Bericht über die Sondage in Abri 6 am Mt. Hatis in Armenien am 22.9.2007 Das auffällige Doppelabri 6/7 1 befindet sich am östlichen Ende einer steilen Felswand aus vulkanischem Basaltgestein mit Obsidianeinlagerungen. Es liegt 4 km Luftlinie südöstlich vom Gipfel des Mt. Hatis (2540 m) auf 1990 m Höhe. Das Abri 6 ist etwa 12 m breit und 4 m tief, die überdachte Fläche beträgt ca. 50 m². Gleich östlich schließt sich das größere Abri 7 mit jetzt etwa 120 m² Grundfläche an. Dessen ursprüngliche Fläche umfasste mehr als das Doppelte, was aber schwer festzustellen ist, denn der rückwärtige Teil ist durch einen Deckeneinsturz nicht mehr zugänglich. Bereits bei ersten Prospektion 2005 fielen diese Abris auf, da sie viele Vorteile in sich vereinten. Einmal ihre vorteilhaften Lage mit Südausrichtung, einem ausgezeichneten Fernblick, breitem Vorplatz, zum anderen weil Wasser in ihrer unmittelbarer Nähe vorhanden war. Letzteres kommt aus einer heute nur mehr spärlich fließenden Quelle, da während der Zeit der Sowjetherrschaft das Wasser am ganzen Hatisgebiet gefasst und als Trinkwasser nach Yerevan abgeleitet wurde. Bei den Prospektionen 2005 konnten vom Verfasser in der unmittelbaren Nähe der Abris einige Obsidianartefakte aufgelesen werden, die typologisch der Altsteinzeit zuzurechnen sind. 2006 kamen noch weitere Artefakte dazu, unter anderem zwei mesolithische Lamellen, die in dieser Gegend bisher noch nicht gefunden wurden. Aufgrund dieser Ergebnissee war es der Wunsch von Boris Gasparyan vom Institut für Archäologie an der Akademie der Wissenschaften in Yerevan, im Doppelabri eine Sondage durchzuführen. Die Sondage musste aus Zeitgründen kleinflächig bleiben. Es bot sich an, im westlichen Drittel des Abri 6 von Nord nach Süd einen Schnitt von 2 x 1 Meter zu ziehen, wobei je ein Quadratmeter innerhalb und außerhalb der Felsdachkante liegen sollte. Der nordwestliche Eckpunkt des Suchschnittes wurde zum Nullpunkt der Messungen innerhalb der Sondage bestimmt. Zwei Felsvorsprünge am Boden des Abris dienten zur messtechnischen Fixierung desselben, und durch an diesen Stellen eingeschlagenen Nägel ist der Schnitt leicht wieder zu finden.2 Bereits nach dem Abziehen der obersten, 5 -10 cm dicken Schichten, bestehend aus Kuhund Schafmist, vermengt mit Erdreich, kamen im nördlichen Quadratmeter die ersten Funde zutage. In der NW-Ecke des Schnittes kam in 5 cm Tiefe ein stark verrostetes Stück Eisenblech zum Vorschein, etwa halbmondförmig, 6 x 10 cm groß, 4 mm dick. Der Verwendungszweck war durch den schlechten Erhaltungszustand nicht mehr feststellbar. In 3 cm Tiefe erschien der Rand eines großen zylindrisches Keramikgefäßes. Es war im Boden eingelassen, innen und außen unglasiert und hatte einen Innendurchmesser von 51 cm sowie eine Wandstärke von 5 cm. Verfüllt war das Gefäß mit Schutt und Erdreich. In 15 1
Die Zählweise der Abris hat sich bei den Surveys 2005 und 2006 so ergeben, mittlerweile sind es neun Abris und eine Höhle, die vom Verfasser an den Süd- und Osthängen des Mt. Hatis dokumentiert wurden
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Siehe beigefügte Grabungsskizze.
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cm Tiefe in der Verfüllung eingebettet waren zwei kleine, glasierte Keramikscherben, die wohl als neuzeitlich anzusprechen sind. Das Gefäß wurde bis in 15 cm Tiefe ausgeräumt, die genaue Gefäßhöhe konnte nicht festgestellt werden. Der nächste Fund, etwa 40 cm vom Gefäßrand entfernt lag in 5 cm Tiefe, ein dreieckiges, 5 x 3 cm großes Steinartefakt aus schwarzem Obsidian, mit einer deutlich ausgeprägten Kerbe an der Basis des Dreiecks. Solche Geräte waren bei den Surveys von 2005 bis 2007 relativ häufig zu finden. Boris Gasparyan bezeichnet sie als „notched scrapers“, sie wurden im Neolithikum zum Glätten von Pfeilschäften verwendet. Im Nordquadrat wurde die Grabung nach 10 cm Tiefe beendet, da durch das eingegrabene Keramikgefäß die Schichtabfolge als gestört zu betrachten war. Im Südquadrat erschien unterhalb einer 10 cm dicken Schicht aus Erde und Kuhmist eine hell-ockerfarbene Lehmschicht von etwa 20 cm Stärke, die mit kleinen Basalt- und Obsidianbruchstücken durchsetzt, jedoch frei von Artefakten war. Erst in 30 cm Tiefe, innerhalb der nächsten Schicht, die aus einer Lehm- Aschemischung bestand, befanden sich drei Knochenfragmente. Ein Fragment konnte der Archäozoologe Christian Küchelmann als Teil eines Vogelflügels bestimmen, die zwei anderen waren nicht zuzuordnen, eines davon war angekohlt. In der nächsten, ebenfalls lehmigen Schicht, kamen in 35 cm Tiefe zwei Keramikfragmente zum Vorschein. Diese wurden von den Experten Sandra Heinsch und Boris Gasparyan übereinstimmend als mittelalterlich bestimmt. Wie schon erwähnt, konnte aus Zeitgründen nicht tiefer gegraben werden, die Grabung wurde am 27.09. mit dem Aushubmaterial wieder verfüllt.
Fazit: Es ist offensichtlich, dass bereits diese kleine Sondage interessante Ergebnisse erbrachte, umso mehr wäre eine umfangreichere Grabung wünschenswert. Die zwei auffallend großen Abris 6 und 7 erscheinen besonders aussichtsreich, um neues Wissen in Bezug auf die armenische Stratigrafie zu erhalten, die speziell im Übergang vom Jungpaläolithikum zum Neolithikum lückenhaft ist. Grabungen in ähnlichen Abris in Europa haben meistens neue wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht. Isabella Wimmer, Studentin der Altorientalistik an der Universität Innsbruck, ist für ihre Mitarbeit an dieser Sondage besonders zu danken.
Burkhard Weishäupl Dr.-Karl-Ott-Str. 21a A- 6071 Aldrans
[email protected]
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Grabungsfläche
Größe und Lage der Fundobjekte Größe in mm Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8
Beschreibung Eisenblech Keramikgefäß, Mittelpunkt Obsidianartefakt Keramikfragment 1 Keramikfragment 2 Knochenfragment 1 Knochenfragment 2 Knochenfragment 3
Lage in cm
L
B
D
X
y
Z
60
100
4
50 74 53 24 28 37
30 45 37 6 18 15
8 7 8 4,5 3,5 4
12 44 82 143 138 193 178 191
88 74 50 76 28 7 50 77
5 3 5 35 35 30 30 30
3
Grabungsskizze
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. Lage des Doppelabris
Grabung und Lage von Fixpunkt 1
Nordquadrat in 10 cm Tiefe
Ansicht
Profil
Ende der Grabung
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Keramikfragmente
Obsidiangerät, dorsal
Knochenfragmente
ventral
retuschierte Funktionskante
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