Problemlösungsprozesse initiieren
Beobachten und Bewerten Falko E. P. Wilms Beobachtung, Bewertung und Bedeutung werden maßgeblich davon geprägt, wie das Bedeutsame beobachtet, gedeutet und bewertet wird. Ausgangspunkt Die Systemtheorie und die Kybernetik 2. Ordnung spricht immer vom Beobachter des Beobachters, wobei ein Beobachter entweder sich selbst 1 oder einen anderen Beobachter 2 bei einer Beobachtung beobachtet. Was soll das bedeuten? Im betrieblichen Alltag kommt es entlang arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse immer wieder zu Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen den Beteiligten über aktuelle Ist-Zustände und Problemlagen. Viele dieser Schwierigkeiten haben ihre Ursache darin, dass nicht zwischen der Beobachtung und ihrer Deutung bzw. Beurteilung unterschieden wird.
visuellen Sachverhalten beobachten könnte: Welche Objekte / Akteure machen mit welchen Prozessen/ Methoden was an welchem Ort mit welchen Werkzeugen? Im Meeting können die von der Teamleitung eingesetzten Charts, Folien, Schaubilder und Schriftstücke erfasst und (hoffentlich) später erinnert werden, wobei den zentralen Visualisierungen eine besondere Bedeutung zukommt.
Abb. 3: Mentale Deutung und Bewertung
Andere Bezugspunkte für die zur Bewertung herangezogene Ordnungsrelation werden im Rahmen von selbst gemachten Erfahrungen nach und nach zur Gewohnheit wie kulturelle Vorlieben (z. B. die Verwendung von Messer und Gabel oder von Stäbchen bei einem guten Essen) und sozialisationsbedingte Gewohnheiten (z. B. erholsame Entspannung durch Fernsehen oder durch einen Theaterbesuch).
Beobachtung des Beobachters Selbst gemachte Erfahrungen und durchlaufene Ausbildungswege formen mit der Zeit den Erfahrungsschatz und das Hintergrundwissen eines Menschen aus. Beides hat Auswirkungen auf die individuelle Fähigkeit zur Beobachtung und erst recht auf die Fähigkeit zur Deutung und Beurteilung eines Beobachtungsobjektes, Abb. 4.
Beobachtung Ein Beobachtungsergebnis ist kaum geprägt von dem beobachteten Sachzusammenhang, Objekt oder Akteur. Vielmehr ist das Ergebnis einer Beobachtung streng abhängig von dem Prozess des Beobachtens und den Fähigkeiten des Beobachters (sei es ein Mensch oder ein Sensor). Beispielsweise kann man einen Projektleiter zugleich mit einem Mikrophon und mit einem Geigerzähler beobachten. Das Mikrophon wird dann seine abgegebenen Worte beobachten und dokumentieren, seine abgegebene ionisierende Strahlung wird es dabei vollkommen unbeachtet lassen. Der Geigerzähler hingegen wird seine abgegebene ionisierende Strahlung beobachten und seine abgegebenen Worte nicht aufnehmen. Ein Beobachtungergebnis hängt also immer von der Art des Beobachtungsprozesses ab und die dazugehörige Beschreibung hängt maßgeblich ab von den Fähigkeiten des Beschreibenden (Mikrophon und Geigerzähler haben verschiedene Fähigkeiten und beobachten daher unterschiedliche Beobachtungsobjekte).
Menschliche Beobachtung Eine menschliche Beobachtung hängt also ab von der Art des Beobachtens und den Fähigkeiten des Beobachters. Was heißt das nun für den Anwendungsfall, dass ein Teammitglied den Teamleiter in einem Meeting beobachtet?
Abb. 1: Beobachtung mit den Augen
Eine Beobachtung mit den Augen (Abb. 1) kann inhaltlich eigentlich nur das erfassen, was auch ein Fotoapparat oder eine Videokamera an
TrainerJournal 2/15 - Nr. 85
Abb. 2: Beobachtung mit den Ohren
Eine Beobachtung mit den Ohren (Abb. 2) kann nur das an auditiven Sachverhalten erfassen, was auch ein Mikrophon oder Hörgerät beobachten könnte: Welche Geräusche sind wahrnehmbar, welche Worte, Sätze, Sprache(n) werden wie laut mit welcher Betonung, Melodie, Deutlichkeit und Tempo verwendet? Im Meeting kann die Art und Weise des Sprechens erfasst und (hoffentlich) später erinnert werden, wobei den Schlüsselworten eine besondere Bedeutung zukommt.
Deuten und Bewerten Eine Deutung und Bewertung einer Beobachtung ist ebenfalls abhängig von dem Deutenden bzw. dem Bewertenden. Eine bewertende Deutung oder eine deutende Bewertung bedarf der kognitiven Zuordnung eines wie auch immer zustande gekommenes Beobachtungsergebnisses zu einer konstruierten Ordnungsrelation. Die Basis der verwendeten Ordnungsrelation hat keinerlei materielle Existenz, sondern immer einen kognitiven, mentalen Charakter, der stets auf einen oder mehrere theoretische Bezugspunkte verweist. So kann man z. B. die unterste Figur in der Gedankenblase in Abb. 3 unterschiedlich deuten: sieht die Figur in Richtung des oberen Pfeils, kann ein Hase mit langen Ohren erkannt werden; sieht sie Figur hingegen in Richtung des unteren Pfeils, dann kann ein Schnabeltier erkannt werden: Die Deutung der Sehrichtung der Figur (als Bezugspunkt der Deutung) prägt das Beobachtungsergebnis. Viele der für eine Deutung oder Beurteilung herangezogenen Bezugspunkte werden im Rahmen von Ausbildungswegen eingeübt, z. B. Vorgehensregeln in einer Fachdisziplin, soziale, ökonomische und ökologische Zielstellungen, Kategorien des logischen Denkens, Skalierungen verschiedener Messmethoden und ihre Funktionalität der Unterscheidbarkeit oder aber Ober- und Untergrenzen der Belastbarkeit.
Abb. 4: Beobachtung des Beobachters
Hier setzt der Dialog als besondere Form des direkten Gesprächs in der menschlichen Begegnung an und lässt während des gesamten Gesprächs die Frage „Wie kommst Du dahin, dass Du ... so beobachten und deuten bzw. beurteilen kannst, wie du es tust?“ mitschwingen, damit die Beteiligten eigene und fremde Beobachtungen und ihre Deutungen bzw. Beurteilungen erkundet werden können.
Fazit Beobachtungergebnisse hängen vom Beobachtungsprozess ab, Beschreibungen hängen ab von den Fähigkeiten des Beschreibenden und Deutungen / Beurteilungen hängen ab von den jeweils benutzten theoretischen Bezugspunkten bzw. den eigenen Wissenslandkarten im Kopf. In gemeinsamen Problemlösungen sind diese Einzelheiten deutlich voneinander zu trennen und in dialogorientierten Gesprächen für das Lernen zugänglich.
Dr. Falko E. P. Wilms
arbeitet als Trainer, Faciliator, Berater und Hochschullehrer. Er leitet die Studiengruppe für Organisations-Entwicklung an der FH Vorarlberg in Dornbirn, Österreich.
[email protected] | www.staff.fhv.at/wf
1
Vgl.: v. Foerster, H.: KybernEthik, Berlin 1993, S.64 Luhmann, N.: Am Ende der kritischen Soziologie; in: Zeitschrift für Soziologie, 20. Jg., 1991, S. 147–152, hier S. 149 2
Methoden - 25