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Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung (BFTB) von Thomas Fuchs, Eftychia Sidiropoulou, Dieter Vennen und Hermann-Josef Fisseni (2003). [Göttingen: Hogrefe, Testmappe komplett € 56,–]. Hendrik Berth und Elmar Brähler 1. Testart Der Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung (BFTB) ist ein Fragebogenverfahren für Klienten (Erwachsene) nach Abschluss einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie zur Erfassung des Therapieerfolgs und zur Einschätzung des therapeutischen Verhaltens. 2. Testmaterial Der BFTB besteht aus einem Testmanual (TM, 75 Seiten), 10 Fragebogen, 10 Auswertungsbogen I (Ergebnisskala),
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10 Auswertungsbogen II (Prozessskalen) und 10 Profilblättern. Zusätzlich wird ein Schreibgerät benötigt. 3. Testgliederung Der BFTB umfasst 130 Items, die einer Ergebnisskala und zehn Prozessskalen zugeordnet sind (Tabelle 1). Tabelle 1. Aufbau und Reliabilität (Cronbachs Alpha, N = 207) des BFTB Skala
Item-Anzahl
Ergebnisskala „Veränderungen im Selbstbild“ 31
Reliabilität (α) .94
Prozessskalen „Therapeutisches Verhalten“
(99)
–
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
10 10 10 10 8 10 10 10 11 10
.91 .91 .90 .93 .88 .92 .88 .93 .91 .99
Empathie Echtheit Wertschätzung Deutung Bewusstheit Strukturierung Konfrontation Durcharbeiten Emotionszentriertes Arbeiten Verstärkung
Die Items sind als Aussagesätze formuliert (Bsp. Ergebnisskala: „17. Ich fühle mich heute unbeschwerter.“), zu denen jeweils 5-stufig untergliedert („Stimmt genau“, „Stimmt“, „Keine Änderung“, „Nein, eher das Gegenteil trifft zu“, „Nein, genau das Gegenteil trifft zu“) der Grad an Zustimmung/Ablehnung anzugeben ist. Das Antwortformat ist zwischen Ergebnis- und Prozessskalen leicht differierend. Die Mehrzahl der Items ist positiv gepolt, 28 Fragen negativ (Bsp. Prozessskala Empathie: „7. Vieles von dem, was in mir vorging, schien mein Therapeut nicht zu merken.“). Die Skalen sind so gestaltet, dass sie (zumeist) mehrere Merkmalsfacetten der Wirkprinzipien von Psychotherapie beinhalten. Weiterhin sind am Ende des Bogens zwei offene Fragen (besondere Ereignisse während bzw. nach der Therapie), sechs Fragen zur Soziodemographie und sechs Fragen zur Art der Therapie/Beratung (u. a. Geschlecht des Therapeuten, Anzahl der Sitzungen, Therapiedauer) angeführt. 4. Grundkonzept Der BFTB „wurde mit der Absicht entwickelt, Urteile von Klienten in Bezug auf ihre Therapie und Beratung ... zu
erfassen“ (TM, S. 8). Es handelt sich somit um ein Instrument zur retrospektiven Evaluation von Psychotherapie und psychologischer Beratung aus der wichtigen subjektiven Sicht der Beratenen/Patienten. Der BFTB wurde beginnend 1991 entwickelt, die beiden Erstautoren haben ihre Dissertationen dazu vorgelegt (Fuchs, 1997; Sidiropoulou, 1998). Grundannahme ist, dass alle Psychotherapieschulen „einen gemeinsamen Kern therapeutischer Prozesse“ (TM, S. 10) beinhalten (vgl. etwa Grawe, 1998). Die drei zentralen Wirkprinzipien, die der BFTB erfasst, sind Therapeut/Klient-Beziehung, Einsicht/Klärung und Integration/Verhaltensänderung. Die Prinzipien sind in den 10 Skalen des BFTB wieder zu finden. Eine Tabelle im TM (S. 16) gibt Aufschluss über die schwerpunktmäßige Zuordnung von Wirkprinzipien zu Therapieschulen und BFTB-Prozessskalen. Zur Konstruktion des BFTB wurden literaturbasiert aus einer Vielzahl von Fragebogen Items ausgewählt, die den verschiedenen Merkmalsfacetten entsprechen. Diese wurden im Zuge der Konstruktion alle reformuliert. Ausgehend von einer Expertenbefragung (N = 114 psychotherapeutisch Tätige) und einer ersten Erprobung an N = 265 Personen nach Psychotherapie/Beratung (Analysestichprobe) wurde die vorliegende Version erstellt. Die Anwendung des BFTB ist vor allem für Klienten gedacht, die sich einer Einzeltherapie oder -beratung unterzogen haben, etwa in psychotherapeutischen Praxen oder Ambulanzen. Im stationären Bereich sollte ein Einsatz nur erfolgen, wenn für den Probanden klar ist, „auf wen sich die Aussagen zum therapeutischen Verhalten beziehen“ (TM, S. 9). 5. Durchführung Die Beantwortung des BFTB dauert ca. 25 Minuten. Der Proband füllt den Bogen selbständig aus. Der jeweilige Therapeut, auf den sich die Prozessskalen beziehen, sollte beim Ausfüllen nicht anwesend sein. Da die Befragung in der Regel einige Zeit nach der Therapie/Beratung erfolgt, wird der BFTB sicher oft dem Patienten postalisch zugesandt. Im TM (S. 74–75) sind für diesen Fall zwei Musteranschreiben vorgeschlagen. 6. Auswertung Die Auswertung beansprucht etwa 10 Minuten. Die Antworten der Probanden werden skalenweise als Zahlenwerte auf die beiden Antwortbogen für Ergebnis- und Prozessskalen übertragen. Für positiv und negativ gepolte Items gelten gegensätzliche Rohwertpunkte (1 bis 5). Danach wird ein Rohwertsummenscore für jede Skala gebildet, der anhand der Normwerttabellen (TM, S. 59–64) in T- und Prozentrang-Werte transformiert wird. Die T-Werte werden auf ein Profilblatt übertragen. Für die zufallskritische Auswertung informiert eine Tabelle im TM (S. 50) über Standardmessfehler und Vertrauensbereiche der einzelnen Skalen.
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Wenn bei einer Skala mehr als ein Viertel der Items nicht beantwortet wurde, sollte diese Skala nicht in die Auswertung einbezogen werden. Bei weniger fehlenden Werten können diese durch einen auf die Anzahl der Items bezogenen Skalenmittelwert ersetzt werden (Formel im TM, S. 49).
8. Kritik
7. Gütekriterien
8.2 Der BFTB ist gleichermaßen für Beratung und Therapie konzipiert. In der Beratungspsychologie wird aber sehr deutlich und wohlbegründet zwischen diesen beiden Formen psychologischer Intervention unterschieden. Die prozentuale Zusammensetzung der Normstichprobe erlaubte es durchaus, in den Gütekriterien und Normwerten zwischen Therapie und Beratung zu trennen.
7.1 Objektivität. Durchführungs- und Auswertungsobjektivität sind durch die Fragebogenform mit ausführlicher Anleitung und die standardisierte Art von Durchführung und Auszählung gesichert. Die Interpretationsobjektivität ist durch die Normwerte und Beispiele im TM (S. 51–52) gewährleistet. 7.2 Reliabilität. Das TM enthält Angaben zur internen Konsistenz der Skalen (vgl. Tabelle 1). Den Skalen des BFTB ist demnach eine hohe Zuverlässigkeit zu bescheinigen. 7.3 Validität. Die Skalen und Items des BFTB besitzen inhaltlich-logische Validität. Angeführt sind im TM drei Validierungsbelege: 1) „Inhaltliche Validierung durch theoriegeleitete Itemgenerierung und Expertenbefragung“ (TM, S. 36). 26 Experten beurteilten die Items der Ergebnisskala, 89 Experten verschiedener Therapieausrichtungen die der Prozessskala. Nur wenn 75 % der Befragten das Item für geeignet hielten, wurde es aufgenommen. In einer erneuten Erhebung musste das Item durch die Experten konsistent einer der vorgegebenen Skalen zugeordnet werden, um im Bogen zu verbleiben. 2) „Kommunikative Validierung durch Klienteninterviews“ (TM, S. 37). 38 Klienten der Analysestichprobe wurden interviewt und die Interviews durch trainierte Auswerter nach den Skalen des Fragebogens kategorisiert. Für alle Skalen werden zusammengefasst Übereinstimmungskoeffizienten zwischen Bogen und Interview größer .90 angegeben. 3) „Konstruktvalidierung durch Überprüfung der Skalenstruktur“ (TM, S. 37). Mittels Lisrel-Modellen wurden Ergebnis- und Prozessskalen überprüft. Der Goodnessof-fit-Index betrug .90 für die Ergebnis- und .97 für die Prozessskalen. Angeführt sind weiterhin die Interkorrelationen der Prozessskalen (zwischen .23 Strukturierung/ Echtheit und .87 Durcharbeiten/Deutung). 7.4 Normierung. N = 1.000 Fragebogen wurden an ehemalige Klienten versandt. Die Rücklaufquote betrug 21 % (N = 210, Normstichprobe). Davon entfielen 55 % auf Klienten aus psychologischen Praxen und 45 % aus Beratungsstellen. Das mittlere Alter betrug 37.7 Jahre (SD = 10.1). 71 % (N = 149) waren weiblich. 78 % der Befragten hatten Real- oder höheren Schulabschluss. Die Therapiedauer betrug im Mittel 17.5 Monate (SD = 13.4). Diese lag durchschnittlich 17.5 Monate (SD = 14.3) zurück. Für die Gesamtgruppe sind T-Werte und Prozentränge im TM (S. 59–64) aufgeführt.
8.1 Messgegenstand ist die subjektive Sicht des Patienten auf seine Therapie/Beratung und den Therapeuten und nicht ein „objektives“ Maß für Therapieoutcome. Damit wird ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung in der Psychotherapie/Beratung vorgelegt.
8.3 Das TM ist vorbildlich. Es zeichnet sich durch eine klare und logische Struktur und hohe Lesbarkeit aus. Auf Redundanz und Überflüssiges wurde verzichtet. 8.4 Auf dem Fragebogen fallen sehr kleine Antwortkästchen auf. Hier wäre evtl. das Einfügen von Zahlen hilfreich (auch wenn bei der Auswertung teilweise eine Umpolung erfolgen muss). Ungünstig ist auch der Wechsel des Antwortformats zwischen Ergebnis- und Prozessskalen, auch wenn dies im Bogen erläutert wird. 8.5 Die Auswertung des BFTB ist relativ aufwändig. Die Items müssen skalenweise im Bogen gefunden und teilweise umkodiert auf den beiden Auswertungsbögen vermerkt werden. Diese separaten Auswertungsbögen für Ergebnis- und Prozessskalen könnte man zusammenfassen, da im Fragebogen auch beide Teile gemeinsam vorgegeben sind. Falsch im TM ist, dass die „standardisierte Auswertung des Tests durch Schablonen“ (S. 35) erfolgt. 8.6 In der Stichprobenbeschreibung finden sich keine Angaben zu Therapieart (Schule) oder Therapieindikation (etwa Beratungsgrund, Pathologie) der Befragten. Auch in den Normwerten wäre eine ähnliche Differenzierung – ausreichende Fallzahlen vorausgesetzt – wünschenswert. Die entsprechenden Fragen am Ende des Bogens zur Art der Therapie/Beratung finden im TM kaum Berücksichtigung. Dies schwächt die Aussagekraft der Normwerte. 8.7 Die Rücklaufquote in Analyse- und Normstichprobe war mit jeweils unter 25 % ungenügend. Hier gibt es deutliche Stichprobenverzerrungen: „Therapieabbrüche finden sich kaum in der vorliegenden Studie ... Somit dürften auch die Normwerte ... insgesamt positiver ausgefallen sein“ (TM, S. 25). Auf detaillierte Aussagen zu den Nonrespondern der Erhebungen (Geschlecht, Alter, Therapiedauer, Therapeutencharakteristika usw.) wird im TM leider verzichtet. 8.8 Die angeführten Validierungsstudien sind u. E. nicht umfassend genug. Am ehesten für die Validität sprechen die Lisrel-Modelle. Eine einfache Faktorenanalyse hätte aber evtl. andere Ergebnisse erbringen können. Eine Validierung im Vergleich zu anderen Verfahren, wie z. B. dem Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (VEV, Zielke & Kopf-Mehnert, 1978), wäre wünschenswert. Es sollten sich aber auch Korrelationen zwi-
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schen Ergebnisskala und (geminderten) psychopathologischen Symptomen finden lassen – am einfachsten operationalisiert durch eine simple Einschätzung des jeweils behandelnden Therapeuten. Auch könnten die Urteile verschiedener Klienten über denselben Therapeuten zumindest relativ ähnlich ausfallen – die Daten der Validierungsstichprobe hätten solche und mehr ähnliche Aussagen ohne erneuten Erhebungsaufwand sicher erlaubt. Da der BFTB als katamnestisches Instrument konzipiert ist, sollten die Standards entsprechender Messungen umgesetzt werden, etwa im Vergleich von Prä-/Posttherapieresultaten oder von Behandlungs- und (Warte-)Kontrollgruppe, wobei die Eigenheiten des Instruments natürlich berücksichtigt werden müssten. Der BTFB wurde u. U. im Zuge einer Expertenbefragung entwickelt, deren Ergebnisse gleichzeitig als Beleg für die Validität herangezogen werden. Der Vergleich von Patienteninterviews und Fragebogen ist überaus knapp beschrieben. Unklar bleibt, um was für Interviews es sich handelt und wie die Ergebnisse für die einzelnen Skalen ausgefallen sind. 8.9 U. E. ist für die Beurteilung des Therapieerfolgs und des Therapeutenverhaltens die Zeit seit der Therapie und Beratung wichtig. Das Katamnese-Zeitfenster und evtl. darin aufgetretene Ereignisse sollten daher unbedingt beachtet werden. Nicht umsonst wird am Ende des Bogens nach besonderen Ereignissen seit der Therapie gefragt. Die unterschiedlich langen Katamnesezeiträume in der Validierungsstichprobe erlaubten es sicher, hier differenzierte Werte anzugeben bzw. die Hypothese der Zeitabhängigkeit zumindest zu prüfen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch die Ermittlung einer Retestreliabilität. 8.10 Der BFTB ist mit 130 Items recht umfangreich. Eine Kurzversion wäre im Sinne der Befragten-Compliance (insbesondere bei Therapieabbrechern) wünschenswert. Die hohen Interkorrelationen einiger Prozessskalen (z. B. .83 Wertschätzung und Echtheit oder .78 Durcharbeiten und Emotionszentriertes Arbeiten) deuten auf entsprechende Möglichkeiten hin.
8.11 Die Anwendung nach stationärer Psychotherapie sollte unter o. g. Einschränkungen möglich sein. Für dieses überaus bedeutende mögliche Anwendungsfeld des Bogens werden jedoch leider keine Daten vorgelegt. 9. Empfehlung Der BFTB ist aufgrund seines wichtigen Messgegenstands als Test empfehlenswert. Allerdings steht eine überzeugende Validierung und die Überprüfung der Praxistauglichkeit bislang aus.
Literatur Fuchs, T. (1997). Entwicklung und Validierung eines katamnestischen Fragebogens. Der Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung. Wetterschlick: Wehle. Grawe, K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe. Sidiropoulou, E. (1998). Standardisierung und Normierung eines katamnestischen Fragebogens – Ergebnisse zum Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung. Wetterschlick: Wehle. Zielke, M. & Kopf-Mehnert, C. (1978). Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens. Weinheim: Beltz.
Dipl.-Psych. Hendrik Berth Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Medizinische Psychologie Fetscherstraße 74 01307 Dresden E-Mail:
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Prof. Dr. Elmar Brähler Universität Leipzig Selbständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie Stephanstraße 11 04103 Leipzig E-Mail:
[email protected] DOI: 10.1026//0012-1924.49.4.191