Das Bild im Psalm und der Psalm als Bild. Die Ikonographie der biblischen Psalmen: Welt und Umwelt der Bibel Nr. 82, 4/2016, 22-27.

May 28, 2017 | Author: Thomas Staubli | Category: Iconography, Hebrew Bible, Book of Psalms, Iconology, Hebrew Bible and Ancient Near East, Ancient Egyptian Iconography, Biblical Exegesis, Psalms studies, Iconography and Iconology, Iconografia, Biblical Hebrew poetry, Psalms, Archeologia, Mitologia, Iconografia, Iconologia, Persefone, Demetra, Storia Dellarte, Piazza Armerina, Venere, Enna, Afrodite, Morgantina, Aidone, Acroliti, Akrolithos, Pergusa, Scultura Greca, Cultura Siciliota, Statue Composite, Madonna Delle Vittorie, Pslams, Hebrew Bible/Old Testament, Ancient Egyptian Iconography, Biblical Exegesis, Psalms studies, Iconography and Iconology, Iconografia, Biblical Hebrew poetry, Psalms, Archeologia, Mitologia, Iconografia, Iconologia, Persefone, Demetra, Storia Dellarte, Piazza Armerina, Venere, Enna, Afrodite, Morgantina, Aidone, Acroliti, Akrolithos, Pergusa, Scultura Greca, Cultura Siciliota, Statue Composite, Madonna Delle Vittorie, Pslams, Hebrew Bible/Old Testament
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Die Ikonografie der biblischen Psalmen

Das Bild im Psalm und der Psalm als Bild Ein Hauptgrund dafür, dass die biblischen Psalmen bis heute zu den beliebtesten Gebetstexten der Welt gehören, ist, dass sie einen schier unerschöpflichen und überaus lebendigen Bilderreichtum aufweisen. Vier Beispiele zeigen, wie sich die Bilder der Psalmen und Bildwerke ihrer Welt zueinander verhalten. Von Thomas Staubli

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Der Anblick eines zufriedenen Säuglings war die leitende Erfahrung für Darstellungen von Ruhe und Zufriedenheit. In Ps 131,2 wird das in Worte gefasst: „Wie ein Säugling an der Brust seiner Mutter ist meine Seele still in mir.“ 1

Bronzefigur einer stillenden Isis mit Hathor-Kuhgehörn aus Ägypten.

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Fragment eines Amuletts aus der Südlevante, ca. 1100–900 vC. Privatsammlung Othman, Jerusalem.

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Stark stilisierte Figur aus Achziv; ca. 1000–700 vC. Israel Museum Jerusalem.

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Thronende Figur mit Kuhgehörn aus Achziv, ca. 1000–700 vC. Israel Museum, Jerusalem. 48-539

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Glasiertes Amulett aus Ägypten, 1075–343 vC. Sammlungen BIBEL+ORIENT, Fribourg. ÄS 1983.1358

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Skarabäus mit sitzender stillender Isis aus Achziv; 800–587 vC. Rockefeller Museum, Jerusalem. IAA 48.632

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Skarabäus mit thronender, stillender Isis, vor ihr ein Räucherständer; aus Tharros (?); 500–350 vC. Sammlungen BIBEL+ORIENT, Fribourg. ÄS 1997.5

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Skarabäus mit stillender Isis im Papyrusdickicht aus Atlit; 539–400 vC. Rockefeller Museum, Jerusalem. IAA 32.412

er die Bildwelt des Alten Orients und Ägyptens betrachtet – Siegel(abdrücke), Reliefs, Papyri, Fresken, Ritzungen, Skulpturen – und auch die biblische Literatur kennt, dem fallen sofort Parallelen zwischen den bildreichen Psalmtexten und den Darstellungen von Pflanzen, Tieren, Menschen und Gottheiten auf. Othmar Keel hat diese Parallelen vor fast fünfzig Jahren in seinem Grundlagenwerk „Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament am Beispiel der Psalmen“ erstmals umfassend zum Thema gemacht. Seither ist viel dazu geforscht worden. Wie sich Texte und Bildwerke zueinander verhalten – dafür kann man vier Arten feststellen. 1. Es gibt Texte und Bilder, die in derselben Epoche, aber unabhängig voneinander, menschliche Erfahrungen wiedergeben. Das heißt: Am Anfang steht eine Erfahrung, die in einer bestimmten Epoche besondere Resonanz erfährt, und diese Erfahrung wird in vielen unterschiedlichen Texten oder Bildern umgesetzt. 2. Es gibt aber auch Texte, die Erfahrungen oder Vorstellungen mit Worten ausdrücken und dabei verraten, dass ihnen ein Bild zugrunde lag – ein Bild, das dem Dichter oder der Dichterin bekannt war. Der Text greift also ein Bildmotiv seiner Zeit auf und drückt es mit Worten aus. 3. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, dass die originelle Metapher eines Psalms im Nachhinein in die Bildsprache übertragen wurde. Das heißt: Ein Dichter oder eine Dichterin hat einen Text mit sprachlichen Bildern verfasst und dieses Sprachbild wird zu einem greifbaren Bildwerk verarbeitet. Das Bildwerk gehört dann einerseits zur Wirkungsgeschichte des Psalms, löst sich aber womöglich auch von seinem Ursprung und entfaltet als Bild ein Eigenleben. 4. Schließlich gibt es auch Texte, die als Textbilder gestaltet worden sind. Text und Bild bilden eine Einheit, die mitunter weitere Bildassoziationen ausgelöst hat. Für jeden Typus werden im Folgenden ausgewählte Beispiele präsentiert.

1. Von der Erfahrung zum (Sprach-)Bild: „Wie ein Säugling an der Brust seiner Mutter“ (Ps 131) Der kürzeste Psalm des Psalters vergleicht den mit sich und der Welt zufriedenen Menschen mit einem gestillten Baby an der Brust der Mutter. Das Stillen des Säuglings ist eine Urerfahrung sowohl für die Gestillten als auch für die Stillenden, aber auch für die Betrachtenden. Merkwürdigerweise wurde das Stillen aber nur zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Räumen als Segensbild inszeniert. So in Ägypten und der Levante im 1. Jahrtausend vC, als auch die meisten Psalmen entstanden. In Ägypten waren Bilder der stillenden Gottesmutter in den Tempel- und Privatkulten der Isis bzw. der Hathor beliebt (Abb. 1). Persönliche, figürliche Amulette mit der stillenden Göttin waren recht verbreitet, besonders in Städten entlang der Küste (Abb. 1–8). Zum Teil sind die Formen dieser Amulette so stark vereinfacht, dass sie nur noch an das Urbild erinnern (Abb. 3). So schablonenhafte Figuren belegen, dass das dargestellte Bild sehr bekannt war und durch bloße Anspielung abgerufen werden konnte. Erst in der ausgehenden Eisenzeit kam das Motiv auch auf Skarabäen auf (Abb. 7–8) und verbreitete sich im ganzen Mittelmeerraum. Das Motiv der stillenden Isis im Papyrusdickicht findet sich dann auch auf Horusstelen (vgl. Abb. 14b). Der Milchsegen konnte durch das Kuhgehörn auf dem Kopf der Göttin unterstrichen werden (Abb. 4–8), während die Sonnenscheibe die Göttin als einen Aspekt der den Kosmos durchwaltenden göttlichen Energie auszeichnet. Die Isis lactans war vermutlich auch das Vorbild für die christliche Maria lactans. Unser Psalmvers entstand in diesem Milieu der Sensibilität für den Segen der stillenden Mutter bei Menschen und Tieren. Er liest sich wie ein Medaillon in Textform. Eine Abhängigkeit von einem bestimmten Bildtyp kann nicht nachgewiesen werden. Vielmehr bezeugen Text und Bilder gemeinsam einen großen Respekt vor der segensreichen Wirkung des Stillens.

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DAS BILD IM PSALM UND DER PSALM ALS BILD

2. Von der Ikone zum Sprachbild: Der Psalmbeter als beschütztes Horuskind (Ps 91) Psalm 91 ist einer der populärsten Psalmen („Wer im Schutz des Höchsten wohnt ...“). Er enthält Verse, die oft vertont oder auf Amulettzettel niedergeschrieben worden sind. Im Stundengebet der Kirche wird er als letzter Psalm des Tages vor dem Zubettgehen, gleichsam als Schutz für die Nacht, rezitiert oder gesungen. Das alles ist natürlich kein Zufall, denn der Psalm enthält Bilder des Schutzes, die zur Zeit seiner Niederschrift in Ägypten und der kulturell eng mit Ägypten verbundenen Levante auf Bildträgern weitverbreitet waren. Vers 4 des Psalms lautet: „Mit seiner Schwinge beschirmt er dich,/ unter seinen Flügeln findest du Zuflucht,/ Schild und Schutz ist dir seine Solidarität.“ Der dreifache, archaisierende Parallelismus hat beschwörenden Charakter und enthält eine Steigerung: Im ersten Versteil ist von einer einzelnen Schwinge die Rede, im zweiten von einem Flügelpaar, im dritten von Gottes Solidarität (oft übersetzt mit „Treue“) als einem Schutzschild. Vers 13 lautet: „Auf Löwen und Ottern trittst du, / du zertrampelst Junglöwen und Drachen.“ Deutsche Übersetzungen geben das hebräische Wort tannin der Septuaginta folgend mit Drachen wieder. Die Tannin hat man sich vielleicht

In der Levante liebte man das Beflügeln von Gottheiten über alles wie Krokodile vorgestellt. In der zweiten Gottesrede an Ijob werden diese als Leviatan bezeichnet (Ijob 40,25). Tannin und Leviatan, desweiteren in der Bibel noch Rahab und Tehom (ein mythisches Seeungeheuer und die Chaos-Urflut), repräsentierten als Monster den halbmythischen Lebensraum der Meere, Gewässer und Sümpfe (vgl. Pss 33,7; 42,8; 74,13; 77,18; 87,4; 89,11; 104,26; 107,26; 148,7) und wurden als auswechselbare Begriffe verwendet. Mit den Drachen konnten sowohl Naturgewalten (Jes 27,1) als auch

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gesellschaftliche Desaster (Jer 51,34) in Verbindung gebracht werden. Die Bildwelt, aus denen sich diese Psalmverse nähren, war in Ägypten und der Levante über Jahrhunderte hin präsent. Schon im Übergang zum 1. Jahrtausend vC finden wir auf Skarabäen einen „Herrn der Krokodile“ (Abb. 9). Er hält die Tiere am Schwanz. Der Held, der Löwen bezwingt, ist in persischer Zeit sehr beliebt. Er kann die Gestalt von Bes haben (Abb. 10). Das Siegel eines Herrn der Löwen aus Amman trägt die Inschrift „Chaschabja“ (Abb. 11). Es gehörte also einem JHWH-Verehrer namens „Geschätzt von JHWH“. Im ptolemäischen Ägypten kamen Horusstelen auf, die Horus als Kind zeigen, das souverän über Krokodile hinwegschreitet und in den Händen Schlangen und Skorpione hält (Abb. 14). Das Motiv war auch stark vereinfacht en miniature im Umlauf, weil das Bild bekannt war (Abb. 12). Das Kind auf der Stele steht im Schutze einer großen Besmaske. Bes, vom Ursprung her eine Schutzgottheit der Schwangeren, Wöchnerinnen und Kleinkinder, kann in dieser Zeit auch als vielköpfige, geflügelte All-Gottheit erscheinen (Abb. 13). Auf den berühmten Krügen aus Kuntillet Adschrud (Nord-Sinai) finden wir Besfiguren neben den Namen JHWH und Aschera. In der Levante liebte man das Beflügeln von Gottheiten über alles. Die Rückseite der Horusstele (Abb. 14) zeigt oben eine Einritzung der stillenden Isis im Sumpfdickicht (vgl. Abb. 8). Das zeigt, dass man die Themen von Ps 91 und 131 als verwandt betrachtete. Darüber hinaus erinnert die unter dem Papyrusdickicht befindliche Szene einer Prozession des Horus als Falke auf einem Esel (Gazelle?) zwischen zwei Göttern an die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten (Mt 2,14). Aktualisierte die besonders in Ägypten bis heute beliebte Ikone der Flucht nach Ägypten Horus-Theologie für Christen? Psalm 91 ist also ein Amulett zum Schutz vor und zur Abwehr von Gefahr in Gebetform. Gerade deshalb wurde er sowohl im jüdischen als auch im christlichen Milieu immer wieder auf Zettel geschrieben und wie ein Amulett verwendet — als Skarabäen und Horusstelen schon längst aus der Mode gekommen waren.

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DAS BILD IM PSALM UND DER PSALM ALS BILD Die bedrohlichen Monster des Chaos sollten wie die

Miniatur-Horusstele. Ägyptisches Amulett aus Komposit12 Krokodile und Schlangen gebändigt werden. In Ps 91,13 wird material; 1539–1075 vC. Sammlungen BIBEL+ORIENT, dieses Bild in Sprache gefasst: Fribourg. ÄA 1983.2362d „Auf Löwen und Ottern trittst du, du zertrampelst Junglöwen Amulett eines Bes Pantheos (Allgott) aus Ägypten, QUELLENTEXT 13 XXXXXXXXXXXXXX und Drachen.“ 525–30 vC. Sammlungen BIBEL+ORIENT, Fribourg. 9

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ÄA 1983.1557 Gestalt, die zwei Krokodile am Schwanz hält. Xxxxxxx xxxxx xxxxxx xxxxx xxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx Skarabäus aus Akko, 1075–900 vC. Jerusalem. IAA 73-124 Die Vorderseite zeigt das göttliche Horuskind, das 14 xxxxxxx xxxxx xxxxxxx xxxxx xxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxx xxxxxxxxx über Krokodile schreitet. Es hält Schlangen und Die Gottheit Bes bezwingt zwei Löwen. Skarabäus xx xxxx aus xxxxxxx xxxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxxx xxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxx xxxxx Skorpione. Die Rückseite zeigt über einer Prozession einem Grab bei Amman, 665–525 vC. Tareqxxxxxxxxx storage, xxx xxxxx xxxxxx xxxxxxxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxxxx xxxxx mit dem Horusfalken die stillende Isis im Sumpfdickicht. Amman. J 4162 xxxxxxxxxxxxxx xxxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx Stele aus Kalkstein aus Ägypten, 2.–1. Jh. vC. SammlunDarstellung eines „Herrn der Löwen“ auf einem Siegel.xxxxxxxxxxxxgen xxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxx xxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxx ÄFig 2001.12 BIBEL+ORIENT, Fribourg. Chalzedonsiegel aus Amman, 5.–4. Jh. vC. xxxxxxxxxxxxx Jordan xxxxxxxxxxxx xxxxx xxxxxxxx xxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xxxxx Archaeological Museum Amman. xxxxxxxxx xxxxxxxx xxxxxxxxx xxxxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxx xxxxx xxxxxxxxx xxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxx xxxxxx xxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxx

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DAS BILD IM PSALM UND DER PSALM ALS BILD

3. Vom Psalmmotiv zum kunsthandwerklichen Bild: JHWH als Sonne und Schild (Ps 84) Einige Bildworte in den Psalmen sind vermutlich erst als Motiv für ein kunsthandwerklich gestaltetes Bild verwendet worden, weil der Psalter als Gebetbuch in Gebrauch war. Dazu gehört der Ausdruck „JHWH ist Sonne und Schild“. Während die Lichtmetapher für Gott häufig verwendet wird, besonders in der Variante des leuchtenden Antlitzes (siehe Ps 67), ist die Sonnenmetapher für Gott sehr selten, denn die Sonne wurde von vielen Völkern als eine Gottheit unter anderen betrachtet. Die Bibel degradiert demgegenüber die Sonne zu einem von Gott geschaffenen Lichtkörper und Zeitmesser (Gen 1,14f). Israeliten in Ägypten fanden in diesem Bildwort einen Anknüpfungspunkt für die Verbindung JHWHs mit ägyptischen und hellenistischen solaren Gottesvorstellungen:

einerseits nämlich mit dem Sonnenkind auf der Lotosblüte, das in seiner ägyptischen Form schon im königlichen Palast von Samaria anzutreffen war (Abb. 15) und auf einer später entstandenen Gem-

Die Sonnenmetapher ist für Gott sehr selten, denn die Sonne wurde von vielen Völkern als eine Gottheit unter anderen betrachtet me kurzerhand mit JAO (ägyptisches Judäisch für JHWH) gleichgesetzt wird (Abb. 16), und andererseits mit dem griechischen Helios. Was dabei herauskam, war eine ziemlich komplexe, um nicht

zu sagen monströse Figur (Abb. 17–19). Der Körper eines Soldaten mit Peitsche stammt aus den Darstellungen von Helios, der in seinem Pferde-Viergespann über den Himmel jagt. Die Schlangenfüße stammen von der ägyptischen geflügelten Sonnenscheibe, deren Respekt heischendes, für Menschenaugen unerträgliches Strahlen durch Uräusschlangen angezeigt wird. Der Hahn kündet die Sonne und damit auch die Wahrheit durch sein Krähen (vgl. Mt 26,74f) an. Dass der Name IAO auf dem Schild platziert wird (Abb. 19), dürfte aus Ps 84,12 inspiriert sein: „Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild. Er schenkt Gnade und Herrlichkeit; der Herr versagt denen, die rechtschaffen sind, keine Gabe.“ Manchmal (Abb. 17) wird die Gestalt durch einen Uroboros, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, umgeben. Sie charakterisiert die Unendlichkeit und die gebändigte Chaosflut. Auch das Sonnenkind stellte man gern mit

Das Sprachbild „Gott der Herr ist Sonne und Schild“ (Ps 84,12) findet in jüdischen Kreisen eine abenteuerliche Umsetzung: Die hahnenköpfige Soldatengestalt mit Peitsche und Schild stammt von Helios, die Schlangenfüße von der ägyptischen geflügelten Sonnenscheibe, der Name IAO vom biblischen Gott. 15

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Elfenbeinintarsie mit dem jugendlichen Sonnengott in der Lotosblüte. Samaria, 8. Jh. vC. Gemmen von jüdischen Besitzern aus dem östlichen Mittelmeerraum, mit Inschrift IAO für den jüdischen Gott JHWH, ca. 1.–2. Jh. nC. (16 Hirsch, Auktion 292, Lot 1527; 17 Sammlungen BIBEL+ORIENT, Fribourg; 18 Jaspis-Gemme, Rheinisches Landesmuseum Trier Inv. G.1258; 19 Kunstmuseum, Wien.)

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Es segne uns Gott, und die ganze Erde fürchte ihn!

6. Die Erde gibt ihr Gewächs; es segne uns Gott, unser Gott!

5. Es danken dir, Gott, die Völker, es danken dir alle Völker.

3. Es danken dir, Gott, die Völker, es danken dir alle Völker.

4. Die Völker freuen sich und jauchzen, dass du die Menschen recht richtest und regierst die Völker auf Erden.

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Wie merkt man, dass ein Text, der nur aus einer Aneinanderreihung von Worten aus 22 verschiedenen Buchstaben besteht, als Bild gemeint ist? Und wie wird er in ein Bild umgesetzt? Den hebräischen Poeten stand eine ganze Reihe von stilistischen Mitteln zur Verfügung, um den Text in eine schöne, gefällige und noch leichter memorisierbare Form zu bringen. Solche Stilmittel konnten den Text richtiggehend visualisieren. Besonders beliebt waren Siebenerstrukturen, die so angelegt wurden, dass das vierte Glied eine Mitte bildete. Darum herum bildeten das erste und letzte, das zweite und sechste sowie das dritte und fünfte Glied einen dreifachen Rahmen. Dabei spielte die in der orientalischen Ästhetik bevorzugte Symmetrie ebenso eine Rolle wie die Magie der Zahl Sieben. Im Falle von Ps 67 wird der unsichtbare und unhörbare, aber dennoch vorhandene magische Effekt noch dadurch gesteigert, dass das Gebet aus 49 (=72) Wörtern besteht. Ferner kommt das Wort Gott sechsmal vor plus einmal das Wort Antlitz (Gottes) und sechsmal das Wort Völker plus einmal das Wort Heiden, sodass sich Gott und die Völker in zwei Siebenerpaaren durchdringen. In der Mitte des Psalms steht die Freude der Menschen über das gerechte Regieren Gottes. Diese Mitte wird umrahmt vom Segnen Gottes (Verse 1 und 7), vom Wachsen der Pflanzen und der Einsicht auf der Erde (Verse 2 und 6) und von dem durch Verdoppelung und strengen Parallelismus besonders hervorgehobenen Danken der Völker (Verse 3 und 5). Im Judentum gibt es bis heute die Tradition, diesen Psalm in Gestalt einer Menora, also eines Leuchters mit sieben Armen, auf Amulettzettel zu schreiben (Abb. 20). In sehr einfachen aschkenasischen Synagogen ist dieses Amulett bisweilen der einzige Schmuck an der Wand. Inspirationsquelle dieser grafischen Gestaltung des Psalms, aber

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4. Der Psalm als Textbild: Ein Leuchter in Worten (Ps 67)

tt sei uns gnädig und segne uns, er lasse uns sein Antlitz leuchten, Go . dass man auf Erden erkenne seinen Weg, unter allen Heiden sein Heil.

Uroboros dar, das offenbar seit den Tagen der Könige Israels ein beliebtes Bild für JHWH gewesen zu sein scheint.

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Ein Psalm wie ein Bild, das zur Meditation einlädt: Die sieben Verse von Ps 67 dargestellt als sieben Menora-Arme. Die Verse der Arme entsprechen sich je. In der Mitte steht: „Die Völker freuen sich und jauchzen, dass du die Menschen recht richtest und regierst die Völker auf Erden“ (Ps 67,4). Aus einem Buch herausgelöster Amulettzettel unbekannter Herkunft, 17. Jh. vC. Jüdisches Museum der Schweiz, Basel. 572

vielleicht schon des kunstreichen Psalmes selber, ist die Vision Sacharjas, der Gott in Gestalt einer Leuchterschale mit sieben siebenschnauzigen Lampen sah (Sach 4,2). Diese Vision geht übrigens ihrerseits auf das Bild einer Mondstandarte zwischen Bäumen zurück — aber das ist bereits ein anderes Kapitel biblischer Ikonografie. W Lesetipps

Dr. Thomas Staubli ist Dozent für Altes

š6LOYLD6FKURHU7KRPDV6WDXEOLMenschenbilder der Bibel (s. Buchtipps S. 65) š:HLWHUH,QIRUPDWLRQHQ]XGHQPHLVWHQ

Testament an der Universität Fribourg, Kurator am BIBEL+ORIENT Museum, Verantwortlicher der BIBEL+ORIENT Datenbank, zudem Verfasser vieler populärwissenschaftlicher Publikationen zum Alten Testament, u. a. „Begleiter durch das Alte Testament“ (Patmosverlag, 5. Aufl.).

abgebildeten Objekten, weitere Parallelen und Literatur auf der BIBEL+ORIENT Datenbank online (www.bible-orient-museum.ch/bodo).

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