Bericht über das Symposium Die Bedeutung, die optische und akustische Darbietung und die Aufgaben einer Musikinstrumentensammlung

June 4, 2017 | Author: Emanuel Winternitz | Category: Organology, Baroque Music
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STUDIA MUSICO-MUSEOLOGICA

Bericht tiber das Symposium DIE BEDEUTUNG, DIE OPTISCHE UND AKUSTISCIIE DARllIETUNG UND DIE AUFGABEM EIMER MUSIKINSTRUMEUTElfS.AMMLUNG

Veroffentlicht vom Germanischen Nationalmuseum, Niirnberg, in Zusammenarbeit mit dem Musikhistorischen Museum zu Stockholm

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'l&.c .S:i'f

INliALTSVERZEIC!IliIS

Vor11ort

s.

1-3

Victor Luithlen Begrilasung

s.

4-5

Emanuel Winternitz Uber Musikinstrumentensammlungen des Friihbarock

s.

6-18

Ernst Emsheimer Entm.trf zu einem Musikinstrumentenmuseum

s.

19-31

John Henry van der Meer Die Musikinstrumentensammlung des Germaniachen Nationalmuseums und ihre Darbietung

s.

32-47

Jeannine La.mbrechts-Douillez How to look at a Collection of Musical Instruments with Historical Ears

s.

48-54

Emil Hradecky Die Darbietungsprobleme einer Musikinstrumenten:5ammlung in historischen Ausstellungsraumen

s.

55-63

Luisa Cervelli Museographische Kriterien und Arbeitsplanung, dargestellt anhand der Instrumentenmuseen von Rom und Neapel

s.

64-67 .

Vinicio Gai Einige Aspekte der graphischen und photographischen Darstellung von Musikinstrumcnten in Museumskatalogen

s.

68-79

Alfred Berner Das 19. Jahrhundert im lJusikinstrumenten-Museum

s.

80-89

Ivan Mac8.k Zur theoretischen Zielsetzung einer Instrumentendokumentation

s.

90-97

Claudie Marcel-Dubois The Objectives of Music and Musical Instrument Collections in a Uational Ethnological Museum

s.

98-102

Friedemann Hell11ig Aufgabenstellung und Mcthode bei der Restaurierung von Musikinstrumenten

s.

103-112

H. de Chambure The Restoration of Harpsichords at the Paris "Musee Instrumental du Conservatoire National Superieur de Musique" '•

s.

113-116

s. s.

117-125

John Barnes Some Restoration Problems in the Russell Collection discussed in the Light of "Provisional Recommendations" by Mme. de Chambure, Prof. Berner and Dr. van der Meer Teilnehmerliste

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University or iowa

LIBRARIES

126

6 E1'1AJ:.iUE1 \HlTTERUITZ, lTew York UBER l\TUSIICiirnTRU1!ENTB:JSAI!J,!LUNGEH DES FRUHBAROCK

It is a particular honour and pleasure - es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude - to follow your invitation to talk here today - Ihrer fretmdlichen Einladung Folge zu leisten, heute hier zu sprechen. Und um nicht zweispannig fortzufahren, vor allem aus Grtinden der Zeitersparnis, »ill ich mich gleich auf ein Pferd beschranken. Ich habe die zvreifelhafte Wahl zwischen cinem Viennese-American English und einem Wienerischen Deutsch einem einigermassen eingerosteten, verblassten und ungelenken Deutsch, Darf ich das zweite vorschlagen, da ja fast alle hier Deutsch sprechen. Mein Thema istc Uber !.!usikinstrumentensammlungen des Friihbarock. Ftirchten Sie nicht, dass ich jetzt die beriilllllten Inventare vorlesen oder excerpieren vrerde, die Inventare der !:ledici 1 s und der Venetianer, der Fugger und Habsburger, der englischen und franzosischen Konige mit ihren Gebrauchsinstrumenten und den Prachtexemplaren in den ::unst- und Wunderkammern, von denen einige, leider nur ganz wenige, ihren ':leg in unsere heutigen Sammlungen gefunden haben. Ich habe einen anderen Vorschlag. Ich mochte nicht von den Sammlungen und Sammlern ausgehen, sondern von den neuen grossen Ideen ihrer Zei t, j enen l.loden oder Denkungsweisen, die dem Sammeln im 16. und 17. Jahrhundert seine Richtung gcben und dea Sammlungen selbst ihren Stempel aufdriickcn, ihr Eigenart verleihen; oder, wenn Sie wollen, die Barocksammlungen im Lichte der Kulturideale ihrer Zeit verstehen, und Ihnen vielleicht noch einige charakteristische Instrumente vorstellen. \fonn wir versuchen, Jahrtausendc zu iiberblicken, gelangen wir zu einer Untcrscheidung zwischen verschiedenen Arten von Instrumentensammlungen, Der wichtigste Typus vrar vrohl, was wir heute eine Gebrauchssammlung nennen wtirden: in den grossen Kulturen des Altertums, wie z.B, in China, in 1i.gypten oder in Israel, miissen mit der Organisierung der grossen Orchester l.Iagazine eingerichtet vrorden sein, in denen die Berufsmusiker ihre Instrumente aufbevrahrten, stil'llllten und reparierten, Diese ifogazine miissen vrohl auch jene Prachtstiicke enthalten haben, von denen sich einige, besonders aus i\gypten und aus Ur, bezeichnenderrreise Gegenden mit trockenem Klima, erhalten haben, Uber die Grosse und Vielfal t der m:i,_ttelal t~erlichen Orchester unterrichten uns vor allem Dildzeugnisse 11ie i1!iniaturen, z.B. jene in den Cantigas de Santa ilaria und spater die zahllosen Engelskonzerte in Fresken, in anderen Gemalden und in Reliefs, In der Renaissance beginnt sich eine Differenzierung anzubahnen; vrir finden einerseits die Instrumentarien fiir praktischen Gebrauch in den

7 "Instrumentenkammern" der Kirchen, Kloster und Hofhaltungen; die weitaus grosste Sammlung dieser Art gehorte Henry VIII, der ausser seinen englischen Minstrels und Trompetern ansehnliche hollandische, spanische und i talienische Ensembles beschaftigte; anderseits rrissen wir durch zahlreiche Berichte und Inventare von Prachtinstrumenten als Bestandteilen der hofischen "Kunstund Wunderkammern" und Il.aritatenkabinette, wo sie "zur Ergotzung des Auges und des Ohres" aufbewahrt wurden, zusammen mi t einer bunt en Fiille von anderen Kuriosa wie Muscheln, Edelsteinen, Hornern von lTarwalen und Einhornern und spater, seit dem Quattrocento, antiken Kleinbronzen und Antiken, Die beriihmte florentinische Kunstsammlung des Bildhauers Ridolfo Sirigatti, die ergotzlich in Raffaele Borghinis "Riposo" beschrieben ist, enthalt zum Beispiel neben flamischen Landschaften, alten Statuen, Werken von Michelangelo und Sansovino, eine grosse Zahl von schonen Instrument en "d 1 avorio e d' ebano" und "Ilostri di Pesci secchi naturali". !Tordlich der Alpen waren unter anderen die bedeutenden Sammlungen der Fugger in Augsburg, mit nicht weniger als 140 Lauten im Inventar von 1566, das viele Hinweise auf die kostbaren Material en enthal t; die grosse Ir,strumentenkammer des Erzl1erzogs '.Carl von Steiermark in Graz, die hauptsachlich Auffiihrungszwecken diente; und die Sammlung im Schloss Ambras bei Innsbruck, eine typische Kunstkammer, die von einem ausgezeichneten Kunstliebhaber und Kenner, Erzherzog Ferdinand von Tirol angelegt worden ist. Sie kennen wahrscheinlich alle die erhal tenen Prachtstiiclrn, Und siidlich der Alpen? Statt einer Aufzahlung will ich Sie auf Franscesco Sansovinos Venezia Citta llobile et Singolare Descritta, 1581, verweisen, ein Buch, das nicht weniger als vier "studi di musica" in Venedig erwahnt; und ausserdem auf die noch viel alteren Schatze der Hofe der Medici, der Isabella d 1 Este in Hantua, und in den beiden musikfreudigen Residenzen des Federigo da Hontefeltre in Urbino und Gubbio hinweisen, von denen sich kaum ein Instrument erhal ten hat, van denen wir aber wissen durch die zahlreichen grossartigen musikalischen Intarsien, die dort \1ie auch in Mantua die studioli nchdickton, Zwei dieser Prachtinstrumente, beide heute in unserer Sammlung im

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Metropolitan !Iuseum in Hew York, mochte ich rasch . Jrfiihren. Das erste ist eine Fidel, durch ihren Sichelkopf einem Rebeo verwandt, norditalienisch aus dem 14. Jahrhundert ( s. E. Flinternitz, Die schonsten r.rusikinstrumente des Abendlandes. Hiinchen 1966. S. 56 ff.) Dieses beriihmte, besonders kunstvoll geschni tzte Instrument aus Buchsbaumholz kommt dem Rebec des spat en Mi ttelal ters und der Renaissance hinsichtlich seiner Form sehr nahe. Das Rebec hatte ein gurken- oder birnenformiges Korpus und einen siohel-

8 fOrmigen Wirbelhal ter; es vmrde mi t einem Degen gestrichen und hauptsachlich zur Tanzmusik verwendet, Das abgebildete Exemplar hat ein breites Griffbrett; eine gotische Rosette aus Holz mit einem Bandmuster erstreckt sich liber die volle Breite der Decke des Resonators. Die Einkerbungen am Sattel des Griffbretts und flinf Locher am unteren Ende des Korpus lassen erkennen, dass das Instrument mit flinf Saiten bespannt war, Die lhrbel sind leider verlorengegangen, Die Rlickseite des Instruments ist von oben bis unten mit geschnitzten Hochreliefs bedeckt, Der sichelfOrmige rlirbelhal ter endet in einem grossen Blatt, das die Figur einer sitzenden Lautenspielerin umschliesst. Auf dem Hals der Fidel sind ein Tierkopf sowie eine stehende menschliche Gestalt und darunter gotische Blattornamente dargestellt. Im mittleren Abschnitt des Resonanzbodens schreitet Arm in Arm ein Liebespaar. Der gutgekleidete

Jlingling tragt einen Falken, und zu Flis sen der Jungfrau spiel t ein Hiindchen •• , Aus dem dichten Laub liber den Hauptern des Liebespaares schaut Gott Amor mit gespanntem Bogen hervor, Am unteren Ende des Schallkastens erkennt man einen springenden Hirsch. An den Augen der Menschen- und Tierfiguren sind kleine Elfenbeinstifolrn eingesetzt. Die Reliefs auf der Riicksei te des Korpus wurden aus einem starken Stuck Holz in Tiefschnitzerei herausgearbeitet, ein Faktor, der zvrnifellos den !Clang des Inst:cuments beeintrachtigt. Ein anderes Prachtinstrument, ein Spinettino, dessen Schicksal innig mit der urbinatischen Tradition vcrbunden ist, habe ich durch einen gllicklichen Zufall vor wenigen Jahren in ilcu York gefunden (s. E. Winternitz, a.a.O,

S. 88 ff,), Das Spinettino ist nur eines von verschiedenen Tasteninstrumenten, deren Saiten entweder durch Vogelfederkiele oder Lederplektren angerissen werden. Zu den grosseren Formen zahl ten die i talienische su.i.nctt·r. und die franzcisischc epinette, deren lTamen sich wahrscheinlich von spina ablei ten, was soviel 11ie Dorn oder Stachel bedeutet. Das kleinste Instrument dieser Art war das _spinettino. Es vmrde in vielen Forrien gebaut, beispielsrreise mit trapezformigem oder flinfeckigem Kasten, Die meisten der frliheren Typen hatten den Stimmstock - cine Holzleiste, in welche die Stimmnagel eingeschraubt sind - an der rechten Seite, und die Saiten spannten sich parallel zur Klaviatur von links nach rechts iibor den Resonanzkasten.

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Uber die Frlihgeschichte der Federkielinstrumente ist noch relativ wenig bekannt; sovrnit sich jedoch liberschauen lasst, zahlt unser Exemplar zu den ersten Instrumenten seiner Art. Dieses venezianische Spinetto, das var cinigen Jahren vom Uetropoli tan Iv!useum of Art errrorben m1rde, ist in mehrfacher Hinsicht einmalig, Es ist so ausgezeichnet erhalten, als hatte cs erst gestern die Werkstatt des i.!Gisters verlassen; es befindet sich noch

9 in einem vollkommen spielfahigen Zustand. Die Verzierung rrirkt unaufdringlich ist jedoch in ihrer subtilen Verbindung von Schnitzerei und Intarsien von grosster Feinheit und Eleganz. Wie bei allen italienischen ·:rasteninstrumenten ragt die Klaviatur et11as vor. Sie besteht aus dreissig weissen und zrranzig schwarzen Tasten und '.1ird rechts und links von vorspringenden Wanden eingefasst, die kunstvoll geschnitzt und bemalt sind. Auf dem oberen Rand dieser seitlichen Begrenzung sitzen je eine Schlange und ein teilrreise von Laub bedecktes Ungeheuer, auf dessen Kopf ein fli.igeltragendes Weib mit Ziegenfi.issen ruht. Beide Seite11 sind mit geschnitztcn Z·:,-oi2;on, BlB.t±.crn und Frucht-

mustern bedeckt. Unterhalb dieses Zierats sind an den Aussenseiten jener Begrenzungsbrettchen goldene Spiral en auf dunklem Grund gemal t. Das hin·ber der Klaviatur befindliche Vorsatzbrett zoigt abwechselnd Quadrate mit geometrischen Figuren in Perlmuttintarsien "alla certosina" - 'uenannt nach den Arbei ten der Kartausermoncho -

und Quadrate mi t gotischem Hasswerk

auf blauem Untergrund. Rechts und links der Klaviatur ist das Gehii.use des Spinetts mit stilisierten Blumen- und Blattmustern in Einlegearbeit aus Ahorn-, lfahagoni- und Gummibaumholz verziert. Elfenbeinkni:ipfe schmi.icken die Rander des Resonanskastens smvie die Teilung znischen den Frontintarsien und den Feldern mi t dem gotischen lfassrrerk. Die Dockenleiste und ihre Deckknopfe sind aus verschiedenen Holzschichten gefertigt. Das auf der vorderen Halfte des Resonanzbodens angebrachte Schalloch hat gotische Form. Unmittelbar Uber den Tasten ist unterhalb des Vorsatzbretts eine Holzleiste befestigt, auf der folgendes li!otto zu lesen ist' Riccho son d'oro - et riccho son di suono (Ich bin aus Gold und Schall gemacht, Non mi sonar si tu non ha del buono• 0 spiel mich nicht, wenn dir das Herz nicht laoht,) Diese Leiste, die entfernt werden kann, tragt auf ihrer RUcksei te eine in der italienischen Kanzleisprache jener Zeit abgefasste Inschrift; "Ordinata e fatta per Sua Eccelenza la Sig. Duchesa D'Urbino L'anno di lJostra Salute 1540 e pagata. 250 Scudi Romani" (Bestellt und gefertigt fi.ir Ihre Exzellenz,

die Herzogin von Urbino, ir.1 Jahre 1540 unserer Zeitrechnung und bezahlt, 250 ri:imische Saudi). f

Die Vorliebe fiir schi:ine 1Iusikinstrumente gehi:irte zur Familientradition des alten italienischen Fi.irstenhauses Este. Eleonora della Rovere, die Tochter von Isabella d'Este, spiel te nicht nur vollendet !Clavichord und Laute, sondern tat sich auch als Kennerin und Sammlerin von Instrumenten hervor. Isabella \>achte eifersUchtig Uber die kostbaren Instrumente, die sich am Sforzahof in lfailand im Besi tz ihrer Schwester Beatrice befanden,

10 in der Absicht, sich diese nach dem Ableben ihrer Sch1


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