Ausgrabungen an Höhensiedlungen in der Makroregion Nebra (99-102)/Lehrgrabung in der Salzsiedersiedlung Erdeborn (103-108). In: H. Meller (Hrsg.), Zusammengegraben – Kooperationsprojekte in Sachsen-Anhalt. Archäologie in Sachsen-Anhalt Sonderband 16 (Halle/Saale 2012)

July 7, 2017 | Author: Peter Ettel | Category: Bronze Age Europe (Archaeology), Archaeological Excavation, Prehistoric salt production, Hilltop Settlements
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Kooperationsprojekte Ausgrabungen an Höhensiedlungen in der Makroregion Nebra Peter Ettel (Jena)

Thema/Schlagwort: Mitteldeutschland, Süddeutschland, Slowakei, Befestigungsbau, Zentralort, Gesellschaft, Früh-/Mittelbronzezeit Fach-/Arbeitsrichtung: Vor- und Frühgeschichte Institution: Friedrich-Schiller-Universität Jena Bereich Ur- und Frühgeschichte Löbdergraben 24a, o7743 Jena Forschungsschwerpunkt: Vor- und Frühgeschichte Metallzeiten, Früh-/ Hochmittelalter, Höhensiedlungen, Burgen

Kurzskizze: In Mitteldeutschland kam es am Übergang von der Früh- zur Mittelbronzezeit zur Gründung von Höhensiedlungen. Diese Entwicklung wird über die Verbindung mit Südosteuropa zu sehen sein, wo ein großräumig wirksamer Prozess der Zentrumsbildung mit teils vor- und frühurbanen Strukturen sichtbar wird. Je weiter man sich von den Zentren entfernt, scheinen einerseits Höhensiedlungen eine geringere Rolle insbesondere nach Norden hin zu spielen, andererseits vor allem der Bau von Befestigungen auf Höhensiedlungen quantitativ und qualitativ abzunehmen.

Höhensiedlungen – zum Stand der Forschung In Mitteldeutschland kam es am Übergang von der Früh- zur Mittelbronzezeit zur Gründung von Höhensiedlungen. Diese Entwicklung wird in Verbindung mit Südosteuropa zu sehen sein, wo ein großräumig wirksamer Prozess der Zentrumsbildung mit teils vor- und frühurbanen Strukturen

Projektleitung: Prof. Dr. Peter Ettel, Jena Forschungsschwerpunkt: Vor- und Frühgeschichte, Bronze-/Eisenzeit, Siedlungen, Burgenbau Anzahl Mitarbeiter im Kooperationsprojekt: 1, außerdem Studierende sowie zeitweise beschäftigte Personen Dauer: 2oo5–2o11

Für Mitteldeutschland an der nördlichen Verbrei­ tungsgrenze kennt man seit den Arbeiten von Coblenz (1982) und Simon (199o) etwa ein Dutzend Höhensiedlungen. Insgesamt muss man jedoch feststellen, dass der Forschungsstand sich auf Lesefundmaterial und wenige, meist schon in älterer Zeit vorgenommene Grabungen stützt, die keine sichere Ansprache des Befestigungsaufbaus und keine Beurteilung der Innenbebauung ermöglichen. Diesem Forschungsdesiderat wird seit 2oo5 mit neuen Untersuchungen im Teilprojekt »Die Höhensiedlungen der Mikro- und Makroregion Nebra« innerhalb der DFG-Forschergruppe nachgegangen.

sichtbar wird (Chropovský 1982; Gedl 1985; Jockenhövel 199o; Simon 199o; Ettel 2o1o). Die Anzahl der Höhensiedlungen in Mitteleuropa beträgt annähernd 28o (Abb. 1). Die Konzentration in der Slowakei, insbesondere im südwest- und angrenzenden mittelslowa­ kischen Gebiet, tritt deutlich zutage. Die archäologisch untersuchten Burgen in dieser Region

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100 km

Legende Höhensiedlung

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befestigte Höhensiedlung

Abb. 1 Frühbronzezeitliche Höhensiedlungen in Mittel­ europa. Kartiert sind Deutsch­ land, Tschechien, Slowakei, Polen, Österreich und Schweiz nördlich des Alpenkamms.

vermitteln mit aufwändigen Holz-Erde-Konstruktionen und auch steingeschützten Befestigungen wie z. B. Spišský Štrvtok und Nitriansky-Hrádok (Vladár 1977; Točik 1981; Marková 2oo1; Havlice/ Hrubý 2oo2) zweifellos einen Eindruck von mili­ tärischer Stärke. Die Burgen weisen zudem eine funktional gegliederte, sozial differenzierte Struktur und Bebauung auf und besitzen nahezu pro­ to­ urbanen Charakter mit Arbeitsteilung, Werkstattviertel und Gemeinschaftsleistungen wie Befestigungsmauer und Kultstätten. Je weiter man sich von den Zentren entfernt, scheinen einerseits Höhensiedlungen eine geringere Rolle insbesondere nach Norden hin zu spielen, andererseits aber vor allem der Bau von Befestigungen auf Höhensiedlungen quantitativ und qualitativ abzu­ nehmen. Für Mitteldeutschland ist die Bedeutung der Aunjetitzer Höhensiedlungen erst durch die Arbei­ ten von Coblenz 1982 und vor allem Simon 199o in das Bewusstsein getreten1. Ferner ist es Simon (1991) gelungen, mit der Rudelsburg eine der bislang in der Fülle des Fundmaterials am besten bekannten frühbronzezeitlichen Höhensiedlungen in der Region um Nebra herauszuarbeiten und gleichbedeutend neben die bereits länger bekannten wie Arnstadt und Dohna in Mitteldeutschland zu stellen. Insgesamt sind für den mitteldeutschen Raum nach Simon (199o) ca. 12 Höhensiedlungen bekannt. Neben Rudelsburg, Mutzschen und Dohna handelt es sich um Langenstein, Quenstedt, Halle-Moritzburg, Querfurt, Grabe, Orlishausen, Arnstadt, Göhrich und Löbsal. Römhild liegt bereits südlich der Mittelgebirge. Zwei Höhensiedlungen waren demnach in Mitteldeutschland befestigt –  Mutzschen und

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Quenstedt, wo jeweils ein Graben belegt ist  –, der weitaus überwiegende Teil der Höhensiedlungen ist bislang als unbefestigt einzuordnen. Die Höhensiedlungen scheinen erst in der zweiten Hälfte oder gegen Ende der Frühbronzezeit gegründet worden zu sein und teilweise bis in den Übergang zur Mittelbronzezeit bestanden zu haben. Die Genese der einzelnen Fundplätze macht deutlich, dass es sich um mehrmals aufgesuchte und genutzte, dazu oftmals befestigte Höhensiedlungen handelt. Ihre topographische Lage an wich­ tigen Kommunikationswegen wie Flüssen und Pässen ist auffallend und spricht für eine verkehrsgeographische und -regulierende Bedeutung bei Tausch und Handel. K. Simon hat darüber hinaus die Nähe der Höhensiedlungen zu Kupferlagerstätten, Salzsie­ dertum herausgestellt und versucht, in Verbindung mit Großgrabhügeln, Deponierungen, Metallerzeugnissen, Briquetage, Importgütern, eingeführten Rohmaterialien, die Fernkontakte und weit verzweigte Handelsverbindungen belegen, die Funktion der Höhensiedlungen im Sozialgefüge der Früh-/Mittelbronzezeit in Anlehnung an südosteuropäische Verhältnisse zu verstehen. Folgerichtig hat er die Höhensiedlungen der älteren Bronzezeit im Elb-Saale-Gebiet als regionale, politisch-administrative und ökonomische Zentralorte interpretiert. Ist die Bedeutung der Höhensiedlungen in Mit­ teldeutschland somit seit den Arbeiten von Simon grundsätzlich bekannt, so muss man jedoch feststellen, dass der Forschungsstand sich auf Lesefundmaterial und wenige, meist schon in älterer Zeit vorgenommene Grabungen stützt, die keine sichere Ansprache des Befestigungsaufbaus

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ermöglichen, kaum Siedlungsbefunde erfassten des Mittelalters auch durchaus gegeben ist. So und schon gar nicht eine Gesamtbeurteilung der konnten eine Reihe spätbronze- und früheisenInnenbebauung erlauben. Auf dieser Basis ist für zeitlicher Siedlungsbefunde dokumentiert werden. Mitteldeutschland bislang keine übergeordnete Eindeutige frühbronzezeitliche Befunde fehlten weitergehende Diskussion über Bedeutung und jedoch nahezu gänzlich und auch die frühbronzeFunktion der Höhensiedlungen in der Frühbron- zeitlichen Funde sind gegenüber den früheren zezeit zu führen. Damit bleibt die Frage: Handelt Lesefunden deutlich unterrepräsentiert. Eine es sich in Mitteldeutschland tatsächlich um Zen- intensive Besiedlung in der Frühbronzezeit ist so tralorte von Macht, Herrschaft, Wirtschaft und –  zumindest in den untersuchten Bereichen  – auf Kult, die die Funktion von befestigten Kontroll­ der Rudelsburg auszuschließen4, Hinweise auf orten für den Handel an topographisch günstig Hausbauten wie auch auf eine Befestigung fehlen. gelegenen Punkten innehatten, oder aber auch Das Gleiche gilt für die übrigen untersuchten um repräsentative Zeichen einer sozial und kul- Höhensiedlungen. Der frühbronzezeitliche Siedtisch abgehobenen Herrschafts- und Priester- lungsniederschlag ist, wenn überhaupt vorhanden, schicht, die sich vielleicht auch auf die Erzeugung weitaus geringer, als nach Simon zu erwarten. und den Handel mit Kupfer und Salz begründeten? Darüber hinaus erbrachten die Sondagegrabungen Oder anders ausgedrückt: Lebten die in den Fürs- auf den Höhensiedlungen jedoch Hinweise auf tengräbern vom Typ Leubingen Bestatteten auf sehr gut erhaltene Befestigungskonstruktionen entsprechend repräsentativen Höhensiedlungen? und auch Innenbesiedlung des Jungneolithikums, der Spätbronzezeit, genauso des Frühmittelalters. Dazu zählt z. B. die Kuckenburg bei Esperstedt Das Projekt »Die Höhensiedlungen der (Abb.  3). Luftbilder von R. Schwarz und FlurbegeMikro- und Makroregion um Nebra« hungen ließen hier eine allgemein bronzezeitliche Diesem Forschungsdesiderat wird seit 2oo5 mit Höhensiedlung in Spornlage vermuten. Die geoneuen Untersuchungen im Teilprojekt »Die Höhen- magnetische Prospektion durch C. Schweitzer und siedlungen der Mikro- und Makroregion um die Sondageschnitte 2oo5 und 2oo6 zeigten jedoch, Nebra« innerhalb der DFG-Forschergruppe2 nach- dass hier neben neolithischen Befunden und gegangen. Dazu gehört einerseits die Analyse bekannter Höhensiedlungen und ihres Umfeldes (Wehmer 2oo6), andererseits sind die von K. Simon aufgeführten und vom Gelände wie Fundmaterial aussichtsreichen Fundplätze Rudelsburg, Querfurt und Mutzschen mit weiteren Ausgrabungen untersucht worden. Zudem wurden mehrere durch Luftbildarchäologie und vorbereitende Begehungen allgemein in die Bronzezeit datierte Anlagen zu Beginn des Projektes systematisch mit Sondageschnitten untersucht und auch die in der Mikroregion um den Mittelberg benachbarten Höhensiedlungen in die Untersuchungen mit einbezogen. Auch neu entdeckte bzw. nach erneuter Durchsicht als frühbronzezeitlich erkannte Höhensiedlungen, wie der Alte Gleisberg (Ettel 2oo9), wurden in das Projekt mit aufgenommen, so dass letztendlich der Untersuchungsraum ganz Mitteldeutschland mit Schwerpunkt auf SachsenAnhalt abdeckte. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 3 auf den Höhensiedlungen waren in Bezug auf die Frühbronzezeit allerdings zusammenfassend eher ernüchternd und bestätigten keineswegs das Bild von K. Simon. So war auf der Rudelsburg (Abb. 2) nach den Vorberichten und den hierin genannten immerhin 6o frühbronzezeitlichen Keramikfragmenten durchaus mit entsprechenden Siedlungsbefunden, Häusern etc. und auch mit einer Befestigungskonstruktion zu rechnen. Die Grabungen der Jahre 2oo5 und 2oo6 zeigten, dass eine Erhaltung prähistorischer Befunde unter den zu erwartenden dominierenden Befunden und Schichten

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Abb. 2 Rudelsburg, Burgen­ landkreis. Luftbild und Plan (Simon 1991) mit Grabungs­ schnitten 2005–2006 (rot).

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im Hersfelder Zehntverzeichnis in der Burgenliste von 979 als Cucunburg bezeichnete Burg zu lokalisieren ist, die 999 von Kaiser Otto III. an Graf Eriko, nach dessen Tod von Heinrich II. 1oo4 an die Kirche in Merseburg geschenkt wird5.

Fazit Die Ausgrabungen in der Makroregion Nebra zeig­ten, dass es weit weniger eindeutig belegte Höhensiedlungen der Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland gibt, als nach Simon 199o anzunehmen war. Die frühbronzezeitliche Innenbesiedlung auf der Rudelsburg ist kaum belegt. Hinweise auf eine frühbronzezeitliche Befestigung fehlen. Eine Ausnahme bildet weiterhin Mutzschen, wo der bereits 197o entdeckte Graben in einer Ausgrabung 2oo7 erneut erfasst werden 1 konnte (Ettel u. a. 2oo9/2o1o). Dazu fand sich in den unteren Schichten ausschließlich frühbronzezeitliches Material, das allerdings in der ZusamN mensetzung noch Fragen aufwirft und so vor abschließender Analyse noch keine sichere Ansprache der Funktion des Grabens erlaubt, insbesondere als Teil einer Befestigung. Ohne der abschließenden Beurteilung vorzugreifen, ist festzustellen: Aunjetitzer Höhensiedlungen in Mitteldeutschland sind sowohl hinsichtlich Befestigung als auch Intensität und Umfang der Innenbebauung als weniger bedeutend einzuschätzen. Dies schränkt auch eine zentralörtliche Funktion der Höhensiedlungen ein und deutet insgesamt an, dass die Rolle der Höhensiedlungen in der Randregion der nördlichen Verbreitung der frühbronzezeitlichen Burgen Mitteleuropas in der bisherigen Forschung überschätzt wurde, auch als repräsentative Darstellung der politisch-sozialen Oberschicht, die bisher gerne als Abbild der Ver2 hältnisse in der Otomani und Mad'arovce-VěteřovKultur in der Slowakei und den angrenzenden Erdwerken eine spätbronzezeitliche Nutzung und Regionen gesehen wurde. Zurzeit muss man insbesondere mit zwei nachgewiesenen Gruben- jedenfalls davon ausgehen, dass die in den Fürshäusern eine frühmittelalterliche Besiedlung des tengräbern vom Typ Leubingen Bestatteten nicht Spornes belegt ist. Zwei parallel verlaufende Wälle auf entsprechend repräsentativen Höhensiedlunmit Gräben davor, die obertägig im Luftbild und gen in der Makroregion gelebt haben. Aus diesem insbesondere in der Geomagnetik zu erkennen Grund wurde in der nächsten Phase des DFGsind, datieren mit großer Wahrscheinlichkeit Projektes ab 2oo8 der Frage der sozialen Struktuebenfalls in das Frühmittelalter, eine Verifizierung rierung im Siedlungswesen in den »normalen« und genaue Einordnung bezüglich Konstruktion Siedlungen im Flachland, am Hang und auf Kupund Aufbau durch großflächigere Ausgrabungen pen wie z. B. Zwenkau, Eulau oder Schloßvippach stehen allerdings noch aus. So ist mit einigem nachgegangen. Recht davon auszugehen, dass an diesem Platz die 0

Abb. 3 Kuckenburg, Lkr. Merse­ burg-Querfurt. Luftbild (LDA) und Magnetogramm von Chr. Schweitzer 2005 mit Grabungsschnitten 2005/ 2006 (rot).

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Kooperationspartner Lehrgrabung in der Salzsiedersiedlung Erdeborn Peter Ettel (Jena)

Thema/Schlagwort: Mitteldeutschland, Sachsen-Anhalt, Salzgewinnung, Bronze-/Eisenzeit Fach-/Arbeitsrichtung: Vor- und Frühgeschichte Institution: Friedrich-Schiller-Universität Jena Bereich Ur- und Frühgeschichte Löbdergraben 24a, o7743 Jena Forschungsschwerpunkt: Vor- und Frühgeschichte mit Metallzeiten, Früh-/ Hochmittelalter, Höhensiedlungen, Burgen

Kurzskizze: Salz zählt zu den lebensnotwendigen Gütern und besaß so in der Vorgeschichte zu allen Zeiten eine herausragende Stellung für den Menschen. Das Unstrut-Saale-Gebiet bis nach Halle stellt ohne Zweifel eines der wichtigsten Salzgewinnungs­ gebiete in Europa dar. Das übliche Verfahren zur Salzgewinnung war hier die induzierte Salzverdampfung unter Verwendung von Briquetage aus Ton. Die Verbreitung der Briquetage zwischen Harz und Saale belegt, dass sich Siedelverbände seit dem Mittelneolithikum, in der frühen Bronze­ zeit und in den jüngeren Abschnitten der Spätbronze- bis frühen Eisenzeit hinein mit der Pro-

Projektleitung: Prof. Dr. Peter Ettel, Jena Forschungsschwerpunkt: Vor- und Frühgeschichte, Bronze-/Eisenzeit, Siedlungen, Burgenbau Anzahl Mitarbeiter im Kooperationsprojekt: 1 + Studierende Dauer: 2oo2–2oo6

duktion und Distribution von Salz befassten. Mit den Forschungen von Riehm (1962), Matthias (1961) und Müller (1987 u. 1996) ist Briquetage hinsichtlich Variationsbreite und chronologischer Einordnung weitgehend bekannt, es mangelt allerdings an gut dokumentierten Hinweisen auf den eigentlichen Produktionsprozess. Die Region um Erdeborn in der Nähe des ehemaligen Salzigen Sees bietet sich hierzu für eine nähere Untersuchung geradezu an. Auf dem 2o ha großen Fundplatz von Erdeborn wurden geophysikalische Prospektionen und 2oo2–2oo6 Sondagegrabungen mit Studierenden durchgeführt.

Salz und Salzgewinnung in Mitteldeutschland

für die Metallurgie usw. unumstritten, umso mehr als die Vorkommen räumlich begrenzt sind. Salz zählt zu den lebensnotwendigen Gütern und Neben der Alpenregion mit Steinsalzgewinnung besaß so in der Vorgeschichte zu allen Zeiten eine und den Küstengebieten mit Meersalzgewinnung herausragende Stellung für den Menschen. Die stellten in der Vorgeschichte die Kyffhäuserlandgroße Bedeutung von Salz –  dem weißen Gold  – schaft in Nordthüringen und das Unstrut-Saaleist einerseits für die Ernährung von Mensch und Gebiet im südlichen Sachsen-Anhalt bis nach Tier, andererseits auch zum Konservieren, Gerben, Halle ohne Frage eine der wichtigsten Salzgewin-

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Lehrgrabung in der Salzsiedersiedlung Erdeborn

nungsgebiete in Europa dar (Fries-Knoblach 2oo1; und Müller (1987; 1996) bezüglich Variationsbreite, Verbreitung und chronologischer Einordnung weit­ Saile 2ooo). Das übliche Verfahren zur Salzgewinnung war gehend bekannt. Der großen Menge an Briquetage hier die induzierte Salzverdampfung unter Ver- stehen allerdings nur sehr wenige, zudem nicht wendung von Briquetage aus Ton. Die Verbreitung immer gut dokumentierte Hinweise auf den der Briquetage zwischen Harz und Saale belegt, eigentlichen Produktionsprozess gegenüber, die dass sich Siedelverbände seit dem Mittelneolithi- sichere Aussagen zu technologischen Sachverhalkum, in der frühen Bronzezeit und in den jüngeren ten, zum technischen Fortschritt, zur Ökonomie Abschnitten der Spätbronze- bis frühen Eisenzeit hinsichtlich Quantität und Qualität der Salzer­ hinein mit der Produktion und Distribution von zeugung und damit auch zu deren ökologischen Salz befassten. Häufig konnten sich –  wie Hallstatt, Auswirkungen ermöglichen. Hier ist zum einen die Aufarbeitung und PubHallein oder auch Halle zeigen  – Zentren wirtschaftlicher Macht, vielfältigen Handwerks und likation von Altgrabungen wichtig, bei denen weiträumigen Handels entwickeln. Ebenso ist die Befunde zum Produktionsprozess zutage gekomHerausbildung und Entwicklung kulturprägender men sind, wie Halle-Trotha Klausberge (Vollbeding Elemente in Mitteldeutschland nur vor dem Hin- 2oo8). Zum anderen ist die Durchführung von tergrund der Salzvorkommen zu erklären und zu gezielten Grabungen auf ausgewählten geeigneten verstehen. Dies gilt für die Früh-/Mittelbronzezeit Fundplätzen notwendig, um die technischen Angenauso wie für die Spätbronze-/ältere Eisenzeit lagen aufzufinden und den Ablauf des speziellen mit der Herausbildung z. B. der so genannten Produktionsprozesses zu ergründen und in seiner Halleschen Kultur, die sich durch Importgüter Entwicklung zu verfolgen. Dazu gehört auch die auszeichnet und weit verzweigte Handelsverbin- Frage nach der Einbindung der Salzproduktions­ dungen aufweist. an­lagen in die Struktur der jeweiligen Siedlung. Die für Mitteldeutschland seit dem Mittel­ Gab es in der Bronze-/Früheisenzeit bereits spezia­ neolithikum bis in die Eisenzeit gebräuchlichen lisierte Salzsiedersiedlungen, die quantitativ und Briquetageformen –  also ein- oder mehrteilige Ton­ qualitativ weit über den Eigenbedarf hinaus progerätschaften mit Stützelementen und gefäßför- duzierten, sozusagen Manufakturen, wie sie meist miger Tonware, die mit der Salzherstellung im etwas später zutage treten wie in Bad Nauheim Siedeprozess zusammenhängen  – sind mit den (Kull 2oo3)? Kam es aufgrund der großräumigen Forschungen von Riehm (1962), Matthias (1961) Produktionsanlagen –  wenn auch zeitlich und

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Abb. 5 Erdeborn, Lkr. Mans­ felder Land. Magnetogramm von Chr. Schweitzer 2004 über einem Luftbild mit erkennbarem Grabungsschnitt 2002 (oben rechts).

Abb. 4 (linke Seite) Erdeborn, Lkr. Mansfelder Land. Grabung 2002/3, Befund 5, Planum und Profil (in situ sowie Zeichnung) mit den Resten eines Salzsiedeofens.

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örtlich begrenzt  – zu organisierten Siedlungsformen, die das in vorgeschichtlicher Zeit übliche Maß überstiegen, worauf die weit gestreuten Befunde von Halle oder auch Erdeborn hinzu­ weisen scheinen? Zudem sollen im Umfeld entsprechende Archive zur Landschaftsgeschichte untersucht werden, um so die Auswirkungen der Salzgewinnung mit entsprechendem Holzbedarf auf die Umwelt studieren zu können.

Erdeborn: Prospektion und Ausgrabung Die Region um Erdeborn bietet sich für eine nähere Untersuchung geradezu an. Die Fundplätze in der Nähe des ehemaligen Salzigen Sees sind schon aufgrund ihrer geologischen Lage für eine nähere Untersuchung interessant. Dazu gehört insbesondere Erdeborn, Lkr. Mansfelder Land, mit Hinweisen auf komplexe Siedeanlagen. 1986 konnte Marschall (1988) hier einen mutmaßlichen Salzsiedeofen feststellen. Auf dem ca. 2o ha großen Fundplatz von Erdeborn wurde zunächst eine geophysikalische Pros­ pektion durch A. Volker vom LDA durchgeführt, um die mittels Oberflächenprospektionen gewonnenen Hinweise weiter verifizieren zu können. Aufgrund festgestellter Anomalien fand ab 2oo2 in Kooperation mit D. W. Müller vom LDA jährlich eine Sondagegrabung statt, die Hinweise auf mehrere Salzsiedeöfen erbrachte (Abb.  4)6. So traten nur wenig unterhalb der heutigen Ackeroberfläche in den ersten Plana fünf bis sechs kreisförmige Befunde von ca. 5 m Durchmesser zutage, die aus gebranntem Lehm bestanden, dicht

bepackt mit zentnerweise Briquetage unterschiedlicher Formen, Tonballen, Fragmenten von Ofenwandungen und Salztiegeln sowie Gefäßscherben und Tierknochen. Allerdings zeigte sich beim Tiefergehen, dass es sich hier nicht um Salzsiedeöfen in situ handelte, sondern offensichtlich um die Reste ausgedienter Öfen eines Ofenkomplexes der älteren Eisenzeit, die in Materialentnahmegruben von bis zu 12 m Länge und über 2 m Tiefe in den oberen Verfüllschichten sozusagen entsorgt worden waren. Neben Surveys mit Studierenden und Befliegun­ gen durch R. Schwarz vom LDA fand 2oo4 eine weitere geomagnetische Prospektion auf 6 ha durch Chr. Schweitzer statt (Abb.  5). Sie zeigt einerseits Grubenreihen und mehrere Gräben, andererseits mit einer Vielzahl kleiner und rechteckiger Anoma­ lien den Hinweis auf Grubenhäuser und Siedlungsgruben, d. h. eine Siedlung. Dazu liegen großflächige Anomalien vor, die im nächsten Umfeld der Siedlung zwei bis drei Befundkomplexe als potentielle Standorte von Salzsiedeöfen ausweisen. Sondagegrabungen 2oo5 und 2oo6 sollten Ausdehnung und Qualität eines Befundkomplexes klären. Sie zeigten allerdings, dass es sich bei der zunächst als möglichen Ofenkomplex für Salzgewinnung gedeuteten Anomalie um einen mehrphasigen Grubenkomplex der Linienbandkeramik handelt. Zum anderen erbrachten Funde aus den Sondageschnitten, darunter mehrere Briquetagefragmente und Fragmente einer Wanne, weiterhin den Nachweis, dass in Erdeborn bereits in der Frühbronzezeit Salz gesiedet wurde.

A nme r k u n g en

1 Noch 1982 stellte D. W. Müller das 3 Grabungsbericht und VerlängerungsChr. Schmidt M. A. in einer DissertaFehlen von Höhensiedlungen im Geantrag P. Ettel/Chr. Schmidt im DFGtion im Rahmen des DFG-Projektes gensatz zur Věteřov-Kultur fest, wies Projekt; die örtliche Grabungsleitung an der FSU Jena. aber auch bereits auf die Alteburg hatten M. Böhme M. A. 2oo5, ab 2oo6 5 Danach wurde die Burg vielleicht bei Arnstadt (128) hin (Müller 1982, Chr.  Schmidt M. A. und Grabungsschon bald aufgegeben und aufge­ 123). techniker T. Spazier. lassen. 2 Forschergruppe »Der Aufbruch zu 4 Vorbehaltlich der endgültigen Aus- 6 Die örtliche Grabungsleitung hatte neuen Horizonten. Die Funde von wertung und Gesamtanalyse der J. Huthmann; zu den folgenden ErNebra, Sachsen-Anhalt, und ihre BeRudelsburg unter Einbeziehung der gebnissen siehe dazu Grabungsbedeutung für die Bronzezeit Europas«. Altfunde und des Umfeldes durch richte und Ettel/Huthmann in Vorb.

L i t e r at u r

Chropovský 1982 B. Chropovský (Hrsg.), Beiträge zum bronzezeitlichen Burgenbau in Mittel­ europa (Berlin, Nitra 1982). Coblenz 1982 W. Coblenz, Zu den bronze- und früh­ eisenzeitlichen Befestigungen der sächsisch-lausitzischen Gruppe. In: B. Chropovský (Hrsg.), Beiträge zum bronzezeitlichen Burgenbau in Mittel­ europa (Berlin, Nitra 1982) 149–157. Ettel 2oo 9 P. Ettel, Neue Forschungen auf dem Alten Gleisberg. Neue Ausgr. u. Funde Thüringen 5, 2oo 9, 17–26.

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Ettel 2o1o P. Ettel, Die frühbronzezeitlichen Höhensiedlungen in Mitteldeutschland und Mitteleuropa – Stand der Forschungen. Kolloqium »Der Griff nach den Sternen. Wie Europas Eliten zu Macht und Reichtum kamen« in Halle/Saale 2oo5. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte 5 (Halle [Saale] 2o1o) 351–38o. Ettel u. a. 2oo 9/2o1o P. Ettel/R. Grabolle/Chr. Schmidt, Die Sondagegrabung 2oo7 auf dem Schloßberg von Mutzschen, Lkr. Leipzig. Arbeits- u. Forschber. Sächs. Boden-

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denkmalpfl. 51/52, 2oo9/2o1o, 265–286. Ettel/Huthmann in Vorb. P. Ettel/J. Huthmann, Vorbericht zu den Grabungen in der Salzsiedersiedlung von Erdeborn. Arch. Sachsen-Anhalt 7 (in Vorbereitung). Fries-Knoblach 2oo1 J. Fries-Knoblach, Gerätschaften, Verfahren und Bedeutung der eisenzeit­ lichen Salzsiederei in Mittel- und Nordwesteuropa. Leipziger Forsch. Ur- u. Frühgesch. Arch. 2 (Leipzig 2oo1) Gedl 1985 M. Geld (Hrsg.), Frühbronzezeitliche

Lehrgrabung in der Salzsiedersiedlung Erdeborn



1 P. Ettel 2 R. Schwarz, LDA, und FSU Jena, Lehrstuhl Ur- und Frühgeschichte

Saile 2ooo Th. Saile, Salz im ur- und frühgeschichtlichen Mitteleuropa – Eine Bestandsaufnahme. Ber. RGK 81, 2ooo, 13o –234. Simon 199 o K. Simon, Höhensiedlungen der älteren Bronzezeit im Elbsaalegebiet. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 73, 199o, 287–33o. Simon 1991 K. Simon, Ur- und frühgeschichtliche Höhensiedlung auf der Rudelsburg bei Bad Kösen. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 74, 1991, 59–13o. Točik 1981 A. Točik, Nitriansky Hrádok-Zámecek. Bronzezeitliche befestigte Ansiedlung der Maďarovce-Kultur. Materialia Arch. Slovaca 3 (Nitra 1981). Vladár 1977 J. Vladár, Zur Problematik der befes­ tigten Siedlungen der ausgehenden älteren Bronzezeit in der Slowakei. Marburger Stud. Vor- u. Frühgesch. 1 (Marburg 1977) 175–192. Vollbeding 2oo 8 M. Vollbeding, Die Salzgewinnung in Halle-Trotha Klausberge, »Nordbad«, Stadt Halle. Unpubl. Magisterarbeit Univ. Jena 2oo8. Wehmer 2oo 6 M. Wehmer, Bronzezeitliche Höhensiedlungen und ihr Umfeld in Mitteldeutschland. Unpubl. Magisterarbeit Univ. Jena 2oo 6.

Marschall 1988 O. Marschall, Ein Salzsiedeofen der späten Bronze-/frühen Eisenzeit bei Erdeborn, Kr. Eisleben. Ausgr. u. Funde 33, 1988, 199–2o4. Matthias 1961 W. Matthias, Das mitteldeutsche Briquetage. Formen, Verbreitung und Verwendung. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 45, 1961, 119–225. Müller 1982 D. W. Müller, Die späte Aunjetitzer Kultur des Saalegebietes im Spannungsfeld des Südosten Europas. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 65, 1982, 1o7–127. Müller 1987 D. W. Müller, Neolithische Briquetage von der mittleren Saale. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 7o, 1987, 135–154. Müller 1996 D. W. Müller, Die ur- und frühgeschichtliche Salzgewinnung in Mitteldeutschland. Zeugnisse und Auswirkungen. In: R. Just/U. Meißner (Hrsg.), Das Leben in der Saline – Arbeiter und Unternehmer. Internationale Salzgeschichtetagung. Schr. u. Quellen zur Kulturgesch. des Salzes 3 (Halle 1996) 177–188. Riehm 1962 K. Riehm, Werkanlagen und Arbeitsgeräte urgeschichtlicher Salzsieder. Germania 4o, 1962, 36o –4oo.

befestigte Siedlungen in Mitteleuropa. Materialien zur Internationalen Arbeitstagung vom 2o.–22. September in Kraków. Arch. Interregionalis (Warszawa 1985). Havlice/Hrubý 2oo2 J. Havlice/P. Hrubý, Betrachtungen über die Burgwälle und Höhensied­ lungen am Ende der Frühbronzezeit in Südböhmen. In: Arch. Arbeitsgem. Ostbayern/West- u. Südböhmen. 11 (Rahden/Westf. 2oo2) 42–61. Jockenhövel 199 o A. Jockenhövel, Bronzezeitlicher Burgenbau in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Struktur frühmetallzeitlicher Gesellschaften. In: P. Schauer (Hrsg.), Orientalisch-ägäische Einflüsse in der Europäischen Bronzezeit. Ergebnisse eines Kolloquiums. RGZM Monogr. 15 (Bonn 199o) 2o 9–228. Kull 2oo3 B. Kull (Hrsg.), Sole und Salz schreiben Geschichte. 5o Jahre Landesarchäo­ logie, 15o Jahre Archäologische Forschung in Bad Nauheim (Mainz 2oo3). Marková 2oo1 K. Marková, Befestigte Siedlungen der älteren Bronzezeit im Süden der Mittelslowakei. In: A. Lippert/ M. Schultz/S. Shennan/M. TeschlerNicola (Hrsg.), Mensch und Umwelt während des Neolithikums und der Frühbronzezeit in Mitteleuropa. Internat. Arch. 2 (Rahden/Westf. 2oo1) 149–152.



3 R. Schwarz, LDA, und FSU Jena, Lehrstuhl Ur- und Frühgeschichte 4 LDA



5 FSU Jena, Lehrstuhl Urund Frühgeschichte auf der Grundlage von R. Schwarz (Luftbild) und Chr. Schweitzer (Magnetogramm)

Prof. Dr. Peter Ettel Friedrich-Schiller-Universität Jena Bereich Ur- und Frühgeschichte Löbdergraben 24a o7743 Jena

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A b b i l d u n g sna c h w e i s

A ns c h r i f t

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