsenenalter führen), so wie die Einstellungen und Motivationen der Lerner zum Fremdsprachenlernen, zwei Konzepte, die im nächsten Kapitel ausführlicher behandelt werden.
63
3. Individuelle Lernfaktoren. Wie im Kapitel 2.1.1. und 2.2.3. gezeigt worden ist, steht es außer Frage, dass Alter über bestimmte
reifungsbedingte
Veränderungen
auf
der
physiologischen
Ebene
den
Fremdsprachenerwerbsprozess in wichtigem Maße beeinflusst. Durch die Diskussion über die Critical Period Hypothesis (vgl. Kapitel 2.3.2.) ist es jedoch gezeigt worden, wie man aus der ursprünglichen Hypothese einer zeitlich fixierbaren und biologisch basierten "kritischen Phase" beim L2-Lernen, nach deren es kaum möglich wäre, eine Zweit- oder Fremdsprache zu erwerben, zu neueren Konzeptualisierungen (u.a. Flege 1987, zitiert in Edlinger 2013:82) gekommen ist, die ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren (z.B. Qualität und Quantität des
Inputs,
Motivation,
affektive
und
soziale
Faktoren,
usw.),
gemeinsam
mit
Reifungsprozessen, annehmen, bei denen nicht der Einfluss eines einzigen Faktors herausgefiltert werden kann. Also, ausgehend von der Annahme, dass Alter nicht der einzige Faktor ist, der den Erfolg (oder Misserfolg) des Fremdsprachenlernprozesses beeinflusst, wie außerdem auch von neueren dynamischen Modellen der Mehrsprachigkeit postuliert wird (u.a. das Dynamische Modell des Multilingualismus von Herdina und Jessner 2002, das Faktorenmodell von Hufeisen 2010, das ökologische Modell des Multilingualismus von Aronin und O'Laoire 2002, zitiert in Roche 2013:171-179), und von der größeren interindividuellen Varianz, die die Lerner in höherem Alter kennzeichnet (vgl. Abschnitt 2.3.2. und 2.3.3.), werden im vorliegenden Kapitel ausführlich die anderen Faktoren diskutiert (z.B. sozio-kulturelle, kognitive, linguistische, affektive/psychologische Faktoren), die das Fremdsprachenlernen in höherem Alter beeinflussen können. Im Bezug auf Riemers Einzelgängerhypothese wird dann gezeigt (vgl. Abschnitt 3.2.), wie diese Faktoren miteinander in Verbindung stehen und warum das Fremdsprachenlernen als „ein hochgradig individuell ablaufender Prozess“ (Riemer 2006:231) angesehen werden könnte, bei dem jeder Fremdsprachenlerner als „Einzelgänger“ zu betrachten ist, dessen Erfolg in der L2 von einem komplexen, dynamischen und einzigartigen Zusammenspiel dieser individuellen Faktoren abhängt. Diese Hervorhebung der Individualität bedeutet nicht, wie Riemer betont, dass die Ermittlung von vergleichbaren oder vielleicht sogar generellen Merkmalen innerhalb eines Forschungsprojekts unmöglich sei: Es bedeutet vielmehr, dass „als allgemeine forschungsmethodologische Konsequenz die Notwendigkeit erkannt wird, subjektive Daten immer mit zu erheben und zur Überprüfung der Befunde heranzuziehen“ (Ebd.,
S.237).
Ein
qualitativen/subjektiven Einstellungen,
solcher Daten
Motivationen,
methodologischer kombiniert
und
usw.
Fokus
in
64
Ansatz,
den
der
quantitativen
Fremdsprachenlerner
stellt,
könnte
im
mit
Rahmen
und seinen des
Forschungsprogramms Subjektiven Theorien (FST) kontextualisiert werden, das schließlich im Abschnitt 3.3. zusammenfassend illustriert wird. 3.1. Individuelle Faktoren beim Fremdsprachenlernen. Im Folgenden werden zusammenfassend einige individuelle Faktoren dargestellt, die außer dem Faktor Alter ebenso einen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen haben können. 3.1.1. Kognitive Faktoren. 3.1.1.1. Sprachlerneignung. Wie Erlam (2005) behauptet, wurde das erste Modell der „Sprachlerneignung“ von Carroll (1962) entwickelt, der besondere Tests entwickelte, die die beim Fremdsprachenlernen beteiligten Fähigkeiten messen sollten, und die Leistungen in diesen Tests mit denen in Sprachtests zur Messung der Fremdsprachenkenntnisse korrelierte (vgl. Erlam 2005:147). Aus diesen Tests entwickelte er den sogenannten Modern Language Aptitude Test (MLAT) und schlug vor, das Konstrukt der Sprachlerneignung in vier Komponenten zu unterteilen: 1. phonologische
Diskriminierungs-
und
Enkodierungsfähigkeit,
2.
grammatisches
Einfühlungsvermögen, 3. Fähigkeit zum Auswendiglernen und 4. induktive Sprachlernfähigkeit (vgl.
Ebd.).
Dörnyei
(2005)
weist
auf
die
Tendenz
innerhalb
der
neueren
Sprachlerneignungsforschung hin, Distanz von der Carroll-Tradition zu nehmen und die Ergebnisse der kognitiven Psychologie, der Psycholinguistik und Neurolinguistik zunehmend zu betrachten und miteinzubeziehen (vgl. Dörnyei 2005:63). Skehan (1998) hat beispielsweise das Carroll-Modell
an
das
generelle
Informationsverarbeitungsmodell
des
Zweit-
bzw.
Fremdsprachenerwerbs adaptiert (vgl. Tabelle 3) und ein Modell vorgeschlagen, nach dem der Erfolg
beim
Fremdsprachenlernen
stark
von
allgemeinen
Lernmechanismen
(u.a.
Wahrnehmung, Analyse, Speicherung und Abruf von Informationen) bestimmt wird (vgl. Ebd., S.61f.).
Tabelle
3:
Beziehung
Processing stage
Aptitude component
Input
Phonemic coding ability
Central Processing
Language analytic ability
Output
Memory
zwischen
den
Komponenten
der
Sprachlerneignung
Informationsverarbeitung nach Skehan (1998). Quelle: Erlam 2005:148 (bearbeitet).
65
und
den
Phasen
der
Wie Riemer betont, „[...] gilt [Sprachlerneignung] als höchst relevanter – häufig sogar als der einflussreichste – Faktor, der in vielen Studien nachgewiesen wurde und in der letzten Zeit erneut an Interesse gewinnt“ (Riemer 2006:226f.). Wegen seiner Komplexität und schwierigen Messbarkeit, war ich natürlich unfähig, den Faktor Sprachlerneignung in meiner kurzen empirischen Untersuchung (vgl. Kapitel 4) in Betracht zu nehmen. 3.1.1.2. Persönlichkeit und Lernstile. Pervin und John (2001) definieren „Persönlichkeit“ als die Charakteristika einer Person, die für bestimmte Gefühls-, Denk- und Verhaltensmuster zuständig sind (Pervin&John 2001, zitiert in Dörnyei 2005:11). Als Beispiele für Persönlichkeitsmerkmale, die eine wichtige Rolle für den Fremdsprachenunterricht haben könnten, weist Dörnyei auf das sogenannte „Big Five“-Modell von Goldberg (1992) und McCrae&Costa (2003) hin, das die folgende Persönlichkeitsmerkmale miteinbezieht: Hauptmerkmale:
Tabelle 4: Persönlichkeitsmerkmale der „Big Five“-Theorie nach Goldberg (1992) und McCrae&Costa (2003). Quelle: Dörnyei 2005:15 (bearbeitet).
Was dagegen das Konzept von „Lernstil“ angeht, der von Kinsella (1995) als „an individual's natural, habitual, and preferred way(s) of absorbing, processing, and retaining new information and skills which persist, regardless of teaching methods and content areas“ definiert wird (Kinsella 1995, zitiert in Krumm et al. 2010:852), werden in folgender Tabelle die wichtigsten Lernstildimensionen
Feldunabhängigkeit wird als Disposition zur analytischen Wahrnehmung von
Feldabhängigkeit
Einzelphänomenen bei der Lösung komplexer Aufgaben verstanden, während Feldabhängigkeit mit einer Disposition für eine eher holistische Wahrnehmung in Verbindung gebracht wird.
Analytisches/globales
Lernende mit globalem Lernstil versuchen, den gesamten Kontext zu erfassen, während
Lernstil
sich Lerner mit einem eher analytischen Lernstil auf einzelne Aspekte konzentrieren, die anschließend zu einem Ganzen verknüpft werden.
Reflexivität/
Impulsiven Lernenden werden Neigungen unterstellt, bei komplexen Problemlösungen
Impulsivität
eher spontan vorzugehen, während reflexive Lernende z.B. ihre sprachlichen Äußerungen genau vorplanen und daher langsamer und bedachter handeln.
Auditive/visuelle/
Visuelle Lerner verarbeiten Informationen am effizientesten, wenn sie ihnen visuell
kinästetische/taktile
dargeboten werden, während auditive Lerner am besten lernen, wenn sie anderen (und
Perzeptionsstile
sich selbst) zuhören können; kinästhetische Lerner brauchen dagegen körperliche Bewegung, um sich konzentrieren zu können und taktile Lerner bevorzugen es, etwas zu begreifen.
Ambiguitätstoleranz/
Ambiguitätstoleranz wird als die Neigung von Lernenden definiert, Mehrdeutigkeiten
Ambiguitätsintoleranz und
Widersprüchlichkeiten
wahrnehmen
und
ertragen
zu
können.
Ambiguitätsintolerante Lernende benötigen z.B. mehr Erklärungen. Tabelle 5: Relevante Lernstildimensionen für das FSL nach Aguado und Riemer (2010): Quelle: Krumm et al. 2010:854f. (bearbeitet).
Persönlichkeit
und
Lernstile
werden
meistens
mit
psychometrischen
Tests
und
Likertsskalierten Fragebögen zur Selbsteinschätzung operationalisiert: Indem diese jedoch nicht immer als gültige und zuverlässige Messeninstrumente angesehen werden können, bleibt die Wirsamkeit dieser Faktoren auf den Fremdsprachenerwerb bisher noch umstritten (vgl. Dörnyei 2005:120; Krumm et al. 2010:851). Was schließlich die Praxisrelevanz dieser Faktoren angeht, könnte beispielsweise auf die Forderung der Lernerautonomie (die als ein wichtiges Desiderat für das erfolgreiche FSL angesehen werden könnte) durch die Selbsterforschung des eigenen Lerntyps hingewiesen werden, so wie auf bestimmte „Stretching-Prozesse“ (d.h. die Anpassung der Lernumwelt an den Lernstil eines Individuums), die ebenso zur Optimierung des Lernerfolgs führen sollten (vgl. Krumm et al. 2010:856). Wie nämlich Riemer in Bezug auf Ellis (1989) betont, „profitieren [Lerner] besonders davon, wenn der Unterrichtsstil ihrem Lernstil entspricht“ (Riemer 2006:227).
67
3.1.1.3. Lernstrategien. Wie Nold (2009) behauptet, "[werden] [s]eit drei Jahrzehnten [...] Lernstrategien im Rahmen von kognitiven Theorien des Zweit- und Fremdsprachenlernens in empirischen Untersuchungen erfasst, analysiert und in ihren Wirkungen beschrieben" (Nold 2009:37). Obwohl man innerhalb der Lernstrategieforschung den Mangel an einer umfassenden und eindeutigen Definition des Begriffs feststellen kann, weist Dörnyei auf die folgende Definition von Riding und Rayner (1998) hin, die nach ihm am besten den Unterschied zwischen normalen Lernaktivitäten und das lernstrategische Lernen verdeutlicht: „… an activity becomes strategic when it is particularly appropriate for the individual learner, in contrast to general learning activities which a student may find less helpful. Accordingly, learners engage in strategic learning if they exert purposeful effort to select and then pursue learning procedures that they believe will increase their individual learning effectiveness." (Riding&Rayner 1998, zitiert in Dörnyei 2005:165)
Beispiele für diese Lernverfahren werden in folgender Tabelle nach Krumm et al. (2010) zusammengefasst, die strategische Lernhandlungen in zwei Taxonomien (metakognitive und kognitive Lernhandlungen) unterteilt:
Tabelle 6: Strategische Lernhandlungen: Quelle: Krumm et al. 2010:844.
Wie Dörnyei behauptet, stellen „Lernstile“ und „Lernstrategien“ miteinander verknüpfte Konzepte dar, die sich vor allem in ihrer Breite und Stabilität unterscheiden (vgl. Dörnyei 68
2005:162). Während „Lernstile“ als relativ stabile und nicht lehr- bzw. lernbare Persönlichkeitsdispositionen anzusehen sind, können dagegen „Lernstrategien“ bewusst gelehrt und gelernt werden, weshalb ihnen eine sehr bedeutsame Rolle für den Sprachlernprozess zugeschrieben wird: Wenn man lernt, die geeigneten Lernstrategien in den richtigen Kontexten zu benutzen, könnte man nämlich viel erfolgreicher beim Fremdsprachenlernprozess sein (vgl. Riemer 2006:227). Aus diesem Grund plädiert Bimmel (2010) für eine Förderung lernstrategischer Kompetenz auch innerhalb desselben Fremdsprachenunterrichts, und zwar durch 1. einen Austausch über die bereits vorhandenen Lernstrategien der Lernenden, 2. die Vermittlung neues metakognitiven Wissens (in Bezug auf Lernziele, Lernprozesse und strategische Lernhandlungen) und das eventuelle „Modellieren“ neuer Lernstrategien vonseiten der Lernenden, 3. das Erproben neuer strategischen Lernhandlungen und 4. die Bewusstmachung, bei der sich die Lernende fragen, ob und inwiefern die gewählten Lernstrategien zu einer erfolgreichen/nicht-erfolgreichen Erledigung einer Aufgabe geführt haben (vgl. Bimmel 2010, zitiert in Krumm et al. 2010:846f.). Einem solchen Unterrichtsparadigma steht also eine neue Rolle des Lehrers zugrunde, der als ein „Coach“ angesehen werden könnte, „der Methoden und konkreten Ideen zur Förderung der lernstrategischen Kompetenz“, und folglich auch der Lernerautonomie, unterstützt (Ebd.). 3.1.1.4. Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit. Wie Wolff (2010) behauptet, hat sich der aus England kommende Begriff der "Sprachbewusstheit" ("language awareness") in den neunziger Jahren aufgrund der kognitiven Neuorientierung und der Entdeckung des Konstruktivismus in der Fremdsprachendidaktik fest etabliert (vgl. Wolff 2010:183f.). Trotz einer allgemeinen terminologischen Unheitlichkeit in diesem Bereich, weist Wolff auf die folgende Definition des amerikanischen Lernpsychologen und Didaktikers Leo van Lier (1995) hin, die seiner Meinung nach als die umfassendste anzusehen ist, indem sie die unterschiedlichen Domänen des Konzepts betrachtet: "Language awareness can be defined as an understanding of the human faculty of language and its role in thinking, learning and social life. It includes an awareness of power and control through language, and of the intricate relationships between language and culture." (van Lier 1995, zitiert in Wolff 2010:184)
In der Forschungsliteratur zum Thema wird nämlich Sprachbewusstheit in bestimmten Einzelkomponenten aufgegliedert, die nach James und Garrett (1991) in fünf wichtigsten Domänen unterteilt werden können (vgl. Ebd.): 69
1. Die kognitive Domäne, in der es um die Entwicklung von Bewusstheit für Muster, Kontraste, Kategorien, Regeln und Systeme geht. 2. Die Domäne der Performanz, in der es um die Herausbildung einer Bewusstheit für die Verarbeitung von Sprache, aber auch um die Herausbildung einer Bewusstheit für das Lernen im Allgemeinen und das Sprachlernen im Besonderen geht. Für das Letztere wird auch der Begriff "Sprachlernbewusstheit" gebraucht. 3. Die affektive Domäne, die sich auf die Herausbildung von Haltungen, Aufmerksamkeit, Neugier, Interesse und ästhetisches Einfühlungsvermögen bezieht. 4. Die soziale Domäne, in der es um die Entwicklung von Verständnis für andere Sprachen, um Toleranz für Minoritäten und ihre Sprachen geht. 5. Die Domäne der Macht, die sich auf das Vermögen, Sprache im Hinblick auf die ihr unterliegenden Möglichkeiten der Beeinflussung und Manipulation anderer durchzuschauen, bezieht. (James&Garrett 1991, zitiert in Wolff 2010:184) Die Tatsache, dass Sprachbewusstheit in so viele Komponenten bzw. Domänen aufgeteilt werden kann, weist auf eine bestimmte Komplexität dieses Faktors hin, so wie auf die Schwierigkeit, es nur als eine „kognitive“ (bzw. „soziale“ bzw. „linguistische“, usw.) Variable zu betrachten, was außerdem erklärt, warum es auch im Folgenden mehrmals auf dieses Konzept zurückgekommen wird. Wie Krumm et al. (2010) behaupten, spielt das Konzept der Sprachbewusstheit eine sehr wichtige Rolle für den Fremdsprachenlernprozess, indem es das Fremdsprachenlernen durch das Nachdenken und Sprechen über die Sprache unterstützen kann (vgl. Krumm et al. 2010:862). Was die konkrete Fördeung der Sprach(lern)bewusstheit innerhalb des Fremdsprachenunterrichts angeht, weisen sie auf bestimmte bewusst machende Aktivitäten („awareness rising activities“) hin, wie beispielsweise die Bewusstmachung von Lernprozessen (u.a. Grammatikvermittlung, Schreib- und Leseförderung, Strategien, usw.) und, für erwachsene Lerner, das Vermitteln expliziter sprachwissenschaftlichen Inhalte, so wie auf den Sprachvergleich, d.h. das bewusste Reflektieren über die neue Sprache durch die Kontrastierung bzw. den Vergleich mit der Erstsprache/mit anderen L2-Sprachen (vgl. Ebd., S.864).
70
3.1.2. Lernerexterne Faktoren. Zu den „lernerexternen Faktoren“ zählen Krumm et al. (2010) sowohl allgemeine Umgebungsfaktoren wie soziale und institutionelle Faktoren, als auch solche Faktoren, die mit dem tatsächlichen Lernkontext zu tun haben, u.a. die Unterrichts- bzw. Lernsituation, der Lehrer
und
das
Lehrerverhalten,
die
Lehr-
bzw.
Lernmaterialien,
die
Vermittlungsmethoden, die Lerngruppe, usw. (vgl. Krumm et al. 2010:886). Dank eines Ansatzes, der eine kognitivistische Auffassung des Sprachenerwerbs mit einer Auffassung kombiniert, die auf die kontextuellen Faktoren fokussiert, und so Kognition als ein durch den sozialen Kontext geprägtes Phänomen begreift und ein kontextfreies Sprachenlernen als unmöglich ansieht, ist seit den 1970er Jahren insbesondere die Relevanz sozialer Faktoren für den Sprachlernprozess verstärkt erforscht worden (vgl. Ebd.). Wie Riemer betont, wurde „[d]em sozialen Umfeld eines Lerners [...] vor allem insofern Bedeutung insbesondere für den ungesteuerten Zweitsprachenerwerb zugemessen“ (Riemer 2006:228), und zwar mit dem Akkulturationsmodell von Schumann, das den unterschiedlichen Grad der „Akkulturation“ bzw. Adaptation einer Person in die zielsprachlichen Gesellschaft (z.B. im Fall von Migration) mit einer unterschiedlichen Suche nach sozialem Kontakt zu Sprechern der Zielsprache, und dadurch auch mit unterschiedlichem Zugang zu kommunikativem Input in der Zielsprache, erklärt. Unter den verschiedenen Faktoren, die in Form von psychologischen Einstellungen (z.B. Sprachenschock,
Kulturschock,
Integrationsstreben,
usw.)
die
Akkulturation
eines
Migranten/Einwanderers/ usw. in der Zielkultur und -gesellschaft beeinflüssen können, und so auch den tatsächlichen Sprachlernerfolg bestimmen können, zählen u.a. Bedingungen im Herkunfts- und Aufnahmekontext, den ethnischen Kontext sowie die individuellen und familiären Lebensbedingungen und die besondere Umstände der Migration (vgl. Esser 2006, zitiert in Krumm et al. 2010:888). Und im Fall vom gesteuerten Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerb? Welche sind die soziale Bedingungen, die den Zweit- bzw. Fremdsprachenlernprozess - und spezifisch das Fremdsprachenlernprozess im Alter beeinflüssen können? Sicher spielen in erster Linie die Zugehörigkeit einer bestimmten Generation/Kohorte und der geographische Kontext, in dem man sich befindet und die Sprache erlernt, eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang. Je nach Zeitalter und geographischem Kontext ändern sich nämlich die gesellschaftliche Alterswahrnehmung (vgl. Kapitel 2.2.3. → in den modernen und westlichen Industrieländern ist man im Laufe der Jahre von einem „Defizit-Modell“ des Alterns zu einem „Kompetenzmodell“ gekommen, das versucht, ein nicht unbedingt negatives Bild des Alterungsprozesses zu vermitteln), der 71
Stellenwert der Fremdsprache (z.B. aus historischen, kulturellen und politischen Gründen, verfügt die deutsche Sprache über einen höheren Stellenwert in Trento als in Salento) und der Weiterbildung im Alter (z.B. heute werden „lifelong-learning“-Initiativen stärker gefördert als in der Vergangenheit), so wie die lokale Fremdsprachenlerninitiativen und -politiken. Ebenso wichtig ist der familiäre Hintergrund, aus dem man stammt. Die Zugehörigkeit einer Familie, die viel Wert and das Fremdsprachenlernen gibt und das Fremdsprachenlernen konkret fördert und unterstützt, kann beispielsweise eine wichtige Voraussetzung für eine positive Einstellung zum Fremdsprachenlernen darstellten. Oder noch die Tatsache, dass man alleinlebend ist, wie vielleicht bei vielen Menschen im höheren Alter der Fall sein könnte, könnte beispielsweise einen größeren Wunsch nach sozialem Kontakt und nach einer sinnvollen Aktivität nach Außen erwecken, beispielsweise das Besuchen eines Fremdsprachenkurses. Nicht zuletzt sind Ausbildung und der berufliche Hintergrund ebenso wichtige soziale Faktoren, die das Fremdsprachenlernen und die Einstellung zum Fremdsprachenlernen beeinflüssen können. Wenn man beispielsweise Fremdsprachen lebenslang gelernt hat (ab der Schule, usw.) oder viel mit Fremdsprachen gearbeitet hat, könnte man vielleicht dank der zahlreichen Erfahrungen auch bereiter, motivierter oder sogar erfolgreicher beim Erlernen einer neuen Fremdsprache sein. 3.1.3. Linguistische Faktoren. 3.1.3.1. Sprachlernbiographie und Sprachlernerfahrungen. Wie Grotjahn und Li behaupten, ist es sehr wichtig, die „Sprachlernbiographie“ eines Individuums zu kennen, d.h. welche Sprachen wann und wie gelernt bzw. erworben werden, um besser zu verstehen, warum im Laufe der Jahre die Kompetenz in diesen Sprachen zunimmt, konstant bleibt, geringer wird oder sogar - im Fall von „Spracherosion“ („language attrition“) verschwindet (vgl. Grosjean&Li 2004:9f.). Die Sprachlernbiographie einer Person kann wirklich komplex sein, und zwar aufgrund von unterschiedlichen Lebensereignissen, die die Bedeutung einer Sprache erhöhen oder verringern können, und so zu einem wirklichen „wax and wane of languages“ führen (vgl. Ebd.). In Bezug auf die Individualität des Fremdsprachenlernprozesses betont Riemer die Wichtigkeit früherer Sprachlernerfahrungen von Lernenden für den aktuellen Lernkontext, so wie der aus diesen vorangegangenen Erfahrungen bewährten Lerntechniken und -strategien (vgl. Riemer 2006:230). Ihre Annahme steht im Einklang mit verschiedenen Modellen zur Beschreibung des sukzessiven multiplen Sprachenlernens, beispielsweise mit dem sogenannten
Faktorenmodell
von
Hufeisen
(2010),
„nach
dem
sich
frühere
Sprachlernerfahrungen auf den Erwerb weiterer Sprachen auswirken“ (Roche 2013:171). Was 72
die
konkreten
Effekten
dieser
sprachlichen
Vorerfahrungen
für
das
aktuelle
Fremdsprachenlernen angeht, weist Riemer auf eine relavante Studie von Mißler (1999) hin, nach der sich „Lernende, die zuvor bereits Fremdsprachen gelernt haben, hinsichtlich bestimmter Persönlichkeitsfaktoren und affektiver Faktoren von Lernenden ohne solche Vorerfahrungen unterscheiden“ (Riemer 2006:230). Sie wären nämlich ambiguitätstoleranter, risikobereiter, und hätten höhere Erfolgserwartungen, so wie ein positiveres Selbstkonzept (vgl. Ebd.).
3.1.3.2. Der linguistische Input. Obwohl der Input eigentlich nicht als ein “individueller Faktor” angesehen werden kann, sondern vielmehr als ein externer (linguistischer) Faktor, kann man davon ausgehen, dass seine Wahrnehmung und Verarbeitung sehr individuell sein kann, indem sie von vielen verschiedenen u.a. biologischen (z.B. Gesundheitsgrad des Hör- und Sehapparats, usw.), affektiven und kognitiven (z.B. Aufmerksamkeitsmechanismen, usw.) Variablen abhängt (wie beispielsweise Krashen mit seinem Konzept des “affektiven Filters” erklärt). Im Bereich des Sprachenlernens wird Input "in einem weiteren, alles fremdsprachliche Material umfassenden Sinn verstanden, das dem Lerner potenziell zu Verfügung steht oder das in Gegenwart des Lerners produziert wird und damit zumindest prinzipiell zugänglich ist“ (Riemer 2006:231f.). Was spezifisch die Rolle des Inputs für den Zweit- bzw. Fremdsprachlernprozess angeht, kann man innerhalb der linguistischen Tradition zahlreiche Stellungnahmen und Ansätze feststellen, die einen unterschiedlichen Stellenwert diesem Faktor zumessen. Angesichts deren unglaublichen Weite, Komplexität und oft auch Widersprüchlichkeit, wird es im Folgenden versucht, nur eine sehr zusammenfassende
Darstellung
der
wichtigsten
Positionen
anzubieten.
Besondere
Aufmerksamkeit wird dann dem integrierten Modell von Gass (1997) gelenkt, indem ihre Konzeptualisierung des Sprachlernprozesses auf der Basis des Einzelgängerhypothese-Modells von Claudia Riemer liegt (vgl. Abschnitt 3.2.). Wie Gass und Selinker (2001) behaupten, basierten
frühere
Konzeptionen
des
Zweit-
bzw.
Fremdsprachenlernens
auf
einer
behavioristischen Sichtweise, nach der die Haupttriebkraft des Sprachenlernens die Sprache war, der die Lernenden ausgesetzt waren: der Input (vgl. Gass&Selinker 2001:304). Indem nach dem behavioristischen Ansatz das Erlernen einer Sprache den Prozess der Nachahmung als ihren primären Mechanismus einschloß, wurde dem linguistischen Input eine entscheidende Bedeutung zugemessen (vgl. Ebd.). Mit der Überwindung der behavioristischen Theorien und mit der generativen Wende richtete die Forschung ihre Aufmerksamkeit auf die inneren 73
Mechanismen und auf das Angeborensein der Sprachlernfähigkeit, wobei die Bedeutung des Inputs schrittweise abnahm (vgl. Ebd., S.305): „[As] the learners’ brains are equipped to learn any language with innate knowledge, language input is merely considered as a "trigger" that activates the internal mechanism." (Ellis 2008, zitiert in Bahrani 2013:1376)
In ähnlicher Weise posultierte Krashen (1985) innerhalb seiner „Input-Hypothese“, die im Rahmen seines allgemeinen “Monitor-Modells” entwickelt worden ist, dass es eine bestimmte mentale Struktur gibt (vgl. Chomskys “Language Acquisition Device”: LAD), die sowohl für den Erstsprachenerwerb als auch für den Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerbsprozess zuständig sei und grundsätzlich in gleicher Weise bei jedem Individuum arbeite (vgl. Krashen 1985:3; Gass&Selinker 2001:309). Diese mentale Struktur werde nach Krashen ausschließlich durch eine bestimmte Typologie von Input aktiviert, und zwar durch „verständlichen Input“ („comprehensible input“), den er als "that bit of language that is heard/read and that is slightly ahead of a learner’s current state of grammatical knowledge 9" definiert (Ebd., S.2). Nach Krashen wäre nämlich ein linguistischer Input, der Strukturen beinhaltet, die dem Lernenden schon bekannt sind, nicht nützlich für den Spracherwerb, genauso wie ein Input, der viel zu komplexe Sprachstrukturen im Vergleich zu dem aktuellen Wissen des Lernenden enthält (vgl. Gass&Selinker 2001:309). Die Input-Hypothese ist aufgrund ihrer fast ausschließlichen Fokussierung auf die Verständlichkeit des Inputs und ihrem unterrichtsmethodischen Ansatz des „Natural Approaches“ (Krashen&Terrell 1983), der „zugunsten der Menge und Qualität des fremdsprachlichen Inputs auf methodisch und didaktisch abgesicherte Maßnahmen zur Verankerung und zum Abrufen des neuen fremdsprachlichen Materials [verzichtet]”, mehrmals kritisiert worden, beispielsweise von Long (1996) innerhalb seiner „Interaktionshypothese“, die die Bedeutung des Inputs mit der des Kontextes der didaktischen Interaktion kombiniert (vgl. Krumm et al. 2010:759). Wie Krumm und Kollegen behauptet, “leitet [Long] aus seinen empirischen Studien ab, dass Lernende auch auf ihre Fehler hingewiesen werden müssen, um zu einer revidierten Gestaltung des aus ihrem Wissensbestand erfolgenden sprachlichen Outputs zu gelangen” (Ebd.), weshalb Verständlichkeit allein kein hinreichendes Kriterium für erfolgreichen Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerb sei. Dieser wäre nämlich nach Longs Hypothese vielmehr von der ganzen Interaktion in der L2 gefördert, vor allem in Kontexten, wo Verhandlung von Bedeutung („negotiation of meaning“) stattfindet (vgl. Chini 2012:4). 9 Krashen definiert den aktuellen Wissensstand des Lernenden als i und den nächsten Schritt als i + 1: "We move from i, our current level, to i + 1, the next level along the natural order, by understanding input containing i + 1 (Krashen 1985: 2).
74
Schließlich sollte es kurz auf das „integrierte Modell“ von Gass (1997) eingegangen werden, das die Input-Hypothese und die Interaktionshypothese mit kognitivistischen Ansätzen kombiniert und den Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerbsprozess mit den folgenden vier Phasen der Verarbeitung des L2-Inputs erklärt (vgl. Ebd.): Phase: 1. Die Wahrnehmung des Inputs
Beschreibung: • Der erste Kontakt mit dem (mündlichen oder schriftlichen) L2-Input. • Nicht nur eine externe und sensorische Phase, sondern auch schon eine kognitive Phase, die den wahrgenommenen L2-Input für die Analyse vorbereitet. • Diese erste Phase kann von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden, beispielsweise von äußeren kontextuellen Faktoren (die teilweise von der Lehrfigur modifizierbar sind) oder von persönlichen, kognitiven und psychologischen Faktoren (u.a. Lernerpersönlichkeit, Vorwissen, Aufmerksamkeitsgrad, Häufigkeit des Inputs).
2. Das Verständnis des Inputs
• Um der L2-Input zu verstehen, nutzt der Lerner Verhandlungsstrategien, Erläuterungsfragen, so wie pragmatische Hinweise und andere Sprachkenntnisse. • Der Muttersprachler bzw. der Lehrer kann das Verständis mittels Veränderungen des Inputs, Wiederholungen, Paraphrasen, usw. erleichtern (vgl. „Interaktionsmodell“ von Long, 1996).
3. Die Akzeptanz des Inputs und seine Verwandlung in „Intake“
• Aus dem verstandenen und verarbeiteten Input kommt man jetzt zum „Intake“ (vgl. Corder 1967), d.h. zum Teil des Inputs, den sich der Lerner angeeignet hat.
4. Integration des Intakes in das „InterlanguageSystem“
• In der letzten Phase wird das Intake in das dynamische System der „Lernersprache“ (vgl. „Interlanguage“ - Selinker 1972) integriert, die sich folglich modifiziert und hoffentlich eine Entwicklung in Richtung der Zielsprache erlebt.
• Auf der Basis des Intakes und dank Mechanismen linguistischer und kognitiver Art sollte dann das Entstehen, die Überprüfung, die Bestätigung oder die Veränderung von Hypothesen über die L2 und ihre Grammatik stattfinden.
Tabelle 7: Die vier Phasen der L2-Verarbeitung nach dem integrierten Modell von Gass (1997). Quelle: Chini 2012:4f. (bearbeitet).
Basierend auf der Kompetenz, die in den obenbeschriebenen Phasen gesammelt worden ist, so wie auf bestimmten persönlichen und kontextuellen Faktoren, produziert dann der Lerner seinen „L2-Output“, mit dem er seine Hypothesen überprüft, und den er mit dem der Muttersprachlern oder der Lehrperson vergleicht; durch die Interaktion verschafft er sich außerdem weiteren Input, aus dem der obenbeschriebene Sprachlernprozess nochmals in Gang gesetzt werden kann (vgl. Ebd.). Schließlich bleibt noch eine Frage offen: Wie sollte eigentlich ein optimaler L2Input sein, damit es richtig wahrgenommen wird, zum "Intake" weiterverarbeitet wird, und dann, schrittweise, zur korrekten Sprachproduktion in Form von linguistischem L2-Output, und so auch zu einem erfolgreichen Zweit- bzw. Fremdsprachenlernprozess, führen kann? Krumm und Kollegen betonen in erster Linie die Wichtigkeit der Quantität und Häufigkeit: Nach ihnen sollte nämlich der L2-Input reich und häufig sein, indem „die für eine kompetente Beherrschung erforderliche Flüssigkeit und Korrektheit ohne die aktive, wiederholte bzw. regelmäßige Verwendung von Sprache nicht erreichbar wäre“ (Krumm et al. 2010:818f.). Es ist 75
jedoch auch gleichzeitig wichtig, die Relevanz von solchen Aspekten zu betonen, die mit der Qualität des Inputs zu tun haben. In Bezug auf Krashen weist beispielsweise Chini (2012) auf die Merkmale der Verständlichkeit und der Salienz hin (vgl. Chini 2012:11). Auch Aguado betont die Wichtigkeit der „perzeptuellen Salienz“: Nur etwas Interessantes, Auffälliges und für den Lerner Bedeutsames könnte nämlich die für die Wahrnehmung bzw. Verarbeitung des Inputs zuständigen Aufmerksamkeitsmechanismen anregen (vgl. Aguado 2002:86). Ellis (2001) weist außerdem auf die Varietät des Inputs hin, d.h. „die Präsentation in möglichst vielen unterschiedlichen Kontexten“ und Formen (z.B. durch unterschiedliche perzeptorische Kanäle), die ihrer Meinung nach zu den relevantesten erwerbsfördernden Merkmalen des Inputs gehört (Ellis 2001, zitiert in Ebd.). 3.1.4. Affektive und psychologische Faktoren. Wie Krumm und Kollegen behaupten, haben affektive Variablen (u.a. Motivation, Angst, Selbsteinschätzung,
usw.)
einen
erheblichen
Einfluss
auf
den
Zweit-
bzw.
Fremdsprachenlernprozess, indem die „Tätigkeiten, die Lernprozessen generell zugrunde liegen, nicht nur über kognitive, sondern auch über emotionale Prozesse gesteuert werden" (Krumm et al. 2010:876f.). 3.1.4.1. Motivation und andere affektive Faktoren. Wie Dörnyei behauptet, bleibt das Konzept der Motivation bis heute besonders „nebulös“, indem die psychologische Fachliteratur zum Thema viele verschiedene, oft auch widersprüchliche, Definitionen und Konzeptualisierungen beinhaltet (vgl. Dörnyei 2000:425). Man kann beispielsweise zwischen psychologischen Motivationstheorien (u.a. Heckhausen 1989; Weiner 1992; usw.) und fremdsprachenlern- und – lehrspezifischen Motivationstheorien (u.a. Gardner&Lambert 1972; Deci&Ryan 1985; Dörnyei 1994; usw.) unterscheiden: Während sich die Ersten aus einer rein psychologischen Perspektive für das Verhalten der Menschen interessieren, versuchen die Zweiten die Untersuchungsergebnisse der psychologischen Motivationstheorien für didaktische Empfehlungen anzuwenden (vgl. Kleppin 2001:219). Heckhausen, einer der wichtigsten Wissenschaftler im Bereich der Motivationspsychologie, definiert Motivation als eine „momentane Gerichtetheit auf ein Handlungsziel“, die sowohl von externen Faktoren, als auch von internen Faktoren abhängt, durch die Konstrukte der Intention und der Volition zur Durchführung der konkreten Handlung führt (vgl. Bild 19) und durch bestimmte Kontrollstrategien, die Menschen normalerweise in der Nachhandlungsphase (d.h. 76
nach dem Ergebnis: Erfolg/Misserfolg) üben (u.a. „Attribution“: Suche nach der Grunden/Ursachen des Ergebnisses) ebenso beeinflusst werden kann (vgl. Heckhausen 1989, zitiert in Kleppin 2001:219f.).
Bild 19: Definition des Motivation-Konzepts nach Heckhausen (1989). Quelle: Kleppin 2001:219f. (bearbeitet).
Was spezifisch das Konzept der Motivation in Bezug auf das Fremdsprachenlernen angeht, weist Dörnyei auf seine große Relevanz hin, indem es nicht nur die Wahl der Fremdsprache, die man lernen will, sondern auch die Lernstrategien, die man benutzt, den Lernprozess selbst, die Beharrlichkeit und Ausdauer, und schließlich (und vor allem!) auch den Lernerfolg beeinflusst: "Motivation is one of the key learner characteristics that determine the rate and the success of foreign language (L2) learning [...]: motivation provides the primary impetus to embark upon learning, and later the driving force to sustain the long and often tedious learning process." (Dörnyei 2000:425).
Was die Faktoren bzw. Komponenten der Motivation beim FSL angeht, sollte es in erster Linie zwischen "lernerinternen Faktoren" (d.h. die Faktoren, die im Fremdsprachenlerner selbst Einfluss auf seine Motivation ausüben) und "lernerexternen Faktoren" (d.h. die Faktoren, die Motivation von außen beeinflussen) unterschieden werden. Zu den Ersten gehören ohne Zweifel Motive, d.h. Wertedispositionen im Individuum, die Handlungen in Gang bringen, sie aufrechterhalten oder beenden (vgl. Kleppin 2002:26). Für das Fremdsprachenlernen listet Apelt (1981) einige Beispiele für Motive auf, u.a.: Das Leistungsmotiv, das Neugier- und Wissensmotiv, das Nützlichkeitsmotiv, das Gesellschaftsmotiv, das Elternmotiv, das Kommunikationsmotiv, das Lehrermotiv, das Anerkennungs- und Geltungsmotiv, usw. (Apelt 1981, zitiert in Ebd.). Wie sich verstehen lässt, sind Motive sehr unterschiedlich: Einige sind langfristig, andere sind kurzfristig, einige sind von außen induziert (z.B. Elternmotiv oder Lehrermotiv), andere sind eigene Motive (z.B. Neugier- und Wissensmotiv). Je nach Motivtypologie kann man nämlich unter „intrinsischer“ und „extrinsischer Motivorientierung“ unterscheiden, so wie Deci und Ryan (1985) innerhalb ihrer Selbstbestimmungstheorie postulierten (vgl. Biel 2007:17f.): Eine Handlung ist "extrinsisch motiviert", wenn sie durch 77
äußere Belohungen und Anreize in Gang gesetzt wird (z.B. "Ich lerne Deutsch, damit meine Eltern zufrieden sind"); auf der anderen Seite ist sie "intrinsisch motiviert", wenn sie von sich aus, natürlich und spontan erfolgt (z.B. "Ich lerne Deutsch, weil ich die deutsche Sprache und Kultur liebe!"). Hierbei ist die Aufgabe selbst die Quelle der Belohnung, weshalb intrinsische Motivation nach Deci und Ryan auch als ein potentieller Motivator beim Lernprozess angesehen werden könnte: "Intrinsic motivation is in evidence whenever students' natural curiosity and interest energize their learning. When the educational environment provides optimal challenges, rich sources of stimulation, and a context of autonomy, this motivational wellspring in learning is likely to flourish." (Deci&Ryan 1985, zitiert in Ebd.)
Motivationsstil ist ebenso ein wichtiger lernerinterner Faktor, der aber noch nicht vollständig geklärt worden ist. Wie Kleppin vorschlägt, könnte es sich um eine „stabile individuelle Disposition“ handeln, wie beispielsweise bei einer „Mastery-Orientierung“ (d.h. die Ausrichtung am eigenen Lernzuwachs) oder bei einer „gelernten Hilflosigkeit“ der Fall sein könnte (vgl. Kleppin 2002:26): In diesem Fall ist es wichtig für den Lerner, zu überprüfen, ob eigene längerfristige Dispositionen das Lernen fördern oder behindern (und natürlich eventuelle Veränderungen zu machen!). Nach der Autorin könnten auch einige Selbstkonzepte als "Motivationsstile" gelten: Eine entscheidende Rolle spielt beispielsweise die Selbstwirksamkeit (d.h. die Einschätzung, dass man mit der eigenen Fähigkeit, Kreativität und Anstrengung ein Ziel erreichen kann), so wie die Kontrollüberzeugung (d.h. eine gezielte Kontrolle über den Ausgang der eigenen Anstrengung) und die Lernerautonomie (vgl. Ebd.). Was spezifisch das Konzept der Lernerautonomie angeht, weisen von Grone und Petersen auf die Relevanz der Art der „Attribution“ (d.h. die Suche nach den Grunden und Ursachen eines Ergebnisses) für die Motivation hin (vgl. von Grone&Petersen 2002:44): Während „unkontrollierbare“ Attributionen (z.B. „Ich bin unfähig, eine Fremdsprache zu lernen, einfach nicht begabt!“ → Fähigkeit: intern, unkontrollierbar; oder: „Der Lehrer kann einfach nicht lehren!“ → Lehrperson: extern, unkontrollierbar) langfristig demotivierend sein können, wirken sich dagegen „kontrollierbare“ Attributionen (z.B. „Ich habe eine schlechte Note in Spanisch bekommen“ (Misserfolg) → Warum? „Ich habe zu wenig gelernt“ - „Kausalattribution“: das ist meine Schuld! → „Ich will für die nächste Spanischarbeit mehr lernen, um eine gute Note zu bekommen“) positiv auf das Autonomiegefühl und auf die Motivation ein. Weitere wichtige lernerinterne Faktoren sind beispielsweise Emotionen und Einstellungen, die sowohl einen positiven aber auch einen negativen Einfluss auf Motivation haben können. Gefühle wie Angst oder Scham, zum 78
Beispiel, wirken sich zweifellos negativ auf das Fremdsprachenlernprozess ein: Für den gesteuerten Fremdsprachenlernkontext weist Riemer insbesondere auf die negative Wirkung der Komponenten der Sprechangst, der Prüfungsangst und der sozialen Angst hin, d.h. der Angst vor einer negativen Evaluation vonseiten der Anderen (vgl. Riemer 2006:229f.). Zum Schluss gehören natürlich zu den lernerinternen Faktoren auch Lernerziele und -erwartungen. Wie Kleppin betont, sind diese, genau wie Motive, individuell sehr unterschiedlich und verändern sich im Laufe der Zeit (vgl. Kleppin 2002:27). Wie die Autorin betont, ist der Unterschied zwischen „Zielen“ und „Motiven“ innerhalb der Fachliteratur nicht immer klar. Klar und eindeutig ist jedoch die Notwendigkeit, sich Nahziele zu setzen, indem – wie schon erwähnt worden ist – das Fremdsprachenlernen ein sehr langsamer Prozess ist, bei dem Motivation über eine sehr lange Zeit aufrechterhalten werden muss (vgl. Ebd., S.28). Zu den lernerexternen Faktoren der Motivation zählen unterrichtsexterne Faktoren wie u.a. der Einfluss der Familie, die Bedeutung der Sprache im gesellschaftlichen Umfeld, der Kontakt zur Zielsprache, usw., die nicht stabile Motive, wie zum Beispiel die Wahl einer Fremdsprache, beeinflussen können (vgl. Kleppin 2002:28). Auch die Unterrichts- und Lernsituation gehören zu den lernerexternen Faktoren: Man kann beispielsweise eine optimale Gestaltung der Lernsituation im Fremdsprachenunterricht ausnutzen, um eine größtmögliche Lernbereitschaft zu erzielen (vgl. Ebd.). Unter den Faktoren, die eine „optimale Gestaltung“ des Unterrichts ausmachen können, gehören u.a. Neuigkeit und Themenwechsel, Überraschungsgehalt, Authentizität, Ungewissheit, Konfliktpotential, usw., Eigenschaften, die nach Kleppin auch Lehr- und Lernmaterialien charakteristiken sollten (vgl. Ebd.). Auch eine positive Gruppenatmosphäre in der Lerngruppe wirkt sich sehr günstig auf die Motivation aus: Kooperative Arbeitsformen können beispielsweise dabei helfen, die Motivation des Lerners zu fördern und ein negatives Selbstkonzept zu überwinden (vgl. Ebd.). Die Lehrfigur, der in der neueren Literatur zum Thema die Rolle eines Mediators gegeben wird, spielt ebenso eine relevante Rolle, indem sie durch geeignete Maßnahmen und motivationsfördernde Lehrstrategien den Lernprozess anregen und fördern kann (vgl. Ebd.). In diesem Sinne schreibt Riemer, dass "Motivation [...] zwifellos der Faktor [ist], dem die Fremdsprachendidaktik gleichermaßen den größten Einfluss wie auch das größte (auch lehrseitige) Interventionspotential zuweist“ (Riemer 2006:228). Trotzdem ist es meiner Meinung nach sehr wichtig zu betonen, wie sich außerdem aus vorliegender Darstellung des Motivationskonzepts verstehen lässt, dass Motivation ein sehr individueller Faktor ist, der aus persönlichen und affektiven Faktoren besteht, und so nur teilweise von außen beeinflusst werden kann. Deswegen können Motivationskonzeptionen und -strategien nicht 79
gegeben werden, die ganz sicher bei jedem Lerner wirken (vgl. Biel 2007:2). Was man eventuell verändern kann, sind die externen Variablen: Der Lehrer kann zum Beispiel die Lernsituation verbessern, eine positive Gruppenatmosphäre schaffen oder mehr Autonomie bei den Lernern fördern (wie Dörnyei mit seinen motivationsfördernden Lehrstrategien vorschlägt). Aber er ist kein „magischer Arzt“, der eine "Motivationspille" den Lernenden geben kann. Mit anderen Wörtern: Man kann ja bestimmte didaktische motivationsfördernde Maßnahmen treffen, die einen optimalen Lernkontext für das Fremdsprachenlernen schaffen könnten, aber das ist nicht genug und man muss sich nicht zu große Erwartungen an diese Strategien machen. Die stärkste Motivation befindet sich nämlich im Individuum selbst ("intrinsische Motivation"). 3.2. Das Fremdsprachenlernen als ein „hochgradig individuell ablaufender Prozess“. Obwohl die unterschiedlichen individuellen Faktoren in den vorherigen Kapiteln getrennt analysiert worden sind, als Einzelfaktoren je nach Typologie bzw. Kategorie („kognitive Faktoren“, „linguistische Faktoren“, „affektive Faktoren“, usw.), lässt das allgemeine Bild darauf schließen, dass sie nicht als isolierte Aspekte einer Lernpersönlichkeit anzusehen sind, sondern
vielmehr
als
interdependente
Faktoren,
die
zusammen
auf
den
Fremdsprachenlernprozess einwirken. In diesem Sinne, wie beispielsweise von dem neueren Dynamischen Modell des Multilingualismus von Herdina und Jessner (2002) postuliert wird, das auf Annahmen der Komplexitätstheorie und der dynamischen Organisationstheorien basiert, könnte das Fremdsprachenlernen als ein dynamischer Prozess angesehen werden, der von einem komplexen Zusammenspiel der unterschiedlichen individuellen Faktoren beeinflusst wird, und so auch als ein sehr individueller und subjektiver Prozess definiert werden kann (vgl. Roche
2013:173).
Diese
Annahme
steht
außerdem
im
Einklang
mit
Riemers
Einzelgängerhypothese (1996), nach der „[j]eder Lerner [aufgrund dieses Zusammenspiels der individuellen Faktoren] in unterschiedlichem Maße im Stande [ist], Input wahrzunehmen, interaktiv auszuhandeln und zu verarbeiten“ (Riemer 2006:231). Auf der Basis vorheriger Arbeiten der Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld schlägt Riemer nämlich ein Modell vor, das versucht, die Einflüsse individueller und interdependenter Faktoren auf den Fremdsprachenerwerbsprozess zu verdeutlichen, der in diesem Zusammenhang, nach kognitiven Ansätzen des Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerbs (u.a. Gass 1997, vgl. Kapitel 3.1.3.2.), über die drei Stadien der 1. Wahrnehmung und Aufarbeitung des Inputs, der 2. Integration des verarbeiteten Inputs zum „Intake“ und der 3. Produktion des L2-Outputs aufgefasst wird (vgl. Bild 20 → rot gepunktet umrandeter Block). 80
Bild 20: Individuelle Einflüsse beim Fremdsprachenlernen nach der Einzelgängerhypothese von Claudia Riemer. Quelle: Riemer 2006:233 (bearbeitet).
Wie man auf dem Bild 20 sehen kann, werden die Charakteristika des individuellen Lernenden (des „Einzelgängers“) und seines kontextuellen Umfelds in Riemers Modell in zwei interdependenten
Dimensionen
geteilt
(Lerner-endogenen
und
Lerner-exogenen
Faktorengruppen), die sich gegenseitig beeinflüssen (z.B. eine schlechte Atmosphäre innerhalb der Lernergruppe könnte die Motivation der Lerner abschwächen) und zusammen zur Konzeption von subjektiven Lernertheorien bezüglich des Fremdsprachenerwerbs führen können, die sich dann ebenso „in der Art und Weise, wie der Lerner an die Aufgabe des Fremdsprachenerwerbs aktiv herangeht, d.h. Input wahrnimmt sowie aufbereitet, auswirken können“ (Ebd., S.233). Wie das Modell außerdem schließen lässt, sind die zwei Faktorengruppen auch für die Produktion des L2-Outputs sehr relevant (z.B. Affektive- und Persönlichkeitsfaktoren wie Sprechangst, Extro-/Introvertiertheit, Risikobereitschaft, usw. haben einen deutlichen Einfluss auf die Quantität und Qualität des produzierten Outputs). Gleichzeitig setzt das Modell „einen resultativen Schluss vom Output zurück zu den Lernerfaktoren“ voraus: Während
die
Qualität
des
Outputs
beispielsweise
Rückwirkungen
auf
interaktive
Aushandlungsprozeduren oder auf die Ausbildung von Lehrereinstellungen hat, kann die selbstevaluative Wahrnehmung des Outputs beim Lernen im negativen Fall Insuffizienzgefühle, im positiven Fall Zufriedenheit bewirken (vgl. Ebd., S.234). Wie Riemer schließlich in Bezug auf ihrer Einzelgängerhypothese behauptet:
81
„[liegt] [m]it diesem Modell ein individualistischer Ansatz zur Erklärung des Fremdsprachenerwerbs vor, der verdeutlicht, dass sich Lernen im mentalen System eines „Einzelgängers“ vollzieht, dessen individuelle kognitive, affektive und soziale Disposition in erheblichem Ausmaß mitbestimmt, inwiefern die universelle Spracherwerbsfähigkeit in tatsächlichem Sprachlernerfolg resultiert“ (Ebd., S.235).
Diese Individualität, die aufgrund der schon besprochenen größeren interindividuellen Varianz (→ Kapitel 2.3.3.) beim Fremdsprachenlerner im höheren Alter noch ausgeprägter wäre, sollte in fremdsprachendidaktischen Kontexten – und vor allem in fremdsprachengeragogischen Kontexten – immer betrachtet werden, wie Riemer betont (vgl. Ebd., S.238). 3.3. Die Relevanz Subjektiver Theorien bei der Erhebung individueller Lernfaktoren. Eine solche Auffassung des Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerbsprozesses bedeutet nicht, wie Riemer betont, dass die Ermittlung von vergleichbaren oder vielleicht sogar generellen Mermalen innerhalb eines Forschungsprojekts unmöglich ist (vgl. Ebd., S.235). Es bedeutet vielmehr, dass „als allgemeine forschungsmethodologische Konsequenz die Notwendigkeit erkannt wird, subjektive Daten immer mit zu erheben und zur Überprüfung der Befunde heranzuziehen“ (Ebd.). Ein solcher methodologischer Ansatz, der quantitativen und qualitativen bzw. subjektiven Daten kombiniert und den Fremdsprachenlerner mit seinen Einstellungen, Motivationen, usw. in Fokus stellt, könnte im Rahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien (FST) kontextualisiert werden, wie im Folgenden zusammenfassend gezeigt wird. Die Entwicklung des Konstrunkts „Subjektive Theorien“ wird konventionell den Professoren Norbert Groeben und Brigitte Scheele zugeschrieben, die das mechanistische Menschenbild kritisierten, das in der Tradition des Behaviorismus (u.a. Skinner 1973; Westmeyer 1973) resultierte, der vom menschlichen Verhalten als zentralem Gegenstand der Psychologie ausging und den Menschen als unter der Kontrolle seiner Umwelt stehend ansah (vgl. Groeben et al. 1988:13). Groeben und Scheele erkannten dagegen die Notwendigkeit an, die Intentionalität, Autonomie,
Reflexivität,
das
kognitive
Konstruieren
und
die
Sprach-
bzw.
Kommunikationsfähigkeit des Menschen innerhalb der Forschung zu betrachten (vgl. Ebd.). Für das Forschungsprogramm Subjektive Theorien „steht der Mensch als handelndes Subjekt mit den Merkmalen der Intentionalität, Reflexivität, potentiellen Rationalität und sprachlichen Komunikationsfähigkeit im Mittelpunkt“ und sein Handeln wird durch die Hypothesen, die Konzepte und die kognitive Schemata gesteuert, die er in Form von internen Prozessen und Strukturen entwickelt: Die sogenannten „Subjektiven Theorien“ (vgl. Ebd., S.16). Diese stellen 82
nach Groeben und Kollegen ein komplexes Aggregat von Kognitionen der Selbst- und Weltsicht dar, das in unterschiedlichen Bereichen eine parallele Funktion zu objektiven Forschungsdaten erfüllen könnte (vgl. Ebd., S.17). Im Bereich des Fremdsprachenlernens, zum Beispiel, kann die Erforschung und das Erstnehmen Subjektiver Theorien von Fremdsprachenlernenden in erster Linie zu einer angemessenen Berücksichtigung der individuellen Charakteristika der Lerner (vgl. Riemer 2006:236) und folglich auch zu einer „möglichen Rückwirkung auf eine adäquatere Unterrichtspraxis“ (Krumm et al. 2010:897) führen, wie Krumm und Kollegen in Bezug auf Scheele und Groeben behaupten: „[...] die Relevanz von Reflexionen (über Sprache/n, Lernen und Lehren) im Fremdsprachenunterricht ist nicht zu unterschätzen, weswegen das Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) bei Anwendung auf den Fremdsprachenunterricht u.U. einen wertvollen Beitrag zu dessen theoretischer Modellierung und praktischer Verbesserung leisten kann.“ (Scheele&Groeben 1998:13, zitiert in Ebd.)
Wie
können
aber
Subjektive
Daten
innerhalb
Untersuchungen
im
Bereich
des
Fremdsprachenlernens konkret erhoben werden? Riemer weist beispielsweise auf qualitativexplorative
Forschungsmethoden
hin,
wie
u.a.
schriftliche
oder
mündliche
Sprachlernbiographien, Lernertagebücher, semi-offene und offene Interviews, retrospektive Interviews, Lautes-Denken-Protokolle, usw. (vgl. Riemer 2006:235). Wie schon in der Einführung erklärkt worden ist, werde ich in meiner kurzen empirischen Untersuchung (→ Kapitel 4) versuchen, soweit es möglich ist, Bezug auf dieses Forschungsparadigma zu nehmen, indem ich einen qualitativ-interpretativen und mehrmethodischen Ansatz anwenden werde. Genauso wie Berndt und Edlinger werde ich nämlich individuelle Untersuchungen mit den Probanden durchführen, die aus der Kombination unterschiedlicher Erhebungsmethoden bestehen, wie im folgenden Kapitel ausführlich gezeigt wird.
83
4. Die empirische Studie. Im Kapitel 2 ist ausführlich gezeigt worden, wie der Faktor Alter aufgrund der schon besprochenen physiologischen, kognitiven, usw. Veränderungen den Fremdsprachenlernprozess beeinflussen
kann,
welche
die
wichtigsten
Charakteristika
bzw.
Probleme
des
Fremdsprachenlerners im höheren Alter sind und welche praktische Maßnahmen man nach dem sogenannten Paradigma der SOK treffen kann, um diese Probleme und Defizite teilweise zu bewältigen. Natürlich ist es sehr schwierig und man braucht viel Zeit, so wie einen interdisziplinären Forschungsansatz (der Instrumente und Methoden die Neuro- und Kognitionswissenschaften, der Geriatrie, der Medizin, usw. miteinbezieht), um die obergenannten ontogenetischen Veränderungen zu analysieren. Aus diesem Grund habe ich innerhalb meiner kurzen empirischen Untersuchung mit einer Gruppe von Lernenden des Deutschen als Fremdsprache (DaF) an der schon erwähnten „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ in Trient nicht auf solche altersbedingte Entwicklungen fokussiert, sondern auf die anderen individuellen Faktoren (u.a. sozio-kulturelle Faktoren, linguistische Faktoren, affektive bzw. psychologische Faktoren, usw.), die einfach durch ein Forschungsparadigma erhoben werden können, das von der Erhebung der sogenannten „Subjektiven Theorien“ der Probanden ausgeht (vgl. Kapitel 3.3). 4.1. Ziele. Was die Ziele vorliegender Untersuchung angeht, habe ich in erster Linie versucht, im Einklang mit Riemers Einzelgängerhypothese, zu zeigen, dass das Fremdsprachenlernen – in diesem Fall das Fremdsprachenlernen im höheren Alter – als ein „hochgradig individuell ablaufender Prozess“ angesehen werden kann, dessen Erfolg, trotz bestimmten Gemeinsamkeiten (vor allem in Bezug auf die externen Faktoren: Sozio-kulturelle Faktoren, Lernsituation, Lernergruppe, usw.), von einem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher individuellen Variablen (u.a. Motivationen, Einstellungen zum FSL, zur Zielsprache und -kultur, usw.) beeinflüsst wird, die selbstverständlich bei jedem Lernenden (bzw. „Einzelgänger“) unterschiedlich sind und auf unterschiedliche Weise in Verbindung stehen. Das Aufzeigen der Individualität ist also ein erster wichtiger Schritt, nach dem es aber auch notwendig ist, einen Vergleich zwischen den verschiedenen Probanden zu machen und bestimmte Gemeinsamkeiten zu erkennen, die es (mittels ununvermeidbaren Verallgemeinerungen) ermöglichen sollten, eine „Typologie“ des Fremdsprachenlerners
im
höheren
Alter
zu
profilieren,
um
dann
bestimmte
fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen zu ziehen. Für diesen Zweck wird es außerdem 84
versucht, wie schon in der Einführung erwähnt worden ist, Bezug auf die Arbeiten und Ergebnissen von Berndt zu nehmen, eine der wichtigsten Spezialistinnen im Bereich der Fremdsprachengeragogik, die schon fast 20 Jahren alt sind und aus einem ganz anderen Kontext stammen, indem sie ihre berühmte empirische Studie zum Thema „Sprachenlernen im Alter“ mit einer Gruppe von Lernern des DaF an einer Seniorenuniversität in Rom durchgeführt hat. Es wird also interessant sein, zu sehen, ob sich beispielsweise etwas in diesem Zeitraum verändert hat (wenn ja, dann was) und ob es etwas „Besonderes“ in Bezug auf das Lernen bzw. Lehren des Deutschen als Fremdsprache (DaF) in dem geografischen Kontext vorliegender Untersuchung gibt, die dagegen in einer Institution der Autonomen Provinz Trient („Provincia Autonoma di Trento“) durchgeführt worden ist. 4.2. Methode. Was die konkrete Datenerhebungsmethode der empirischen Untersuchung angeht, habe ich beschlossen, Individualuntersuchungen mit den einzelnen Probanden durchzuführen und einen mehrmethodischen Ansatz zu verwenden, den ich in die folgenden Teilen bzw. Phasen strukturiert habe: 1. Semi-offenes Interview: Das semi-offene Interview besteht aus einem Fragebogen, der insbesondere zur Erhebung bestimmter externer und sozio-kultureller Faktoren (u.a. Alter, Geschlecht, Familienstand, Ausbildung und beruflicher Hintergrund, der Lernsituation, usw.), linguistischer
Faktoren
(u.a.
Erstsprache
und
weitere
sprachliche
Kompetenzen,
„Sprachlernbiographie“, usw.) und affektiver Faktoren (u.a. Angst und Scham) dient, und aus einem Audio-Interview, das insbesondere auf die Erhebung bestimmter subjektiven Daten zielt, die man sehr schwierig mit einem schriftlichen Fragebogen messen bzw. untersuchen kann (z.B. Motivationen der Lernenden, Einstellungen zum lebenslangen Lernen, zum Fremdsprachenlernen und zur Zielsprache bzw. -kultur, bestimmte Aspekte ihrer „Sprachlernbiographien“, usw.). 2. Inputanalyse: Wie im Kapitel 3.1.3.2. gezeigt worden ist, stellt ein reicher, häufiger, vielfältiger, verständlicher und interessanter linguistischer Input ein wichtiger Faktor für das erfolgreiche Fremdsprachenlernen dar. Um zu verstehen, ob die verschiedenen Probanden außerhalb des Sprachkurses die Gelegenheit haben (oder sich aktiv die Gelegenheit verschaffen!), sich mit fremdsprachlichem Input (auf Deutsch) zu beschäftigen, habe ich eine kurze Inputanalyse in den Individualuntersuchungen eingefügt. Diese wird durch Fragen innerhalb des schriftlichen Fragebogens ermöglicht, die insbesondere auf die Messung der Variablen Häufigkeit, Menge und
85
Vielfältigkeit des Inputs zielen. 3. Selbstevaluation der Lerner: Die Selbstevaluation der eigenen Fortschritte, der wichtigsten Schwierigkeiten,
usw.
stellt
ebenso
ein
sehr
wichtiger
Faktor
für
das
erfolgreiche
Fremdsprachenlernen dar, indem sie beispielsweise einen direkten Einfluss auf die Motivation der Lernenden haben kann (vgl. Kapitel 3.1.4.). Diese wird in diesem Zusammenhang ebenso durch Fragen innerhalb des schriftlichen Fragebogens durchgeführt und sollte nützliche Informationen darüber vermitteln, wie die verschiedenen Lernenden ihren Fremdsprachenlernprozess (vor allem in Bezug auf die sprachlichen Fortschritte, die Schwierigkeiten und die am häufigsten benutzten Strategien beim Fremdsprachenlernen) wahrnehmen und einschätzen. 4. Unterschiedliche Gespräche mit der Lehrfigur (Prof. Lucia Togni) und Teilnahme an einigen Unterrichtsstunden: Die Lehrfigur, Frau Prof. Togni, hat sich von Anfang an sehr interessiert für mein Projekt gezeigt und war immer gern bereit, ihre Eindrücke und Beobachtungen über die Lernenden, den Kurs, usw., sowie ihre Stellungnahmen zum Fremdsprachenlehren – und zwar zum Fremdsprachenlehren mit Menschen im höheren Alter – mit mir zu teilen. Ihre Eindrücke und Beobachtungen stellen ein sehr interessanter Vergleichsmittel zu den oben beschriebenen subjektiven Daten der Lernenden dar, indem sie als „unparteiische“ und „äußere“ Daten betrachtet werden könnten, die wichtige Informationen zu den tätsächlichen linguistischen Kompetenzen der Lernenden, zur allgemeinen Tailnahme am Unterricht, zu den verwendeten Methoden, usw. vermitteln. Sie hat mir außerdem sehr gern ermöglicht, frei an den Unterrichtsstunden teilzunehmen, um die konkrete Lehr- bzw. Lernsituation, so wie die unterschiedlichen Dynamiken des Unterrichts, beobachten zu können. Diese Teilnahme war für mich sehr nützlich, vor allem um bestimmte Aspekte der Vermittlungsmethode besser zu verstehen.
Auf den folgenden Seiten steht eine erläuternde Version des semi-offenen Interviews auf Deutsch (Fragebogen + Audio-Fragen). Es ist jedoch sehr wichtig, zu betonen, dass das originale Interview auf Italienisch war, d.h. die Erstsprache der Probanden: Ihr aktuelles Deutschniveau (ca. A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens) hätte es nämlich nicht ermöglicht, die Individualuntersuchungen auf Deutsch durchzuführen. Wie man aus dem Modell des Fragebogens sehen kann, habe ich bei dessen konkreten Strukturierung versucht, soweit es möglich war, immer unter den möglichen Antworten eine offene Wahl („Anderes: ….........“) anzubieten und überall ein Paar Zeilen für Kommentare, Beobachtungen, Ergänzungen, usw. hinzufügen, um die Antworten der Probanden nicht zu viel zu begrenzen.
86
87
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89
90
91
4.3. Die Probandengruppe. Die Probanden der Untersuchung sind unter einer Gruppe von 14 Studenten (7 Frauen und 7 Männer) des von der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ von Trient organisierten Kurses „Die deutsche Sprache und Kultur - 4. Stufe“ („Laboratorio di lingua e cultura tedesca - 4° livello“) ausgewählt worden. Der Kurs findet von Anfang November bis Ende März statt, mit insgesamt 36 Unterrichtsstuden, jede von denen eineinhalb Stunden dauert. Die Unterrichtsstunden finden zweimal in der Woche statt, am Montag (10.00-11.30 Uhr) und am Mittwoch (10.00-11.30 Uhr). Außer einigen Außnahmen, haben fast alle die Studenten auch die vorherigen 3 Stufen des Kurses besucht, d.h. sie lernen Deusch an der „Universität des Dritten Alters“ seit ungefàhr 3-4 Jahren. Das allgemeine Sprachniveau der Studenten beträgt nach der Lehrfigur ungefähr ein A2-Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens. Was die tatsächlichen Probanden vorliegender Untersuchung angeht, sind insgesamt 11 Studenten ausgewählt worden: 5 Frauen und 6 Männer. Zwei Studentinnen wollten nämlich an der Studie nicht teilnehmen, während ein Student nach dem ersten Treffen aus persönlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, weiter dem Kurs zu gehen, weshalb er auch nicht mehr gekommen ist. Die Lehrfigur, die Professorin Lucia Togni, verfügt über eine langjährige Erfahrung im fremdsprachengeragogischen Bereich, indem sie seit Anfang der 1990er Jahre Kursen der deutschen Sprache und Kultur („Die deutsche Sprache und Kultur“/„Lingua e cultura tedesca“) sowie der Literatur („Die Geschichte der deutschen Literatur“/„Storia della letteratura tedesca“) an der „Universität des Dritten Alters“ leitet. 4.4. Die Genehmigung zur Verarbeitung personenbezogener Daten. Alle die Studenten, die an der Studie teilgenommen haben, haben auf die „Verarbeitung der personenbezogenen Daten“ im Sinne und nach Maßgabe der Art. 13 und 23 des Gesetzesdekrets Nr. 196/2003 zugestimmt, indem sie ein entsprechendes von mir zur Verfügung gestelltes Formular (vgl. Anhang) ausgefüllt und unterzeichnet haben. 4.5. Beschreibung der Untersuchung. Die Phasen der Untersuchung: Die Untersuchung ist in verschiedenen Phasen durchgeführt worden, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden. Am 25.10.2016 habe ich an einem organisatorischen Treffen mit der Verantwortliche der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ von Trient, Frau Antonacci, und mit der Lehfigur, Frau Prof. Togni, teilgenommen: Ich habe erstens mein Projekt und meine Ziele dargestellt und dann haben wir zusammen die 92
konkrete Realisierung der empirischen Studie besprochen. Bei dieser Gelegenheit hat mir Frau Prof. Togni sehr nützliche Informationen über die Lernergruppe gegeben. Sie hat mir beispielsweise erklärt, dass es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt (wie im Folgenden von den Ergebnissen der Fragebögen und der Interviews bestätigt wird), vor allem was die unterschiedlichen Motivationen, Sprachlernbiographien, usw. angeht, die gleichzeitig aber von dieser Heterogenität irgendwie „profitiert“ hat und zu einer starken sozialen Bindung gekommen ist: Die Studenten kennen sich nämlich ziemlich gut jetzt, wie die Frau Togni behauptet, und treffen sich und organisieren unterschiedliche Aktivitäten auch außerhalb des Unterrichts (u.a. Abendessen, Ausflüge, usw.). Die Tatsache, dass diese soziale Komponente bei der Gruppe sehr ausgeprägt ist, stellt nach Frau Antonacci und Frau Togni ein sehr positiver Aspekt dar, sowie die Erreichung eines der Zielen der Franco Demarchi Stiftung und, im Allgemeinen, aller Insitutionen, die Initiativen zum lebenslangen Lernen fördern: Möglichkeiten bzw. Gelegenheiten für die Förderung der Autonomie von Menschen im höheren Alter zu schaffen. Was die tatsächliche Datenerhebung angeht, hat in erster Linie Frau Prof. Togni gegen das Ende der ersten Unterrichtsstude (am 07.11.2016) mein Projekt den Studenten eingeführt. Am 09.11.2016, während den letzten 10 Minuten der zweiten Unterrichtsstude, hat sie das von mir erstellte Fragebogen und das Formular zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten (vgl. Anhang) den Studenten verteilt, damit sie es ausfüllen konnten, und wieder gesammelt. Am 14.11.2016 und am 16.11.2016 – bevor, während und nach der Unterrichtsstunde – habe ich mit Zustimmung der Professorin die Audio-Interviews (Dauer: ca. 10 Minuten/Person) mit den einzelnen Probanden gemacht. Indem der Proband 3 und die Probandin 11 es bevorzügten, während dem Audio-Interview nicht aufgenommen zu werden, habe ich über ihre Antworte nur Notizen genommen. Schließlich habe ich die Audio-Aufnahmen transkribiert (vgl. Anhang für die Transkripktionen in Originalsprache) und dann so genau wie möglich auf Deutsch übersetzt. Ort der Untersuchung: Alle die Phasen der Untersuchung sind in Räumen des Sitzes der Franco Demarchi Stiftung durchgeführt worden, in Santa Margheritastraße 28, Trient. Benutzte Materialien: Für die Audio-Aufnahmen der Interviews habe ich die kostenlose Mobile App „Easy Voice Recorder“ auf meinem Android-Smartphone (Sony Experia™ SP C5302) heruntergeladen. Easy Voice Recorder ist wirklich eine intuitive und praktische App, mit der man jeden Ton in MP4-, 3GP- oder WAV-Dateiformat in höher Qualität aufnehmen kann10.
10 Quelle: https://easy-voice-recorder.de.uptodown.com/android (letzter Zugriff am 12.11.2016)
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4.6. Die Ergebnisse der Untersuchung. 4.6.1. Lernerexterne Faktoren. Wie schon im Kapitel 3.1.2. erwähnt worden ist, können bestimmte lernerexterne Faktoren wie sozio-kulturelle und institutionelle Faktoren (u.a. Zugehörigkeit einer bestimmten Generation bzw. Kohorte, der geographische Kontext, in dem man aufgewachsen ist und lebt, die damit verbundenen Fremdsprachenlerninitiativen und -politiken, der Familienstand, die Ausbildung, der berufliche Hintergrund, usw.), sowie Faktoren, die mit der tatsächlichen Unterrichts- bzw. Lernsituation zu tun haben (u.a. Lehrfigur, Lehr- bzw. Lernmaterialien, Vermittlungsmethode, Lernergruppe, usw.), den Fremdsprachenlernprozess direkt oder indirekt (über mögliche Einflüsse auf die lernerinternen Faktoren, mit denen sie in Verbindung stehen → vgl. Kapitel 3.2.) beeinflussen. Deswegen habe ich innerhalb meiner Studie versucht, auch einige dieser Faktoren zu untersuchen. 4.6.1.1. Sozio-kulturelle Faktoren. Personenbezogene Daten: Proband:
Alter:
Geburtsort:
Geschlecht:
Familienstand:
Alleinlebend?
Probandin 1
?
?
W
?
?
Proband 2
81
Trient (TN)
M
verheiratet
nein
Proband 3
52
Trient (TN)
M
ledig
ja
Probandin 4
60
Trient (TN)
W
verheiratet
nein
Probandin 5
78
Tiarno di Ledro (TN)
W
verwitwet
ja
Proband 6
66
Trient (TN)
M
verheiratet
nein
Proband 7
67
Bozen (BZ)
M
verheiratet
nein
Probandin 8
64
Pannone (TN)
W
verheiratet
nein
Proband 9
69
Trient (TN)
M
verheiratet
nein
Proband 10
67
Povo (TN)
M
verheiratet
nein
Probandin 11
49
Bozen (BZ)
W
verheiratet
nein
Wie man aus den Daten in der oben stehenden Tabelle sehen kann, beträgt das Durchschnittsalter der Probanden ca. 65,3 Jahre. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass in diesem Zusammenhang eine bestimmte interindividuelle Varianz herrscht, indem es einen Unterschied von ca. 30 Jahren zwischen den „ältesten Probanden“ (deren Alter mit grüner Farbe hervorgehoben sind: 81 und 78 Jahre) und den „jüngsten Probanden“ (deren Alter mit rosa Farbe hervorgehoben sind: 49 und 51 Jahre) gibt: Sie gehören zweier unterschiedlichen
94
Generationen. Dieser Aspekt muss natürlich innerhalb des Unterrichts betrachtet werden, indem es von größer Bedeutung ist, wie im Folgenden erklärt wird. Was den geografischen Kontext angeht, kann man aus den Daten bemerken, dass alle die Probanden aus Gebieten der autonomen Region Trentino-Südtirol („Trentino-Alto Adige“) stammen: 9 Probanden sind in der autonomen Provinz Trient geboren, während 2 Probanden in der autonomen Provinz Bozen. Alle leben z.Z. in Trient und seiner unmittelbaren Umgebung, was eine bestimmte Homogenität in diesem Bereich annehmen lässt. Wie schon erwähnt worden ist, besteht die Probandengruppe aus 5 Frauen und 6 Männern, d.h. eine beachtliche männliche Komponente im Vergleich zu fast allen den anderen Kursen der Franco Demarchi Stiftung, bei denen der Frauenanteil ca. 80% der gesamten Eingeschriebenen beträgt11. Wie dieses Datum erklärt werden kann, bleibt unklar: Es könnte beispielsweise von dem besonderen geografischen Kontext abhängen, aus dem die Probanden stammen (aus historischen, geopolitischen und kulturellen Gründen spielt die deutsche Sprache in Trentino-Südtirol eine wichtige Rolle, der sich auch die Männer besonders bewusst sein könnten) oder, wie im Folgenden gezeigt wird, von der Tatsache, dass alle die Probanden „Wiederlerner“ der deutschen Sprache sind (d.h. sie haben alle Deutsch in der Schule gelernt → vgl. „Linguistische Faktoren“). Auf jeden Fall, um allgemeine Informationen über die Motivationen der unterschiedlichen Probanden in Bezug auf den Kursbesuch zu haben, wird auf Kapitel 4.6.1.3. hingewiesen. Was schließlich bestimmte persönliche und familiäre Faktoren angeht, kann man aus der Tabelle sehen, das fast alle die Probanden „verheiratet“ und nicht alleinlebend sind. Nur der Proband 3 und die Probandin 5 sind „alleinlebend“, indem sie „ledig“ bzw. „verwitwet“ sind. Die Tatsache, dass jemand alleinlebend ist, kann in bestimmten Fällen einen sehr relevanten Einfluss auf die Motivation haben, indem sie beispielsweise eine Person dazu führen könnte, ein Kurs auch deswegen zu besuchen, um soziale Kontakte zu knüpfen und „die Einsamkeit zu bekämpfen“ (vgl. Probandin 5). Ausbildung: Proband:
Antwort:
Probandin 1
Abiturzeugnis
Proband 2
Abiturzeugnis (Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung)
Proband 3
Abiturzeugnis (Humanistisches Gymnasium) Universität: Fakultät für Klassische Literaturwissenschaften (nicht abgeschlossen) Anderes: Teologische Ausbildung + Studium (als Gaststudent) der Religiösen Wissenschaften an der “Bruno Kessler Stiftung“ (FBK: Fondazione Bruno Kessler)
Abiturzeugnis (Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung) – Expertin für den Außenhandel Anderes: Deutschkurs an der Universität für Ausländer in Wien (Dauer: 1 Monat)
Proband 6
Abiturzeugnis
Proband 7
Abiturzeugnis (im technischen Bereich)
Probandin 8
Abiturzeugnis (Lehrerbildungsanstalt für Grundschullehrer)
Proband 9
Abiturzeugnis (Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung)
Proband 10
Hochschulabschluss (Soziologie)
Probandin 11
Abiturzeugnis (Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung)
Was die Ausbildung der Probanden angeht, kann man aus den Ergebnissen der semi-offenen Interviews feststellen, dass sie alle ein relativ hohes Bildungsniveau aufweisen, was nach Berndt als ein wichtiger Indikator für Weiterbildung im Alter angesehen werden könnte (vgl. Berndt 2003:14). Alle besitzen nämlich ein Abiturzeugnis, und zwar in den folgenden Bereichen: „Wirtschaft und Verwaltung“ (4), „Lehrerbildungsanstalt“ (2), „im technischen Bereich“
(1),
„anderes/nicht
angegeben“
(4).
Der
Proband
10
hat
sogar
einen
Hochschulabschluss im soziologischen Bereich. Der Proband 3 hat nach dem humanistischen Gymnasium ebenso die Universität besucht (und zwar die Fakultät für Klassische Literaturwissenschaften), die er aber nicht abgeschlossen hat, und studiert z.Z. Religiöse Wissenschaften an der Bruno Kessler Stiftung (FBK: “Fondazione Bruno Kessler“) als Gaststudent. Beruf und Berufserfahrungen: Proband:
Antwort:
RentnerIn?
Seit wann?
Probandin 1
- Beamtin
ja
?
Proband 2
- Buchhalter - Verwaltungsdirektor (30 Jahre lang) - Mitglied des Aufsichtsrats bei unterschiedlichen Unternehmen
ja
15 Jahren
Proband 3
- Keine „feste“ Berufe (Gelegenheitsarbeit, Freiwilligendienst, usw.)
nein
-
Probandin 4
- Kindergärtnerin
ja
5 Jahren
Probandin 5
- Beamtin der Region (Amt für Personalauswahl) - Beamtin der Rechnungshof in Trient
ja
24 Jahren
Proband 6
- Bankangestellter
ja
9 Jahren
Proband 7
- Technikbüro bei LAVENDA (1972-1980) - Einkaufs- und Vertriebsabteilung bei CLEVITE (1980-1990) - Einkaufsabteilung bei HURTHAXLE (1990-1992) - Verkaufsverantwortlicher bei DANA AG (1992-2008)
ja
8 Jahren
Probandin 8
- Grundschullehrerin (42 Jahre lang)
ja
2 Jahren
Proband 9
- Beamter - Verkaufsverantwortlicher
ja
4 Jahren
96
- Geschäftsführer Proband 10
- Erzieher im Weisenhaus - Sozialarbeiter in Deutschland (1 Jahr lang) - Professor für Rechtswissenschaft an einer techn. Fachoberschule
Probandin 11
- Versicherungsbereich
ja
9 Jahren
nein
-
Auch im beruflichen Bereich zeigen die Probanden eine sehr große interindividuelle Varianz. Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind 4 Probandinnen und 5 Probanden Rentnerinnen bzw. Rentner, und zwar seit unterschiedlichen Zeitspannen (von 2 bis 24 Jahren). Der Proband 3 erklärt, dass er nicht Rentner ist und dass er nie einen „festen Beruf“ gehabt hat: Er hat sich nämlich lebenslang seinem Studium und verschiedenen freiwilligen Aktivitäten gewidmet. Die Probandin 11 ist dagegen noch immer im Versicherungsbereich beschäftigt, weshalb sie auch nicht immer die Möglichkeit hat, den Kurs regelmäßig zu besuchen. Die Tatsache, ob jemand schon pensioniert worden ist, kann eine wichtige Rolle für die Motivation der Lerner spielen. Nach der Pensiorierung werden mämlich die Verpflichtungen meistens geringer und man hat plötzlich viel mehr Freizeit, um sich einer neuen Aktivität (im diesem Fall einem Deutschkurs) zu widmen. 4.6.1.2. Die Unterrichts- bzw. Lernsituation. Lehrfigur und Lernergruppe: Obwohl ich auf die Lehrfigur und die Lernergruppe im Allgemeinen schon kurz in den vorherigen Abschnitten eingegangen bin, werde ich im Folgenden einige weitere Charakteristika darstellen, die ich von der direkten Beobachtung des Unterrichts, von den Fragebögen und von den Interviews mit den Probanden und der Lehrfigur erhalten habe. Was beispielsweise die Lehrfigur angeht, hat sich aus den Interviews ergibt, dass sie sehr beliebt von ihren Studenten ist, was teilweise mit ihrem eigenen Charakter und teilweise mit ihrer schon besprochenen Kompetenz und langen Erfahrung im fremdsprachengeragogischen Bereich (vgl. Abschnitt 4.3.) erklärt werden könnte. Sie kann beispielsweise immer sehr gut und spontan auf unerwartete Fragen der Lernenden reagieren und scheint, mit der „ungewöhnlichen“ und „heiklen“ Situation, bei der Menschen im höheren Alter wieder „Schüler“ werden, gut umzugehen. Dies vermittelt natürlich eine gewisse Sicherheit auch den Lernenden. Was dagegen die Lernergruppe angeht, über deren schon ausführlich im Abschnitt 4.3. und 4.5. diskutiert worden ist (u.a. Aspekte der Heterogenität, der sozialen Bindung, usw.), könnte es nützlich sein, einige Daten im Bezug auf ihre Teilnahme am Kurs zu besprechen.
97
Proband:
besucht regelmäßig
Schafft es, die Hausaufgaben
Kommentare
den Unterricht?
regelmäßig zu machen?
Probandin 1
ja
ja
/
Proband 2
ja
ja
/
Proband 3
ja
ja
/
Probandin 4
ja
ja
Ich schaffe es nicht immer, so viel wie ich möchte zu lernen.
Probandin 5
ja
ja
/
Proband 6
ja
ja
/
Proband 7
ja
nein
/
Probandin 8
ja
ja
/
Proband 9
ja
nein
/
Proband 10
nein
nein
/
Probandin 11
nein
ja
/
Wie sich aus der Tabelle oben behaupten lässt, sind fast alle die Probanden in der Lage, den Kurs regelmäßig zu besuchen (außer zwei: Proband 10 und Probandin 11) und die Hausaufgaben regelmäßig zu machen (außer drei: Proband 7, Proband 9 und Proband 10). Nach den Self-Report-Daten der Probanden scheint es also innerhalb der Lernergruppe, eine gewisse Kontinuität und Regelmäßigkeit in diesem Zusammenhang zu herrschen, wie außerdem die Lehrfigur bestätigt hat. Dies ist natürlich ein sehr positives Datum, indem eine allgemeine regelmäßige Teilnahme vonseiten aller Probanden auch die regelmäßige Fortführung des Programmes und eine bestimmte Kontinuität ermöglicht. Lehr- bzw. Lernmaterialien: Verwendete Materialien: Lehrbuch: FAST IMMER Videos, Filme, usw.: OFT Hörverstehensübungen: OFT Slides/Folien: FAST IMMER Anderes (Konversation*): IMMER
*angegeben von Probandin 5
Wie die Ergebnisse der Fragebögen und meine eigene Beobachtungen in der Klasse bestätigen, werden innerhalb des Unterrichts vielfältige Materialien verwendet, u.a. das Kursbuch „Deutsch Leicht 2“, Slides und Folien, verschiedene Videos, Hörverstehensübungen und, wie die Probandin 5 betont, eine ständige Konversation. In den Fragebögen geben sich alle die Probanden mit den verwendeten Materialien zufrieden. Dies stellt ein sehr positives und wichtiges Datum dar, vor allem wenn man davon ausgeht, dass die Suche nach den geeigneten 98
Materialien eine der wichtigsten Schwierigkeiten für die Lehrfigur darstellt, wie mir die Professorin Togni im Rahmen unseres ersten Treffens erklärt hat. Was das Lehren bzw. Lernen der deutschen Sprache als Fremdsprache (DaF) für Erwachsene und ältere Erwachsene (vor allem auf Grundniveaus: A1/A2) angeht, kann man nämlich im italienischen Kontext eine wirkliche „Materialienlücke“ feststellen. So, indem es beispielsweise keine Lehrwerke gibt, die spezifisch für Erwachsene und ältere Erwachsene gemeint sind, ist man leider oft gezwungen, mit Lehrbüchern für Teenagers zu arbeiten, die oft aufgrund der behandelten Themen (mehr für Jügendliche gemeint: u.a. „Schule“, „Meine Zukunf“, usw.) aber auch der tatsächlichen Graphik (z.B. wie die Probandin 11 betont, ist die Buchstabengröße des Kursbuchs „viel zu klein“), zum Beispiel, nicht so optimal geeignet für das Fremdsprachenlehren bzw. -lernen mit Menschen im höheren Alter sind. Wie sie selbst erklärt hat, versucht die Lehrfigur auf diese „Materialienlücke“ wie möglich zu reagieren: Oft sucht sie beispielsweise Materialien aus anderen Quellen (u.a. Internet, Zeitschriften, usw.), die interessant und geeignet für ihre Lernergruppe sein könnten.
Die Vermittlungsmethode: Um Informationen über die im Unterricht verwendete Methode zu erhalten, habe ich im wichtigem Maße auf eigene Beobachtungen, auf unterschiedliche Gespräche mit der Lehrfigur, so wie auf die Interviews mit den Probanden Bezug genommen. Im offiziellen Programm des Kurses ist vom „kommunikativen Ansatz“ die Rede: „Im Kurs wird der kommunikative Ansatz verwendet. Während des Unterrichts wird die Lehrfigur oft die Fremdsprache verwenden und die Lernenden dazu ermutigen, das Gleiche innerhalb von Gruppenarbeiten, Partnerarbeiten und Rollenspielen zu tun. Es wird versucht, alle die vier Kompetenzen des Hörens, Lesens, Schreibens und Sprechens zu trainieren, die sich vor allem auf praktische Aspekte des alltäglichen Lebens beziehen werden, immer unter Berücksichtigung der Eigenschaften der einzelnen Studenten 12.“
Wie sich jedoch aus den Gesprächen mit der Lehrfigur ergibt, so wie aus der tatsächlichen Beobachtung des Unterrichts, wird dieser kommunikative Ansatz
mit bestimmten
Einschränkungen angewendet. Die Professorin, zum Beispiel, spricht nicht so oft auf Deutsch, genauso wie die Probanden, die ja sehr aktiv an dem Unterricht teilnehmen, oft und gern, jedoch, mit persönlichen Anekdoten und Beiträgen auf Italienisch (d.h. ihre Erstsprache). Sprache wird ja „pragmatisch“ betrachtet, indem die Kommunikation über bestimmte praktische 12 vgl. Università della Terza Età e del Tempo Disponibile: “Il Programma Culturale dell'anno accademico 20162017”, S.61. (eigene Übersetzung)
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Aspekte des Lebens (u.a. Jahreszeiten, Kleidung, Feiertage, Aspekte der deutschen Kultur, usw.) im Vordergrund steht und als Hauptziel von allen den Studenten angesehen wird, besondere Aufmerksamkeit wird jedoch auch der Form der Sprache, d.h. der Grammatik, und der Lexik gewidmet. Die grammatischen Regeln werden fast immer innerhalb eines sinnvollen Kontextes (beispielsweise innerhalb eines Texts) besprochen und dann durch unterschiedliche Übungsformen (u.a. Gruppenübungen, Paararbeiten, Übungen aus dem Buch, die jeder Student nach dem anderen laut löst, usw.) – meistens auf kommunikativer Weise – geübt. Indem alle die Studenten schon vorher, in der Schule, die deutsche Sprache gelernt haben und eigentlich „Wiederlerner“ des Deutschen sind (wie besser im Kapitel 4.6.2. erklärt wird), versucht die Lehrfigur, soweit es möglich ist, bestimmte Aspekte der damaligen Methode zu behalten (vor allem in Bezug auf die Vermittlung der Grammatik), um eventuelle Prozesse der Erinnerung einfacher und schneller in Gang zu setzen. Bei der Erklärung der Adjektivdeklinationen, zum Beispiel, hat sie lieber Bezug auf die „traditionellen“ Tabellen genommen (die wahrscheinlich auch die Studenten in der Schule gelernt hatten), indem sie ein vollständigeres Bild über alle die Klassen und Fälle vermitteln als die neueren Tabellen, die man in aktuellen Lehrbüchern findet und oft die verschiedenen Fällen und Klassen separat, in unterschiedlichen Teilen des Buches, behandeln. Ein weiterer Aspekt, der die von der Professorin Togni verwendete Methode von einem „reinen“ kommunikativen Ansatz unterscheidet, betrifft die Tatsache, dass sie immer das Unterricht in „festen“ Teilen bzw. Phasen strukturiert, in denen unterschiedliche Aspekte der Sprache (u.a. Grammatik, Lexik, Verwendung der Sprache in Form von Redewendungen, usw.) behandelt werden und die verschiedenen Kompetenzen (u.a. Hörvestehen, mündliche Kommunikation, usw.) geübt werden. Im Folgenden wird anhand der Audio-Interviews mit den Probanden gezeigt, wie sich die obenbeschriebene aktuelle Vermittlugsmethode von der Methode unterscheidet, mit der sie die deutsche Sprache in der Schule gelernt haben. Alle die Probanden geben nämlich in erster Linie einen großen Unterschied zwischen den zwei Methoden zu: Insbesondere kann man eine gemeinsame Tendenz feststellen, die „ältere Methode“, die fast ausschließlich auf das Lernen grammatischer Regeln fokussierte und innerhalb des sogenannten Ansatzes der „GrammatikÜbersetzungsmethode“ kontextualisiert werden könnte, als „starrer“ (Probandin 11), „strukturierter“ (Proband 7) und „mnemonischer“ (Probandin 4) zu definieren. Und genau aufgrund eines solchen „strengen“ Ansatzes können sie sich noch heute auf bestimmte grammatische Regeln erinnern, wie sie selbst zugeben.
100
Probandin 5: “Sehen Sie nur ... in der Schule mussten wir so viele Grammatik auswendig lernen, dass ich mich noch heute auf irgendwelche Regeln erinnere ...” Probandin 4: „Zu meiner Zeit gab uns die Professorin eine Liste von Vokabeln, Verben, usw., die wir auswendig lernen mussten. Jetzt, auch wegen meinem Alter, verzichte ich darauf … Ehrlich gesagt, lerne ich nicht mehr auswendig. Aber, was ich als Kind auswendig gelernt hatte … manchmal kann ich mich darauf noch erinnern … ich erinnere mich auf die Wörter.“
Sehr interessanterweise weist der Proband 5 auf die Wichtigkeit des Lateinischen hin, das zu seiner Zeit regelmäßig in der Schule gelehrt und gelernt wurde, indem es seiner Meinung nach aufgrund der ähnlichen Vermittlungsmethode als eine nützliche „Basis“ für das Erlernen der deutschen Sprache wirkte: Proband 5: “... Ich habe mein „harter Kern“ im Deutschen schon vor über vierzig Jahre aufgebaut, als ich die deutsche Sprache „in der alten Weise“ gelernt habe. Aber … ja … die Basis ist trotzdem geblieben (Pause). Vielleicht auch deswegen, weil wir damals Latein lernten. So gab es eine bestimmte … ich meine … die Methode war die gleiche. In der Tat, auch wenn ich später keine klassische Studien gemacht habe, kann ich mich noch am Lateinischen erinnern ... (lächelt).“
Nach der Probandin 8 war oft die alte Methode, mit der Deutsch in der Schule gelernt wurde, auch eine „harte“ und „böse“ Methode, die die Fremdsprache überhaupt nicht als ein Kommunikationsmittel ansah: Probandin 8: „Man lernte ausschließlich die Grammatik und konnte überhaupt keine Fehler machen … sonst kriegte man eine Fünf! So hatten wir eine sehr „harte“ Herangehensweise mit der Fremdsprache... manchmal, unter einigen Gesichtspunkten, auch eine „böse“ Herangehensweise. Die Fremdsprache wurde nicht als etwas betrachtet, was die Kommunikation ermöglicht.“
Ganz im Gegenteil wird die schon beschriebene „neue Vermittlugsmethode“, die innerhalb des Deutschkurses an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit“ benutzt wird, als „moderner“ (Probandin 1) und „kommunikativer“ (Proband 3) beschrieben, und wird von allen den Probanden bevorzugt, wie die folgenden Kommentare bestätigen: Probandin 5: „Also … die aktuelle Methode ist zweifellos besser. Man fängt mit dem Kontext an, und dann, aus dem Kontext, leitet man auch die Regeln ab. Zu meiner Zeit gab es einfach das Grammatikbuch mit den Endungen … so hatten wir jahrelang nur die Endungen auswendig gelernt. Dann, ich beziehe mich spezifisch auf die deutsche Sprache, konnte man schon eine Verbesserung mit dem berühmten „Gute Reise, Mirco!“
101
feststellen, als meine Töchter in der Schule gingen. Und jetzt … jetzt ist es wirklich schön, Fremdsprachen zu lernen!“ Proband 7: „Dieser … sagen wir es mal so … diesen Austausch grammatischer Einfügungen, die aber schon im praktischen Kontext eingegliedert sind, finde ich sehr, sehr wirksam ...“
Wie der Proband 3 zugibt, hat er am Anfang einige Schwierigkeiten gehabt, sich an die neue Methode anzupassen, was im Fall von solchen beachtlichen Unterschieden zwischen den zwei Methoden vollkommen normal ist. Trotzdem, wie er selbst zugibt, hat er nach einer gewissen Zeit angefangen, sich schrittweise an die neue Vermittlungsmethode anzupassen, die er jetzt als „sogar besser“ definiert. Mit einer interessanten Behauptung weist außerdem die Probandin 11 auf eine wichtige Problematik in Bezug auf die Wirksamkeit des „kommunikativen“ Ansatzes hin, der ihrer Meinung nach auch deswegen wirksam wäre, weil alle die Studenten der Gruppe eigentlich „Wiederlerner“ des Deutschen sind und schon eine Grundbasis besitzen: Probandin 11: „Also … es gibt ja eine Methode, aber ich habe den Eindruck, dass sich etwas verändert hat … dass die Methode irgendwie „anders“ ist: Hier und da wird ein bisschen alles wieder aufgefrischt. Dies ist aber auch deswegen möglich, weil wir alle schon eine Basis haben und nicht ganz von vorne beginnen müssen.“
Nur der Proband 6 merkt keinen besonderen Unterschied zwischen der aktuellen Methode und der Methode, mit der er Deutsch in der Schule gelernt hat, was natürlich sehr komisch klingt und als eine Ausnahme im Vergleich mit den Behauptungen der anderen Probanden angesehen werden könnte: Proband 6: “Also, ich habe den Eindruck, dass es sich um zwei sehr ähnlichen Methoden handelt. […] Ich glaube auch, dass man sich nicht so viel Neues im Bereich des Fremdsprachenlehrens ausdenken kann, oder? Es gibt nicht so viele Möglichkeiten … die Regeln sind die Regeln.“
Seine Behauptung kann nicht so einfach interpretiert werden. Vielleicht hat er die Frage missverstanden und die tatsächliche Gestaltung des Unterrichts (z.B. wie die Regeln und die Sprache im Allgemeinen vermittelt werden) mit den „Inhalten“ (z.B. bestimmte Regeln, Vokabeln, usw.) verwechselt, die natürlich mehr oder weniger stabil bleiben. Was schließlich die behandelten Themen angeht, haben sich alle die Probanden sehr positiv geäußert. Grundsätzlich interessieren sie sich für alles und begrüßen insbesondere die Tatsache, dass innerhalb des Unterrichts „Themen des Allgemein- und Alltagsinteresses“ (Probandin 1,
102
Proband 10), „Kuriositäten, die man im Leben feststellen kann“ (Proband 6,), „Aspekte der deutschen Kultur“ (Proband 10) behandelt werden, und dass „die Professorin auch über moderne Dinge redet, worüber in der Schule gar nicht gesprochen wurde“ (Probandin 1).
4.6.2. Linguistische Faktoren Erstsprache (L1): Wie sich aus den Ergebnissen der Fragebögen verstehen lässt, ist Italienisch die Erstsprache (L1) von allen den Probanden. Was ich außerdem von den Gesprächen und Interviews mit ihnen bemerkt habe, ist die Tatsache, dass sie ein ziemlich hohes Niveau in ihrer Erstsprache aufweisen (z.B. sie konjugieren richtig die Verben, bilden komplexe Sätze, usw.), so wie eine bestimmte metalinguistische Kompetenz, die Berretta (1984) als „die menschliche Fähigkeit [definiert], Meinungen und Bewertungen über Sprache im Allgemeinen, über spezifische Sprachen, so wie über die Bedeutungen und Formen eines Textes, eines Satzes und eines Worts zu formulieren und kommunizieren“ (Berretta 1984:148, eigene Übersetzung). Diese Beobachtung ist sehr wichtig, indem eine gut ausgeprägte Sprachkompetenz in der Erstsprache (L1) als eine wichtige Bedingug für den erfolgreichen Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerb angesehen werden könnte, der dann folglich auch zu positiven Auswirkungen auf die kognitiven Kompetenzen führen könnte, wie u.a. im Rahmen der sogenannten „Schwellen- und Interdependenzhypothese“ von Cummins (1976) postuliert wird (vgl. Roche 2013:163). Sprachkenntnisse und „Sprachlernbiographie“: Wie schon im Kapitel 3.1.3.1. in Bezug auf das sogenannte „Faktorenmodell“ von Hufeisen erwähnt worden ist, das teilweise auf die „Kontrastivhypothese“ anlehnt, können „die [gelernten bzw.] erworbenen Vorsprachen […] einen Einfluss auf den weiteren Spracherwerb haben“ (Ebd.),
was
eigentlich
die
Wichtigkeit
erklärt,
alle
die
Sprachkenntnisse
und
“Sprachlernbiographien” der Lernenden gut zu kennen. Wie Berndt behauptet, können beispielsweise Kompetenzen in anderen bekannten Sprachen das aktuelle Fremdsprachenlernen durch Transfermöglichkeiten beeinflussen, die oft im Fall von rezeptiven Fertigkeiten (das Lesen und Hören) als positiv bewertet werden, im Fall von produktiven Fertigkeiten (das Sprechen und Schreiben) jedoch als negativ (vgl. Berndt 2003:162f.). Im Folgenden werden einige Aspekte der Sprachlernbiographien der Probanden gezeigt und diskutiert, die mithilfe der Audio-Interviews erhoben worden sind. 103
Proband: Probandin 1
Proband 2
Proband 3
Sprachen:
Kontexte, in denen die Sprachen im Laufe des Lebens gelernt und/oder benutzt worden sind:
Deutsch
Sie hat Deutsch in der Schule gelernt. Jetzt hat sie es seit einigen Jahren im Rahmen des Kurses an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit 13“ wieder aufgenommen.
Englisch
Sie hat einen Englischkurs zwei Jahre lang an der UTETD besucht, den sie dann unterbrochen hat.
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule (Fachoberschule) gelernt. Jetzt hat er es seit einigen Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen. Er sprach ein bisschen Deutsch, als er die Familie seiner Frau in Wiesbaden-Mainz besuchte.
Englisch
Er hat einen Englischkurs zwei Jahre lang an der UTETD besucht, den er dann unterbrochen hat.
Englisch
Er hat Englich während den ersten zwei Jahren des Humanistischen Gymnasiums gelernt. Dann hat er es für einige Jahre im Rahmen eines Kurses an der UTETD wieder aufgenommen. Englisch war für ihn vor allem im akademischen Bereich nützlich.
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule gelernt. Seit 3 Jahren lernt er es wieder an der UTETD.
Französisch
Er hat Französisch im Rahmen seiner Universitätsstudien gelernt. Später hat er auch einen Kurs an der UTETD besucht. Er benutzt die französische Sprache vor allem im Bereich seiner Freiwilligendienst-Aktivitäten, insbesondere wenn er mit Norafrikanern zu tun hat.
Spanisch
Seit zwei Jahren lernt er Spanisch mit einer Freundin, die es sehr gut spricht.
Arabisch
Er hat einen einjährigen Kurs (Niveau: A1) besucht, der von dem „Sozio-kulturellen Café Barycentro” in Trento organisiert wurde. Er hat dann den Kurs wegen der Schwierigkeit der Sprache aufgegeben.
Deutsch
Sie hat Deutsch in der Schule gelernt. Jetzt hat sie es seit einigen Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen. Sie versucht, ein bisschen Deutsch zu sprechen, wenn sie Urlaub in Südtirol oder in Österreich macht.
Englisch
Sie hat zwei Englischkurse besucht, die sie aber aufgrund der Schwierigkeiten mit der Aussprache relativ rasch unterbrochen hat.
Französisch
Sie hat erstens Französich privat mit einer russischen Prinzessin (!) gelernt, die im Exil in ihrem Dorf war14. Später hat sie es in der Schule (Fachoberschule) und innerhalb eines Kurses für den Außenhandel gelernt. Wie sie selbst zugibt, hat sie später leider nicht die Gelegenheit gehabt, Französisch zu sprechen, weshalb sie es in wichtigem Maße vergessen hat.
Deutsch
Sie hat Deutsch in der Schule (Fachoberschule) gelernt. Sie hat es ein bisschen für den Beruf benutzt (u.a. Babysitter-Erfahrung in der Schweiz) und hat auch einen Kurs an der Universiät für Ausländer in Wien gemacht (1 Monat). Jetzt hat sie das Lernen der deutschen Sprache seit einigen Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen.
Proband 6
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule („Mittelschule 15“ und Fachoberschule) gelernt. Jetzt hat er es seit einem Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen.
Proband 7
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule (Mittelschule und Fachoberschule) gelernt. Dann hat er es auch im beruflichen Kontext benutzt, indem er u.a. für eine deutsche Firma gearbeitet hat und sehr oft nach Deutschland reiste. Jetzt hat er es seit einigen Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen.
Englisch
Er hat Englisch aus beruflichen Gründen gelernt, indem er auch für eine amerikanische Firma gearbeitet hat, wobei er täglich auf Englisch kommunizierte. Z.Z. benutzt er die englische Sprache, um mit Verwandten aus den USA, Freunden aus Nordeuropa, usw. zu kommunizieren.
Deutsch
Sie hat Deutsch in der Schule gelernt (bis zum 3.Jahr des Lehrerbildungsanstalts). Jetzt hat sie es seit drei Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen.
Englisch
Sie hat einen Englischkurs besucht, den sie aber dann unterbrochen hat.
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule (Fachoberschule) gelernt. Jetzt hat er es seit drei Jahren im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen. Er spricht ein bisschen auf Deutsch vor allem im Urlaub, wenn er auf dem Caldonazzosee campt.
Probandin 4
Probandin 5
Probandin 8
Proband 9
13 von jetzt an: „UTETD“ (= „Università della Terza Età e del Tempo Disponibile”) 14 Sie bezieht sich auf die Prinzessin Ekaterina Vasil'evna Dabija-Rostkovskaja, die zusammen mit ihrer Tochter Marija dank der Gastfreundschaft der Familie Mora „Peri“ in Bezzecca (TN) gelebt hat. Quelle: http://ricerca.gelocal.it/trentinocorrierealpi/archivio/trentinocorrierealpi/2010/01/12/AT8PO_AT803.html (Download am 10.12.2016). 15 „Scuola Media“ (auf Italienisch): Die zweite Stufe des italienischen Schulsystems, auch „Sekundärstufe I" genannt. Die Sekundärstufe I ist für Jugendliche zwischen 11 und 14 Jahren vorgesehen und umfasst drei Jahrgangsstufen.
104
Proband 10
Probandin 11
Englisch
In der Vergangenheit hat er einen Englischkurs mit seinen Kollegen angefangen, den er aber nach drei Monaten unterbrochen hat.
Deutsch
Er hat Deutsch in der Schule gelernt. Jetzt hat er es seit einem Jahr im Rahmen des Kurses an der UTETD wieder aufgenommen. Er hat die deutsche Sprache außerdem im beruflichen Kontext benutzt, während seinem Zivildienst in Deutschland.
Englisch
Er hat Englisch ebenso in der Schule gelernt.
Deutsch
Sie hat erst mit 4 Jahren angefangen, Deutsch mit einem Kindermädchen zu „lernen“, die Muttersprachlerin war. Dann hat sie es in der Schule gelernt (Grundschule, „Mittelschule“, Fachoberschule). Seit einigen Jahren lernt sie es wieder im Rahmen des Kurses an der UTETD. Sie spricht ein bisschen Deutsch, wenn sie im Urlaub in Österreich ist.
Englisch
Sie hat Englisch in der Schule gelernt (während den fünf Jahren der Fachoberschule) und dann, immer im Rahmen eines Kurses an der UTETD, wieder aufgenommen.
Während man im Bezug auf die Sprachlernbiografien der Probanden einerseits eine bestimmte Homogenität feststellen kann (z.B. alle haben Deutsch in der Schule gelernt, fast alle haben Sprachlernerfahrungen mit dem Englischen gemacht, usw.), kann man anderseits auch einige Ausnahmen und „Sonderfälle“ beobachten, die die schon mehrmals erwähnte Hypothese der interindividuellen Varianz bekräftigen. Was in erster Linie die deutsche Sprache angeht, geben alle die Probanden vorliegender Untersuchung zu, Deutsch schon vor dem aktuellen Kurs gelernt zu haben, weshalb sie alle als „Wiederlerner“ der deutschen Sprache angesehen werden können. Diese Tatsache könnte u.a. von dem besonderen geografischen Kontext abhängen, in dem die Probanden geboren und aufgewachsen sind, d.h. in unterschiedlichen Gebieten der autonomen Region Trentino-Südtirol (vgl. Abschnitt 4.6.1.). Außer den zwei „ältesten“ Probanden (Proband 2 und Probandin 5) haben alle die Andere die „Mittelschule“ („Scuola Media“) in einem historischen Zeitraum besucht, der sich von den 1960er Jahren bis in die 1980er Jahre erstreckt und von der Einführung des berühmten Gesetzes vom 31. Dezember 1962 Nr. 1859 zur Reform der „Scuola Media“ gekennzeichnet ist. Mit dieser Reform, die viele Kommentatoren als die erste relavante demokratische Reform nach dem Gentile Gesetz vom 1923 definierten, wurde die Scuola Media verpflichtend und kostenlos für alle die Jugendliche im Alter von 11 bis 14 Jahren (vgl. Covi&Turri 2015:33). Mit der Einleitung der sogenannten "Scuola Media Unica" wurde außerdem den Fremdsprachenunterricht für zwei (im 1. Jahr) bzw. drei (im 2. und 3. Jahr) Unterrichsstunden pro Woche eingeführt, der in Trentino fast überall – insbesondere in den Tälern – aus dem Deutschunterricht bestand (vgl. Ebd.). Wie die Probandin 11 (die „jüngste“ der Gruppe) zugibt, hat sie Deutsch auch in der Grundschule gelernt, was teilweise damit erklärt werden könnte, dass sie Mitte der 1970er Jahre die Grundschule besucht hat, d.h. nachdem ein weiteres wichtiges Gesetzt (das Gesetz vom 24. September 1971 Nr. 820) eingeführt wurde, das insbesondere in Trentino in sehr weitblickender Weise interpretiert wurde und durch die schrittweise Einführung des Deutschunterrichts als 105
„zusätzlicher
Sonderunterricht“
in
den
Grundschulen
eine
starke
Erneuerung
des
Bildungangebotes ermöglichte (vgl. Ebd., S.34). Wie sich aus der zusammenfassenden Tabelle oben verstehen lässt, haben außerdem fast alle die
Probanden (9) verschiede
Sprachlernerfahrungen mit dem Englischen gemacht. Viele haben mindestens einen Englischkurs im Laufe ihres Lebens besucht (z.B. Probandin 1, Proband 2, Proband 3, Probandin 4, Probandin 8, Proband 9, Probandin 11), den sie aber dann aus unterschiedlichen Gründen unterbrochen haben, beispielsweise wegen der „geringen Systematizität“ und der „schwierigen Aussprache“ des Englischen (Probandin 4), wegen einer „zu gütigen“ Lehrfigur (Proband 2), aufgrund des „Mangels an grammatischen Grundlagen“ so wie „an Zeit und Lust, weiter mit dem Studium zu gehen“ (Probandin 8). Diese negativen Erfahrungen mit dem Englischen könnten sowohl von den eigenen Motivationen und Einstellungen der Probanden abhängen, als auch von ihrer besonderen Situation, indem sie aufgrund des geografischen Kontextes und der oben beschriebenen Bildungs- und sprachpolitiken Englisch nach Deutsch gelernt haben, im Gegensatz zu dem, was in fast allen den aktuellen Kontexten Europas und der Welt passiert, in denen Deutsch normalerweise nach Englisch (vgl. DaFnE: "Deutsch als Fremdsprache nach Englisch") gelernt wird. Im Einklang mit der schon besprochenen Kontrastivhypothese und mit dem Faktorenmodell stellt dies sicher ein interessanter Aspekt dar. Unter den Probanden, die Englisch im Laufe des Lebens gelernt haben, gehört auch der Proband 7, der es aus beruflichen Gründen gelernt hat, dann sehr intensiv gebraucht hat und es noch heute mit Verwandten und Freunden spricht. Nur drei Probanden (Proband 3, Proband 10 und Probandin 11) haben Englisch auch in der Schule gelernt, und zwar in der Sekundärstufe II (d.h. Fachoberschule oder Gymnasium). Die Probandin 5, dagegen, ist die einzige, die Englisch überhaupt nicht erwähnt. Sie hat nämlich Französisch gelernt, sowohl privat als auch in der Schule. So erklärt sie ihre erste – und sehr besondere – Begegnung mit der französischen Sprache, die sie privat mit einer russischen Prinzessin gelernt hat: Probandin 5: „Ich habe auf eine sehr komische Weise angefangen, Französisch zu lernen. In der Nähe meines Wohnortes lebte nämlich eine russische Prinzessin, eine Familienangehörige der Zaren, die aus den Kriegen ihres Landes geflohen war und Zuflucht in unseren kleinen Dörfern gefunden hatte. Und ... um mit großer Würde zu überleben, lehrte sie [Fremdsprachen] … sie sprach viele, viele Sprachen. Und ... des Französischen hat sie mir, würde ich sagen, „die Seele“ gelehrt. Keine Grammatik, keine Bücher … sie hat es mir gelehrt, als ob ich mich in einer französischen Umgebung befunden hätte. Und dann, in der Schule, war ich im Vergleich mit den Schülern, die ausschließlich die Grammatik gelernt hatten, wirklich vorbereiteter …“
106
Auch
der
Proband
3
hat
u.a.
Französisch
gelernt. Aufgrund
seiner
komplexen
Sprachlernbiografie könnte er irgendwie als ein „Sonderfall“ angesehen werden, indem er im Laufe des Lebens sehr viele Sprachlernerfahrungen gemacht hat. Zu den Sprachen, die er gelernt hat und auf unterschiedliche Niveaus kennt, zählen u.a. Griechisch und Latein (die er am Humanistischen Gymnasium gelernt hat), Deutsch (das er in der Schule gelernt hat und dessen Studium er jetzt wieder im Rahmen des Kurses aufgenommen hat), Französisch (das er an der Universität und dann wieder innerhalb eines Kurses an der Universität des Dritten Alters studiert hat), Spanisch (das er seit 2 Jahren privat mit einer Freundin lernt, die es sehr gut spricht) und Arabisch (er hat einen einjährigen Kurs besucht, der von dem „Sozio-kulturellen Café Barycentro” in Trento organisiert wird und den er dann aufgrund der Schwierigkeit der Sprache unterbrochen hat). In diesem Zusammenhang muss man natürlich auch betonen, anhand seiner eigenen Behauptungen, dass der Proband 3 nie einen „festen Beruf“ gehabt hat: Wie er selbst zugibt,
hat
er
sich
vor
allem
seinem
Studium
gewidmet
(er
hat
Klassische
Literaturwissenschaften studiert, ohne jedoch das Studium zu beenden, und jetzt studiert er Religiöse Wissenschaften an der “Bruno Kessler Stiftung“), so wie unterschiedlichen freiwilligen Aktivitäten (vgl. Abschnitt 4.6.1.). Dies stellt natürlich ein wichtiger Faktor dar, indem es auch teilweise die Tatsache erklärt, warum er so viele Zeit gehabt hat, so viele Fremdsprachen zu lernen. Was schließlich die außerschulischen und außerakademischen Kontexten angeht, in denen die Probanden die deutsche Sprache benutzt haben bzw. benutzen, habe ich anhand der Interviews u.a. die Folgende herausgefunden: Familiäre Kontexte (Proband 2: „ ... als ich nach Deutschland fuhr, weil meine Frau aus Wiesbaden-Mainz kommt“; Proband 6: „ ... bei meiner Tochter, die ein Österreicher verheiratet hat und in Wien lebt“), im Urlaub (Probandin 1; Probandin 4: "... wenn ich in Südtirol oder in Österreich Urlaub mache"; Proband 9: "Wenn ich im Sommer auf dem Caldonazzosee campe, dann habe ich manchmal die Gelegenheit, ein bisschen Deutsch mit den anderen Touristen zu sprechen"; Probandin 11: " ... manchmal im Ausland, vor allem wenn ich Urlaub mache") und auch im beruflichen Kontext (Probandin 5: „Als ich die Grundschule beendete, fuhr ich in die Schweiz, um als Babysitter zu arbeiten“; Proband 7: „ … dann habe ich für eine deutsche Firma gearbeitet, weshalb ich sehr oft auf Deutsch sprach und nach Deutschland reiste, wo unser zweiter Sitz lag“; Proband 10: „Ich habe ein Jahr in Deutschland gearbeitet, wo ich eigentlich den Zivildiest geleistet habe“). Der linguistische Input: Wie im Kapitel 3.1.3.2. schon erklärt worden ist, spielt der linguistische Input, d.h. die Sprache 107
(in schriftlicher oder mündlicher Form), der die Lernenden ausgesetzt sind, eine sehr wichtige Rolle für den Zweit- bzw. Fremdsprachenlernprozess. Im Folgenden werden zusammenfassend die Ergebnisse der Inputanalyse diskutiert, die innerhalb des schriftlichen Fragebogens dazu zielte, die zentralen Variablen der Häufigkeit, der Menge und der Vielfältigkeit des Inputs zu messen, dem die Probanden außerhalb des Kurses ausgesetz sind. Man muss jedoch diese Ergebnisse mit großer Vorsicht betrachten, indem es sich um „Self-Report Daten“ handelt, deren Zuverlässigkeit nicht direkt überprüfbar ist. Menge: Proband: Probandin 1
Liest auf Deutsch:
Hört auf Deutsch:
Kommentare:
oft
manchmal
/
Proband 2
manchmal
sehr oft
/
Proband 3
manchmal
manchmal
Im privaten Kontext lese ich manchmal oder höre CDs und Radiosendungen.
Probandin 4
manchmal
fast nie
Manchmal schaue ich mir gern Fernsehsendungen an oder lese irgendwelche Zeitschriftenartikel.
Probandin 5
nie
fast nie
Ich helfe meinen Enkelkindern mit den Hausaufgaben.
Proband 6
manchmal
oft
Proband 7
manchmal
manchmal
/
Probandin 8
manchmal
manchmal
/
Proband 9
fast nie
manchmal
/
Proband 10
nie
nie
/
manchmal
oft
/
Probandin 11
Bei meiner Tochter in Wien.
Wie sich aus der Tabelle oben verstehen lässt, gibt die Mehrheit der Probanden zu, nur „manchmal“ (7) außerhalb des Kurses auf Deutsch zu lesen, also ziemlich wenig. Nur die Probandin 1 behauptet, dass sie „oft“ auf Deutsch liest. Die anderen drei Probanden lesen „fast nie“ (1) oder „nie“ (2) auf Deutsch außerhalb des Unterrichts. Was das Hören der deutschen Sprache angeht, gibt ungefähr die Hälfte der Probanden zu, die deutsche Sprache „manchmal“ (5) außerhalb des Kurses zu hören. Drei Probanden hören „fast nie“ (2) und „nie“ (1) auf Deutsch außerhalb des Unterrichts, während die letzten drei Probanden „oft“ (2) oder sogar „sehr oft“ (Proband 2, dessen Frau Deutsche ist). Die Self-Report Daten der Probanden lassen so darauf schließen, dass der linguistische Input außerhalb des Deutschkurses, sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Bereich, im Allgemeinen nicht so reich ist.
108
Vielfältigkeit und Häufigkeit: Materialien:
immer
sehr oft
oft
manchmal
fast nie
nie
Lehrbuch:
3
1
6
1
-
-
Literatubücher:
-
-
1
7
-
3
Bücher (im Allgemeinen):
-
-
-
3
4
4
Zeitschriften, usw.:
-
-
-
6
1
4
Fernseheprogrammen:
1
1
-
6
-
3
Videos auf dem Internet:
-
1
-
-
3
7
Artikeln auf dem Internet:
-
-
-
1
2
8
Radio, CDs, usw. :
-
-
2
2
2
5
Smartphone-Apps:
-
-
-
-
2
9
Soziale Netzwerke, usw.:
-
-
-
-
3
8
Anderes (…....................):
-
-
-
-
-
-
Was die Typologie des Inputs und die damit verbundene Häufigkeit angeht, kann man anhand der Fragebogenantworten der Probanden behaupten, dass der linguistische Input zum großen Teil aus traditionellen Materialien stammt. Je nach Häufigkeit werden nämlich vor allem das Lehrbuch, Literaturbücher, Zeitschriften und Fernsehprogramme benutzt. Der Proband 2 und der Proband 10 geben zu, dass sie „sehr oft“ bzw. „immer“ Fernsehprogramme als Inputquelle benutzen, was außerdem eine bestimmte Bevorzugung älterer Menschen von diesem Medium annehmen lässt, indem sie es bequem im Sessel sitzend benutzten können. Was die Nutzung neuer Medien (u.a. Videos und Artikel auf dem Internet, Smartphone-Apps, soziale Netzwerke, usw.) angeht, kann man aus der Tabelle oben bemerken, dass sie bei der Probandengruppe nicht besonders ausgeprägt ist. Ganz im Gegenteil: Der Proband 10 ist der Einzige, der zugibt, sich „sehr oft“ Internet-Videos auf Deutsch anzuschauen. Was das Hören von Radiosendungen und CDs angeht, geben nur der Proband 3 und die Probandin 11 zu, diese Medien „oft“ zu benutzen. Zusammenfassend könnte man also sagen, dass der wenige linguistische Input, dem die Probanden außerhalb des Unterrichts ausgesetzt sind, im Allgemeinen nicht besonders vielfältig (im Bezug auf das benutzte Medium) und häufig ist. Außer wenigen Ausnahmen lesen nämlich die meisten Probanden nur „manchmal“ Texte aus dem Lehrbuch bzw. aus anderen Büchern oder Zeitschriften; einige schauen sich „manchmal“ auch Fernsehprogramme auf Deutsch an.
109
4.6.3. Affektive und psychologische Faktoren. Wie im Kapitel 3.1.4. erwähnt worden ist, können affektive und psychologische Variablen (u.a. Motivation und Motivationskomponenten wie Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, zur Zielsprache und -Kultur, Emotionen wie Angst und Scham, die Selbsteinschätzung der Lernenden, usw.) einen erheblichen Einfluss auf den Zweit- bzw. Fremdsprachenlernprozess haben. Im Folgenden werden zusammenfassend diese affektiven und psychologischen Faktoren anhand der Interviews, der Ergebnissen der Fragebögen und der Selbstevaluation (→ Fragebogen) in Bezug auf die Probandengruppe diskutiert. Motivation (Motive und Ziele): Proband:
„Warum lernen Sie Deutsch?“ - Antowort:
Probandin 1
- “[Deutsch] hat mir immer ganz gut gefallen” (persönliche Freude) - “Ich hatte Lust, wieder zu lernen, Hausaufgaben zu machen ...” (geistiges Training/Wiederlernen) - “Meine Enkelin hat angefangen, Deutsch in der Grundschule zu lernen, und ich wollte ihr mit den Hausaufgaben helfen” (affektive Motivation)
Proband 2
- “Meine Frau ist Deutsche“ (affektive Motivation)
Proband 3
- Er definiert Deutsch als eine “europäische Sprache“ und als eine „wichtige Sprache“ (u.a. für den Beruf), vor allem im geografischen Kontext der autonomen Region Trentino-Südtirol (instrumentelle Motivation?)
Probandin 4
- „Weil ich es in der Schule gelernt habe und es wiederlernen wollte ... einfach so, für mich ...“ (Wiederlernen)
- „Meine Tochter hat einen Österreicher verheiratet und ist nach Wien gezogen. So ... wenn ich mit der großen Familie [er sagt das auf Deutsch] sprechen will, muss ich ein bisschen Deutsch lernen.“ (affektive Motivation)
Proband 7
- “Ich hatte vor allem die Notwendigkeit, die deutsche Sprache aufzufrischen und aufrechtzuerhalten“ (Wiederlernen) - „Ich habe auch einen guten deutschen Freund, mit dem ich gern wandere, und ich will ein bisschen besser mit ihm Deutsch sprechen“ (affektive Motivation)
Probandin 8
- „Ich glaube... wenn man pensioniert wird, muss man geistig ein bisschen aktiv bleiben...“ ( geistiges Training) - „Ich hatte Deutsch in der Schule gelernt...“ (Wiederlernen) - „Meine Tochter lebt und arbeitet in Deutschland“ (affektive Motivation)
Proband 9
- „Aus kulturellen Gründen: Je mehr man weiß, desto besser!“ (geistiges Training/aus kulturellen Gründen)
Proband 10
- „Weil ich Deutsch als 20-30 Jährige konkret benutzt hatte und es wieder lernen wollte“ (Wiederlernen)
Probandin 11
- Wiederlernen/geistiges Training
Wie sich aus der Tabelle oben verstehen lässt, kann man eine große interindividuelle Varianz in Bezug auf die Motivationen der Probanden feststellen. Im Folgenden werden die wichtigsten 110
Motivationen zusammengefasst, die es erklären, warum die Probanden das Lernen der deutschen Sprache wieder aufgenommen haben: 1. Wiederlernen aus persönlicher Freude: “[Deutsch] hat mir immer ganz gut gefallen” (Probandin 1); „Ich hatte Deutsch in der Schule gelernt und wollte es wieder lernen. Einfach so ... für mich ...“ (Probandin 4); 2. Um geistig aktiv zu bleiben („geistiges Training“) und die deutsche Sprache aufrechtzuerhalten: „Ich hatte vor allem die Notwendigkeit, die deutsche Sprache aufzufrischen und aufrechtzuerhalten. Sie wissen es: Wenn eine Sprachen nicht geübt wird, dann wird sie auch vergessen, oder?“ (Proband 7); „Ich glaube...wenn man pensioniert wird, muss man geistig ein bisschen aktiv bleiben...“ (Probandin 8); „Aus kulturellen Gründen: Es gibt immer etwas Neues zu lernen, auch wenn man – wie ich – über 70 ist.“ (Proband 9); 3. Um in einem sozialen Kontext zu lernen und die Einsamkeit zu bekämpfen: „Ich wollte zurück zur Schule gehen“ (Probandin 1, lächelnd); „Jetzt bin ich einsam und habe Angst vor dem Alter ... ich kann es genau nicht definieren... [...] Ich komme, um dieses Gefühl zu bekämpfen und Leute zu treffen...“ (Probandin 5 → alleinlebend); 4. Aus affektiven Gründen: um den Enkelkindern mit den Hausaufgaben zu helfen (Probandin 1 und Probandin 5); weil die Frau aus Deutschland kommt (Proband 2); “Meine Tochter hat einen Österreicher verheiratet und ist nach Wien gezogen. So ... wenn ich mit der „großen Familie“ [er sagt das auf Deutsch] sprechen will, muss ich ein bisschen Deutsch lernen.” (Proband 6); “Ich habe außerdem einen guten Freund aus Deutschland, mit dem ich gern wandere. Ich will mein Deutsch ein bisschen verbessern, um mit ihm besser sprechen zu können” (Proband 7); 5. „Intrumentelle“ Motivation (?): Der Proband 3 und der Proband 7 weisen schließlich auf die Tatsache hin, dass das Kenntnis der deutschen Sprache – insbesondere in Trentino-Südtirol – als einen Vorteil aus beruflicher Perspektive angesehen werden könnte. Einstellungen zum „lebenslangen Lernen“: Proband:
“Was halten Sie von Programmen, die das lebenslange Lernen fördern? Außer diesem Sprachkurs, besuchen Sie oder haben Sie in der Vergangenheit noch andere Kurse besucht, die von der Franco Demarchi Stiftung oder von ähnlichen Institutionen organisiert werden?“ - Antworten:
Probandin 1
“Seit Jahren bin ich hier [an der UTETD] eingeschrieben. Ich finde diese Initiativen sehr positiv: Was sollte man eigentlich nach der Ende des Erwerbslebens machen, wenn man pensioniert wird? (lächelnd). Aus diesem Grund finde ich es sehr positiv. Es hilft mir, irgendwelche Themen zu wiederholen, die ich schon gelernt hatte oder neue Dinge zu lernen.” Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Geografie, Kunstgeschichte des Trentino)
Proband 2
“Also... seit 16 Jahren bin ich pensioniert und seit 16 Jahren bin ich hier [an der UTETD] eingeschrieben.“ (sehr positive Erfahrung)
111
Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Literatur, Englisch, Geografie, sanfte Gymnastik)
Proband 3
Er hält seine eigene Erfahrung an der UTETD für eine sehr positive Erfahrung. Positive Aspekte der Kursen der Franco Demarchi Stiftung nach dem Proband 3: Erschwinglichkeit der Kosten und kompetente Lehrkraft. “Negativer” Aspekt: Das Alter der Lernergruppe (→ der Proband 3 ist nämlich einer der „jünsten“ Lernenden der Gruppe). Besuch anderer Kursen: JA (Englisch und Französisch, in der Vergangenheit)
Probandin 4
“... Ja, ich habe sie [die Kursen an der UTETD] immer für sehr interessante und nützliche Initiativen gehalten.“ Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Psychologie, Nordic Walking)
Probandin 5
„Ohne Zweifel sind sie sehr positive Initiativen... und ich habe bemerkt, dass sie auch sehr beliebt sind. […] Meiner Meinung nach helfen sie dabei, den Wunsch zu erwecken, nicht zu altern, in Kontakt mit den Anderen zu bleiben, unterschiedliche Aktivitäten und Reisen zu machen, zu lesen, usw.” Besuch anderer Kursen: JA (Informatik)
Proband 6
„Wenn man etwas Neues lernen oder sich informieren will, stellen diese Kursen der Franco Demarchi Stiftung eine sehr bemerkenswerte Initiative dar, meiner Meinung nach...“ Besuch anderer Kursen: NEIN
Proband 7
„Die Initiative [der UTETD] ist sehr bemerkenswert, die Lehrkraft sehr vorbereitet... ich muss jedoch zugeben, dass ich gewisse Bedenken bezüglich der Strukturen habe. Aber das ist etwas, was man natürlich verbessern kann. So, im Allgemeinen würde ich sagen, dass es sich um eine sehr positive Initiative handelt.“ Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Konferenzen im geschichtlichen oder journalistischen Bereich)
Probandin 8
“Ja... ich finde diese Initiativen sehr interessant. Seit 3 jahren besuche ich den Deutschkurs und ich würde gern auch andere Kursen besuchen, wenn ich die Möglichkeit hätte...“ Besuch anderer Kursen: JA (Musik, in der Vergangenheit)
Proband 9
Er äußert sich auf sehr positive Weise darüber. Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Reisen, Kurs über den Buonconsiglio Schloss in Trento)
Proband 10
“Ja... ich finde diese Initiativen sehr wichtig, weil ich denke, dass das Lernen bestimmte Bezugspunkte braucht. Die Tatsache, dass es eine Institution gibt, die regelmäßige Unterrichtsstunden bestimmt, ermöglicht der Person, einen ständigen Verhältnis mit dem Studium zu haben.“ Besuch anderer Kursen: JA (u.a. Kurs über die Feldenkrais Methode, sanfte Gymnastik)
Probandin 11 Ihrer Meinung nach sind Initiativen zum lebenslangen Lernen „sehr gute Initiativen“, die die Gelegenheit bieten, „geistig aktiv zu bleiben“ und „das, was man schon gelernt hat, zu wiederholen“. In Bezug auf die Kursen der Franco Demarchi Stiftung schätzt sie insbesondere die Tatsache, dass „es kein Wettbewerbsklima gibt“. Besuch anderer Kursen: JA (Englisch, in der Vergangenheit)
Alle die Probanden haben sich auf sehr positive Weise über Initiativen zum lebenslangen Lernen
112
geäußert. Die Probandin 1 betont beispielsweise die sozialisierende Funktion dieser Initiativen, so wie die Tatsache, dass sie als hochwertige Initiativen angesehen werden könnten, die in wichtigem Maße zur Füllung der „Lücke“ beitragen, die nach der Pensionierung normalerweise entsteht: „Ich finde diese Initiativen sehr positiv: Was sollte man eigentlich nach der Ende des Erwerbslebens machen, wenn man pensioniert wird?! (lächelnd)“. Die Probandin 5 sieht derselben Meinung zu sein und betont außerdem die Tatsache, dass diese Initiativen sehr interessante Aktivitäten (u.a. reisen, lesen, usw.) umfassen, die dabei helfen können, eine aktive Lebensweise beizubehalten und „den Wunsch zu erwecken, nicht zu altern“ (in diesem Kontext mit einer positiven Konnotation, indem sie sich auf eine bessere Akzeptanz des Älterwerdens, im Sinne eines aktiven Älterwerdens, bezieht). Der Proband 10 weist außerdem auf die Wichtigkeit solcher Institutionen (z.B. die Franco Demarchi Stiftung) hin, die die Initiativen zum lebenslangen Lernen fördern, indem sie einen „Bezugspunkt“ für die Lernenden darstellen und eine bestimmte Regelmäßigkeit und Kontinuität für das Studium garantieren: „Die Tatsache, dass es eine Institution gibt, die regelmäßige Unterrichtsstunden bestimmt, ermöglicht der Person, ein ständiges und regelmäßiges Verhältnis mit dem Studium zu haben“. Was dagegen den Besuch weiterer Kursen (außer dem Deutschkurs) angeht, die von der Franco Demarchi Stiftung oder von ähnlichen Institutionen organisiert werden, kann man aus den Interviews schließen, dass fast alle die Probanden diese Initiativen intensiv nutzen bzw. in der Vergangenheit genutzt haben. Die Tatsache, dass die Probanden vorliegender Untersuchung solche positive Einstellungen zum lebenslangen Lernen haben und die Initiativen zum lebenslangen Lernen intensiv nutzen bzw. genutzt haben, stellt ein wichtiges Datum dar, indem es einen Beweis dafür ist, dass es sich um eine Lernergruppe handelt, die das lebenslange Lernen viel schätzt und folglich auch sehr motiviert ist, erneut die „Rolle des Schülers“ zu übernehmen. Einstellungen zum Fremdsprachenlernen: Proband:
"Was bedeutet für Sie das Lernen einer Fremdsprache, und zwar der deutschen Sprache?“ Antworten:
Probandin 1
“... meiner Meinung nach bereichert es [das Fremdsprachenlernen] den Geist. […] Aber es kann beispielsweise auch zur Wiederholung der italienischen Grammatik dienen. […] Und ich finde, dass die deutsche Sprache sehr genau ist, viel genauer, vielleicht, als die Italienische. Sie sind ein bisschen – und das sage ich in Anführungszeichen – präzis.”
Proband 2
“Also... ich sage nur, dass ich es bedauere, Englisch nicht gelernt zu haben. Es tut mir sehr Leid. Wenn ich nämlich sehe, dass mein jüngster Sohn […] es so gut wie Italienisch spricht, bin ich wütend! (lacht)“ →
113
keine direkte Antwort, die jedoch es vermuten lässt, dass der Proband 2 das Fremdsprachenlernen – insbesondere das Englichlernen – für sehr wichtig hält.
Proband 3
Wie der Proband 3 selbst zugibt, stellt das Fremdsprachenlernen für ihn „eine große Leidenschaft“ dar, so wie „eine wichtige Gelegenheit, aus der italienischen kulturellen Abgeschlossenheit herauszukommen und neue Kulturen kennenzulernen“. Seiner Meinung nach könnte das Fremdsprachenlernen als eine „Horizonterweiterung“ angesehen werden.
Probandin 4
“Das ist sicher etwas, was gefördert werden sollte.“
Probandin 5
“[...] wenn Sie nur wüssten, wie zufrieden ich bin, wenn ich unterwegs bin und den Ausländern [auf Deutsch] helfen kann, etwas zu finden oder etwas von der Stadt zu erfahren! [...] Ich brauche es wirklich, mit den Menschen zu kommunizieren.“
Proband 6
“Also … sicher stellt das Kennen einer weiteren Sprache außer der Muttersprache ein wichtiges Vorteil dar, sowohl aus sozialer, als auch aus kognitiver Sicht. […] Was spezifisch unsere Region Trentino angeht, die erst sechzig – oder sogar weniger – Kilometer von einem Gebiet entfernt ist, wo Deutsch gesprochen wird, würde ich sagen, dass es unglaublich ist, dass man hier kein Deutsch spricht! In diesem Zusammenhang sind die Institutionen wirklich sehr kurzsichtig gewesen...“
Proband 7
“Also ... außer dem schon erwähnten geistigen Training, habe ich immer gedacht, dass die deutsche Sprache hier in diesem Gebiet … [Pause] … also, alle verstehen mehr oder weniger Englisch. Aber, wer auch ein bisschen Deutsch versteht und spricht, kann meiner Meinung nach davon profitieren. […] Ich glaube, dass dieses Kenntnis einen wichtigen Vorteil aus beruflicher Sicht darstellen kann, vor allem für die jüngeren Menschen.“
Probandin 8
“Also, eine Sprache zu erwerben, bedeutet für mich die Erreichung kommunikativer Autonomie. Sonst muss man in einem Land, dessen Sprache man nicht versteht, immer von anderen Menschen abhängen und man fühlt sich folglich auch ein bisschen unwohl...“
Proband 9
?
Proband 10
“Ich halte es für sehr wichtig, mindestens eine Fremdsprache zu beherrschen. Heutzutage sollte es wirklich selbstverständlich sein, nicht eine Ausnahme! Als ich Kind war, schrieb man im Lebenslauf: „Ich habe den Führerschein“. Heute schriebt man das nicht mehr, weil es lächerlich wäre. Meiner Meinung nach ist es auch lächerlich, zu sagen: "Ich spreche nur eine Sprache". [...] Das Wichtigste ist, mindestens eine Fremdsprache zu können, weil diese es ermöglicht, zu kommunizieren und bestimmte Ereignisse direkt zu erleben, nicht nur von außen, auf der Oberfläche.”
Probandin 11
“Sprachen sind sehr wichtig, wie auch alles andere, natürlich. Je mehr man weiß, desto besser.”
Wie man in Bezug auf ihre Antworten beobachten kann, haben die Probanden viele unterschiedliche – alle sehr positive – Einstellungen zum Fremdsprachenlernen. Einige von ihnen weisen beispielsweise auf die Tatsache hin, dass das Fremdsprachenlernen und das Kenntnis einer weiteren Sprache außer der Muttersprache einen allgemeinen Vorteil aus kognitiver und sozialer Sicht darstellen kann (u.a. Proband 6, Probandin 11). Andere definieren das Fremdsprachenlernen als eine „Bereicherung des Geistes“ (Probandin 1), so wie
114
eine
„wichtige
Gelegenheit,
aus
der
italienischen
kulturellen
Abgeschlossenheit
herauszukommen und neue Kulturen kennenzulernen“, d.h. als eine „Horizonterweiterung“ (Proband 3). Für den Proband 3 stellt außerdem das Fremdsprachenlernen „eine große Leidenschaft“ dar, wie er selbst zugibt und wie sich auch aus seinen zahlreichen Sprachlernerfahrungen (vgl. Abschnitt 4.6.2.) verstehen lässt. Unterschiedliche Probanden betonen die Wichtigkeit des Fremdsprachenlernens für die schrittweise „Erreichung kommunikativer Autonomie“ (Probandin 8), vor allem in einem fremden Land, indem das Kenntnis einer zweiten Sprache es ermöglicht, “[…] bestimmte Ereignisse direkt zu erleben, und nicht nur von außen, auf der Oberfläche” (Proband 10). In diesem Zusamenhang gibt der Proband 10 eine sehr entschlossene Stellungnahme ab und verwendet ein sehr passendes Beispiel, um seine Meinung zu unterstützen: „Ich halte es für sehr wichtig, mindestens eine Fremdsprache zu beherrschen. Heutzutage sollte es wirklich selbstverständlich sein, nicht eine Ausnahme! Als ich Kind war, schrieb man im Lebenslauf: „Ich habe den Führerschein“. Heute schriebt man das nicht mehr, weil es lächerlich wäre. Meiner Meinung nach ist es auch lächerlich, zu sagen: "Ich spreche nur eine Sprache". [...]”. Weitere interessante Behauptungen über das Fremdsprachenlernen kann man beispielsweise bei der Probandin 1 finden, die es als eine Gelegenheit definiert, auch die italienische Grammatik zu wiederholen, oder bei der Probandin 4, die die Notwendigkeit betont, das Fremdsprachenlernen zu fördern, u.a. auf institutioneller Ebene. Was spezifisch das Lernen des Deutschen angeht, sind unterschiedliche Probanden davon bewusst, dass diese Sprache innerhalb der Region Trentino-Südtirol eine wichtige Rolle spielt und deren Kenntniss „einen wichtigen Vorteil aus beruflicher Sicht darstellen kann, vor allem für die jüngeren Menschen“ (Proband 7). Gleichzeitig ist man jedoch auch davon bewusst (u.a. Proband 6 und Proband 7), dass es in Trentino eigentlich nicht so viele Leute gibt, die die deutsche Sprache beherrschen: „Was spezifisch unsere Region Trentino angeht, die erst sechzig – oder sogar weniger – Kilometer von einem Gebiet entfernt ist, wo Deutsch gesprochen wird, würde ich sagen, dass es unglaublich ist, dass man hier kein Deutsch spricht! In diesem Zusammenhang sind die Institutionen wirklich sehr kurzsichtig gewesen...“ (Proband 6). Einstellungen zur Zielkultur: Proband:
„Was halten Sie von der deutschen Kultur?“ - Antworten:
Probandin 1
“Im letzten Jahr habe ich auch den Kurs über die deutsche Literatur besucht, mit unserer Professorin [sie meint Prof. Lucia Togni, die auch den Literaturkurs leitet], und es war wirklich sehr schön. [...]”
115
“Ja, ich bin in Deutschland gewesen und auch in Wien, im Mai. Wenn jemand mich jetzt einlüde, würde ich einfach so [zeigt die Kleidung, die sie trägt] gehen, sofort, weil es [deutschsprachige Länder ?] wirklich eine Welt ist, die ich mag. Ich mag die Genauigkeit, auch wenn ich selbst nicht so genau bin (lacht). […] Auch wenn man die Sprache beobachtet, versteht man meiner Meinung nach, dass es sich um ein e ganz andere Kultur handelt. Wir sind ein bisschen „kreativer“ … vielleicht nicht gerade wir, sondern [die Leute] im Süden (lacht). In gewissem Maße sind wir auch ein bisschen „deutsch“, indem wir zwischen die zwei Kulturen stecken.”
Proband 2
“ Ich bewundere sie ... ich bewundere sie. Nichts anderes.”
Proband 3
Wie er selbt zugibt, ist er nicht so viel von der deutschen Kultur angezogen, weil er sie mit einer übertriebenen „Organisierung“, „Strenge“, „Kälte“ und „Disziplin“ verbindet.
Probandin 4
“Ja wir haben auch etwas im letzten Jahr mit der Professorin gemacht … über die Kultur und die Literatur … aber ich verstehe mich nicht so viel darauf, muss ich sagen ...“
Probandin 5
“Tja … man hatte sie [die deutsche Kultur] uns falsch in der Schule gelehrt ... so habe ich sie ein bisschen gehasst […] und dann habe ich mich dafür nicht mehr interessiert.“
Proband 6
“Na ja … ich kann nicht sagen, dass ich viel über die deutsche Kultur weiß. Jetzt, dass ich regelmäßig nach Wien fahre, kenne ich ja die Familie meines Schwiegersohns, andere Leute jedoch nicht. Also … was spezifisch Wien angeht, habe ich bemerkt, dass es sich um eine Stadt handelt, die viel organisierter, viel sauberer, viel geregelter, usw. [im Vergleich mit den italienischen Städten] ist. […] Was beispielsweise das Wohlfahrtssystem und solche Sachen angeht, haben sie eine ganz andere organisatorische Herangehensweise. Uns in Trentino geht es nicht so schlecht aber ... man kann den Unterschied spüren.”
Proband 7
“Die deutsche Kultur ist eine wichtige und sehr interessante Kultur. Wir sind nämlich Teil Europas und man könnte ja sagen, dass Deutschland irgendwie als die „Grundpfeile“ der Europäischen Union angesehen werden könnte, oder? […] Ich habe immer gesagt, dass man in der deutschen Kultur sehr deutlich die Spuren des Luthertums finden kann, vor allem im Bezug auf das Konzept der Methode. [...] Während wir Italiener irgendwie “fantasievoller” sein können, gleichen sie viele Mängel mit der Verwendung der Methode aus. Dort liegt ihre Stärke und manchmal auch ihre Schwäche.“
Probandin 8
“Es ist ein bisschen schwierig, auf diese Frage zu antworten, weil ich vielmehr über die deutsche Kultur wissen sollte. So, von außen, finde ich beispielsweise die Deutschen sehr sehr eingeordnet. Im Gegenteil finde ich die Italiener mehr in der Lage, Problemen mit ihrer Kreativität zu lösen, was ich persönlich als sehr positiv bewerte. […] Wenn ich meine Tochter [in Deutschland] besuche, bemerke ich außerdem, dass es dort eine sehr offene Haltung gegenüber der Musik gibt und die Theater immer voll sind. […]“
Proband 9
“Ich mag die deutsche Kultur sehr. Aber wirklich sehr, würde ich sagen. Ich kenne viele Deutschen, ich kenne Deutschland gut ... aber Deutsch kann ich leider nur wenig. Aus diesem Grund besuche ich den Kurs...“
Proband 10
“Ich liebe Deutschland. Jedes Jahr mache ich eine kleine Reise in den deutschsprachigen Ländern, entweder mit dem Fahrrad oder ...”
Probandin 11
Sie äußert sich insbesondere über das deutsche Volk. Sie mag die Tatsache, dass die Deutsche „genau“ sind und dass sie „immer versuchen, mit den anderen zu kommunizieren“, beispielsweise wenn sie Urlaub in Italien machen und es versuchen, auf Italienisch zu reden.
116
In Bezug auf die Frage, was sie von der deutschen Kultur halten, haben unterschiedliche Probanden (u.a. Probandin 1, Probandin 4, Probandin 5) interessanterweise das Konzept von Kultur automatisch mit Formen der „hohen Kultur“ (u.a. Literatur, Kunst, usw.) assoziiert. Was dagegen „Kultur“ im weiteren Sinne angeht (u.a. Sitten, Gebräuche, Verhalten, usw.), haben viele Probanden auf die klassischen, irgendwie auch stereotypischen, Unterschiede zwischen der deutschen und der italienischen Kultur Bezug genommen: Während man die erste oft mit Begriffen und Konzepten wie „Genauigkeit“ (Probandin 1, Probandin 11, Probandin 8), “Ordentlichkeit” (Probandin 1), “Starrheit” (Proband 3, Proband 7), “Organisierung” (Proband 3, Proband 6) , “Sauberkeit” (Proband 6) und “Methode” (Proband 7) verbindet, wird die zweite dagegen als „kreativer und fantasievoller“ (Probandin 1, Proband 7, Proband 8, Proband 6) definiert. Wie jedoch die Probandin 1 betont, trifft diese Gegenüberstellung auf das Trentino nicht völlig zu, indem es sich um eine Region handelt, die zwischen den zwei Kulturen – der mittelländischen und der mitteleuropäischen – steckt. Im Allgeimenen haben viele Probanden eine sehr positive Einstellung zur deutschen Kultur, wie ihre eigene Behauptungen vermuten lassen: u.a. “Ja, ich bin in Deutschland gewesen und auch in Wien, im Mai. Wenn jemand mich jetzt einlüde, würde ich einfach so [zeigt die Kleidung, die sie trägt] gehen, sofort, weil es wirklich eine Welt ist, die ich mag” (Probandin 1); „Ich bewundere sie [die deutsche Kultur] ... ich bewundere sie einfach” (Proband 2); “Ich mag die deutsche Kultur sehr. Aber wirklich sehr, würde ich sagen“ (Proband 9); „Ich liebe Deutschland ...“ (Proband 10). Der Proband 3 und die Probandin 5 sind die einzigen, die sich ziemlich negativ über die deutsche Kultur äußern: Während der Proband 3, wie er selbt zugibt, nicht so viel von der deutschen Kultur angezogen ist, weil er sie mit einer übertriebenen „Organisierung“, „Strenge“, „Kälte“ und „Disziplin“ verbindet, weist die Probandin 5 auf seine negative Erfahrung in der Schule hin („Tja … man hatte sie [die deutsche Kultur] uns falsch in der Schule gelehrt ... so habe ich sie ein bisschen gehasst […] und dann habe ich mich dafür nicht mehr interessiert“). Wie schon erwähnt worden ist, bezieht sie sich jedoch auf die „hohe Kultur“ in diesem Fall. Eine weitere interessante Einstellung ist schließlich die von Proband 7, der die deutsche Kultur als eine „wichtige und sehr interessante Kultur“ definiert und insbesondere die zentrale Rolle Deutschlands innerhalb der Europäischen Union betont: „Wir sind nämlich Teil Europas ... und man könnte ja sagen, dass Deutschland irgendwie als die „Grundpfeile“ der Europäischen Union angesehen werden könnte, oder?“.
117
Emotionen (Angst und Scham): Proband:
Wenn Sie sich öffentlich auf Deutsch äußern (z.B. in der Klasse), erleben Sie Angst/Stress/Scham oder andere Formen des Leidens?
Nehmen Sie am Unterricht aktiv teil (z.B. mit Fragen, usw.)?
Welche Gefühle (negative/positive) erleben Sie während Prüfungen/Tests/usw. oder wenn Sie angesprochen werden?
?
durchschnittlich
/
Proband 2
wenig
wenig
/
Proband 3
ziemlich viel
ziemlich viel
Eine leichte Angst, wegen meiner Unsicherheit mit dem Deutschen.
Probandin 4
ziemlich viel
ziemlich viel
Ich habe den Eindruck, nicht in der Lage zu sein, mich an die Wörter zu erinnern und mich korrekt ausdrücken zu können.
Probandin 5
gar nicht
ziemlich viel
Freude, mich noch an alten Erinnerungen zu erinnern, die ich für vergessen hielt.
Proband 6
gar nicht
durchschnittlich
/
Proband 7
gar nicht
ziemlich viel
/
ziemlich viel
durchschnittlich
Sorge, korrekt zu antworten.
Proband 9
wenig
durchschnittlich
Unbesorgt.
Proband 10
wenig
durchschnittlich
Ich mag es.
durchschnittlich
durchschnittlich
/
Probandin 1
Probandin 8
Probandin 11
Die Ergebnisse der Fragebögen lassen in Bezug auf bestimmte unterrichtsbezogene Emotionen (u.a. Angst, Scham, usw.) eine ziemlich heterogene Situation innerhalb der Lernergruppe annehmen. 5 Probanden geben beispielsweise zu, dass sie „gar nicht“ (3) oder „wenig“ (2) Angst, Stress, Scham oder andere Formen des Leidens erleben, wenn sie sich öffentlich (z.B. in der Klasse) auf Deutsch äußern. In Bezug auf die Gefühle, die die Lernenden während Prüfungen und Tests erleben, oder wenn sie angesprochen werden, gibt beispielsweise die Probandin 5 zu, sogar „Freude [zu erleben], sich noch an alten Erinnerungen zu erinnern, die sie für vergessen hielt“ (genauso wie der Proband 10), während sich der Proband 9 als „unbesorgt“ in solchen Situationen definiert. Aus den Daten ergibt sich außerdem, dass die Probandin 11 diese Emotionen „durchschnittlich“ erlebt, während die drei anderen Probanden „ziemlich viel“. Der Proband 3 gibt beispielsweise zu, dass er während Prüfungen oder ähnlichen Stresssituationen „eine leichte Angst wegen [s]einer Unsicherheit mit dem Deutschen“ erlebt. Die Probandin 4 hat oft auch den “Eindruck, nicht in der Lage zu sein, [s]ich an die Wörter zu erinnern und [s]ich korrekt ausdrücken zu können“, während die Probandin 8 macht sich viele Sorgen, um korrekt zu antworten. Die Probandin 1 hat auf die Frage nicht geantwortet. Was dagegen die aktive Teilnahme am Unterricht (u.a. mit Fragen, usw.) angeht, 118
ein Faktor, der in wichtigem Maße von den oben erwähnten Emotionen abhängen könnte, scheint es anhand der Self-Report Daten in den Fragebögen, eine homogene Situation zu herrschen, indem fast alle die Probanden (außer dem Proband 2) zugeben, „durchschnittlich“ (7) oder „ziemlich viel“ (3) am Unterricht teilzunehmen, was auch eine bestimmte Anstrengung vonseiten der „unsichereren“ Probanden annehmen lässt. Diese ausgewogene Teilnahme von allen den Probanden ist außerdem von meinen Beobachtungen der Unterrichtsstunden und von den Gesprächen mit der Lehrfigur bestätigt worden. Selbsteinschätzung: Wie im Kapitel 3.1.4. erwähnt worden ist, stellt die „Selbsteinschätzung“ der Lernenden eine wichtige Motivationskomponente dar, indem sie beispielsweise die Beharrlichkeit und Ausdauer beim Lernen beeinflussen kann. Im Folgenden werden zusammenfassend die Ergebnisse der Selbstevaluation (→ vgl. Fragebogen) im Bezug auf den selbstmpfundenen Fortschritt, auf die wichtigsten Schwiergikeiten bzw. Probleme, so wie auf die am häufigsten benutzten Strategien dargestellt und diskutiert. Selbstempfundener Fortschritt. Proband:
Seitdem Sie den Deutschkurs an der UTETD besuchen, haben Sie einen Fortschritt in Ihren Sprachkenntnissen festgestellt? Wenn ja, in welchen Bereichen (lexikalisch/morphologisch/syntaktisch)?
Kommentare:
JA Im lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Bereich
/
Proband 2
?
?
Proband 3
JA Im morphologischen Bereich
Von einer absoluten Unfähigkeit habe ich die Grundfähigkeit erreicht, einen Text mithilfe des Wörterbuchs zu lesen und zu verstehen.
JA Im lexikalischen und syntaktischen Bereich
Ich kann kurze und einfache Sätze formulieren.
Proband 5
JA Im lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Bereich
/
Proband 6
JA Im lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Bereich
Jetzt kann ich mich müheloser ausdrücken.
Proband 7
JA Im lexikalischen und morphologischen Bereich
/
Probandin 1
Probandin 4
Probandin 8
Proband 9
JA Ich bin vertrauensvoller geworden, vor allem was den Im lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Satzbau und den Gebrauch der Verbern angeht, und Bereich gleichzeitig habe ich auch mein Wortschatz erweitert. JA Im syntaktischen Bereich
/
119
Proband 10
JA Im lexikalischen Bereich
Ich kann mich ein bisschen besser ausdrücken.
JA
/
Probandin 11
Außer dem Proband 2, der auf die Frage nicht geantwortet hat, geben alle die Probanden zu, einen Fortschritt in ihren Sprachkenntnissen festgestellt zu haben, seitdem sie den Deutschkurs an der UTETD besuchen. Was die tatsächlichen Bereichen dieses Fortschritts („lexikalisch“, „morphologisch“ und „syntaktisch“) angeht, haben die Probanden wie folgt geantwortet: Vier Probanden (Probandin 1, Probandin 5, Proband 6, Probandin 8) haben eine Verbesserung in allen den drei Bereichen festgestellt, der Proband 3 hat eine Verbesserung vor allem im morphologischen Bereich festgestellt, der Proband 10 im lexikalischen Bereich und der Proband 7 sowohl im lexikalischen als auch im morphologischen Bereich. Die Antworten des Probanden 9 (der nur eine Verbesserung im syntaktischen Bereich festgestellt hat) und der Probandin 4 (die vor allem Verbesserungen im lexikalischen und syntaktischen Bereich festgestellt hat) sind dagegen ein bisschen „schwieriger“ zu interpretieren: Man könnte sich nämlich fragen, wie eine Verbesserung im syntaktischen Bereich ohne eine verbundene Verbesserung auch im morphologischen Bereich möglich wäre, indem im Einklang mit Pienemanns „Processability Theory“ (1998) die zweite eine Voraussetzung für die erste darstellt (vgl. Dyson 2009:361f.). So habe ich versucht, eine Erklärung für ihre Antworten zu finden. In erster Linie habe ich beispielsweise angenommen, dass die Probanden die Frage – und zwar die Begriffe „lexikalisch“, „morphologisch“ und „syntaktisch“ – nicht so gut verstanden haben könnten. Diese Hypothese ist jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht so wahrscheinlich: Erstens, weil ich im Fragebogen Beispiele für jeden Begriff in Klammer geschrieben habe (vgl. Fragebogen), damit die Probanden dessen Bedeutung verstehen können, und zweitens, weil alle die Probanden ein ziemlich hohes Niveau in ihrer Erstsprache aufzeigen, so wie eine gute Ausbildung und verschiedene Sprachlernerfahrungen hinter sich (vgl. Abschnitt 4.6.2.), weshalb sie die Bedeutung solcher Begriffe – mindestens im Allgemeinen – verstehen sollten. Als eine weitere mögliche Erklärung für ihre Antworten habe ich so die Tatsache angenommen, dass sie vielleicht ein bisschen „rasch“ auf die letzte Frage des Fragebogens geantwortet haben könnten. Wichtigsten Schwierigkeiten und Probleme. Bereich:
gar nicht
wenig
durchschnittlich
ziemlich viel
sehr viel
antwortet nicht
Mündliche Kommunikation: u.a. Sich auf Deutsch äußern.
-
1
-
6
1
3
Aussprache:
2
5
1
1
1
1
u.a.
Bestimmte
Laute
120
aussprechen, die in der Muttersprache nicht vorhanden sind: z.B. “ch” (“ich”), “h” (das Haus”), “r” (trinken), usw. Gedächtnis: u.a. Neue Informationen behalten und wieder abrufen (z.B. neue Vokabeln oder grammatische Regeln).
-
1
3
4
2
1
Hörverstehen: u.a. Hörverstehensaufgaben lösen, vor allem wenn das Sprachtempo zu schnell ist, wenn es viele Hintegrundgeräusche gibt oder wenn es in der Klasse keine völlige Stille gibt.
-
-
3
2
4
2
Syntax: u.a. Sätze korrekt aufbauen.
1
1
7
2
-
-
Morphologie: u.a. Verben korrekt konjugieren, die richtigen Endungen wählen, usw.
Obwohl das allgemeine Bild auch in diesem Zusammenhang ziemlich heterogen aussieht, kann man jedoch bestimmte Gemeinsamkeiten feststellen, wie im Folgenden gezeigt wird. Wie beispielsweise die Selbstevaluationen der Probanden zeigen, bereiten die Bereiche des Hörverstehens, der mündlichen Kommunikation und des Gedächtnisses die wichtigsten Schwierigkeiten für die Probanden, was im Einklang mit Berndts Beobachtungen und, im Allgemeinen, mit den schon besprochenen natürlichen Prozessen der ontogenetischen Entwicklung (vgl. Kapitel 2.2.) steht. Die Professorin Lucia Togni hat ebenso diese Schwierigkeiten im Bereich des Hörverstehens, der mündlichen Kommunikation und des Gedächtnisses bestätigt. Komischerweise geben viele Probanden (außer 3) in der Selbstevaluation zu, dass sie keine besondere Probleme mit der deutschen Aussprache haben, was jedoch mit der Realität nicht völlig zustimmt. Wie schon erklärt worden ist (vgl. Kapitel 2.2.), werden nämlich die Diskriminierungsfähigkeit (d.h. die Fähigkeit, Phoneme zu diskriminieren) und das gute Funktionieren des Hörapparates, zwei wichtige Voraussetzungen für den Erwerb einer korrekten Aussprache, mit dem Alter schlechter. Dazu kommt noch die Tatsache, dass der Einfluss der Ersprache mit dem Alter schrittweise zunimmt (vgl. Kapitel 2.3.3. → „Entrenchment“-Phänomen) und folglich auch die Verarbeitung des L2-Inputs schwieriger wird. Man kann diese Probleme ganz deutlich auch in Bezug auf die Probandengruppe merken: Wie ich nämlich aus den Beobachtungen der Unterrichtsstunden bemerkt habe, haben alle die Probanden eine Aussprache, die sehr stark von der Muttersprache (Italienisch) geprägt ist, weshalb die Professorin oft gezwungen ist, die Aussprache bestimmter deutschen Wörter zu „italianisieren“, damit ihre Studenten sie überhaupt verstehen können. Wie sie selbst außerdem zugibt, legt die sie innerhalb des Unterrichts keinen besonderen Wert auf 121
eine „muttersprachenidentische Assprache“, indem sie sich sehr wohl davon bewusst ist, dass es sich um einen “Schwachpunkt” für Menschen ab einem bestimmten Alter handelt. Am häufigsten benutzten Strategien. Strategie:
immer
fast immer
oft
manchmal
fast nie
nie
antwortet nicht
Assoziationen machen und die Fremdsprache mit der Muttersprache (L1) oder mit anderen bekannten Sprachen vergleichen.
-
-
3
5
2
-
1
Visuelle Hilfsmittel benutzen (z.B. Bilder, Zeichnungen, Schemen, Farben, usw.), um Memorisierung zu erleichtern.
-
2
2
4
2
-
1
Neue Vokabeln innerhalb eines sinvollen Kontextes lernen (z.B. Assoziogramme mit Gruppen von Wörtern bilden, die nach einem bestimmten Kriterium verbunden sind: „Essen und Trinken“, „Schulsachen“, „Sports und Freizeit“, usw.).
-
-
6
3
-
-
2
Sich Notizen schreiben.
5
2
1
2
-
-
1
Laut wiederholen.
1
2
4
3
-
-
1
So viel wie möglich Zielsprache lesen.
in
der
-
-
5
4
-
-
2
So viel wie möglich Zielsprachen reden.
in
der
1
-
3
4
1
1
1
Anderes (….....................................)
-
-
-
-
-
-
-
Indem alle die Probanden unterschiedliche Sprachlernerfahrungen hinter sich haben, besitzten sie alle auch einen „Strategienapparat“, der natürlich individuell sehr unterschiedlich ist. Die Heterogenität der Strategienapparate hängt von verschiedenen Variablen ab, beispielsweise von den unterschiedlichen Lernerpersönlichkeiten der Probanden, so wie von den verschiedenen Lernertypen und Lernstilen (vgl. Kapitel 3.1.1.2 und 3.1.1.3). Im Folgenden werden die am häufigsten
benutzten
Lernstrategien
anhand
der
Antworten
der
Selbstevaluation
zusammenfassend diskutiert. Wie sich aus der Tabelle oben ergibt und wie ich außerdem persönlich während der Beobachtungen des Unterrichts bemerkt habe, stellt das Notieren eine sehr benutzte Strategie dar: Fünf Probanden geben zu, sich „immer“ Notizen zu schreiben, 2 “sehr oft“, 2 “manchmal”, 1 “oft” und 1 hat auf die Frage nicht geantwortet. Besonders beliebt sind auch die Strategien der Wiederholung über das laute Sprechen (4 Probanden machen das “oft”, 3 “manchmal”, 2 “sehr oft”, 1 sogar „immer“, 1 antwortet nicht) und des häufigen Lesens in der Fremdsprache (5 Probanden machen das “oft”, 4 “manchmal”, 2 antworten nicht). 122
Manchmal versuchen die Probanden auch, die Fremdsprache mit ihrer Erstsprache oder mit anderen bekannten Sprachen zu vergleichen (5 Probanden machen das “manchmal”, 3 “oft”, 2 “fast nie”, 1 antwortet nicht), visuelle Hilfsmittel zu benutzten (4 machen das “manchmal”, 2 “sehr oft”, 2 “oft”, 2 “fast nie”, 1 antwortet nicht) oder so viel wie möglich in der Zielsprache zu reden (4 Probanden machen das “manchmal”, 3 “oft”, 1 “immer”, 1 “fast nie”, 1 “nie”, 1 antwortet nicht). Während meiner Beobachtungen der Unterrichtsstunden habe ich ganz deutlich bemerkt, dass die Probanden sehr oft und gern Vergleiche zwischen dem Deutschen und dem Italienischen machen, manchmal erfolgreich, in den meisten Fällen jedoch erfolglos: In ihren Behauptungen kann man nämlich oft einen negativen Transfer vom Italienischen zum Deutschen bemerken. Im Bereich der Adjektivdeklinationen und der Artikel im Deutschen hat sich beispielsweise der Proband 10 – beeinflusst von dem Italienischen – wie folgt geäußert: „Aber „Hose“ ist sicher ein Plural, kein Femininum: „i pantaloni 16“!“. Außerdem habe ich bemerkt, dass einige Probanden sich wirklich bemühen, so viel wie möglich auf Deutsch zu sprechen (beispielsweise die Probandin 5, die mich immer auf Deutsch anspricht, wenn sie mich sieht). Wie Berndt behauptet, sind sich nämlich Fremdsprachenlerner im höheren Alter der Notwendigkeit eines aktiven Sprachgebrauchs bewusst, „auch wenn sie nur wenige Möglichkeiten haben, die Fremsprache außerhalb des Unterrichts zu verwenden“ (Berndt 2003:187).
4.7. Diskussion: Allgemeine Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter und einige fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen. Wie aus den Ergebnissen der
empirischen Untersuchung hervorgeht, ist Riemers
„Einzelgängerhypothese“ in wichtigem Maße bestätigt worden: Man kann nämlich eine große interindividuelle Varianz und eine allgemeine Heterogenität innerhalb der Probandengruppe in Bezug auf unterschiedliche Faktoren beobachten. Wenn man beispielsweise den Altersfaktor betrachtet, kann man schon sehr erhebliche Unterschiede bemerken: Obwohl das Durchschnittsalter der Probanden ca. 65,3 Jahre beträgt (vgl. Abschnitt 4.6.1.1), kann man nämlich eine über 30-jährige Differenz zwischen den „ältesten“ Probanden (81 und 78 Jahre alt) und den „jüngsten“ Probanden (49 und 51 Jahre alt) feststellen, eine Differenz, die natürlich auch auf didaktischer Ebene betrachtet werden muss. Dann kann man beispielsweise eine große interindividuelle Varianz in Bezug auf die sozio-kulturellen Faktoren (u.a. Ausbildung, Beruf 16 "die Hose" auf Italienisch.
123
und Berufserfahrungen, usw.) und auf die linguistischen Faktoren (u.a. Sprachlernbiografien, usw.) beobachten. Die affektiven und psychologischen Faktoren (u.a. Motivationen, Einstellungen, fremdsprachenspezifische Angst, usw.) sind aber vielleicht diejenigen, bei denen man am meisten diese Individualität feststellen kann, indem sie natürlich sehr persönlich sind. Trotz dieser grundlegenden Heterogenität kann man jedoch anhand der Probandengruppe auch bestimmte Gemeinsamkeiten erkennen, die im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden. Im Bereich der geografischen Herkunft, zum Beispiel: Wie im Abschnitt 4.6.1.1 schon erwähnt worden ist, kommen alle die Probanden aus Gebieten der autonomen Region TrentinoSüdtirol, was weitere wichtige gemeinsame Charakteristika dieser Lernenden erklären lässt, wie im Folgenden gezeigt wird. Im Bereich der Ausbildung kann man feststellen, dass sie alle ein ziemlich hohes Bildungsniveau aufweisen (vgl. Abschnitt 4.6.1.1), was nach Berndt als ein wichtiger Indikator für Weiterbildung im Alter interpretiert werden könnte: „Wie später ausführlicher erläutert wird, ist ein enger Zusammenhang zu beobachten zwischen dem Bildungsniveau einer Person und ihrer Bereitschaft zur Weiterbildung im Alter: Je höher eine Person gebildet ist, desto wahrscheinlicher und auch erfolgreicher wird sie im Alter eine Fremdsprache erlernen“ (Berndt 2003:14)
Je besser eine Person gebildet ist, desto wahrscheinlicher wird es auch nämlich sein, dass sie über eine Vielfalt von Lernerfahrungen und -strategien verfügt und sich der Wichtigkeit der Weiterbildung im Alter bewusst ist, wie außerdem von den Einstellungen der Probanden zum lebenslangen Lernen bestätigt worden ist (vgl. Abschnitt 4.6.3). Im Bereich der Sprachlernerfahrungen und der Sprachlernbiographien kann man feststellen, so wie Berndt (2003) im Allgemeinen in Bezug auf den Fremdsprachenlerner im höheren Alter bemerkt hat, dass die Probanden “[...] eine Vielzahl von Erfahrungen des Sprachenlernens mit verschiedenen Sprachen [haben]“ (Berndt 2003:157). Obwohl diese Sprachlernerfahrungen individuell sehr unterschiedlich sind, kann man jedoch feststellen, dass alle die Probanden irgendwelche (meistens negative) Sprachlernerfahrungen mit dem Englischen gemacht haben oder dass sie alle Deutsch in der Schule gelernt haben, weshalb sie als Wiederlerner der deutschen Sprache angesehen werden können (vgl. Abschnitt 4.6.2). Wie im Abschnitt 4.6.1.2 ausführlich gezeigt worden ist, kann man bestimmte Gemeinsamkeiten auch in Bezug auf die Methoden feststellen, mit denen sie Deutsch in der Vergangenheit gelernt haben: So wie bei den Probanden von Berndts Studie der Fall ist, „[...] handelt [es] sich meistens um Grammatik-ÜbersetzungsMethoden,
die
sich
von
der
heutigen
kommunikativen
Ausrichtung
des
Fremdsprachenunterrichts unterscheiden (vgl. Ebd., S.82). Im Folgenden wird ausführlicher 124
gezeigt, welche fremdsprachengeragogische Implikationen dies für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts mit Menschen im höheren Alter haben kann. Was nun die affektiven und psychologischen Faktoren angeht, kann man ebenso bestimmte Gemeinsamkeiten beobachten. Im Bereich der Motivation, zum Beispiel, kann man bemerken, dass sie bei dem Fremdsprachenlerner im höheren Alter besonders hoch ist, weil sie primär im sozialen und persönlichen bzw. affektiven Bereich liegt (vgl. Abschnitt 4.6.3.), wie auch Berndt anhand ihrer Probandengruppe festgestellt hat. Alle die Probanden haben natürlich unterschiedliche und sehr persönliche Motivationen (u.a. Wiederlernen einer Sprache, kompensatorische Erwägungen, Wunsch nach sozialem Kontakt, Wunsch nach der konkreten Anwendung der Fremdsprache im Zielland, Wunsch nach geistigem Training, usw.), die jedoch alle genügend stark sind, um die Lernenden dazu zu führen, sich an den Deutschkurs einzuschreiben und es zweimal pro Woche zu besuchen (wie im Abschnitt 4.6.1.2 nämlich gezeigt worden ist, besuchen fast alle die Probanden regelmäßig den Unterricht). Es handelt sich um eine sehr interessierte und neugierige Lernergruppe, die immer aktiv am Unterricht teilnimmt (manchmal sogar zu viel), im Gegensatz zu dem, was man oft in den Schulen beobachten kann, wo man leider oft mit wenig motivierten Schülern zu tun hat, die nicht aus „freier Wahl“ Deutsch lernen, sondern einfach, weil es im Programm steht. Die Tatsache, dass die Probandengruppe hoch motiviert ist, stellt sicher ein sehr positives Zeichen dar, der sich auch positiv auf den Fremdsprachenlernprozess auswirken kann. Der Fremdsprachengeragoge muss jedoch mithilfe einer geeigneten Methode darauf aufpassen, diese Motivation im Laufe der Zeit aufrechtzuerhalten. In Bezug auf die Einstellungen der Probanden (vgl. Abschnitt 4.6.3) kann man außerdem bemerken, dass es sich um Personen handelt, die das lebenslange Lernen viel schätzen und eine sehr positive Haltung gegenüber dem Fremdsprachenlernen und der deutschen Sprache und Kultur haben. Was spezifisch die Einstellung der Probandengruppe zur Zielsprache Deutsch angeht, wird die Relevanz der deutschen Sprache innerhalb der Region Trentino-Südtirol aus geografischen, kulturellen, historischen und beruflichen Gründen anerkannt, indem die Region als ein Gebiet angesehen wird, das zwischen den zwei Kulturen – der mittelländischen und der mitteleuropäischen – steckt. Folglich wird vonseiten einiger Probanden auch die Notwendigkeit anerkannt, diese Sprache auch auf institutioneller Ebene zu fördern, wie im Abschnitt 4.6.3 erwähnt worden ist. Im Bereich der negativen Emotionen (u.a. Angst und Scham), kann man anhand der Self-Report-Daten in den Fragebögen und der Beobachtungen des Unterrichts die folgende Situation feststellen: Obwohl einige Probanden mehr als andere Angst, Scham oder andere Formen des Leides erleben, wenn sie sich öffentlich (z.B. in der Klasse) auf Deutsch 125
äußern bzw. wenn sie angesprochen werden (wie schon erwähnt worden ist, stellen nämlich Emotionen wie Angst oder Scham sehr individuelle Faktoren dar, die oft auch von der Persönlichkeit des einzelnen Individuums abhängen), kann man eine ausgewogene aktive Teilnahme am Unterricht vonseiten aller Studenten beobachten, was in diesem Fall auch ein bestimmtes Einverständnis innerhalb der Lerngruppe, so wie eine lockere und vom Konkurrenzdenken
nicht
gesprägte Atmosphäre
annehmen
lässt,
die
durch
meine
Beobachtungen des Unterrichts bestätigt worden ist. Wie aber die Professorin Togni in diesem Zusammenhang erklärt, hängt dies von der besonderen Gruppe ab, mit der man zu tun hat: In der Vergangenheit hat sie nämlich auch Lerngruppen gelehrt, bei denen man deutliche Wettbewerbssituationen feststellen konnte. Was schließlich die gemeinsame Elemente im Bereich der Selbsteinschätzung der Probanden angeht (vgl. Abschnitt 4.6.3), kann man beispielsweise auf einen allgemeinen positiven selbstempfundenen Fortschritt hinweisen, der von der Lehrfigur in wichtigem Maße bestätigt worden ist, so wie auf gemeinsame Schwierigkeiten beim Lernen (vor allem in den Bereichen, die am meisten von den defizitären Entwicklungen im Alter betroffen sind: Hören, Aussprache und Gedächtnis → vgl. Kapitel 2.1.1) und auf die Selbstbilder der Probanden, die oft dazu neigen, sich ein bisschen zu unterschätzen („Ich weiß nichts!“), wie Frau Prof. Togni betont. Nachdem einige gemeinsame Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter in Bezug auf die Probandengruppe umgerissen worden sind, wird im Folgenden auf einige fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen
hingewiesen,
die
für
die
Gestaltung
eines
effektiven
Fremdsprachenunterrichts mit Menschen im höheren Alter nützlich sein könnten. Wie sich aus den obenbeschriebenen Charakteristika verstehen lässt, so wie aus der Beschreibung der unterschiedlichen Faktoren, die den Fremdsprachenlernprozess beeinflussen können (vgl. Kapitel 3), muss es besonders schwierig sein, Maßnahmen im Bereich der individuellen Faktoren der Lernenden zu treffen, indem sie nicht so einfach von außen veränderlich sind (vor allem die Einstellungen, die Motivationen, bestimmte sozio-kulturelle Faktoren, usw.). Im Bezug auf welche Faktoren könnte also die Fremdsprachengeragogik ins Spiel kommen? Vor allem auf die lernerexternen Faktoren, und zwar auf die tatsächliche Unterrichts- und Lernsituation (u.a. die Atmosphäre, die physische Gestaltung des Unterrichts: Die Räume, die Akustik, usw. → vgl. Kapitel 2.3.4), auf das im Unterricht angebotene linguistische Input, so wie auf die Vermittlungsmethode und die verwendeten Materialien. Über die konkreten Maßnahmen, die für eine optimale physische Gestaltung des Unterrichts getroffen werden können, um bestimmten altersbedingten physiologischen Defiziten entgegenzuwirken, ist 126
beispielsweise schon ausführlich im Kapitel 2.3.4. diskutiert worden. Im Bereich des im Unterricht angebotenen linguistischen Inputs kann man dagegen bestimmte Bemerkungen machen. Wie aus den Ergebnissen der Inputanalyse hervorgeht (vgl. Abschnitt 4.6.2), ist das außerunterrichtliche fremdsprachliche Input bei den Probanden nicht so vielfältig, reich und häufig: Obwohl die meisten ab und zu etwas auf Deutsch lesen oder sich irgendwelche deutsche Programme im Fernsehen anschauen, bleibt die allgemeine Auseinandersetzung mit der Fremdsprache aus unterschiedlichen Gründen (u.a. aus Zeitmangel, weil man einfach keine Lust oder Gelegenheiten hat, usw.) ziemlich gering. Wahrscheinlich spielen auch die Motivationen der Studenten eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang: Wie nämlich schon erwähnt worden ist, herrscht den sozialen und affektiven Aspekt des Unterrichts vor, was auch die Tatsache erklären könnte, warum sich die Studenten keine zu hohen Erwartungen aus linguistischer Sicht (z.B. das Sprachniveau C2 Deutsch zu erreichen) stellen und nicht so viel die Fremdsprache außerhalb des Unterrichtskontextes üben. Diese Aspekte sollten natürlich innerhalb des Unterrichts mit Menschen im höheren Alter betrachtet werden, um so ein bestmögliches Input den Studenten anbieten zu können. Man könnte beispielsweise versuchen, so wie die Professorin Togni macht, mit vielfältigen Materialien zu arbeiten, die auch zum Training solcher Fähigkeiten (vor allem das Hören und die mündliche Kommunikation) beitragen können, die die Studenten außerhalb des Unterrichts meistens „vernachlässigen“. Wie im Abschnitt 4.6.1.2 anhand der Gespräche mit der Professorin Togni schon erwähnt worden ist, stellt die Suche nach den geeigneten Materialien eine der wichtigsten Schwierigkeiten für die Lehrfigur dar, indem man wirklich eine „Materialienlücke“ im Bereich des Lehrens bzw. Lernens der deutschen Sprache als Fremdsprache (DaF) für Erwachsene und ältere Erwachsene – vor allem im italienischen Kontext – feststellen kann. In diesem Zusammenhang wäre es beispielsweise empfehlenswert für Lehrfigur, nicht ausschließlich mit dem Lehrbuch zu arbeiten und alternative Materialien aus anderen Quellen zu suchen (u.a. Internet, Zeitschriften, usw.), die interessant und geeignet für die Lerngruppe sein können. Was die empfehlenswerte Vermittlungsmethode angeht, sollte in erster Linie noch einmal darauf hingewiesen werden, dass alle die Probanden vorliegender Untersuchung Wiederlerner der deutschen Sprache sind. Wie aus ihren Sprachlernbiographien hervorgeht, haben sie nämlich alle Deutsch in der Schule gelernt, und zwar mit der sogenannten Grammatik-Übersetzung-Methode (vgl. Abschnitt 4.6.1.2). Dieser Aspekt sollte natürlich von der Lehrfigur betrachtet werden: “Das Fremdsprachenlernen als Wiederlernen nach einer geraumen Zeit [könnte nämlich] auch als Reaktivierung von vorhandenem [...] Wissen [aufgefasst werden]“ (Berndt 2003:160), das aber 127
natürlich nicht unmittelbar präsent sein muss, indem Prozesse des Vergessens inzwischen aufgetreten sein könnten. Berndt plädiert in diesem Zusammenhang für eine flexible Methode, so wie für „[...]eine situative Methode, die sich aus dem individuellen Zusammensein der Klasse und den aktuellen Bedürfnissen entwickelt“ (Berndt 2003:208). Anhand des Zufriedenheitsgrads der Probanden in Bezug auf die verwendete Methode, so wie ihres selbstempfundenen Fortschritts und des tatsächlichen Fortschritts (der von der Lehrfigur anhand von Tests und anderer Bewertungen im Laufe der Jahre bestätigt worden ist), könnte man sagen, dass die im Bereich des Kurses verwendete Vermittlungsmethode besonders effektiv ist. Wie im Abschnitt 4.6.1.2 schon erwähnt worden ist, handelt es sich um einen „Mix“, der Aspekte des kommunikativen Ansatzes und der „älteren“ nach der Grammatik ausgerichteten Methode integriert. Dieser „Kompromiss“ zwischen den zwei Methoden steht im Einklang auch mit Chinis (2012) These über eine erfolgreiche und effektive fremdsprachendidaktische Methode: „[...] wir glauben, dass der Lehrer die Rolle von didaktischen Momenten aufwerten sollte, bei denen der Fokus auf der Form liegt und, zumindest bei einigen Gelegenheiten (auch je nach Alter des Lernenden), auf die Verwendung der linguistischen Formen innerhalb von kommunikativen Kontexten fokussieren sollte („focus on form“); gleichzeitig sollte er aber auch Aktivitäten vorschlagen, bei denen der Fokus auschließlich auf die Formen liegt („focus on forms“). […] Eine Kombination von „focus on form“-Momenten und „focus on forms“-Momenten innerhalb des Unterrichts gewährleistet nämlich bessere Ergebnisse als eine ausschließlich kommunikative Methode.“ (Chini 2012:12, eigene Übersetzung)
Die oben vorgeschlagene „Flexibilität“ darf auf keinen Fall als eine „Zufälligkeit“ und „Mangel an Sistematizität“ interpretiert werden. Wie Berndt betont, braucht man nämlich bei dem Fremdsprachenlehren mit Menschen im höheren Alter eine klare Einteilung der Unterrichtseinheiten, so wie eine gewisse Sistematizität: „Die Makrostruktur des Unterrichts bewegt sich zwischen Stringenz und Flexibilität in dem Sinne, dass Lernphasen explizit in ihren Teilbereichen einem festgelegten Schema folgen, denn ältere Lerner ziehen ritualisierte Abläufe vor. Günstig ist eine Einteilung der Unterrichtseinheiten nach bestimmten Tätigkeitsfaktoren, bei denen die Lerner in etwa wissen, welche Lerntätigkeiten wann erwartet werden, denn was jüngeren Lernern als mangelnde Abwechslung erscheint, bedeutet für ältere Lerner Sicherheit.“ (Berndt 2003:229)
Man kann diese „klare Einteilung der Unterrichtseinheiten“ ganz deutlich auch bei den Unterrichtsstunden der Professorin Togni bemerken, die immer in wiederkehrenden Teilen bzw.
128
Phasen strukturiert sind, in denen unterschiedliche Aspekte der Sprache (u.a. Grammatik, Lexik, konkrete Verwendung der Sprache, usw.) behandelt werden und die verschiedenen Sprachkompetenzen geübt werden (vgl. Abschnitt 4.6.1.2). Was noch die allgemeinen didaktischen Schlussfolgerungen für das optimale Fremdsprachenunterricht mit Menschen im höheren Alter angeht, sollte es nochmals auf den interventionistischen Auftrag der Fremdsprachengeragogik hingewiesen werden, indem „speziell das intentionale Lernen im Alter [...] die Funktion [haben sollte], defizitären Entwicklungen, die mit dem Alternsprozess natürlicherweise einhergehen, entgegenzuwiken“ (Berndt 2003:219). Wie im Kapitel 2.3.4 schon erklärt worden ist, lässt sich beispielsweise das theoretische Modell der „Optimierung durch Selektion und Kompensation“ (SOK), bei dem Defizite in bestimmten Bereichen durch Kompetenzen in anderen Bereichen ersetzt werden, ganz gut auf die fremdsprachliche Praxis anwenden.
Ganz
konkret
könnte
dies
beispielsweise
die
Orientierung
des
Fremdsprachenunterrichts an der sogennanten „kristallinen Komponente“ der Intelligenz (d.h. die „Pragmatik“ der Intelligenz, die aus dem bildungs- und übungsabhängigen faktischen und prozeduralen Wissen besteht) bedeuten, wie im Kapitel 2.3.4 ausführlich illustriert worden ist. Wie schon mehrmals erwähnt worden ist, sollte es aber gleichzeitig versucht werden, auch die Bereichen zu „trainieren“, die am meisten von altersbedingten Defiziten belastet sind (u.a. das Hörverstehen, das Gedächtnis, usw.), und zwar durch Übungen, die einen zunehmenden Schwierigkeitsgrad aufweisen, so wie durch die Vermittlung von nützlichen und effektiven Lernstrategien. Zum Schluss sollte man auf einen weiteren wichtigen Aspekt des Fremdsprachenlernens im höheren Alter nicht vergessen. Wie Berndt betont und wie außerdem aus den verschiedenen Motivationen der Probanden hervorgeht, zeigt es nämlich eine bestimmte Nähe zur Freizeitbildung auf: “Die Bildung älterer Menschen seht nicht unter dem Diktat von Prüfungen und Abschlüssen,
die
formelle
Erwachsenenbildung
Lernsituationen
aufgrund
ihrer
bis
in
den
tertiären
Berufsorientierung
Sektor
begleiten.
der Die
Beschäftigungssituation älterer Menschen ist also keine berufliche, sondern eine freizeitbezogene, die letzendlich auch durch den Mangel an Beschäftigung gekennzeichnet sein kann.“(Ebd, S.220)
Indem der Kurs auch als soziales Ereignis betrachtet wird, gilt das „[d]as Interesse [des Fremdsprachenlerners im höheren Alter] nicht nur der zu erlernenden Sprache, sondern auch dem sozialen Miteinander im Kursverband“ (Ebd., S.193). Aus diesem Grund stellt auch die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre eine wichtige methodologische Konsequenz dar, die
129
mit Hilfe von unterschiedlichen Maßnahmen (u.a. Vermeidung von Zeitdruck und Prüfungsangst, Förderung von Paar- und Gruppenarbeiten, Vewendung des „biografischen Ansatzes“ → vgl. Kapitel 2.3.4, usw.) erreicht werden kann.
130
5. Schluss. Wie in der Einführung schon ausführlich erklärt worden ist, stellt das Fremdsprachenlernen im Alter – und zwar das Fremdsprachenlernen im höheren Alter – ein sehr aktuelles Thema im heutigen Kontext der demographischen Älterung dar, das bisher nur wenig untersucht worden ist. Das Kernziel der ganzen Arbeit war es, zu zeigen, dass Alter nicht der einzige Faktor ist, der den Fremdsprachenlernprozess im Alter beeinflusst, indem dieser vielmehr als Ergebnis eines komplexen
Zusammenspiels
unterschiedlicher
interdependenten
lernerexternen
und
lernerinternen Faktoren (u.a. sozialen Faktoren, linguistischen Faktoren, kognitiven Faktoren, affektiven und psychologischen Faktoren, usw.) angesehen werden könnte. Mithilfe der Fachliteratur zum Thema ist erstens der Einfluss des Faktors Alter auf das Fremdsprachenlernen (vgl. Kapitel 2) ausführlich diskutiert worden. In erster Linie ist beispielsweise die „biologische Dimension“ des Alters vertieft worden, d.h. die wichtigsten ontogenetischen Entwicklungen im Bereich des Gehirns, der Sensorik, der Psychomotorik und des Gedächtnisses, so wie deren allgemeinen defizitären Wirkung auf das Lernen und die kognitiven Fähigkeiten im Alter. Dann ist aber auch versucht worden, zu zeigen, dass der Einfluss des Faktors Alter auf das FSL nicht unidirektional ist (auch das Fremdsprachenlernen kann unter bestimmten Bedingungen den Alterungsprozess beeinflussen → vgl. Kapitel 2.4.) und dass Alter nicht der einzige Faktor ist, der das FSL im Alter beeinflusst. Durch die Diskussion über die Critical Period Hypothesis (vgl. Kapitel 2.3.2.) ist es nämlich gezeigt worden, wie man aus der ursprünglichen Hypothese einer zeitlich fixierbaren und biologisch basierten "kritischen Phase" beim L2-Lernen, nach deren es kaum möglich wäre, eine Zweitoder Fremdsprache zu erwerben, zu neueren Konzeptualisierungen gekommen ist, die ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren (z.B. Qualität und Quantität des Inputs, Motivation, affektive und soziale Faktoren, usw.), gemeinsam mit Reifungsprozessen, annehmen, bei denen nicht der Einfluss eines einzigen Faktors herausgefiltert werden kann. Ausgehend von dieser Annahme, so wie von der größeren interindividuellen Varianz, die Lerner in höherem Alter kennzeichnet (vgl. Abschnitt 2.3.2. und 2.3.3.), sind dann im Kapitel 3 die anderen obenerwähnten individuellen Faktoren dargestellt worden, die zusammen mit dem Faktor Alter einen Einfluss auf den Fremdsprachenlernprozess haben können und bei jedem Individuum natürlich
unterschiedlich
sind.
Es
ist
außerdem
gezeigt
worden,
warum
das
Fremdsprachenlernen folglich als „ein hochgradig individuell ablaufender Prozess“ angesehen werden könnte (Riemer 2006:231), bei dem jeder Fremdsprachenlerner als ein „Einzelgänger“ anzusehen ist, deren Individualität auch in didaktischen Kontexten betrachtet werden sollte. 131
Mittels einer kurzen empirischen Untersuchung ist es im Kapitel 4 versucht worden, diese Individualität am Beispiel einer Gruppe von Lernenden im höheren Alter zu untersuchen, die seit einigen Jahren Deutsch als Fremdsprache an der „Universität des Dritten Alters und der Freien Zeit” in Trento studieren. Zu diesem Zweck ist ein mehrmethodischer Ansatz (Fragebogen, Audio-Interviews mit den Probanden, direkte Beobachtungen des Unterrichts, Gespräche mit der Lehrfigur, usw.) benutzt worden, bei dem besondere Wichtigkeit der Erhebung der subjektiven Daten der Probanden beigemessen worden ist. Aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchung ist Riemers „Einzelgängerhypothese“ in wichtigem Maße bestätigt worden, indem eine große interindividuelle Varianz und eine allgemeine Heterogenität innerhalb der Probandegruppe festgestellt worden ist. Gleichzeitig sind aber auch bestimmte Gemeinsamkeiten erkannt worden, die es (mittels ununvermeidbaren Verallgemeinerungen) ermöglicht haben, eine „Typologie“ des Fremdsprachenlerners im höheren Alter zu profilieren und schließlich bestimmte fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen zu ziehen (vgl. Kapitel 4.7. → „Diskussion: Allgemeine Charakteristika des Fremdsprachenlerners im höheren Alter und einige fremdsprachengeragogische Schlussfolgerungen“). Es ist jedoch wichtig, zu betonen, dass die obenerwähnten Charakteristika und didaktischen Schlussfolgerungen in Bezug auf eine spezifische Lerngruppe konzipiert worden sind: Während bestimmte allgemeine Eigenschaften/Maßnahmen auch für andere Fremdsprachenlerner im höheren Alter gültig sein könnten, muss man immer die große interindividuelle Variabilität betrachten, die Menschen im höheren Alter kennzeichnet, um den Fremdsprachenunterricht richtig und erfolgreich zu gestalten. Wie Berndt nämlich betont, ist „[Differentialität] [e]in grundsätzliches Prinzip der Bildung älterer Menschen [...], das sich in der Erwachsenenbildung aufgrund der Inhomogenität der Zielgruppe etabliert hat“ (Berndt 2003:219).
132
6. Literaturverzeichnis.
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139
7. Anhang. 7.1. Das menschliche Gehirn: Die neuroanatomische Grundlagenterminologie.
Grobe Anatomie des Gehirns: Anatomie der Großhirnhemisphären, die die vier Lappen des Gehirns (C) und die wichtigsten Sulci und Gyri (A und B) zeigt. Midsagittaler Ansicht, der die Lage des Hippocampus, der Amygdala, des Thalamus und Hypothalamus zeigt (E). Das Ventrikel-System und die Basalganglien (F). Quelle: Purves et al. 2004:19.
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7.2. Das Fragebogen und die Audio-Fragen (in Originalsprache).
141
142
143
144
145
7.3. Das Formular zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten (in Originalsprache).
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7.4. Die Transkriptionen der Interviews (in Originalsprache). Audio-Interview: Probandin 1.mp3 (Dauer: 12.24 Minuten) Probandin 1: “Ho studiato il tedesco alle medie e superiori ... e adesso ho avuto due motivazioni per riprenderlo. A parte il fatto che mi è sempre piaciuto... avevo fatto anche dei corsi al CLM … però erano di sera e quindi … e vabbè … insomma, ho fatto dei corsi anche lì. Due motivazioni: uno, che io volevo tornare a scuola (ride) … non si metta a ridere (ride), perchè avevo proprio voglia di avere un libro da studiare tra le mani, dover far compiti, avere una motiva..., cioè … un perchè vieni qua. Io son tanti anni che sono iscritta qua (pausa). Io volevo avere un perchè: non solo ascoltare le lezioni che fanno, che sono meravigliose, però volevo avere proprio questo: una motivazione. La seconda, che è la bambina [la nipote?], fa le elementari, e Lei sa che ora alle elementari studiano il tedesco. Nessuno sapeva il tedesco, perchè i genitori sanno perfettamente l'inglese, ma il tedesco non lo sapeva nessuno, e allora … va bene così (ride).” Interviewerin: “Quindi Lei aiuta la sua nipotina?” Probandin 1: “Sì sì, sì, sì ... la aiuto. Ovviamente non voglio superare quello che fa la maestra, anche se a me piacerebbe fare un po' di più ... però, se la maestra arriva ad un certo punto, io non è che lo supero ... perchè magari non è giusto, magari dopo la maestra lo insegna in un altro modo e allora non ... Ecco, queste sono le mie motivazioni ...” Interviewerin: “... per studiare tedesco ...” Probandin 1: “sì … a parte il fatto che, come ripeto, è una lingua che mi piace.” Interviewerin: “... che le piace, okay. Uhm … quindi, a parte queste motivazioni che mi ha appena detto, cosa significa per Lei, in generale, lo studio di una lingua straniera, della lingua tedesca in parti-” Probandin 1 (interrompendo): “... secondo me ti apre la mente. Perchè intanto ripassi anche l'italiano (ride) ... perchè ci si ricorda un sacco di cose, però … però ... si dimentica anche. Dopo le fai automaticamente, per cui ... non è che uno sta lì a dire come si chiama esattamente in grammatica ... lo fai, lo dici, e ti viene automatico. Però ti serve anche come ripasso, penso, della grammatica italiana e a me piace vedere poi anche come lo dici in un'altra lingua la stessa cosa. E trovo che il tedesco sia molto preciso. Molto più preciso dell'italiano forse. Sono pignoli, tra virgolette.” Interviewerin: “Certo. E della cultura tedesca, in generale, cosa ne pensa? Ha qualc-” Probandin 1 (interrompendo): “Abbiamo fatto l'anno scorso ... abbiamo fatto la letteratura tedesca con la professoressa qua, ed è stato bellissimo. Ha fatto quattro lezioni, partendo da zero ... perchè, lo sa che non è scritta, quindi, lo sa meglio di me (ride) che all'inizio non c'erano libri, ecco, per capirci. E siamo arrivati fino a Martin Lutero, che comunque è stato un bellissimo percorso questo ... di cose che io sapevo e non sapevo. Insomma ... perchè chi è che non sa chi è Martin Lutero... però il perchè, andare in profondità sulle cose, ... no. Interviewerin: “E proprio in generale, a parte la cultura “alta”, la letteratura, eccetera, per quanto riguarda le piccole cose, visibili ad esempio durante un viaggio … Lei è stata in Germa-” Probandin 1 (interrompendo): “Sì sono stata, sono stata in Germania e sono stata anche a Vienna a maggio. Se mi dicessero “vieni”, adesso, io andrei così [indica i vestiti che ha addosso], prendo la scala e vado, perchè proprio ... mi piace, è un mondo che mi piace. Mi piace la precisione, ma io non è che sia precisa ... intendiamoci (ride). Forse perchè io sono proprio sul disordinato piuttosto, mi piace vedere che loro sono ordinati e capire come. Perchè anche dalla lingua, secondo me, capisci perchè sia un popolo ... così diverso da noi. Noi siamo forse più creativi, più... forse non tanto noi, ma in giù (ride). Noi siamo un po' ... anche noi sul tedesco, a cavallo tra le due culture (pausa). E mi è piciuto comunque... ehm, è una bella esperienza, che ho fatto volentieri. Perchè avevo voglia di tornare a scuola. Cioè avevo voglia di studiare, non solo di ascoltare. Perchè qua, come ripeto, ci sono ex professori o di liceo o di università, o che insegnano ancora, che sono splendidi, però avevo voglia di fare qualcosa di ... di diverso.” Interviewerin: “Certo. E in generale, appunto, parlando proprio di questi programmi, organizzati ad esempio dalla Fondazione Franco Demarchi, e mirati ad incentivare l'apprendimento durante tutto l'arco della vita, cosa ne pensa … ne ha usufruito anche in passato oltre al cors-” Probandin 1 (interrompendo): “Sì, sì, sì. Io è anni che sono iscritta qua e trovo che siano molto positivi perchè, avendo finito la vita lavorativa, essendo in pensione, cosa fai? Cosa fai se non vieni?! (ride). Cioè lo trovo positivo da quel lato lì … molto. Perchè ti aiuta a ... intanto a ripetere un po' di cose che hai già fatto ... e poi ad apprendere cose nuove. Ci sono certi argomenti che a scuola è chiaro che non li puoi fare. Perchè la scuola, qualsiasi scuola, ti insegna delle basi ... dopo non è che studi, non lo so, il perchè un uccellino vive lì e nasce lì e poi emigra ... lo sai in
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generale, però non è specificato perchè quella specie fa così, o fa colà. E trovo che ci siano dei professori molto validi, questo sicuramente.” Interviewerin: “Lei ha fatto solo corsi di lingue o ha provato anch-” Probandin 1 (interrompendo): “No, no, no, no ... di tutto. Adesso faccio anche geografia. Non faccio molto, oltre a questo, quest'anno. Faccio geografia, che l'adoro, e faccio la storia dell'arte del Trentino, per ripetere un po'... eeeh ... le cose che abbiamo qua. Perchè lo sai che ci sono, ma gli abitanti non conoscono mai a fondo la loro città (ride)-” Interviewerin (interrompendo): “è vero questo!” Probandin 1: “Ecco, eeeh... e poi mi piace molto quello che riguarda l'ambiente. L'ambiente qua è stato ... ci sono degli insegnanti del Muse qua che sono fantastici, veramente...” [parte omessa su richiesta della Probandin 1] Interviewerin: “Okay, le faccio ancora un paio di domande, se è d'accordo. Per quanto riguarda la sua “biografia linguistica”, le lingue che ha studiato in passato, a scuola o da autodidatt-” Probandin 1 (interrompendo): “Mah, avevo fatto anche qua un po' d'inglese... cos'è che avevo fatto... due anni... però non è che ho... no... preferisco il tedesco.” Interviewerin: “E a scuola invece...” Probandin 1: “A scuola ho fatto il tedesco. L'inglese non si faceva...” Interviewerin: “Sì, eeh... per quanto riguarda i metodi che venivano utilizzati a scuola e quelli utilizzati or-” Probandin 1 (interrompendo): “Guardi, a scuola ci hanno fatto studiare tanta di quella grammatica che mi ricordo ancora certe regole ... proprio... te le hanno fatte studiare no a memoria, di più! A scuola erano proprio decisamente le regole ... qua invece è un po' più ... (pausa). Chiaro che le regole esistono e le devi sapere, le devi osservare ... però, qua è un po' più vario.” Interviewerin: “Cosa intende esattamente per più vario? Fate conversazione?” Probandin 1: “Sì, facciamo conversazione e poi ... è molto bello perchè la professoressa ci parla anche, non lo so, di cose moderne, che a scuola non facevi, assolutamente. Più moderno, più... potrei dirle... “la vita del giorno”, ecco.” Interviewerin: “Sì. Eeh ... per quanto riguarda i temi tratti a lezione, Lei ha delle preferenze, dei temi preferiti?” Probandin 1: “No, mi piace un po' tutto. Cioè mi interessa ... se non mi piace, mi interessa, sono portata ad ascoltare. Dopo non è detto che io sia brava a parlarlo, intendiamoci, perchè anche quando sono stata in Germania o in Austria, hanno una pronuncia che è terrificante... cioè... cioè... parlano molto velocemente, mangiano le ultime parole... e allora... cioè della parola ti dicono la prima metà e l'altra se la mangiano...” Interviewerin: “Ho capito. Va bene, io avrei finito le domande, la ringrazio molto per la sua disponibilità...” Probandin 1: “Si figuri, grazie a Lei e buon lavoro, salve!”
Audio-Interview 2: Proband 2.mp3 (Dauer: 11.11 Min.) Interviewerin: “La prima domanda riguarda iniziative mirate ad incentivare l'apprendimento durante tutto l'arco della vita, come, ad esempio, quelle organizzate dalla Fondazione Franco Demarchi. Volevo sapere qual è la sua idea di queste iniziative, cosa ne pensa, se ne usufruisce-” Proband 2 (interrompendo): “Ma quella del tedesco o-” Interviewerin (interrompendo): “Intanto in generale... per sapere se ha partecipato anche ad altr-” Proband 2 (interrompendo): “Allora, allora ... da 16 anni sono in pensione e da 16 anni sono iscritto qua.” Interviewerin: “E che corsi ha frequentato?” Proband 2: “Letteratura (pausa), a suo tempo inglese (pausa), poi geografia (pausa), e poi sono tornato al tedesco... ah! E ginnastica! Quella mai mancata in tutti i 16 anni... (ride). Solo che adesso, data la mia età, ne faccio uno alla settimana (ride).” Interviewerin: “Quindi tedesco, giusto?”
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Proband 2: “Tedesco. L'ho scelto da 3 anni.” Interviewerin: “Quindi, visto che ne ha usufruito così tanto di queste iniziative, immagino che le trovi utili...” Proband 2: “Certo, certo.” Interviewerin: “Per quanto riguarda invece la sua personale “biografia linguistica”, ehm, quali sono le lingue che ha studiato nel corso della vita, quindi proprio a partire dalla scuola-” Proband 2 (interrompendo): “Nel corso della vita avevo studiato alle superiori… tedesco. E l'avevo imparato bene! Perchè avevo una fantastica professoressa. Poi... dimenticato completamente. Proprio dimenticato. Poi è successo che, per sbaglio, sono andato con un mio amico tedesco, che lavorava qua in Ita... a Gardolo, che mi ha detto, a Pasqua, “mia mamma vorrebbe conoscerti! Vieni a Pasqua che ti porto a Wiesbaden”. E la sera ho conosciuto una ragazza bionda e... 2-3 anni dopo l'ho sposata.” Interviewerin: “Ah... quindi sua moglie è tedesca!” Proband 2: “Mia moglie è tedesca. (ridendo) Ma non parliamo mai in tedesco.” Interviewerin: “Okay... e quindi il tedesco è l'unica lingua straniera che ha studiato?” Proband 2 (interrompendo): “No, l'inglese anch-” Interviewerin (interrompendo): “Ah sì l'inglese, giusto. Per pochi anni?” Proband 2: “No, no, un corso serio, per due anni. Ma, senza offesa, perchè c'è ancora, l'insegnante era troppo gentile... (ride). [...] È una sciocchezza, perchè non l'ho veramente imparato, però, io che guardo sempre tutte le stazioni televisive di sto mondo, quando lo scrivono... riesco a capire che cosa dicono (ridendo). Alla mia maniera, però...” Interviewerin: “Sì. Invece in che contesti ha utilizzato esattamente le lingue straniere, per esempio il tedesco? L'ha mai utilizzato in ambito lavorativo?” Proband 2: “No, no, solo andando in Germania (ride). Perchè mia moglie è della zona dopo Francoforte sul Meno, di Wiesbaden-Mainz, per cui fin quando c'erano i genitori lei magari andava coi figli da sola, ma dopo la raggiungevo e allora lì facevo 10 giorni di ferie e avevo occasione di parlare...” Interviewerin: “Okay. Ora le farei invece alcune domande sulla sua motivazione. Perchè studia la lingua tedesca e cosa ne pensa, in generale, dello studio delle lingue straniere?” Proband 2: “Mah, io dico che mi dispiace di non aver imparato l'inglese. Proprio mi rincresce molto. Perchè, vedendo mio figlio, il più giovane, che ha avuto l'occasione, anche all'estero, di vedere che lo sa come l'italiano (ride), a me fa rabbia (ride). L'altro, il più anziano, che ha fatto qualche corso di inglese, ed è uno “scapolo d'oro” (ride), ma fanatico di film, eccetera, televisione straniera, li ascolta in inglese con i sottotitoli (ride). Quindi mi fa rabbia il fatto che lo sappiano così bene. Il tedesco, logicamente, da tanti anni, da quando l'ho sposata, ho avuto la fortuna che in Paganella, siccome c'è la Grundig a Gardolo, hanno messo l'antenna per ricevere ZDF... 49 anni fa. E allora ho comprato la televisione, (ridendo) la prima televisione a colori che c'era a Trento! Per lei...” Interviewerin: “Per sua moglie?” Proband 2: “Sì... Perchè i ragazzi, i miei ragazzi, i primi anni hanno parlato tedesco, molto. Dopo, bisogna cominciare a dire che all'asilo li hanno anche maltrattati perchè parlavano il tedesco.” Interviewerin: “Ah... Lei di dov'è?” Proband 2: “Io sono di Trento.” Interviewerin: “Okay. Cosa ne pensa della cultura tedesca, Lei che ha avuto modo anche di viverla così da vicino?” Proband 2: “Eeeh... io la ammiro. La ammiro. Niente altro. Penso che, come gli italiani, abbiano sbagliato tutto (pausa). Non ce l'ho con nessuno, però non si può avere un'invasione di... di tutta questa gente che viene, che arriva prima in Italia, poi va da loro, più che negli altri stati. Mi sono trovato a Wiesbaden un mese e mezzo fa e non riconoscevo più la città a guardare le persone. Mi sono trovato a Monaco una settimana fa e idem... Non è possibile, no... un'invasione del genere. Non so se sia giusto.” Interviewerin: “Okay... uhm... le faccio un'ultima domanda che riguarda i metodi di apprendimento di una lingua straniera. Quali metodi ha
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utilizzato in passato e come studia ora la lingua?” Proband 2: “Allora era proprio la grammatica! Adesso al primo anno con lei, tedesco, abbiamo fatto tanta grammatica. Diciamo che ho fatto [?], approfittando delle mie conoscenze di tedesco, che ho una facilità enorme a leggere il tedesco. Magari non posso capirlo, però lo leggo perfettamente (ride). Quindi qualcosa ce l'ho dentro (ridendo).” Interviewerin: “Quindi il metodo che ha utilizzato prima, secondo Lei, qualcosa ha lasciato...” Proband 2: “Sì, è venuto fuori dalla professoressa xxxxx di ragioneria ...” Interviewerin: “Sì... invece oggi come sono strutturate le lezioni?” Proband 2: “Oggi... no, no, è bellissimo. Ora è passata proprio ai verbi… che mia moglie proprio mi ha squalificato come li traduco (ride). L'ho raccontato anche alla professoressa prima. E per cui in questi giorni ho cercato la grammatica della professoressa xxxxx (ride). L'ho aperta ai verbi e mi sono detto “ma guarda qua, era così semplice!” (ride) ...” [breve interruzione dovuta a persona che passa in corridoio] Interviewerin: “Okay, se è d'accordo vorrei farle un'ultima domanda sui temi trattati a lezione. Ha delle preferenze? Cosa le piace in particolare?” Proband 2: “Ma no... un po' tutto mi piace.” Interviewerin: “Va bene... allora grazie per la disponibilità e arrivederci!”
Audio-Interview: Probandin 4.mp3 (Dauer: 06.44 Minuten) Interviewerin: “Allora ... vorrei innanzitutto farle alcune domande riguardo al suo approccio con le iniziative di apprendimento permanente, un po' come quelle organizzate dalla Fondazione Franco Demarchi. Vorrei sapere cosa ne pensa, così, in generale, se ne ha usufruito nel corso degli anni, eccetera...” Probandin 4: “No... io frequento solo da 3-4 anni questo... questa Fondazione per la Terza Età, da quando sono in pensione in pratica. Per cui ho approfittato ancora poco diciamo (ride), anche perchè ho problemi a casa con i genitori... la mamma adesso è anziana. Sì, ho fatto dei corsi di psicologia, e poi... ho fatto nordic walking, e dopo, beh, tedesco... e... comunque diversi corsi durante questi 3-4 anni...” Interviewerin: “Quindi li ha trovati utili, insomma?” Probandin 4: “Sì sì sì. Mi sono piaciuti soprattutto quelli di psicologia, in particolare quando si parlava del rapporto con le persone anziane e della malattia [parte omessa] E poi anche tutta l'età evolutiva... io sono un'insegnate di scuola materna, per cui mi sono sempre piaciute la psicologia, la pedagogia, eccetera. No, l'ho trovato molto interessante ed utile...” Interviewerin: “Okay. Ehm... per quanto riguarda proprio la sua “biografia linguistica” invece, che lingue ha studiato Lei in passato, a scuola, ad esemp-” Probandin 4 (interrompendo): “Solo il tedesco. Solo tedesco... poi, durante il servizio di scuola materna, ho fatto un corso di inglese... e ne ho fatto un altro con il Circolo Anziani di Mattarello, però... non mi trovo con la pronuncia con l'inglese... no. Col tedesco almeno si sa come si deve pronunciare, perchè l'inglese non so mai come pronunciarlo (ride). Mi sono trovata un po' in difficoltà per quello. (pausa) Ci saran più regole nel tedesco, è più tosto, però... mi trovo meglio...” Interviewerin: “Sì... e... in che contesti ha utilizzato le lingue straniere, se le ha utilizzate proprio concretamente. L'inglese... mi ha detto che ha frequentato un corso, per cui un'esperienza abbastanza limita-” Probandin 4 (interrompendo): “Limitata nel tempo, sì... perchè a scuola noi non lo usavamo. No, anche il tedesco non è che lo uso più di tanto. Noi andiamo sempre a fare le ferie in Alto Adige o comunque in Austria, a fare escursioni, per cui quando posso... qualche parola... non un dialogo completo eh! Qualche parola cerco di dirla. Dopo... vedo di leggere magari qualcosa... ascolto dei programmi alla televisione … non ho purtroppo la possibilità di parlarlo, perchè non ho nessuno, diciamo, nell'area tedesca da figli, fratelli, o nipoti ... non ho nessuno...” Interviewerin: “Perchè studia la lingua tedesca? E cosa pensa, in generale, dello studio delle lingue straniere e-” Probandin 4 (interrompendo): “Ecco quello sicuramente è un qualcosa da incentivare. Ecco, dopo... tedesco perchè appunto... ho provato anche
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l'inglese, però non mi piaceva ... nel senso, non riuscivo a parlarlo più che altro, ecco. Tedesco appunto, forse perchè me lo ricordavo dalla scuola media... e poi appunto, quando facevo il corso d'inglese, mi venivano tutte le parole in tedesco... anche perchè mi sembrava strano perchè eran parecchi anni insomma che non è facevo tedesco... (pausa) L'ho voluto riprendere così, un po' per... per piacere mio, ecco... (pausa)” Interviewerin: “E... cosa pensa della cultura tedesca, invece? Se ha avuto modo di-” Probandin 4 (interrompendo): “Sì, ci ha fatto qualcosa anche la prof nel percorso dell'anno scorso di... della cultura e della letteratura... ecco... ma io non è che conosca tanto sinceramente...” Interviewerin: “Magari una prima impressione, così...” Probandin 4: “Sì, adesso ho visto che anche loro hanno degli scrittori e delle personalità... che io non conoscevo ovviamente, perchè non è che la letteratura tedesca la conosca più di tanto. Dopo magari sì, mi interesso su qualcosa di più... ecco... e allora approfondisco quell'argomento. Però... più di tanto non so...” Interviewerin: “Okay... le faccio un'ultima domanda che riguarda i metodi di apprendimento. Come ha studiato il tedesco in precedenza e come, invece, ehm... trova il metodo usato oggi... immagino ci siano delle differenze...” Probandin 4: “Eh sì, ci sono delle belle differenze! Perchè ai miei tempi ricordo che la prof ci dava la pagina da studiare di vocaboli, di verbi, ci dava tutte le cose e quindi era una cosa proprio a memoria. Adesso, un po' anche per l'età, lascio un po' perdere... non è che mi metto lì a studiare pagine di vocaboli, a dir la verità. Però... quelle che ho studiato da piccola, insomma, io le ricordo, a volte le parole le ricordo. E mi ha fatto piacere riprendere il tedesco e vedere di ricordarmele le cose che ho fatto ancora quarant'anni fa...” Interviewerin: “E questo le dà soddisfazione...” Probandin 4: “Sì, appunto, perchè penso che proprio tutto non ho dimenticato. E se fosse una cosa da fare costantemente, probabilmente ti rimane anche dentro, ecco... (pausa). Anche se tutt'oggi non mi sento pronta a fare un discorso in tedesco, devo dir la verità (ride)...” Interviewerin: “Mhm, e ha dei temi preferiti tra quelli trattati a lezione? Affrontate, immagino, dei temi vari insomma...” Probandin 4: “Beh con quest'anno abbiamo iniziato a fare l'autunno. Fino all'anno scorso praticamente ci dava più delle regole, diciamo... abbiamo seguito dei libri, per cui aveva il libro di grammatica e non so, testi... e, insomma, seguiva di più il libro di testo. E andava per argomenti: come mi chiamo... dove abito... e cosa faccio... e le varie cose, insomma... della casa e del lavoro. Invece quest'anno, l'altra settimana, abbiamo iniziato appunto con l'autunno e ci ha detto che lavoreremo più che altro per temi... si riprendono in mano, ovviamente, tutte le regole che abbiamo studiato negli anni scorsi...” Interviewerin: “Certo, sì...”
Audio-Interview: Probandin 5.mp3 (Dauer: 16.20 Minuten) Interviewerin: “Allora... ehm... la prima domanda riguarda le iniziative di apprendimento durante tutto il corso della vita...” Probandin 5: “Sì” Interviewerin: “Cosa ne pensa Lei di programmi che, appunto, mirano ad incentivare l'apprendimento permanente, per esempio le iniziative organizzate dalla Fondazione Franco Demarchi...” Probandin 5: “Senz'altro positive... e vedo che sono molto frequentate... e molto, molto apprezzate. Quindi... senz'altro... (pausa) positive, senz'altro. Ehm... più delle altre materie aiutano secondo me a risvegliare il desiderio di non invecchiare, di tenersi a contatto con gli altri e, possibilmente, di fare qualche viaggetto. E anche di leggere qualcosa... ciò che non ho mai fatto quand'ero giovane, pur nella raccomandazione. Son piena di riviste e di libri, però... mi vien voglia adesso di riguardarli, di rivederli. Seconda cosa, eehm... le lingue per me adesso sono molto importanti, perchè faccio la nonna... e quindi, quando c'è qualche tema in classe o qualche compito che i miei nipotini non riescono a svolgere, son pronti al telefono - “nonna, come si fa, come si dice?” - e questo per me è una grande soddisfazione, ecco...” Interviewerin: “Certo. Oltre a questo corso di tedesco, frequenta o ha frequentato altri corsi, usufruisce di queste iniziative?” Probandin 5: “Sì, sì. Ecco, appunto, sto tentando anche di imparare informatica, per la qual sono negata, però... ci provo. Cioè... non voglio lasciar scorrere il tempo... lasciar scorrere la vita... senza arrancare un po' e stare appresso alle novità.”
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Interviewerin: “Certo. Okay... ehm... ora vorrei farle alcune domande sulla sua “biografia linguistica”, quindi le lingue che Lei ha studiato nel corso della vita, come le ha utilizzate, in che contesti. Ehm... già proprio a partire dalla scuola, che lingue ha studiato, o anche più avanti, magari da autodidatta, eccetera. E anche con che intensità...” Probandin 5: “Sì (pausa). Dunque... ai tempi nostri, durante tutto il corso delle scuole... poi io vivevo in montagna, in un paesetto, dove le medie non c'erano, si figuri, ehm...quindi... quindi le lingue straniere non si parlavano, assolutamente. Ho cominciato, poi, facendo le scuole medie e superiori, in parte privatamente, a parlare il francese e un po' di tedesco, finchè ho frequentato le scuole ehm... ragioneria, e lì mi sono trovata avvantaggiata per quello che avevo fatto già privatamente. Si figuri che il francese io l'ho cominciato ad imparare in un modo stranissimo... perchè su dalle parti mie c'era una principessa russa, che era scappata, parente degli zar di Russia, era scappata dalle guerre del suo Paese, per rifugiarsi su nei nostri paesini. E per sopravvivere con gran dignità lei impartiva lezioni di... conosceva tante lingue... e lei mi ha fatto conoscere del francese, direi, l'anima. Niente grammtica, niente libri... e però io mi sono trovata a scuola molto, molto più preparata dei ragazzi che avevano studiato la grammatica, che avevano... (pausa). Cioè lei me l'ha davvero fatto imparare come se io mi fossi trovata in un ambiente francese-” Interviewerin (interrompendo): “Quindi quando dice “con l'anima”, intende proprio che conversavate-” Probandin 5 (interrompendo): “Sì, mi diceva... ehm... ho imparato parecchi modi di dire, poesiole, mi raccontava di lì dove viveva, a palazzo, come dovevano essere... ehm... ehm... per esempio, per dire, mi viene in mente un foulard... uno scialle, che per essere veramente al top, doveva essere talmente sottile, di seta... della più pregiata... doveva passare attraverso un anello. Non so... tutte quelle cosette lì in francese me le diceva, e... ed erano cose interessanti, perchè mi interessavano molto, e dopo da lì deduceva le regole. E allora mi spiegava, mi scriveva le regolette. Non sono andata molto a lungo, no, però ho visto che dopo la lingua è uscita al momento di... di studiarla a scuola. E poi col... ho vinto una borsa di studio e ho fatto un corso di commercio con l'estero, di francese, e lo parlavo e lo scrivevo senza vocabolario, molto bene. Purtroppo sono trascorsi una cinquantina di anni e qui in Trentino non c'è modo... non c'è modo di conversare in francese. Avrei potuto leggere... però sono un po' pigra. Cioè, o ci si trova in gruppo e c'è un corso, e allora si fa... almeno per me è così. Mettermi là da sola a studiare il francese... ah, guarda, ho un'altra cosa da fare. Poi la tentazione della televisione, ecco. Tedesco... il tedesco è stato un decorso un po' più … ehm... più lungo, più anche... mhm... perchè noi trentini abbiamo avuto modo di avvicinare più... non so... più possibilità. Anche in ufficio, qualche lettera da tradurre, eccetera. Poi, appunto, appena finito le scuole primarie, sono stata un anno in Svizzera a fare la baby-sitter e là ho cercato di imparare... e non ho imparato molto. Forse perchè ero nell'età in cui andavo a cercare... andavo sempre nel negozio dove parlavano italiano. Cioè, non c'era molto il desiderio di … mhm. A volte si dice “dai che è giovane, mandalo qui, mandalo là”, ma ho avuto anche l'esperienza dei miei nipoti, che non è che siano tornati dai Paesi... diciamo... della lingua scelta, con chissà quali nozioni. Forse aiuta di più il lavoro. Ecco... sento i miei generi che fin da piccoli, uno soprattutto, fin da piccolo se n'è andato in un ristorante in Inghilterra, ma lui vabbè aveva frequentato il linguistico, però lo sa perfettamente... e cerca di usarlo e... sia con i social media... sia perchè per motivi di lavoro deve girare molto e quindi l'inglese gli è molto comodo. E lui l'ha imparato perchè è andato a lavorare. Ecco... invece mi è servito molto di più, dopo che lavoravo già qui a Trento, in un ufficio pubblico, e mi è stato concesso un mese a Vienna, un soggiorno, aiutandomi con un contributo, e lì ho frequentato proprio l'università per stranieri. E lì veramente ho studiato, perchè, oltre a divertirmi, dovevo studiare per presentare un certificato di frequenza della scuola e di quello che avevo imparato. Ecco. Qui a Trento, l'avevo un po' tralasciato... e dopo grazie all'università qui, della Terza Età, ho frequentato un paio di anni, però sempre con la Lucia, e guardando adesso i risultati vedo sui miei quaderni e dico “ma quanto sapevo, quanto ero brava!”. Ecco... poi per motivi di famiglia, [parte omessa], ora mi trovo nel baratro della solitudine e della paura di invecchiare... non lo so cosa sia... e io questa la combatto con la cultura, cercando di aggrapparmi a quello che avevo fatto. Non voglio dimenticarlo. Cerco di motivarmi, ecco... la motivazione per non invecchiare, secondo me è questa, alla nostra età. E, mi creda, questa motivazione vale più di tante cose, di tanti viaggi, di tanti … ecco. La motivazione di non invecchiare e la compagnia del gruppo... e, grazie all'insegnante che contribuisce molto a questo “collage”, un collante... com'è che si può dire (pausa). Ci provo... faccio un po' di fatica, perchè gli anni son passati... e ieri sera ero proprio triste, perchè non mi ricordavo più le cose più semplici. Però ho detto “non desisto”... non desisto, piuttosto provo... eeh... sbaglierò, farò... però vado avanti. E sento che sia l'unico modo che mi dà ... lascio magari le faccende in casa... però la cultura non la voglio dimenticare... soprattutto le mie lingue...” Interviewerin: “Sì... a proposito delle lingue, cosa significa per Lei... e mi ha anche già indirettamente risposto a questo, perchè è chiaro che lingue sono molto importanti per Lei, come mi ha già detto... ma... cosa significa esattamente per Lei lo studio di una lingua straniera e, nello specifico, della lingua tedesca?” Probandin 5: “Guardi... per me appunto è riprendere quello che... il patrimonio che non voglio perdere, prima di tutto. Poi sapesse che soddisfazione quando mi trovo per strada e posso aiutare gli stranieri con delle... a trovare, a spiegare qualcosa della città. Infatti il mio grande sogno sarebbe stato quello di fare la hostess, ecco... E ho bisogno proprio di questo comunicare con le persone. Se poi sono straniere, non lo so,
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mi porta gioia grandissima poter riuscire a dire “beh, guarda, io ti aiuto a trovarti bene anche qui”, “perchè io conosco un po' la tua lingua, ti indirizzo...”. Interviewerin: “Okay.” Probandin 5: “... e poi i nipotini... l'aiuto che posso dare ai nipoti...” Interviewerin: “Certo...ehm... invece della cultura tedesca Lei cosa ne pensa? Le piace?” Probandin 5: “Mah... ci è stata propinata a scuola in modo sbagliato... e quindi l'ho un po' odiata. Io ricordo ancora la geografia, ricordo ancora... eeehm... le domande alla maturità... per cui alcune non le sapevo neanche in italiano... e venivano a chiederle in francese, in tedesco... ecco. Cioè... non ho avuto un bel approccio con la cultura straniera per cui... per cui non mi è mai interessata...” Interviewerin: “Okay... per quanto riguarda il metodo proprio, e questa è l'ultima domanda, come ha studiato le lingue in passato e come vorrebbe studiarle oggi?” Probandin 5: “Ecco... quello di oggi è senz'altro migliore. Partire da dentro, dal contesto, e ricavarne da lì le... l'insegnante in questo è formidabile... ricavarne le regole. In passato... appunto, il libro era quello delle desinenze... anni e anni di desinenze eccetera... adesso parlo del tedesco in particolare, e poi si è passati al famoso “Gute Reise, Mirko!”, con le mie figlie, ecco... ed era già migliorato... e adesso... adesso è davvero bello studiare le lingue! Interviewerin: “Grazie mille della disponibilità!” Probandin 5: “Ma si figuri!”
Audio-Interview: Proband 6.mp3 (Dauer: 6.59 Minuten) Interviewerin: “Okay... ehm... vorrei chiederle innanzitutto cosa ne pensa Lei in generale di questi programmi mirati ad incentivare l'apprendimento durante tutto l'arco della vita, per esempio questi organizzati dalla Fondazione Franco Demarchi, se ha partecipato ad altri corsi...” Proband 6: “No... no, ho partecipato solamente a questo corso di tedesco, che ho iniziato l'anno scorso, e quest'anno lo continuo, eeeh... mi pare, appunto, questa Fondazione Franco Demarchi, una degna iniziativa... che copre tantissimi settori di, di... (pausa). E uno, se vuole apprendere, se vuole informarsi e seguire, per carità, c'è uno spettro ampio e può benissimo, è una cosa interessantissima...” Interviewerin: “Certo. E, per quanto riguarda proprio la sua “biografia linguistica”, le lingue che Lei ha studiato nel corso della vita, quindi anche a scuola-” Proband 6 (interrompendo): “Solo tedesco. Solo tedesco... sia alle … oddio, c'è stato un episodio alle medie, che si faceva sia tedesco che inglese... ma , voglio dire, è stata una cosa episodica... poi in realtà è stato solo il tedesco (pausa). Mah (pausa)... fino alle superiori insomma...” Interviewerin: “Quindi poi ha interrotto...” Proband 6: “E dopo ho interrotto indubbiamente perchè, voglio dire, la necessità di parlare il tedesco era scemata, in funzione anche dell'attività che si è sviluppata e quelle cose lì, insomma (pausa). Adesso invece si è ripresentata.” Interviewerin: “Perchè studia il tedesc-” Proband 6 (interrompendo): “Perchè mia figlia si è sposata e abita a Vienna. Ha sposato un austriaco e quindi... gioco forza... se voglio parlare con la “große Familie“ (ride) mi tocca imparare un po' di tedesco...” Interviewerin: “Certo. E quindi per Lei cosa significa esattamente lo studio di una lingua straniera e, in particolare, di quella tedesca, a prescindere da questa motivazione affettiva che mi ha appena nominato...?” Proband 6: “Mah, indubbiamente il fatto di conoscere una lingua in più di quella madre è un vantaggio che può essere considerato, sia da un punto di vista relazionale, che da un punto di vista conoscitivo. Per quanto riguarda speficicatamente il Trentino, io dico che... adesso sono partiti anche col progetto del trilinguismo che mi pare un'esagerazione sul lato opposto, perchè prima, in realtà, voglio dire... siamo distanti a 60 km, forse anche meno, da una zona dove parlano il tedesco e qua in Trentino è possibile che non si parli il tedesco?! Visto e considerato che si parla di globalizzazione, internazionalizzazione, eccetera. Questa è proprio stata una grande “miopia” da parte delle istituzioni. Perchè, voglio dire,
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non è possibile. E vabbè...” Interviewerin: “E della cultura tedesca in generale, quindi non solo della letteratura eccetera, ma della cultura in generale... cosa ne pensa? Delle persone, ecc.” Proband 6: “Mah... allora... per carità, io non posso dire di conoscere più di tanto, perchè adesso che ci rechiamo a Vienna periodicamente, conosciamo, sì, la famiglia di mio genero e un po' di altri parenti... per carità, devo dire che... ecco... parlando specificatamente di Vienna, l'impatto, comunque sempre da turista, è che sia una città molto più organizzata, molto più pulita, molto più regolata, eccetera. Però sono anche convinto che è perchè io vedo le parti centrali e “belle”... nelle periferie credo che abbiano anche loro i loro problemi. Perchè dall'est sono venute tantissime persone... e quindi hanno anche loro i loro problemi (pausa). Indubbiamente, come sistema di welfare e cose del genere... c'è un diverso approccio organizzativo alle cose, ecco. Non che noi qua in Trentino siamo messi proprio male male, però... voglio dire... notiamo la differenza. Si va dal medico condotto... dal medico di base... e qua ti dice -“ Bom, devi andare a fare le analisi, vai a...” - e lì te le fa lui... e sei lì ed è subito fatto insomma. Per dire una banalità, insomma...” Interviewerin: “Sì, certo... Le farei ora un'ultima domanda che riguarda invece i metodi di apprendimento... Come ha appreso una lingua straniera, nel suo caso il tedesco, in passato e come la apprende ora, per esempio nell'ambito di questo cors-” Proband 6 (interrompendo): “Mah, a me sembra un metodo molto simile a quello. Perchè con la professoressa si fa un po' di “teoria”, cioè la grammatica e quelle cose lì, poi dopo un po' di conversazione e un po' di lettura... ma mi pare che il metodo ricalchi sostanzialmente, se lo possiamo definire così, il “metodo tradizionale”. Dopodichè, per carità, c'è l'audio ascolto di qualche dischetto, di qualche... no?... Anche perchè credo non ci sia mica tanto da inventare nell'insegnare la lingua, no? Non è che ci siano tante possibilità...” Interviewerin: “Okay. E, per quanto riguarda i temi trattati a lezione, ha dei particolari interessi, qualcosa che le piacerebbe approfondire in particolare, o che l'ha colpita...” Proband 6: “Mah... diciamo che per quello che abbiamo affrontato fino ad adesso è un livello di attenzione sufficientemente alto, perchè non so... per esempio l'anno scorso abbiamo parlato delle città della Germania eeeh... (pausa). Quest'anno abbiamo appena cominciato, quindi si vedrà cosa si affronterà, però, ecco, ci sono anche dei temi di curiosità. Per esempio ci ha portato una... mhm... fotocopia l'anno scorso che parlava delle Stocker-Stein, che sono quelle... delle piastrine di ferro che sono cementate lungo le strade, in ricordo della Shoah. E difatti a Mödling ho dato un'occhiata e ne ho incontrate... ce ne saranno anche a Vienna, non lo so... però lì a Mödling, dove vado in albergo, ce ne sono tre. Mah, quello ha attirato la mia attenzione è stato un candelabro ebreo lì su una roccia, no, era a ricordo della sinagoga... e poi ho guardato per terra e ho visto che ce ne sono tre. Ecco, quindi, voglio dire... sono delle “curiosità” che però possono far piacere perchè le riscontri nella vita...” Interviewerin: “Sì, certo. Bene... grazie allora per la disponibilità...” Proband 6: “Prego! Non c'è problema!”
Audio-Interview: Proband 7.mp3 (Dauer: 14.18 Minuten) Interviewerin: “Allora... vorrei sapere innanzitutto il suo approccio con queste iniziative mirate ad incentivare l'apprendimento durante tutto l'arco della vita... per esempio quelle organizzate dalla Fondazione Franco Demarchi... cosa ne pensa Lei in generale, se ne ha usufruito in passato o se attualmente frequenta più corsi, oltre a questo di tedesco...” Proband 7: “No, no, no, no... io ho cominciato l'anno scorso con, appunto, tedesco, per rinfrescare le mie scarse nozioni iniziali. E poi, beh, vado anche a qualche conferenza dedicata alla storia e all'ambito giornalistico, così. Eeeh... no beh, l'iniziativa ovviamente è valida, gli insegnanti sono molto bravi... avrei qualche perplessità sulle strutture e l'organizzazione, però sono tutte cose... superabilissime. Per cui direi che l'esperienza, in questo senso, è positiva. Ehm... poi per me è anche importante perchè in realtà io non è che... la mia è una necessità più che altro di mantenimento, di rinfrescare e, e perchè... (pausa), Lei sa, se non si praticano le lingue si finisce per perderle, no? Io avevo avuto nella mia vita lavorativa... usavo quotidianamente l'inglese e parzialmente il tedesco (pausa). Però poi, fermandomi, è chiaro. Poi, in realtà, l'esigenza maggiore e un pochettino più divertente, perchè ho un caro amico tedesco col quale vado spesso in montagna, e non voglio perderlo. E lui, come tutti i tedeschi (ride), quando sente qualcuno che parla un po' di tedesco è convinto che lo si sappia parlare perfettamente... quindi c'è una difficoltà, insomma, che poi si gestisce, no? Eeeh, per cui anche questo è un motivo... insomma qualche giretto ce lo facciamo ma soprattutto è per... sennò ci si perde... quindi per mantenere un po'. Poi io sono un pessimo studente, per cui... vado un po' di improvvisazione e di ricordi... non... non è che segua al di fuori di qua un metodo particolare... però vedo, dai, che finora non mi sono perso... mi sono sempre fatto capire...”
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Interviewerin: “Sì... per quanto riguarda proprio la sua “biografia linguistica”, invece, Lei mi ha già detto che ha studiato l'inglese e il tedesco...” Proband 7: “No... allora... io ho studiato, due secoli fa (ride), tedesco alle medie. Poi io ho fatto l'istituto tecnico per geometri e c'era il tedesco solo i primi due anni. Dopodichè per un lungo periodo non l'ho più utilizzato. Eeh... per motivi di lavoro poi... e lì l'ho studiato bene... ho studiato l'inglese, anche perchè poi lavoravo con una società americana, quindi... (pausa). Ma lì l'ho studiato anche bene e poi avevo l'opportunità di utilizzarlo tutti i giorni. Cambiando azienda, sono ritornato un po' nell'area germanica e allora ho ripescato i ricordi... e... più che altro l'ho praticato, ecco. Senza fare, però, corsi... sì ne avevo fatto uno, ma una cosa molto leggera, sa, uno di quei corsi aziendali. Però diciamo che c'era una certa pratica, perchè il nostro secondo ufficio era in Germania, per cui ero là una volta al mese.” Interviewerin: “Lo utilizzava regolarmente, quindi...” Proband 7: “Sì, utilizzavo principalmente l'inglese lo stesso, però... insomma... poi nella quotidianità, ecco. Poi la mia pratica con l'inglese continua in realtà, perchè abbiamo dei parenti in America, ho degli amici in Nordeuropa, in Svezia, per cui si parla regolarmente in inglese. Però abbiamo questi buoni amici tedeschi, per cui un minimo di contatto c'è, e allora ho detto, beh, cerchiamo un po' di mantenere il... il... quel minimo di livello insomma... (pausa), sennò si perde. Il tedesco poi è un po' più impegnativo, con l'inglese invece ci si può arrangiare. Il tedesco è tedesco, quindi c'è poco da inventare, ecco. Però questo tipo di corso a me dà soddisfazione, perchè è impegnativo da un lato, dall'altro è anche molto rilassante, insomma. Alla fine, diciamo che è quello che serve a me... io non devo fare esami, il tempo d'esami per me è passato. Per cui mi mantengo, poi è tutta gente più o meno della nostra età... già sarei più imbarazzato a stare in una classe con studenti della sua età, no, perchè uno poi resta indietro veramente...” Interviewerin: “E per quanto riguarda proprio la sua motivazione, indirettamente me l'ha anche già accennata, perchè studia la lingua tedesca? E cosa significa anche per Lei lo studio di una lingua straniera e, nello specifico, della lingua tedesca?” Proband 7: “Allora, a parte quello che ci siamo detti, il mantenimento, in effetti poi io ho sempre considerato che soprattutto noi che siamo in quest'area qua, la lingua tedesca... Tutti parlano l'inglese, però chi sa un po' il tedesco è meglio... perchè intanto dà più...allenamento mentale anche, no... e poi è una lingua che ha la sua valenza, a tutti i livelli insomma... bene o male ce l'abbiamo lì, quindi... (pausa). Io credo che sia, più che per me per i giovani, un valore aggiunto avere anche questa conoscenza, perchè dà un qualcosa... un qualcosa in più, soprattutto a livello professionale (pausa). Poi, quando io lavoravo e lo utilizzavo per motivi professionali, da un certo punto di vista, era più semplice, perchè parlando in terminologie tecniche sono sempre quelle... corri e scampa, parla con uno o parla con l'altro, i termini sono sempre quelli... quindi uno è anche facilitato (pausa). Mentre invece quando sei al di fuori dell'ambito lavorativo dove la mente si allarga e regge degli argomenti... ehm... è anche più importante avere quanto un minimo di base... e aumentare il vocabolario insomma, no?” Interviewerin: “Certo (pausa). Cosa ne pensa Lei della cultura tedesca?” Proband 7: “La cultura tedesca è una (pausa)... è una cultura importante, molto interessante. Infatti, bene o male, siamo in Europa e loro sono un po' i cardini appunto dell'Unione europea … no? Infatti ho sempre trovato gente in situazioni ... molto ... di buon livello culturale. Poi hanno dei sistemi che possono essere più o meno discutibili, o cosa. Poi io ho sempre detto che i tedeschi hanno questo grosso concetto che forse è proprio culturale ... forse da Lutero in poi ... del metodo. Anche quella è cultura, no? E suppliscono forse a... a... (pausa). Se noi mediterranei, italiani, vedo che siamo un pochino più... più fantasioni... però loro suppliscono a tante carenze applicando il metodo. Ma per applicare un metodo bisogna aver cultura, no? Perchè sennò... non regge, no? Quello è un punto di forza... e magari anche di debolezza, in certe situazioni. Perchè la famosa “rigidità tedesca” io l'ho vista in campo lavorativo applicata molte volte... con grossi successi, perchè... (pausa) il difficile non è tanto inventare un metodo... è applicarlo, no? Poi mano a mano, e l'altra difficoltà è correggerlo, no? Poi appunto la cultura in Germania c'è ... non è che abbiano molto da invidiarci... sono impostati in un certo modo, e io penso che il peso del luteranesimo sia molto importante nella loro cultura, perchè... però... direi che se facciamo dei discorsi europei, ci stanno molto molto bene, insomma... sono i pilastri fondamentalmente. Poi hanno una storia lunga anche loro... per un certo verso simile alla nostra, no? [parte omessa] Ho visto recentemente una commedia breve … tratta da un testo di Brecht, no... e mi sono detto “guarda, quello che lui scriveva settant'anni fa è sempre quello di oggi”, voglio dire... insomma... è innegabile che ci sia... sono fantasiosi in maniera diversa, ecco (ride).” Interviewerin: “Okay (pausa). Le faccio un'ultima domanda. Per quanto riguarda i metodi di apprendimento... come ha studiato le lingue in precedenza, a scuola magari, come le studia oggi e, se nota delle differenze, quale metodo preferisce?” Proband 7: “Mah ... riferito al tedesco?” Interviewerin: “Sì, riferito al tedesco...” Proband 7: “E beh, però sono situazioni molto diverse perchè allora avevo 15 anni ora ne ho... qualcuno di più, insomma (ride). No, il metodo
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usato a lezione è buono, poi è un po' colpa nostra se si apprende più o meno bene. Però questo... diciamo... interscambio di inserimenti grammaticali, però già messi nel campo pratico, è molto, molto funzionante...” Interviewerin: “Quindi è presente questo campo pratico...” Proband 7: “Sì, sì, sì.” Interviewerin: “Più rispetto al passato? Era più teorico lo studio un tempo?” Proband 7: “Ah beh allora ai miei tempi, parlo del tedesco, senz'altro. Era... più che teorico... era più strutturato. Perchè, diciamo, c'era molta... ehm... era molto ben suddiviso il momento grammaticale e il momento lessicale e pratico. Però, insomma, erano anche altri sistemi e avevamo anche altre età, quindi forse bisognava un pochettino più... no? Mentre così... per me è più produttivo. Io ho avuto un'esperienza simile, di sistema, in Inghilterra, ma parlo già di … avevo fatto una full immersion di due settimane... era stato mostruoso... veramente faticoso. Però anche lì, e parlo del '92, quindi non è che sia proprio ieri, utilizzando questo sistema, no. Quindi la ricerca della grammatica nella pratica... e... allora mi aveva consentito di creare quello “zoccolo duro” che poi uno si porta sempre dietro. Infatti io ho il mio “zoccoletto duro” di tedesco, però risale a quarant'anni fa... quel poco che era stato messo dentro nel “modo vecchio”, no... che però... resta quella base insomma (pausa). Forse perchè noi facevamo il latino allora. E allora c'era un minimo di... cioè il metodo era uguale, no. Infatti, anche se io non ho fatto studi classici, il latino lo ricordo ancora... (ride). (pausa) Però questo sitema è... intanto è più aggiornato. Meno pesante da un lato... però ritengo che dia ottimi risultati lo stesso. Soprattutto per personaggi di una certa età...” Interviewerin: “Okay... allora grazie per aver risposto alle domande...” Proband 7: “Grazie a Lei!”
Audio-Interview: Probandin 8.mp3 (Dauer: 11.03 Minuten) Interviewerin: “Okay.... mhm.... innanzitutto mi piacarebbe sapere cosa ne pensa Lei, in generale, di queste iniziative di apprendimento durante tutto l'arco della vita, per esempio di questi corsi, organizzati dalla Fondazione Franco Demarchi. Quindi l'idea generale che Lei ha di queste iniziative e se ne usufruisce regolarmente, se ne ha usufruito in passato...(pausa). Frequenta altri corsi, ad esempio, oltre a questo di tedesco?” Probandin 8: “Mhm... no. Io sto frequentando per il terzo anno il corso di lingua tedesca ... mi piacerebbe tanto frequentare anche altri corsi, e ho frequentato dei corsi di ascolto alla musica, poi di... ancora un'altra cosa (ride). Ehm... quest'anno ho abbandonato il corso di ascolto alla musica, con dispiacere, perchè sono subentrati dei problemi familiari. E quindi continuo con la lingua straniera, perchè la ritengo molto interessante. Le motivazioni sono tante... nel senso che quando si va in pensione penso che una persona debba assolutamente tenersi viva dal punto di vista intellettivo. E quindi... ehm... sognavo di riprendere l'università, ma non ho potuto, per cui mi sono dedicata in partiolare a... all'acquisizione della lingua straniera, sia perchè era una lingua che avevo già fatto da ragazza, e allora avevo iniziato alle scuole... medie e superiori, sia perchè ci si rende conto nella vita che sapere solamente una lingua non basta, assolutamente. Bisogna saperne due, tre... o ai giovani... penso che sia necessario per giovani acquisirne anche di più. Allora... oltre a questo c'è stata anche la motivazione che mia figlia si è sposata, è andata ad abitare e lavorare in Germania, e quindi mi ha dato un ordine che è stato quello “riprendi a studiare il tedesco” (ride). E diciamo che questo... che le motivazioni sono varie, ecco. Queste tre fondamentali...” Interviewerin: “Sì... e... per quanto riguarda proprio la sua “biografia linguistica”... che lingue ha studiato Lei nel corso della vita, a parte appunto partecipare al corso di tedesco di cui mi ha appena parlato, a scuola... o da autodidatta... e in che contesti le ha utilizzate, per quanto tempo le ha studiate? Le ha utilizzate, per esempio, anche in ambito lavorativo?” Probandin 8: “Allora... io ho studiato la lingua tedesca... allora si studiava fino alla terza superiore, la seconda o la terza superiore.” Interviewerin: “Dalle medie?” Probandin 8: “Dalla prima media alla, credo, seconda superiore, se non ricordo male. Quindi veniva interrotta ad un certo punto delle superiori. E poi... l'ho abbandonata, nel senso che non ho fatto corsi particolari, a parte riprenderla ogni tanto a scuola, perchè io insegnavo. Insegnavo italiano nella scuola primaria, però nella scuola dove insegnavo c'erano anche corsi di lingua tedesca... e quindi quando c'era la collega di tedesco io ero disposta a lasciarmi un po' coinvolgere... magari a volte ero peggio dei miei allievi, però... (ride)... insomma, c'era anche questa mia disponibilità ad interagire con la collega di tedesco. Poi una volta ho iniziato un corso di inglese, perchè penso che la lingua inglese dia una possibilità maggiore attualmente, per viaggiare, ad esempio. Però non... ho avuto una brutta partenza con la lingua inglese... e quindi non ho più voluto approfondire questa lingua. Proprio perchè non sapevo... cioè mentre il tedesco mi faceva partire da qualcosa, delle regole nelle quali io
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mi ritrovavo, eccetera, con l'inglese era proprio tutto... tutto “fumo” e non avevo voglia di mettermi, e neanche il tempo, di mettermi ad acquisire l'inglese, insomma. Quindi non avevo nessuna partenza...” Interviewerin: “Queste, quindi, le sue lingue. Ehm... cosa significa per Lei... e mi ha anche indirettamente risposto a questo elencando le sue motivazioni... lo studio di una lingua straniera in generale, e nello specifico della lingua tedesca? Ha un significato speciale? Se sì, quale?” Probandin 8: “Sì... lo studio della lingua significa comunicare... autonomia nel comunicare. Perchè altrimenti si va sempre a dipendere da altre persone, insomma, ci si sente molto a disagio in un posto dove non si capisce nulla di nulla di ciò che ti viene detto. Quindi, siccome sono una persona che tiene molto all'autonomia, ecco... acquisire, almeno un po', la lingua straniera mi aumenta la mia capacità di autonomia...” Interviewerin: “Certo, sì.” Probandin 8: “Quindi è importante per questo. Non è tanto... per lo meno in questo punto della mia vita... non ho tanta voglia di andare a studiare in maniera approfondita, ma riuscire a comunicare se faccio un viaggio, ad esempio, se vado in un museo e lì la guida parla in tedesco, riuscire a capire almeno un pochino di quello che mi vien detto, che vien detto al gruppo. Questo è soprattutto quello che chiedo io dallo studio di una lingua straniera...” Interviewerin: “Mhm (annuisce). E della cultura tedesca cosa ne pensa? Per cultura non intendo solo l'arte, la letteratura, la cultura “alta” per così dire, ma anche... proprio i modi di pensare, eccetera. Non so se ha avuto un incontro, magari durante viaggi, eccetera... un'idea generale che si è fatta Lei...” Probandin 8: “Della cultura tedesc... un po' difficile questa risposta, perchè dovrei conoscere molto di più per dare un giudizio. Cioè... io, da esterna, per esempio valuto... diciamo... i tedeschi più che la cultura tedesca... persone molto, molto inquadrate. Mentre valuto a confronto gli italiani capaci di risolvere i problemi con la loro creatività... e questo, mentre per qualcuno potrebbe essere un dato negativo, per me è un dato positivo, invece. Ehm... cultura... (pausa). Io vedo, per esempio quando vado da mia figlia, che c'è una grande apertura verso la musica da parte delle persone tedesche. I teatri sempre pieni là. Qui, in Italia, non c'è questo rapporto, per esempio, con la musica. Là, secondo me, si lavora, poi si va tutti a teatro, poi tutti a casa e poi... tutto deserto (ride). Questo è ciò che vedo io. Ecco... ehm... come ripeto, dar dei giudizi davvero su... non sono sufficientemente informata, diventerebbero più dei... pregiudizi, insomma...” Interviewerin: “Certo, sì, sì. E... okay. Le faccio un'ultima domanda, che riguarda i metodi di apprendimento. Lei ha studiato il tedesco dalle scuole medie fino all'inizio delle scuole superiori... e... ha notato sicuramente anche differenze di metodo, immagino...” Probandin 8: “Ma sicuramente questo. Noi quando andavamo a scuola, ai tempi miei, era solo grammatica. E si parlava della grammatica... della quale mi ricordo ancora e che mi aiuta adesso insomma, quindi non è che la butti via. Ma era unicamente sulla grammatica, non si poteva assolutamente sbagliare... perchè se si sbagliava erano insufficienze... e quindi uno aveva un approccio molto “duro” con la lingua straniera. Un approccio duro, anche cattivo sotto certi aspetti, con la lingua straniera. Non si vedeva la lingua come un qualcosa che ti permette di comunicare. Quindi non è tanto importante mettere il nicht prima o dopo insomma... è importante esternare il tuo pensiero, il tuo modo di ragionare, o per lo meno riuscire a capire quello che il tuo interlocutore ti sta dicendo. Ecco, questo non veniva assolutamente considerato. Adesso... si parte, secondo me, dal fatto che la lingua sia un qualcosa che serve per comunicare... e poi si va man mano ad esternare in maniera corretta. Quindi completamente ribaltato il metodo...” Interviewerin: “Un'ultimissima domanda... i temi, invece, che sono trattati a lezione... Lei ha qualche preferenza, qualche ambito preferito che le piacerebbe approfondire...” Probandin 8: “No... io sono contenta di quello che si fa in generale. E... adesso il programma di quest'anno non l'ho ancora capito, perchè sono appena arrivata stamattina. Mentre gli altri hanno già fatto due lezioni, per cui la professoressa ne ha senz'altro parlato. E... quindi io sono contenta di quello che ho fatto finora [parte omessa]... e quindi... dico che mi va bene così e che il metodo utilizzato è veramente, veramente positivo insomma...” Interviewerin: “Lei da quanti anni studia?” Probandin 8: “Questo che ho iniziato è il terzo anno!” Interviewerin: “Il terzo anno...sì.”
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Audio-Interview: Proband 9.mp3 (Dauer: 06.15 Minuten) Interviewerin: “Allora, signor xxxxx, Lei cosa ne pensa di queste iniziative mirate ad incentivare l'apprendimento permanente, per esempio queste organizzate dalla Fondazione Franco Demarchi. Ne ha usufruito in passato, oltre al presente corso di tedesco? In generale, proprio, che idea ha...” Proband 9: “Le dirò che il corso è fantastico. È fatto bene. L'apprendimento mio non dipende da coloro che fanno il corso qua, ma dipende esclusivamente dal sottoscritto. Tradotto... l'anno scorso, per motivi di salute, sono mancato... direi quasi tutto l'anno. Fatico a riprendere, però... (pausa). La prof è fantastica, il corso va bene... lo zuccone sono io (ride).” Interviewerin: “Quindi Lei ha fatto solo tedesco o anche altri-” Proband 9 (interrompendo): “Solo tedesco. Seguo delle altre materie... ma non corsi.” Interviewerin: “Ah, ma non qua, giusto?” Proband 9: “Sempre con la Fondazione vado... faccio il Castello del Buonconsiglio, il viaggio, e... diversi altri. Però non corsi in aula.” Interviewerin: “Okay. E... e quindi comunque ha un'idea positiva in generale di queste iniziative immagino...” Proband 9: “Sicuramente, sicuramente.” Interviewerin: “E... per quanto riguarda la sua “biografia linguistica”, che lingue ha studiato nel corso della sua vita? Tutte le lingue che conosce... o che ha anche solamente studiato, magari a scuol-” Proband 9 (interrompendo): “Io ho studiato quando ero ragazzino, quindi parliamo di oltre sessant'anni fa, il tedesco. E... e basta, come studi. Poi dopo sono stato per quindici, sedici anni camperista. Ho girato l'Europa. Me la sono sempre cavata un po' all'italiana, come si suol dire, no? E adesso volevo approfondire, appunto, per... (pausa). Adesso che non faccio più il camperista mi sono messo a studiare (ride).” Interviewerin: “Sempre il tedesco, quindi?” Proband 9: “Sempre il tedesco” Interviewerin: “Altre lingue no?” Proband 9: “Ho iniziato, quattro o cinque anni fa, un po' di più... otto anni fa... con dei miei colleghi d'ufficio un corso d'inglese. L'ho fatto per tre mesi e... ho abbandonato.” Interviewerin: “E... in che contesti ha usato le lingue straniere che conosce, quindi... il tedesco, prevalentemente. A parte in questa esperienza di camperista, come mi ha detto...” Proband 9: “Esatto...” Interviewerin: “Per lavoro?” Proband 9: “No, per lavoro no. E... d'estate io faccio il... come si chiama... il campeggiatore stagionale. E vivo... “vivo”... sono nella maggior parte del tempo libero a Caldonazzo, sul lago di Caldonazzo. E lo uso lì. Però calcoli che sul lago di Caldonazzo ci sono tantissimi olandesi e pochi tedeschi. Gli olandesi, per principio, non parlano tedesco... parlano solo inglese. E quindi il tedesco ogni tanto si sfarfuglia con qualcuno...” Interviewerin: “Fa dei viaggi o qualcosa?” Proband 9: “Sì, ogni tanto faccio dei viaggi. Ultimamente un po' meno [parte omessa]... quindi di conseguenza...” Interviewerin: “Sì, sì. Queste domande erano solo per capire un po' in che contesti utilizza o ha utilizzato la lingua...” Proband 9: “... e dirò che mi piacerebbe studiarlo molto meglio... per potrelo usare meglio.” Interviewerin: “Capisco, sì. E... per quanto riguarda proprio la sua motivazione per frequentare questo corso... e la motivazione per studiare la lingua tedesca... cosa la spinge a farlo?” Proband 9: “Una questione culturale.” Interviewerin: “Questo, quindi. Cosa intende esattamente per “questione culturale”?”
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Proband 9: “Nel senso che più si sa e meglio è. Si ha sempre da imparare, anche se ho superato i settanta, ma... c'è sempre da imparare. Sia con le lingue, che con qualsiasi altro argomento... ecco perchè faccio anche altri corsi... vedi Castello del Buonconglio, vedi il viaggio, vedi... i pittori del Settecento, eccetera eccetera.” Interviewerin: “Quindi per tenersi aggiornato e per sapere più cose possibile...” Proband 9: “Esatto... esatto. Per non restare il classico ignorantone... vecchietto ignorantone.” Interviewerin: “E... cosa significa per Lei lo studio di una lingua straniera, in questo caso di quella tedesca? E che idea ha della cultura tedesca?” Proband 9: “La cultura tedesca mi piace molto. Mi piace moltissimo, le dirò. Conosco diversi tedeschi, conosco l'ambiente tedesco... conosco pochissimo la lingua, purtroppo. Ed ecco il motivo dello studio...” Interviewerin: “Quindi per Lei serve anche a conoscere meglio la cultura?” Proband 9: “Esatto” Interviewerin: “Okay. Un'ultima domanda, che riguarda i metodi di apprendimento. Lei ha studiato tedesco a scuola...” Proband 9 (interrompendo): “Sì... che era completamente diverso il tedesco che facevo allora da quello che stiamo facendo adesso...” Interviewerin: “Sì... per esempio... mi fa qualche esempio?” Proband 9: “Beh... allora facevamo le classiche tabelline coi vocaboli, con questo, con quello. Qua si va più a regole e più a... a cercare di capirsi...” Interviewerin: “Comunicare?” Proband 9: “Comunicare, sì.” Interviewerin: “Okay... e... i temi trattati a lezione la interessano?” Proband 9: “Ma le dirò che in generale mi interessano tutte le lezioni che fa la Lucia. A maggior ragione quelle di geografia. Parliamo sempre di geografia tedesca, chiaramente...” Interviewerin: “Quindi forse ciò è legato alla sua...” Proband 9 (interrompendo): “... è legato a quello che facevo negli anni addietro. E mi ricorda ancora quello che ho fatto...” Interview: “Sì. Okay... grazie allora per aver risposto alle domande...” Proband 9: “Si figuri!”
Audio-Interview: Proband 10.mp3 (Dauer: 08.16 Minuten) Interviewerin: “Innanzitutto vorrei chiederle cosa ne pensa, in generale, di queste iniziative, di questi corsi... per esempio questi organizzati dalla Fondazione Franco Demarchi... i vantaggi, eccetera... se ne ha usufruito nel corso degli anni, anche in precedenza... ed eventualmente quali corsi ha frequentato...” Proband 10: “Io ho cominciato l'anno scorso, col corso di tedesco e con un corso di pratica Feldenkreis, che è un po' una ginnastica dolce o una terapia dolce. E... lo ritengo importante perchè... ho sempre pensato che lo studio abbia bisogno di punti fermi. Il fatto di avere la Fondazione o comunque un'organizzazione che stabilisca tempi regolari e continui... questo permette alla persona di mantenere un rapporto costante con lo studio e con l'apprendimento, ecco. Questa è un po' l'importanza che ci sia una fondazione o un gruppo che... che dia questa opportunità.” Interviewerin: “Certo, sì. Passerei ora all'ambito più linguistico e, nello specifico, alla sua “biografia linguistica”. Quali lingue ha studiato nel corso della sua vita, a scuola o magari più avanti? In che contesti le ha utilizzate? Magari in ambito lavorativo o non so...” Proband 10: “Dal punto di vista scolastico, ho studiato tedesco per tanti anni... e … inglese.” Interviewerin: “Questo alle medie... superiori?” Proband 10: “Il tedesco alle medie... e anche alle superiori. E l'inglese solo alle superiori (pausa). E in realtà io ho utilizzato più il tedesco che l'inglese. Un po' perchè sono stato un anno in Germania a lavorare, per cui un pochino ero costretto a usare il tedesco e l'avevo un po' praticato.
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Mentre l'inglese non ho mai avuto occasione di utilizzarlo. E anche durante le vacanze e viaggi alla fine utilizzavo di più il tedesco che l'inglese. Per lavoro non ho mai utilizzato... tranne l'anno in Germania... negli altri lavori non ho mai utilizzato le lingue... (pausa). E lo trovo un deficit, nel senso che il fatto di non aver potuto utilizzare una lingua straniera, o anche in particolare l'inglese, ha comportato un po' un handicap dal punto di vista degli approfondimenti, delle relazioni... perchè ho avuto occasione di relazioni, chiamiamole internazionali, però ho sempre avuto la necessità di un traduttore... di un mediatore...” Interviewerin: “Okay. E... qual è la motivazione che la spinge a studiare la lingua tedesca?” Proband 10: “Mah, un pochino il fatto di averla un po' praticata e conosciuta un po' da vicino quando avevo 20-30 anni. Di averla... lasciata andare sempre di più … e, una volta andato in pensione, diminuiti un po' gli impegni lavorativi, l'idea di riprendere lo studio, più per il gusto di studiare che non per il gusto di praticare, ecco... questo mi ha avvicinato un po' allo studio, a riprendere lo studio della lingua.” Interviewerin: “E, in generale, cosa pensa dello studio delle lingue straniere, e nello specifico di quella tedesca? E, visto che comunque Lei ha lavorato per un anno in Germania e ha avuto modo di viverla, che idea si è fatto della cultura tedesca, in termini proprio generali?” Proband 10: “No, io amo molto la Germania. Tutti gli anni un piccolo viaggio nei paesi tedeschi... in bicicletta o... vado a farlo. E... ritengo fondamentale che una persona debba conoscere una lingua straniera. Cioè, dovrebbe essere come oggi... nessuno ritiene più un'eccezione che uno abbia la patente! Cioè, quando ero piccolo, si metteva nel curriculum “ho la patente”. Oggi nessuno lo scrive, perchè è ridicolo... ecco. È anche ridicolo dire “conosco una sola lingua”. Se ne dovrebbe conoscere almeno un'altra. Che sia l'inglese, che sia il tedesco, che sia lo spagnolo è indifferente secondo me... l'importante è conoscere una lingua, perchè questo ti permette di dialogare, di vedere le cose un pochino dall'interno e non di viverle solo dall'esterno... in superficie, ecco. Mentre la conoscenza di una lingua, qualsiasi dico, alla fine... un interlocutore che conosce la tua lingua o l'altra lingua che ti permette di interagire con gli altri... questo è... più facile, più...” Interviewerin: “Certo. E... le faccio un'ultima domanda, sui metodi di apprendimento. Lei ha studiato tedesco alle medie e anche alle superiori, assieme all'inglese-” Proband 10 (interrompendo): “Sì... io l'ho imparato malamente, nel senso che mi hanno fatto imparare regole, regole, regole, regole e regole di grammatica e pochissimo ad esprimermi. Per cui... anche qui, seguendo il corso, io conosco le regole, ma mi esprimo poco. Penso che sia un grosso handicap che... nella mia esperienza, diciamo, di apprendimento ha comportato questa rigidità della regola, per cui uno, di fronte a una domanda, non rispondeva perchè prima si faceva tutto il meccanismo della grammatica, della regola giusta, eccetera.” Interviewerin: “Questo portava quindi a delle difficoltà nel comunicare nel momento...” Proband 10: “Certo... nel momento della comunicazione, la rigidità comportava che finivi per non esprimerti, per paura di sbagliare le regole. Poi ho capito che l'importante è provare ad esprimersi e poi dall'altra parte qualcosa si capisce. Quando per strada c'è uno straniero che mi parla con qualche parola in italiano, l'altre parole le ricostruisco io e riesco a dare una spiegazione... se invece aspetta di... di darmi la frase corretta, giusta, dal punto di vista grammaticale... alla fine non la farà mai la domanda...” Interviewerin: “Certo, sì. E... un'ultimissima domanda. I temi che vengono trattati a lezione sono di suo interesse? Avrebbe dei suggerimenti, eventualmente?” Proband 10: “Ma no... cioè... qui sono trattati abbastanza... anche un po' l'ambito tedesco, l'ambito della cultura tedesca, per cui è presente (pausa). E anche i fatti quotidiani del viaggiare, del mangiare, del vestire, eccetera. Possono essere utili... da porterli utilizzare subito, diciamo...” Interviewerin: “Okay. Grazie allora, ho finito!” Proband 10: “(ridendo) Ho risposto bene alle domande?”
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Report "Das Fremdsprachenlernen im Alter: Der Einfluss des Faktors Alter und anderer individuellen Variablen "