„Aus Gnaden verliehen…“ Das vergessene Rittergut Engenstein (1432-1799)1 I. Einleitung Das kleine Dorf Engenstein, im südthüringischen Landkreis Hildburghausen gelegen, macht auf den Durchreisenden einen unscheinbaren Eindruck. Dabei könnte die vergangene Bedeutung des Ortes in keiner größeren Diskrepanz zur heutigen Situation stehen: Die grenznahe Lage an der Handelsstraße, das rentable Gasthaus und das Vorspannwesen ließen den Ort zum Zentrum des unteren Bibertales werden. Seine Entstehung und wechselvolle Geschichte ist eng mit der Besiedlungsgeschichte dieses Raumes verbunden. Das ehemals hier bestehende einflussreiche Rittergut verfügte über ausgedehnten Waldbesitz und hatte zugehörige Lehnsgüter in Brünn, Goßmannsrod, Großwalbur, Harras, Neiden, Rottenbach, Sachsendorf, Schackendorf, Schnett, Sülzfeld, Waffenrod und Veilsdorf. Darüberhinaus genossen die Besitzer des Rittergutes auch die niedere Jagd sowie das Patronat der Kirche und Schule in Biberschlag. Seit der Auflösung des Rittergutes ist all dies in Vergessenheit geraten. Lokal kursierende Mythen erzählen von einer Burg, die einst auf dem das Tal hier einengenden Felssporn gestanden haben soll. Dennoch war bis in das 20. Jahrhundert hinein unklar, ob sich überhaupt eine Burg oder ähnliches auf dem Engensteiner Schlossberg befunden hat und seit welcher Zeit mit einer Besiedlung dieses Platzes zu rechnen ist. Im Nachfolgenden soll, unter Auswertung verschiedenster Quellen, diesen Fragen nachgegangen werden. II. Die spätmittelalterliche Besiedlung des Bibertales und des oberen Schleusetales Um die Entstehung des Dorfes und des Rittergutes Engenstein in angemessener Weise einordnen zu können, ist ein Blick auf die Besiedlungsgeschichte des Schleuse- und Bibertales unabdingbar. Das obere Schleuse- und untere Bibertal gehörten bis zum 13. Jahrhundert zu dieser Grauzone der Besiedlung, die auch im Hinblick auf archivalische Quellen weitestgehend im Dunkeln bleibt. Mit dem Anfall der Coburger Herrschaft an die Grafschaft Henneberg im Jahre 1312 verbesserte sich aber auch archivalische Überlieferung bedeutend. Aus Anlass der Übernahme des neu erworbenen Gebietes ließ Graf Berthold VII. in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Lehnsbuch anfertigen, welches erstmals einzelne Dorfschaften des Waldgebietes zwischen Werra und Schleuse nennt.2 Im Mittelpunkt stand stets die genaue
1 Der vorliegende Artikel stellt die neueren Forschungsergebnisse des Autors zum Rittergut Engenstein dar. Er dient als bedeutende Erweiterung und Ergänzung der bereits vorliegenden Ergebnisse aus OLIVER HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales. Von der mittelalterlichen Besiedlung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Leipzig 2009. 2 An dieser Stelle von Bedeutung sind Biberschlag [zu dem Biberslage], Schwarzbach [Swarzbach], Merbelsrod [Erlwinsrode] und Poppenwind [Boppenwinden], eine vollständige Edition des Mannlehnverzeichnisses des Urbariums liefert JOHANN ADOLPH V. SCHULTES: Diplomatische Geschichte des gräflichen Hauses Henneberg, Bd. 2, Hildburghau-
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Datierung des Lehnsbuches, die, laut Annahme, gleichzeitig auch die urkundliche Ersterwähnung der genannten Dorfschaften repräsentieren würde. Ein irreführender Eintrag in dem Schriftstück führte zu der Annahme das Lehnsbuch sei im Jahre 1317 entstanden.3 Gleichzeitig wurden alle im Lehnsverzeichnis genannten Ortschaften mit ihrer Ersterwähnung diesem Jahr zugewiesen. Auch für den nahe Engenstein gelegenen Ort Biberschlag, der die älteste Ansiedlung des Bibertales darstellt, wurde dieses Datum als urkundliche Ersterwähnung angenommen. Mittlerweile steht jedoch fest, dass das älteste Lehnsbuch nicht auf das Jahr 1317 zu datieren ist.4 Laut Mötsch zeigen inhaltliche Ungereimtheiten und das Schriftbild des Schreibers, dass die Entstehung des Dokuments zwischen 1332 und 1340, dem Todesjahr Bertholds VII., anzusetzen ist. Dies bedeutet, dass die Ersterwähnungen zahlreicher Dorfschaften der Coburger Herrschaft später angesetzt werden müssen. Auch für Biberschlag gilt dann mit 1332/40 eine wissenschaftliche einwandfreie Erwähnung.5 Der Ort selbst entstand in der Endphase der bereits oben angesprochenen Hauptrodungsperiode. Dafür spricht vor allem die Nennung als „zu dem Biberslage“, also dem Holzschlag an der Biber. Noch bis in das 17. Jahrhundert war das Tal von der Quelle bis zur Mündung des Flusses Biber das „der Biberschlag“ bekannt. Dies zeigt, dass sich die Rodungsarbeiten der ersten Siedler nicht nur auf die Umgebung des Dorfes, sondern vielmehr auf das gesamte Tal konzentrierten. Wenn man nun für Biberschlag den gesicherten terminus post quem 1340 annimmt, stellt sich die Frage, wie alt die Ansiedlung tatsächlich ist und ab wann sicher mit einer Rodungstätigkeit im Bibertal gerechnet werden kann. Aufgrund des fehlenden direkten Quellenmaterials, können zu solchen Überlegungen lediglich Indizien beitragen. Aus dem Jahre 1299 erhält man zunächst indirekt gesicherte Nachricht über das Bestehen des Dorfes Waldau, welches sich etwa zwei Kilometer östlich der Bibermündung befindet. Beim Verkauf einer Wiese an das Johanniter-Ordenshaus in Schleusingen erscheint ein „Henricus de Rugeriet schultetus de Walten“6 als Zeuge des Aktes.7 Damit fasst man den bis in das 17. Jahrhundert mündlich überlieferten Waldauer Zentgrafen.8 Das würde die nach wie vor zur Diskussion stehende Theorie stützen, dass es sich bei dem Dorf um das Zent-
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sen 1791, UB Nr. 32, S. 30-62; eine erweiterte Edition neuerdings bei HEINRICH WAGNER: Das Hennebergische Urbar von 1340/47, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 24 (2009), S. 17ff. Die fälschliche Annahme das Lehnbuch sei im Jahre 1317 entstanden geht vermutlich auf Schultes zurück. Füsslein u.a. plädierten für die ebenfalls unzutreffende Annahme, die Quelle sei 1317 begonnen worden, jedoch im ersten Viertel des 14. Jahrhundert bereits fertiggestellt gewesen, vgl. WILHELM FÜSSLEIN: Die Erwerbung der Herrschaft Coburg durch das Haus Henneberg-Schleusingen in den Jahren 1311-1316, in: Schriften des HennebergischFränkischen Geschichtsvereins 15 (1928), S. 77, Anm. 2. Überzeugend dargelegt bei MÖTSCH: Die ältesten Lehnsbücher, S. 15ff. Der gesamte Eintrag lautet: „Gundelo Marschalg der hat von uns zu Duerrenrieth nuen pfunt guelte und den zehenden daselbst und hat zu Eilse sestehalb pfunt guelte und zu Esevelt eine muellen und zu Swarzbach eine muellen und zu dem Slechsart zehen pfunt gelts und zu dem Biberslage eine muellen, und die vorgenannten vier muellen sullen wier losen umb vier und zwenzig marg wizzes silbers.“, JOHANN ADOLPH V. SCHULTES: Diplomatische Geschichte des Graflichen Hauses Henneberg, Bd.2, Hildburghausen 1791, UB Nr. 32, S. 39; ebenfalls zu finden in JOHANNES MÖTSCH: Die ältesten Lehnsbücher der Grafen von Henneberg, Weimar 1996, S. 46, Matr. A 145; WOLF4 GANG KAHL: Ersterwähnung Thüringer Städte und Dörfer. Ein Handbuch, Bad Langensalza 2005, S. 24. Heinrich von Reurieth, Schultheiß zu Waldau. Vgl. SCHULTES: Historisch-statistische Beschreibung der gefürsteten Grafschaft Henneberg, Hildburghausen 1794, Bd. 1, UB Nr. 9, S. 285. ThStA Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv, I, 4750, fol. 3f. und GÜNTHER WÖLFING: Das Prämonstratenserkloster Veßra. Urkundenregesten 1130-1573 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe, Bd. 18), Köln 2010, S. 251, Nr. 482. Zur Waldauer Zent vgl. EILHARD ZICKGRAF: Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen – Geschichte des Territoriums und seiner Organisation, Marburg 1944, S. 167.
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rum einer alten hennebergischen Zent handelt.9 Sicher belegbar sind die Entstehungszeit des Dorfes im 13. Jahrhundert und später das Vorhandensein diverser Zollgerechtigkeiten.10 Die enge Anbindung an die hennebergische Herrschaft ist durch den Adligen Heinrich von Reurieth bezeugt, dessen Familie auch später als Vasallen der Grafen von Henneberg fassbar ist11 und der möglicherweise das Dorfgericht verwaltete.12 Im Laufe des 14. Jahrhunderts sind die Herren von Hessberg, zunächst ebenfalls Vasallen der Grafen von Henneberg, mit Besitz in Waldau bezeugt. Dieser, an der äußersten Grenze des hennebergischen Territoriums gelegene Schwerpunkt, kann als Ausgangsort für die Besiedlung des Schleuse- und Bibertales als wahrscheinlich angenommen werden. III. Zwischen Wettinern und Hennebergern: Entstehung von Schloss und Dorf Engenstein Im Jahre 1374 gelangte das ehemals hennebergische und anschließend den Burggrafen von Nürnberg gehörige Gebiet um das Schleuse- und Bibertal an den wettinischen Markgrafen Balthasar. Dieser Übergang hatte für unmittelbare Umgebung einschneidende Bedeutung, da hiermit die Grenze zwischen dem Territorium des Langrafen Balthasar und der Grafschaft Henneberg-Schleusingen direkt am Oberlauf der Schleuse verlief.13 Die Grenzlage des Gebietes um die Bibermündung war vor allem durch die gleichzeitig hier verlaufende Frauenwalder Straße – einer überregionalen Handelsstraße, die Erfurt und Nürnberg verband – von Bedeutung. Ein tragischer Fall, der die Situation der Grenzlage in diesem Gebiet illustrieren kann, ereignete sich im Jahre 1520: Die Ehefrau des Hohenkirchener Saigerhüttenverwalters Matthias Lachenbeck14 sowie eine weitere Begleiterin ertranken am 11. September 1520 in der Schleuse nahe Waldau infolge eines Unfalls mit dem Fuhrwerk.15 Als Beauftragte des Grafen Wilhelm v. Henneberg die beiden Leichen aus dem Flußbett wegschafften, sah man sich von wettinischer Seite in seinen Rechten beschnitten. Im darauffolgenden Monat einigten sich Bevollmächtigte der beiden Parteien bei einem Ortstermin darauf, Menschen oder Tiere – lebendig oder tot – nur gemeinsam aus der Schleuse an das nächstgelegene Ufer zu bringen. Die Wettiner erlangten, ausgehend von diesem Gebiet, in den folgenden Jahrhunderten enormen Einfluss in der Region. Die Grafschaft Henneberg-Schleusingen hingegen verlor zunächst ihre politische Bedeutung und sah sich durch finanzielle Not gezwungen Teile ihrer Herrschaft zu verpfänden.16 An dieser Stelle ist zunächst zu konstatieren, dass zum 9
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Vgl. ebd., um diese deduktive Theorie Zickgrafs zu stützen, muss man jedoch von einigen unbelegbaren Annahmen ausgehen. Annahme 1: Die Überlieferung aus dem 17. Jahrhundert enthält einen wahren Kern aus dem 13. Jahrhundert; Annahme 2: Das später in Waldau nachweisbare Dorfgericht ist tatsächlich der Rest einer ehemals hier bestandenen Zent, die vor das 13. Jahrhundert datiert. Aufgrund dieser Annahmen ist demnach eine mögliche Entstehung des Dorfes Waldau selbst im 12. Jahrhundert möglich. Für diese Überlegungen fehlt bislang jedoch jegliche quellennahe Grundlage. Aus dem Jahre 1380 ist der „tzolle zu Walthen“ überliefert, aus: SCHULTES: Historisch-statistische Beschreibung, Bd. 1, UB 17, S. 195. Vgl. ZICKGRAF: Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, S. 91. Vgl. SCHULTES: Historisch-statistische Beschreibung, Bd. 1, S. 141. Vgl. ThStA Meiningen, Hennebergica aus Gotha/Urkunden, 1053. Matthias Lachenbeck: Seit 1508 Faktor und Hüttenverwalter der Familie Fugger auf der 1495 in Hohenkirchen errichteten Saigerhütte sowie Bürger der Stadt Gotha, vgl. Walter Schmidt-Ewald: Zwei Fugger-Faktoren auf der Hütte zu Hohenkirchen, in: Staatliche Archivverwaltung (Hg.): Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Zum 60. Geburtstag von Hellmit Kretzschmar, Berlin 1953, S. 143-164. Vgl. ThStA Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv, I, 2939, fol. 1-23 sowie Ebd., Hennebergica aus Gotha/Urkunden, 1080. Vgl. WÖLFING: Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön, Hildburghausen 1992, S. 35.
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Zeitpunkt des endgültigen Überganges der Neuen Herrschaft an die Wettiner 1374, die Dorfschaften Neubrunn und Biberschlag im Schleuse- und Bibertal bereits sicher bestanden. Die Rodungen dürften um die Mitte des 14. Jahrhunderts weit fortgeschritten, wahrscheinlicher jedoch bereits abgeschlossen worden sein, da am Südrand des Thüringer Waldes von nun an Ortsnennungen in den Urkunden in größerer Zahl auftreten.17 Von einer Ansiedlung in Engenstein erfährt man hingegen aus den Quellen des 14. Jahrhundert nichts. Dennoch wurde in der älteren regionalgeschichtlichen Literatur, in der Engenstein gelegentlich genannt wird, davon ausgegangen, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Ort und Biberschlag bestünde. Eine gemeinsame Datierung beider Orte in das Jahr 1317 war die Folge. Gelegentlich trifft man auch das Jahr 1311 als vermeintliche Ersterwähnung des Ortes an. Eine Darstellung des Eisfelder Superintendenten Johann Faber, der aus dem Jahre 1621 vom Vorhandensein einer Engensteiner Glocke mit der Aufschrift „Anna Maria 1311“ berichtete, gab dazu Anlass.18 Die Glocke galt jedoch bereits im 19. Jahrhundert als verloren, sodass Fabers Aussage nicht mehr verifiziert werden kann.19 Selbst wenn sie verifizierbar wäre, würde das nicht gleichzeitig bedeuten, dass Engenstein bereits zu Anfang des 14. Jahrhundert bestanden hat. Die Glocke könnte auch wesentlich später in den Ort gelangt sein. Im bereits oben besprochenen hennebergischen Urbarium und auch in späteren Urkundenüberlieferungen des 14. Jahrhunderts wird Engenstein jedenfalls nicht genannt. Es muss also davon ausgegangen werden, dass eine Dorfschaft zu dieser Zeit nicht existent war. Erste Hinweise zu Engenstein fasst man zunächst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In einem Lehnsrevers vom 17. Juni 143220 bekennt der fränkische Adlige Johann von Hessberg, von den Markgrafen Friedrich II. und Sigismund von Sachsen21 die Erlaubnis erwirkt zu haben auf dem Engensteiner Schlossberg einen Ansitz zu errichten. Wörtlich heißt es in dem Dokument: „Ich Hans von Hesseburg bekenne offentlich mit dissem Bryffe allen die in sehn oder horen [oder] lesen, [dass die] hochgebornen Fursten und Hern Here Friederich und Sigmund gebruder Herzogen zu Sachsen, landgraven in Doringen, margraven zu Missen […] mir und alle mynen erben die befundene gunst und gnade getan und den Berg den Engensteyn gnant by Esefelt gelegen daruffe eyne behusunge zu machen und zu buwen nach myner notdorfft gereicht […]“22 Das Adelsgeschlecht derer von Heßberg tritt seit dem 12. Jahrhundert verstärkt in Urkunden des Südthüringer Raumes auf. Der Stammsitz des Geschlechtes befand sich auf der Hohen Wart bei Hessberg, in der Neuen Herrschaft gelegen.23 Als Vasallen im Gefolge der Grafen von Henneberg übte das Geschlecht in der Region einigen Einfluss aus. Nach dem Übergang des Gebietes östlich der Schleuse an die Wettiner im Jahre 1374 17 Vgl. GÜNTHER V. GELDERN-CRISPENDORF: Kulturgeographie des Frankenwaldes, Halle 1930, S. 87. 18 Vgl. JOHANN FABER: Kirchspiel der Pfarr Crock – Beschreibung der Kirchen zu Crock und der andern eingepfarrten Dörffern, Schleusingen 1621, S. 42. 19 Vgl. GEORG BRÜCKNER: Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Meiningen, Meiningen 1853, S. 396, Anm. 5 lässt darauf schließen. 20 „[…] gegeben zu Coburg nach Crist gebort vierzehnhundert Jar darnach In dem zweyundreysigsten Jare am dinstage nach dem Sontage Trinitatis.“ (nach dem julianischen Kalender der 17. Juni 1432). 21 Die Markgrafen Friedrich II., genannt „der Sanftmütige“ (1412-1464) und Sigismund (1416-1471) regierten mit ihren beiden Brüdern Heinrich (1422-1435) und Wilhelm, genannt „der Tapfere“ die Markgrafschaft Meißen von 1428 bis 1435 in Gemeinschaftsregierung. 22 ThStA Gotha, Geheimes Archiv, QQ III c 8. 23 Vgl. MICHAEL KÖHLER: Thüringer Burgen und befestigte vor- und frühgeschichtliche Wohnplätze, Jena ²2003, S. 153.
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schienen sich die Hessberger zusehends von den Grafen von Henneberg zu distanzieren.24 Auch der größte Teil des hessbergischen Besitzes befand sich nach 1374 im Herrschaftsbereich der Wettiner. Damit korrespondierend lassen sich Abtretungen des vereinzelten hessbergischen Besitzes auf hennebergischem Gebiet nachweisen. Greif von Hessberg trat im Jahre 1380 seine Kemenate mit Hof im grenznahen Waldau an den Grafen Heinrich V. von Henneberg-Schleusingen ab. In den nachfolgenden Jahrhunderten ließen sich zudem die Hessberger stets im Gefolge des wettinischen Herrscherhauses antreffen. Mit dem vorliegenden Lehnsrevers berichtet Johann von Hessberg im Jahre 1432 über ein bestehendes Lehnsverhältnis zwischen ihm und den Kurfürsten von Sachsen. Im Hinblick auf die gemeinsame Regierungszeit der beiden Kurfürsten kann dieses Verhältnis frühestens seit dem Jahre 1428 bestanden haben. Über eine Dorfschaft Engenstein erhält man indes erneut keinerlei Information. Die Tatsache dass es Hans von Hessberg in dem Schriftstück für nötig hielt „den Berg den Engensteyn gnant“ durch „by Esefelt gelegen“ näher zu bestimmen, kann als Indiz dafür gelten, dass zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch keine Ansiedlung am Fuße des Schlossberges bestand. Die durch das Bibertal verlaufende Frauenwalder Straße war jedoch bereits vorhanden und wurde frequentiert. So ist die Anlage des Schlosses Engenstein sicher in engem Zusammenhang mit der hier verlaufenden Handelsstraße zu sehen. Im 16. Jahrhundert ist, zur besseren Kontrolle der Straße, in unmittelbarer Nähe Engensteins ein Schlagbaum überliefert.25 Auch der Zeitpunkt des Baubeginns um 1430 dürfte nicht zufällig gewählt worden sein. Seit dem Tode Juttas von Henneberg im Jahre 1353 legten die Wettiner eine expansive Politik gegen die Henneberger an den Tag, der jedoch durch die erneute Erstarkung der Grafschaft Henneberg-Schleusingen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zunächst Einhalt geboten wurde.26 Die grenznahe Lage, ließ es möglicherweise als ratsam erscheinen an der späteren Stelle der Ortschaft Engenstein einen Kontrollpunkt einzurichten, der sowohl die Handelsstraße, wie auch die Grenze überwachen konnte. Dass die Rivalität zwischen Hennebergern und Wettinern in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vereinzelt auch zu begrenzten bewaffneten Auseinandersetzungen führen konnte, zeigt eine Fehde aus dem Jahre 1431. Ohne das man den eigentlichen Grund kennt, überfiel Graf Wilhelm III. von Henneberg-Schleusingen im Frühjahr 1431 wettinische Besitzungen des Markgrafen Friedrich II. südlich von Gotha. Dieser mobilisierte daraufhin einen Teil der Ritterschaft und fiel nahe am Thüringer Wald in hennebergisches Gebiet ein. Die Wettiner bemächtigten sich am 19. Juli 1431 der Stadt Ilmenau. Die Fehde konnte durch die Vermittlung des Markgrafen Sigismund und des Landgrafen von Hessen im November beigelegt werden.27 Im Ergebnis musste der Henneberger dem Wettiner den erlittenen Schaden 24 Bis in das 14. Jahrhundert fasst man zahlreiche Mitglieder der hessbergischen Familie in hennebergischen Urkunden als Zeugen oder Vertraute der Grafen von Henneberg. In den edierten Urkunden Schultes’ existieren verzeichnete Nennungen aus den Jahren 1283, 1287, 1303, 1315, 1317 und 1347. Bereits zu Beginn des 15. Jahrhundert lässt die Anwesenheit der Hessberger stark nach. 25 ThStA Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv, III, 65, 23.11.1536, fol. 1r. 26 Vgl. ZICKGRAF: Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, S. 120f. und WÖLFING: Geschichte des Henneberger Landes, S. 37. 27 „In dem selbin jare alß man zalte noch Cristus gebort 1431 jar do roubte der von Henbergk uf lantgraven Frederichen von Doryngen unde nam seynen armen lewten unde den herren zu Jorgental [gemeint ist das Kloster Georgenthal, d.V.] yre kuwe unde schouf. Von stundt dornoch am dornstage noch divisione appostulorum besampneten sich des landtgraven voite unde man zogen vor Ilmena an den walt […]“ ROCHUS V. LILIENCRON (Hg.): Düringische Chronik des Johann Rothe, Jena 1859, S. 675, Abschn. 783. „Dieser Lanntgraf [Friedrich II., d. V.] als nach Cristi geburt Vierzehenhundert unnd im ainunnddreysigstenn Jahr der Graff vonn hennenberg auff yn und den Abt zu Sannt Georgental rawbt, gebot er seinem Folck auff unnd schickt es fur Ilmena an den walt, das dem von Henneberg zustundt an alle widerspennickait unnd gegenwere wart abgewunnen.“ GEORG SPALATIN: Chronik der Sachsen und Thüringer, Wittenberg 1520, S. 273v.
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ersetzen. Letzterer sollte im Gegenzug die Stadt Ilmenau wieder abtreten.28 Solche Auseinandersetzungen machten es notwendig den Besitz an ausgewählten Punkten abzusichern. Doch auch die Situation innerhalb des Reiches gab Anlass zu solchen Maßnahmen. Seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts breitete sich der Hussitismus, eine frühe reformatorische Bewegung, ideologisch und militärisch in Böhmen aus. Auch das Reich und dessen militärische Aufgebote kamen bei der Abwehr dieser Bewegung in Bedrängnis und unterlagen in zahlreichen Begegnungen. Daher gelang es in den Jahren 1429 und 1430 einzelnen Hussitenheeren nach Franken vorzustoßen.29 Auch wenn die überlieferte Verwüstung des Coburger Landes im Jahre 1430 nicht stattgefunden hat, reichten diese Ereignisse doch aus, den lokalen Adel aufzuschrecken.30 In der Folge dieser Ereignisse wurde es für die Reichsfürsten zunehmend wichtiger bedeutende Handelsstraßen, die zugleich auch Heerstraßen waren, abzusichern. Kurz nach dem Hussiteneinfall des Jahres 1430 erfuhren die Vesten Heldburg und Coburg einen Ausbau.31 Auch die Anlage des Engensteiner Schlosses in den Jahren nach 1432 könnte im Kontext der genannten Konflikte gesehen werden. Im weiteren Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts konnte die Grafschaft Henneberg ihre finanziell prekäre Situation nicht mehr konsolidieren.32 Um wenigstens einen geringen Spielraum zu haben, entschloss sich Graf Wilhelm von Henneberg-Schleusingen im Jahre 1554 zu einer Erbverbrüderung mit den Wettinern. Es kam ein Abkommen zustande, welches als der Kahlaer Vertrag bekannt geworden ist.33 Innerhalb dieses Vertrages übernahmen die Wettiner eine enorme Menge der hennebergischen Schulden. Im Gegenzug sollte ihnen nach dem Erlöschen der Linie Henneberg-Schleusingen diese Grafschaft zufallen. Mit dem Tode des letzten Henneberger Grafen, Georg Ernst, im Jahre 1583, trat der Kahlaer Vertrag in Kraft. In den Jahrzehnten bis 1660 verwalteten die wettinischen Ernestiner und Albertiner den hennebergischen Besitz gemeinsam, bevor es zur letztendlichen Auflösung der Grafschaft kam. Mit der Erledigung der Grafschaft Henneberg-Schleusingen als eigenständiger Machtfaktor in der Region, sank zunehmend auch die Bedeutung von Engenstein, dessen ehemals grenznahe Lage nun bedeutungslos geworden war. Nunmehr profitierten Dorf und Rittergut ausschließlich von der im Bibertal verlaufenden Handelsstraße und waren von der Frequentierung derselben in bedeutendem Maße abhängig. Mit dem Wissen um die Anlage des Schlosses ist keinerlei Nachweis über das Bestehen des Dorfes Engenstein verbunden. Vergleichsweise spät, erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts, kann darüber Gewissheit erlangt werden. In dieser Zeit gehörten die Dorfschaften an den Flüssen Schleuse, Biber, Brünn und Waisa zur Pfarrei Eisfeld, deren Gottesdienst jedoch in der Filialkirche zu Crock ausgeübt wurde. Im Jahre 1489 erfolgte ein Ausbau der Crocker Kirche an dessen Ende schließlich die Stiftung einer Vikarei stand.34 28 Der edierte Vertrag liegt vor bei: Schultes: Diplomatische Geschichte, Bd. 2, UB Nr. 224, S. 177. 29 Vgl. GERHARD SCHLESINGER: Die Hussiten in Franken – Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtsschreibung, Kulmbach 1974, S. 65ff. 30 Die Plünderung des Coburger Landes 1430 wurde hauptsächlich überliefert durch GEORG FABRICIUS: Originum illustrissimae stirpis Saxonicae libri septem, Jena 1597, S. 745. Hier heisst es: „Boemi […] in agrum Coburganum vastant“ In neuerer Zeit hat SCHLESINGER: Die Hussiten in Franken, S. 75 dies widerlegt. 31 Vgl. MATTHÄUS MERIAN: Topographia Franconiae, Frankfurt 1648, S. 34 und F.W. KAWACZYNSKI: Die Veste Coburg, Coburg ²1858, S. 11. 32 Vgl. WÖLFING: Geschichte des Henneberger Landes, S. 52. 33 Vgl. RICHARD DENNER: Der Kahlaer Vertrag oder die Wettin-Hennebergische Erbverbrüderung vom 1. September 1554, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Kahla 8 (1930), S. 154-244. 34 Vgl. ALFRED WENDEHORST: Das Würzburger Landkapitel Coburg zur Zeit der Reformation (Germania Sacra 3), Göttingen 1964, S. 22.
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Diese Stiftung wurde in einer Urkunde vom 19. November 1492 durch den Würzburger Bischof Rudolf von Scherenberg bestätigt. Innerhalb der Urkunde taucht nun erstmals die Dorfschaft Engenstein als „Engelstein“ auf.35 Daneben erfährt man aus diversen Quellen des 16. Jahrhunderts über das Vorhandensein einer Kapelle und eines Gasthauses. Diese Gebäude gehörten zu den ältesten Bestandteilen der Ansiedlung am Fuße des Schlossberges. Über die Entstehungszeit der Kapelle lassen sich keinerlei genauere quellennahe Aussagen treffen. Allenfalls Vergleichsbeispiele können hier eine Annährung bringen. Die ehemals in den nahegelegenen Orten Heubach und Schnett existierenden Kapellen St. Wolfgang und St. Oswald entstanden zu Anfang und Mitte des 15. Jahrhunderts.36 Davon ausgehend kann sich ein vergleichsweiser Datierungsvorschlag der Engensteiner Kapelle auf diesen Rahmen beziehen. Im Zusammenhang mit der ersten kursächsischen Kirchenvisitation, die sich im Jahre 1528 mit der Einführung des protestantischen Glaubens im Kurfürstentum Sachsen beschäftigte, wurden Verzeichnisse und Berichte zur den bestehenden Pfarreien auf dem Land angelegt. Auch die Engensteiner Kapelle wird hier mit einer Ausstattung an Messkelchen, Messgewändern und Altartüchern genannt.37 Ein halbes Jahrhundert später war die Kapelle, die sich am jenseitigen Biberufer, dem Gasthaus gegenüber, befand, durch die Festigung des Protestantismus obsolet geworden. Sie wurde im Jahre 1576/77 abgebrochen, wobei man die Steine zum Bau des Vogteihauses gebrauchte. Die ehemals in der Kapelle befindliche Glocke verblieb nach dem Abbruch noch weiter in Engenstein.38 IV. Von Itineraren und Meilenscheiben – Die Frauenwalder Straße und Engenstein Durch Engenstein und das untere Bibertal verlief die sogenannte „Frauenwalder Straße“. Diese und die weiter östlich verlaufende „Heubacher Straße“ waren als überregionale Handelsstraßen für die Region von enormer Bedeutung. Beide Straßen durchschnitten das Bibertal in Nord-Süd-Richtung und verbanden die Handelsstädte Nürnberg und Erfurt,39 die neben anderen deutschen Städten seit dem späten Mittelalter einen bedeutenden Aufschwung der gewerblichen Produktion verzeichneten.40 Die Straßenführung über Erfurt und Nürnberg diente in dieser Zeit dem Warenaustausch zwischen den Hansestädten und dem Mittelmeerraum. Besonders Erfurt verhandelte Textilprodukte bis nach Italien.41 Erste Nachricht erhält man im Jahre 1342 aus einer Urkunde Kaiser Ludwigs, der die Stadt Erfurt vom Zoll bei Arnstadt befreit. In der Urkunde wird die „strazzen zwischen Nurnberg und Erfurt“ erwähnt.42 Diese Nennung kann mit dem Abschluss der Rodungen am südlichen Thüringer Wald um die Mitte des 14. Jahrhunderts durchaus in Einklang 35 Vgl. JOHANN KRAUSS: Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlich Sachsen-Hildburghäusischen Kirchen-, Schulund Landes-Historia, Bd. 3, Hildburghausen 1753, S. 319. 36 Die St. Oswald-Kapelle in Schnett bestand wahrscheinlich seit 1416, die St. Wolfgangs-Kapelle in Heubach gesichert seit 1462. 37 Vgl. ERNST DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 2, Eisfeld 1932, S. 61. 38 „Zum Engenstein hats ein Kirchlein gehabt, welchs anno 1577 abgangen und seyn die Steine zu des Vogts Haus genommen worden. Ein Glöcklein ist noch vorhanden […]“ Faber: Kirchspiel der Pfarr Crock, S. 42; KRAUSS: Landes-Historia, S. 349 bezieht sich auf Faber. Im Engensteiner Lehnbuch I von 1617 wird als Abbruchdatum der Kapelle das Jahr 1576 angegeben, vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Justiz, Sachsen-Meiningisches Amtsgericht Eisfeld, 4. 39 Vgl. WALTER GERBING: Die Pässe des Thüringer Waldes und ihre Bedeutung für den innerdeutschen Verkehr und das deutsche Straßennetz, Halle 1904, S. 39f. 40 Vgl. WERNER MÄGDEFRAU: Überregionale Kontakte und Fernhandelsbeziehungen thüringischer Städte im späten Mittelalter, in: Alt-Thüringen 13 (1975), S. 230-272. 41 Vgl. ebd., S. 244. 42 Vgl. CARL BEYER (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Erfurt, Bd. 2, Halle 1897, Nr. 224, S. 181.
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gebracht werden. Ob es sich bei besagter Nennung um die Heubacher oder Frauenwalder Straße handelt, muss jedoch unklar bleiben. Dass beide Straßen frequentiert wurden zeigt ein Ausschnitt aus der Erfurter Geleitstafel aus dem Jahre 1441: „Alles was Jensit des Doringer waldes als zum frawen, zum hofe Im vogtlande oder zum Heubach uber gehet, ist leitpar, so hatt man […] von Erffurtt auß nach dem Lande zu francken biß gegen Coburgk zu glaitten.“ 43 Die Bezeichnung der genannten Straßen als Geleitsstraßen weist sie als offizielle Routen aus, die von den Fuhrleuten zur Durchquerung des Landes benutzt werden mussten. Der Landesherr verschaffte den Fuhrleuten die nötige Sicherheit auf den Geleitsstraßen, diese hatten im Gegenzug das Geleitsgeld zu zahlen.44 Von Erfurt kommend, verlief die Frauenwalder Straße zunächst über Arnstadt und Ilmenau nach Frauenwald. Zwischen Frauenwald und Steinbach stieg die Straße äußerst steil ins Tal ab und verlief durch den Langen Grund45 in Richtung Schleuse. Die Schleuse konnte an der Stelle des späteren Engenau46 durch eine Furt überschritten werden. Nahe dieser Stelle wurde, aufgrund der starken Frequentierung der Straße, im Jahre 1487 eine steinerne Brücke errichtet, die fortan den Übergang erleichterte. Nur ein kurzes Stück am jenseitigen Ufer der Schleuse entlang, erreichte die Frauenwalder Straße die Mündung des unteren Bibertals auf einer Wiese, welche die „lichte Aue“ genannt wurde.47 Von hier verlief die Handelsstraße der Talsohle folgend durch die Orte Engenstein und Biberschlag, um anschließend im steilen Erbetal nach Oberwind aufzusteigen. Von hier aus nahm sie ihren Weg über die Irmelskirche bei Crock nach Eisfeld. Die Frauenwalder Straße bot den kürzesten Übergang über den Thüringer Wald Der weitere Verlauf der Handelsstraße führte über Coburg und Bamberg nach Nürnberg. Von der Bedeutung der Frauenwalder Straße zeugen nicht minder die Personen, die über die Jahre hinweg ihrem Verlauf folgten und auch Engenstein passierten. Zuweilen verfassten diese Personen kleine Reiseberichte oder Tagebücher, die über den genauen Verlauf der Reise Auskunft gaben. Einige fixierten ihren Reiseweg nicht schriftlich, sodass dieser über anderweitige Quellen indirekt rekonstruiert werden muss. Andere Reisende wiederum – der bei weitem größte Teil - durchzogen das Bibertal und passierten Engenstein, aber das Fehlen jeglicher Zeugnisse wird ihre Anwesenheit niemals sicher nachweisbar machen. Die mannigfachen Quellengattungen, die unter unterschiedlichsten Bedingungen entstanden und von der Reise und den Stationen einer Person Auskunft geben, seien an dieser Stelle unter dem Begriff „Itinerar“ zusammengefasst.48 Insgesamt sind für die Handelsstraße durch Engenstein drei Itinerare sicher vorhanden, ein weiteres lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rekonstruieren.49 43 Zitiert nach GERBING: Die Pässe des Thüringer Waldes, S. 46. 44 Vgl. JOHANN KRÜNITZ: Oeconomische Encyclopädie, Bd. 17, Berlin 1779, S. 103. 45 An der günstig gelegenen Straße im Langen Grund wurde 1525 eine Glashütte errichtet, die den Kern des späteren Dorfes Langenbach bildete, vgl. ERNST KOCH: Die ehemalige Glashütte zu Langenbach bei Schleusingen, die Mutter der Glashütten Fehrenbach und Lauscha, Meiningen 1908, S. 41f. 46 Engenau entstand erst 1705 durch die Anlage des Gasthauses, um welches sich eine kleine Ansiedlung entwickelte, vgl. FRITZ REGEL: Die Entwicklung der Ortschaften im Thüringer Wald – Ein Beitrag zur Siedlungslehre Thüringens, Gotha 1884, S. 23. 47 Hier entstand um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein Eisenhammer, der den Ursprung des Ortes Lichtenau bildete, vgl. GOTTLIEB JAKOB: Die Ortsnamen des Herzogtums Meiningen, Hildburghausen 1894, S. 23. Noch im Jahre 1522 wurde der Platz in einem Lehnsbrief als „eine Wiese, genannt die Lichtenau“ bezeichnet, vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 2, S. 137. 48 Itinerar = v. intinerarium (lat.) = Wegbeschreibung, Reisebeschreibung. 49 Zur Verwendung des Itinerars in der Geschichtswissenschaft, vgl. ALFRED HEIT: Itinerar, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 774.
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Letzteres ist zugleich das Älteste. Es handelt sich dabei um die Reise Martin Luthers als Augustiner-Eremitenbruder nach Rom im Jahre 1510.50 Diese Reise hatte ordenspolitischen Hintergrund und war die erste größere Reise Luthers, der in Begleitung eines Ordensbruders im Herbst 1510 von Erfurt aufbrach.51 Mit großer Wahrscheinlichkeit war Luther im Besitz von Erhard Etzlaubs Romwegkarte oder zumindest mit ihr gut bekannt. Diese Karte zeigt die im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Pilgerwege nach Rom. Danach wäre Luther im November 1510 durch das Bibertal und an Engenstein vorüber geschritten. Er und sein Ordensbruder kamen Ende Dezember 1510 in Rom an. Der Rückweg nach Erfurt dürfte ebenfalls dem bereits bekannten Weg entsprechen. Danach hätte Luther im April 1511 Engenstein erneut passiert. Insgesamt überquerte Luther den Thüringer Wald elfmal. Die verbleibenden neun Überschreitungen52 fanden allesamt auf westlicheren, bzw. östlicheren Pässen statt und berührten das Bibertal nicht. Während man bei Luther den Weg auf der Frauenwalder Straße durch Engenstein mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen kann, muss er aufgrund mangelnder Quellen dennoch indirekt erschlossen werden. Anders verhält sich dies mit einem Itinerar des sächsischen Gelehrten Georg Fabricius. Bereits im 1539 begab sich dieser zu einer ausgedehnten Bildungsreise nach Italien. Hier verbrachte er mehrere Jahre und besuchte zahlreiche Städte auf der Apenninhalbinsel, darunter vor allem Padua, Mailand, Venedig und Rom. Im Frühjahr 1543 machte sich Fabricius in Begleitung einiger Freunde auf den Rückweg nach Sachsen. Seine italienischen Reiseerlebnisse hat Fabricius vor allem in dem, im Jahre 1560 publizierten und dichterisch gefassten Werk „Iternum liber unus“ beschrieben. Auch seine Rückreise nach Sachsen wurde hier mit einigen Zeilen dargelegt. Danach erreichte Fabricius im Sommer des Jahres 1543 die Gegend um Coburg. Er passierte „Coburgum oppidum“, „Eisfelda“ und die „Irmenkirch“ bei Crock. Anschließend gelangte Fabricius nach Engenstein, das er mit folgenden Worten bedachte: „Postea declivem post montem, valle relicta Angusta, impositam saxo conspeximus arcem. Saxangusta Arx“53 Fabricius‘ Nennung stellt die einzig überlieferte Anmerkung eines Durchreisenden zum Engensteiner Schloss dar. Vor allem die genauen Ortsbeschreibungen lassen seinem Werk eine große Bedeutung für Wegeforschung der Region zukommen. Wenige Jahre später wurde ein weiteres aufschlussreiches Itinerar abgefasst. Der Autor nennt sich innerhalb seiner Schrift nicht und bleibt daher unbekannt. Auch wurde dieses Itinerar, im Gegensatz zu jenem des Georg Fabricius, nicht publiziert. Es liegt in lediglich handschriftlicher Fassung vor und wurde während der Reise verfasst.54 Der Autor begleitete im Jahre 1547 den jungen Patrizier Johann Garlop, den Sohn des Lüneburger Bürgermeisters, und einige Bekannte auf einer Reise von Lüneburg nach Orleans. Die Reise wurde im Sommer 1547 angetreten und verlief über Magdeburg, Halle und Erfurt nach Ilmenau. Die am 6. September 1547 angetretene Etappe von Ilmenau auf Eisfeld beschreibt der Autor wie folgt: „Item den sösten Septembris van Elmena up Eichsfeldth 50 Vgl. HANS-DIETRICH LOEW: Luthers Reisen über den Thüringer Wald, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 30 (1985), S. 267-280. 51 Vgl. ebd., S. 269. 52 1518: nach Heidelberg und zurück, sowie nach Augsburg und zurück; 1521: Rückkehr aus Worms; 1530: nach Augsburg und zurück; 1537 nach Schmalkalden und zurück. 53 GEORG FABRICIUS: Iternum liber unus, Basel 1560, S. 51. Übersetzung: „Später nach dem abschüssigen Berg, nachdem wir das enge Tal zurückgelassen haben, erblicken wir die auf einem engen Felsen gelegene Burg. Burg Engenstein.“ Im Index seines Werkes gedenkt Fabricius Engenstein als einer fränkischen Burg: „Saxangusta, arx Franciae“, vgl. ebd., S. 71. 54 Vgl. WILHELM GÖRGES (Hg.): Bericht über eine Reise von Lüneburg nach Orleans im Jahre 1547, in: Jahresberichte des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg 1896/98, S. 3.
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verrucket, sein viff Mile. Dar underwegen up dem Doringer Wolde de Glasehütten […] besehen. […]“55 Die beschriebene Tagesetappe folgte dem Verlauf der Frauenwalder Straße. Der Thüringer Wald konnte in der angegebenen Entfernung nur auf dieser Straße überschritten werden. Besonders aufschlussreich ist die Nennung von „de Glasehütten“, die es letztendlich erlaubt die eingeschlagene Route zweifelsfrei der Frauenwalder Straße zuzuweisen. Im Jahre 1547 war die 1525 aufgerichtete hennebergische Glashütte Langenbach die einzig hier existierende.56 Dieser Gewerbebetrieb befand sich im Langen Grund, etwa zwei Kilometer von der Mündung des Biberflusses in die Schleuse entfernt. Die Frauenwalder Straße stieg hier mit bedeutendem Gefälle in das Tal ab und durchquerte den Langen Grund. An der Glashütte Langenbach vorbei, verlief die Straße über die Schleuse hinweg in das Bibertal. Wenngleich im Itinerar Engenstein nicht explizit genannt wird, mussten doch die Lüneburger Patrizier den Ort auf dem Weg nach Eisfeld passieren. Ein viertes Itinerar stammt von der Gräfin Clara zu Schwarzburg, die zu Anfang des 17. Jahrhunderts nachweislich mindestens zweimal die Frauenwalder Straße bereiste.57 Als sich die Gräfin im Juni 1603 auf einer Reise von Heringen nach Coburg befand, befahl Herzog Johann Casimir seinem Untergebenen Albrecht Steinrück der Dame entgegenzureisen: „[…] alß begehren wor hiermit, Ihr wollet euch […] nach Engenstein begeben und Kundtschaft ahnstellen, welches Weges I.[hro] L.[iebden] anhero reisen, dieselbe von unsertwegen gebürlich empfahen und gleitlich anhero in unser Residenz, do alle Notturft bestellet, führen […]“58 Mit Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg lässt sich ein weiterer adeliger Reisender auf der Frauenwalder Straße nachweisen. Seine Reisen sind durch umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen überliefert.59 Der Fürst befand sich im Jahre 1624 auf einer Reise von Italien nach Flensburg. In Coburg angekommen, reiste er am Morgen des 26. Juni nach Norden ab und schrieb: „den 26. Jun. Von Coburg nach Aißfeld, 3 M[eilen] / Engenstein, 1 M[eile] mittags ausspan[nen]. / Von Engenstein nach Frawenwalde, 1 sehr gr[oße] M[eile], in bösem bergigem wege, den gantzen tag. […] Wir haben sonsten viel waldes gehabt diesen tag, und fähet sich zu Frawenwalde der Thüringer wald an.“60 Gegen Mittag erreichte man Engenstein und spannte zunächst die Pferde aus. Vom Besuch des Engensteiner Gasthauses und der Einnahme eines Mittagsmahles ist auszugehen. Die Erwähnung des „bösen bergigen Weges“ bezieht sich auf den ungewöhnlich steilen Aufstieg vom Langen Grund auf die Frauenwalder Höhe. Neben diesen Itineraren, liegen noch diverse sekundäre Berichte zu Reisenden auf der Frauenwalder Straße vor. Beispielsweise berichtet Johann Faber aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, dass Philipp Melanchthon, wahrscheinlich zur Zeit der ersten Kirchenvisitation, auf der Frauenwalder Straße an Engenstein und Crock vorüberzog.61 Gleiches berichtet er auch für Johann Wilhelm, den späteren Herzog von Sachsen-Weimar, 55 Vgl. ebd., S. 9. 56 Vgl. HERBERT KÜHNERT: Urkundenbuch zur thüringischen Glashüttengeschichte und Aufsätze zur thüringischen Glashüttengeschichte, Wiesbaden 1973, S. 15f. 57 Vgl. PETER KUHLBRODT: „Clara grevin undt fraw zu Schwartzburgk wittwe – Leben und Wirken einer geborenen Herzogin in Heringen, Nordhausen 2008 [unveröffentlichtes Manuskript], S. 90. Publiziert unter PETER KUHLBRODT: Clara von Schwarzburg – eine geborene Herzogin von Braunschweig-Lüneburg in Heringen (= Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, Bd. 20), 2 Bde., Auleben 2009. 58 Ebd., S. 106. 59 Christian II. von Anhalt-Bernburg, genannt „der Jüngere“ (1599-1656): geboren auf Schloss Amberg, unternahm in jungen Jahren Bildungsreisen durch die Schweiz, Italien, Frankreich und England. Er war seit 1620 militärisch am Dreißigjährigen Krieg beteiligt und ab 1630 regierender Fürst von Anhalt-Bernburg. 60 Vgl. ebd., S. 287. 61 Vgl. FABER: Kirchspiel der Pfarr Crock, S. 34.
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der um 1560 durch die hiesige Gegend reiste.62 Auch Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg reiste im Jahre 1623 durch Engenstein.63 Trotz der wenigen überlieferten Itinerare zur Frauenwalder Straße und Engenstein, zeichnet sich bereits aus den oben angeführten Beispielen ein Bild der lokalen und überregionalen Bedeutung der Straße ab. Itinerare allein erlauben jedoch keine differenzierte Einschätzung zur Frauenwalder Straße, da eine unüberwindbare Diskrepanz zwischen damaliger Bekanntheit, bzw. Frequentierung einerseits und überlieferten Reiseberichten andererseits besteht. Aus diesem Grund ist es notwendig eine weitere Quellengattungen, die sogenannten Buchitinerare und Meilenscheiben, einzuführen. Im Gegensatz zu den oben dargestellten Itineraren, die gewissermaßen die persönlichen Reiseumstände einer Person wiedergeben, stehen die Buchitinerare. Es handelt sich bei dieser Quellengattung um gedruckte Zusammenstellungen von Reiserouten, die in gewissen Abständen und unter Angabe von Entfernungen diverse Raststationen auf dem Weg vermerkten. Solche Marschroutenbeschreibungen dienten Reisenden zur vorhergehenden Information und Orientierung. Beim ältesten deutschen Buchintinerar handelt es sich um das „Raißbüchlin“ des Augsburgers Georg Gail aus dem Jahre 1563. Als wichtige Station an der Straße Erfurt-Nürnberg vermerkte der Autor den Ort Engenstein.64 Gails Werk diente in den folgenden Jahrzehnten als Vorlage für eine Vielzahl an Buchitineraren, die als nützliches Reisehilfsmittel bis in das 18. Jahrhundert hinein weite Verbreitung besaßen. Die Buchitinerare dienten seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den sogenannten Meilenscheiben als Vorlage und sind von diesen nicht losgelöst zu betrachten. Die Autoren der Meilenscheiben beriefen sich auf neugedruckte Buchitinerare und aktualisierten die Marschrouten ständig.65 Bei Meilenscheiben handelt es sich dabei um gedruckte runde Tafeln, die von einem zentralen Punkt ausgehend den Verlauf wichtiger Straßenverbindungen in alle Himmelsrichtungen bildlich wiedergaben. Zusätzliche Vermerke erlaubten auch die Entfernung zwischen einzelnen angegebenen Stationen nachzuvollziehen. Der Typus der Meilenscheibe wurde von Hans Rogel kurz nach der Publikation von Gails „Raißbüchlin“, ebenfalls in Augsburg, kreiert.66 Ebenfalls von Gails Werk ausgehend schuf der Nürnberger Georg Kreydlein wohl um 1575 mit der „Nürnberger Meilenscheibe“ die zunächst bedeutendste Meilenscheibe des süddeutschen Raumes.67 Zwischen Eisfeld und Frauenwald findet sich auch hier die Etappe „Engestein“ verzeichnet. Während weitere Meilenscheiben entstanden, machte auch die Publikation von Buchitineraren Fortschritte. Als ein bedeutender Autor von Buchitineraren und Landkarten des beginnenden 17. Jahrhunderts ist Matthias Quad von Kinkelbach anzusehen. Er lieferte in den Jahren 1597 und 1602 mit „Kronn und Außbundt aller Wegweiser“ und „Itinerarium Universae Germaniae“ wichtige Vorlagen für die weitere Entwicklung der Meilenscheiben. In beiden Werken Quad von Kinkelbachs ist Engenstein als wichtige Station zwischen Nürnberg und Erfurt verzeichnet. Es ist stark davon auszugehen, dass dem Augs62 Vgl. ebd., S. 10. 63 Vgl. ThStA Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv, I, 384. 64 Vgl. HERBERT KRÜGER: Das älteste deutsche Routenhandbuch – Jörg Gails Raißbüchlin, Graz 1974, S. 244f. 65 Vgl. DERS.: Oberdeutsche Meilenscheiben des 16. und 17. Jahrhunderts als straßengeschichtliche Quelle IV, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 26 (1966), S. 239-306. hier S. 239f. 66 Vgl. MICHAEL RITTER: Der Augsburger Landkartendruck, in: HELMUT GIER (Hg.): Augsburger Buchdruck und Verlagswesen von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, S. 411. 67 Kreydleins „Nürnberger Meilenscheibe“ wurde in der Vergangenheit auf das Jahr 1559/60 fehldatiert. Sie baut offensichtlich auf Gail auf und muss daher mit dem terminus post quem 1563 belegt werden. Weiteres zur Datierung, vgl. HERBERT KRÜGER: Oberdeutsche Meilenscheiben des 16. und 17. Jahrhunderts als straßengeschichtliche Quellen II, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 24 (1964), S. 167-206, hier S. 206.
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burger Kaspar Augustin beide Werke bekannt waren.68 Er veröffentlichte im Jahre 1629 seine detaillierte „Augsburger Meilenscheibe“ die ebenfalls Engenstein aufführt.69 Der Verlauf der Frauenwalder Straße durch das Bibertal ist in den Jahren von 1570 bis 1650 noch anhand von weiteren Meilenscheiben nachzuweisen. Diese – unter ihnen auch die Erfurter Meilenscheibe aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts - wählten jedoch die Abstände zwischen den Stationen so großzügig, dass Ortschaften wie Engenstein oder Frauenwald hier nicht zu finden sind. Die vorgestellten Quellengattungen bestätigen bereits, dass es sich bei der Frauenwalder Straße durch das Bibertal bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts um eine stark frequentierte Handels- und Heerstraße gehandelt haben muss. Dazu stellte Johann Faber im Jahre 1621 fest: „[…] wenn man von Eißfeld in Thüringen zeucht […] Denn da kömmt man auff Crock / Oberwind / Biberschlag / Engenstein und in Grund, da die Schleuß unser und das Hennebergische Land scheidet.“70 Etwa dreißig Jahre später berichtete der hennebergische Landjägermeister Eckardt Christoph von der Pforten: „Meinem hochgeehrten Herrn zur Nachricht, dass weil ich nunmehr in das 35. Jahr in hennebergischen Diensten gewesen, ich anders niemals vernommen, als daß die rechte, ordentliche Heerund Landstraße und das Geleit von Coburg auf Engenstein, Frauenwald und Ilmenau und von da wiederum dahin nach Eisfeld und Coburg gehet […]“71 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts lässt die Bedeutung der Frauenwalder Straße zusehends nach. Rechnungen der Vorspanndienste auf den Kamm des Thüringer Waldes, welche Fuhrleute aus der Eisfelder Umgebung verschiedensten Heeren in kriegerischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts zu leisten hatten, zeigen deutlich, dass nunmehr andere Wege eingeschlagen wurden. Es entstanden Querverbindungen, ebenso wie völlig neu erschlossene Talwege. In der näheren Umgebung Engensteins gehörte die Straße durch den Neubrunngrund nach Kahlert zu den neuerdings stärker frequentierten Routen.72 Gründe für den Niedergang der Frauenwalder Straße dürften in dem großen Höhenunterschied zu suchen sein, der auf kürzestem Wege überwunden werden musste. So stellte die Frauenwalder Straße zwar den kürzesten Übergang über den Thüringer Wald dar, aber den bei weitem unbequemsten.73 Daher vollzog sich bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts im engeren lokalen Umfeld eine nahezu vollständige Verlegung der traditionellen Handelswege. Auf die Bevölkerung, die vom Straßenverlauf profitierte, hatte diese Entwicklung nachteiligen Einfluss. Der beträchtliche Teil der Fuhrleute auf den Dörfern des Bibertals verfiel bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts in eine Krise, deren Ergebnis das völlige Verschwinden dieses Fuhrmannhandwerks in den Orten bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war.74
68 Vgl. Stadt Augsburg (Hg.): Welt im Umbruch – Augsburg zwischen Renaissance und Barock, Bd. 1, Augsburg 1980, Katalognr. 180. 69 Vgl. HERBERT KRÜGER: Die anonyme, undatierte Erfurter Meilenscheibe in Johann Michael Funckes „Wohleingerichtetem…Wegweyser“, gedruckt zu Erfurt seit 1719, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 28 (1968), S. 215-273, hier S. 224. 70 FABER: Kirchspiel der Pfarr Crock, S. 34f. 71 DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 1, S. 98. 72 Vgl. dazu StadtA Eisfeld, Ratsrechnungen, Jg. 1690-1715. 73 Vgl. GERBING: Die Pässe des Thüringer Waldes, S. 41. 74 Vgl. HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 57ff.
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V. Das Engensteiner Gasthaus und die Wirte Das Engensteiner Gasthaus, am Fuße des Schlossberges gelegen, bildete wahrscheinlich den Kern des Dorfes, um den sich im Laufe der Zeit eine komplexere Siedlung entwickelte. Die genauen Entstehungsumstände des Gasthauses sind archivalisch nicht erschließbar. Eine erste Nennung als „Schenkstatt zum Engenstein“ findet sich für das Jahr 1528 im Rahmen der ersten protestantischen Kirchenvisitation.75 Dabei versteht man unter Schenkstatt ein öffentliches Gasthaus, in dem lediglich Speise und Trank zu erhalten war.76 Eine Herberge stand demnach für Durchreisende in Engenstein nicht zur Verfügung. Dass das Gasthaus wesentlich älter ist, als die erste fassbare Nennung glauben macht, beweisen diverse gefäßkeramischer Funde, die im Juli 2009 bei Bauarbeiten am Gebäude gemacht wurden. Diese lassen in ihrer Gesamtheit eine Datierung des Gasthauses in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu.77 Einen weiteren Beleg für ein älteres Entstehungsdatum liefert die Tatsache, dass es sich beim Engensteiner Gasthaus um eine von zwanzig alten Erbschänken in der ehemaligen Pflege Coburg handelte.78 Im 15. und 16. Jahrhundert gelang es der Ritterschaft der Pflege Coburg zusehends Schankgerechtigkeiten für ihre Güter zu erwirken. In diesem Kontext ist die Entstehung der Engensteiner Schenkstatt zu sehen. Als Sitz des Amtsverwalters war Eisfeld eng an die Landesherrschaft gebunden und beeinflusste die Vergabe von Konzessionen im Amt. Je mehr Schankgerechtigkeiten im Amt vergeben wurden, desto mehr sah sich die Stadt in ihren alten Gerechtigkeiten geschmälert, die mindestens seit der Landesordnung des Jahres 1556 schriftlich fixiert waren.79 Hinzu kamen noch Erwartungen beträchtlicher finanzieller Einbußen. Um dem entgegenzuwirken, band man die zunächst überschaubare Zahl von Schenkstätten mit der Auflage, ihr Bier ausschließlich in Eisfeld zu kaufen, an die Stadt.80 Die Schenkstatt Engenstein bildete hier eine Ausnahme. Möglicherweise im Zusammenhang mit der Zentfreiheit des Gutes, war der Gastwirt hier nicht verpflichtet, sein Bier in Eisfeld zu beschaffen.81 Die Engensteiner Schenkstatt, deren Blütezeit zweifellos im 16. Jahrhundert lag, erlitt nach den kriegerischen Wirren des Dreißigjährigen Krieges einen starken Bedeutungsverlust. Zwar konnten die umliegenden überregional bedeutenden Straßen auf Drängen Herzog Ernsts von Sachsen-Gotha im Jahre 1649 wieder befahren werden, doch der florierende Handel blieb aus.82 Noch 1653 beschwerte sich der Wirt Burkhard Höfer, der seit dieser Zeit mit seiner Ehefrau Kunigunda in Engenstein nachweisbar ist, dass oft mehrere Wochen lang keine Fuhrleute durch den Ort kämen.83 Aus dem Jahre 1666 ist belegt, dass Höfer 6 fl. für das Wasserrecht am Fischwasser der Biber an die Landesherrschaft zahlte.84 Als Herzog Ernst nach dem Dreißigjährigen Krieg verstärkt begann Braukonzessionen an Schenkstätten in der unmittelbaren Umgebung Engensteins zu vergeben, bestand für 75 Vgl. KRAUSS: Landes-Historia, S. 52. 76 Vgl. KRÜNITZ: Oeconomische Encyclopädie, Bd. 142, Berlin 1826, S. 115. Es ist dabei sowohl die Schreibweise Schenkstatt (v. ausschenken), als auch Schänkstatt (v. Ausschank) legitim. 77 Vgl. OLIVER HEYN: Die spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Keramikfunde des Adelssitzes Engenstein, Lkr. Hildburghausen, Bamberg 2010 [unveröffentlichte Magisterarbeit], S. 44. 78 Vgl. JOHANN ADOLPH V. SCHULTES: Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Bd. 2, Coburg 1818, S. 27, Anm. l. 79 Vgl. Pollicey und Landtsordnung 1556, Tit. 55. 80 Vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 1, S. 123. 81 Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres,14192, 17.08.1667, fol. 1r. „[…] und ich [Wirt Burkhard Höfer] uff meiner Schenkstatt zum Engenstein ohnedas befreyet und an die Stadt Eissfeld nicht verbunden bin […]“ 82 Vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 3, S. 269f. 83 Vgl. DERS.: Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 53. 84 Vgl. ThStA Meiningen, Zinck-Mattenberg-Sammlung, 1232a, fol. 330r.
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den Wirt erneut Existenzgefahr.85 Um dem entgegenzuwirken richtete Burkhard Höfer ab Mai des Jahres 1667 mehrere Eingaben an die herzogliche Kammer nach Gotha und bat um die Erteilung der Braugerechtigkeit. Der Wirt argumentierte, wie allgemein bei der Verleihung von Braugerechtigkeiten üblich, mit dem finanziellen Vorteil des Landesherren. Höfer, der als Engensteiner Wirt nicht an Eisfeld gebunden war, bezog sein Bier bislang meistenteils aus dem Amt Schalkau oder aus dem hennebergischen Gebiet.86 Hinzu kam noch, dass die Bewohner des Bibertales größtenteils die hennebergischen Schenkstätten jenseits der Schleuse aufsuchten.87 Da die dort getätigten Transaktionen keinerlei Profit für die Landesherrschaft brachten, schlug Höfer vor, der Engensteiner Schenkstatt die Braugerechtigkeit zu verleihen und von einer gesteigerten Tranksteuer zu profitieren. Am 28. Juli 1670, mehr als drei Jahre nach der ersten Eingabe Höfers, verlieh Herzog Ernst von Sachsen-Gotha der Engensteiner Schenkstatt das Braurecht mit dem Wunsch „Bier so gut und tüchtig [zu brauen, daß] davon Krancke, Sechswöchnerin[nen] und Durchreißende Labsal haben können“88 Vorher zogen offenbar verschiedene Gutachten und Verhandlungen mit dem Eisfelder Stadtrat den gesamten Verleihungsprozess in die Länge.89 In der Amtstadt Eisfeld hatte man wenig Interesse daran dem Engensteiner Wirt irgendwie geartete Gerechtigkeiten zu verleihen, doch in Ansehung aller Tatsachen, schien es offensichtlich, dass die Schenkstatt mit Braugerechtigkeit einträglicher war, als ohne. Um jedoch den Engensteiner Wirt zumindest in einem Belang an die Stadt zu binden, setzte der Stadtrat in den Verhandlungen mit dem Herzog durch, dass die Schenkstatt ihr Malz ausschließlich aus Eisfeld zu beziehen habe.90 Neben der erlangten Braugerechtigkeit, galt es jedoch auch diverse Auflagen und Pflichten zu erfüllen. Als gewöhnliche Tranksteuer waren 2 fl. je Gebräu von 1470 Litern veranschlagt.91 Hinzu kam noch ein jährlicher Erbzins von einem Goldgulden, sowie die Verpflichtung von jedem Gebräu dem Biberschlager Pfarrer und Schulmeister einen Anteil zu erstatten.92 Weiterhin hatte Höfer auf eigene Kosten das Brauhaus zu errichten und das gebraute Bier lediglich in Engenstein zu verzapfen. Weitere Verhaltensregeln erwuchsen für den Wirt aus der Landesordnung des Herzogtums Sachsen-Gotha. Diese bestimmte beispielsweise, dass Schenkstätten in den Sommermonaten spätestens um 22 Uhr, im Winter bereits eine Stunde früher, zu schließen hatten und nach dieser Zeit keinerlei Bier mehr ausgeschenkt werden durfte.93 Weiterhin sollten fremde Reisende vom Schankwirt nach ihrer Tätigkeit und Herkunft befragt werden, um so unliebsame Landstreicher leichter ausfindig zu machen.94 Burkhard Höfer leitete die Engensteiner Schenkstatt nach der Verleihung der Braugerechtigkeit nur noch wenige Jahre. In den Jahren zwischen 1670 und 1675/76 muss er verzogen oder verstorben sein.95 Sein Nachfolger wurde Peter Leuthäuser, der die Schenk85 Zwischen 1645 und 1667 wurde die Braugerechtigkeit an Gießübel, Crock, Fehrenbach, Schnett und Heubach vergeben. 86 Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres, 14192, 17.08.1667, fol. 1r. 87 Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres, 14192, 28.07.1670, fol. 1r. 88 Vgl. ebd., fol. 2v. 89 Vgl. ebd. Der Rat der Eisfelder Stadtrat ließ im Juni 1670 in einer Erklärung verlauten „[der Rat wolle über] solches weiter nicht streitten […]“ 90 Vgl. ebd. „[…] daß der Wirt zum Engenstein benöthigtes Malz iedesmal zu Eisfeld gegen artige Bezahlung abholen müßte […]“ 91 Vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 419. 1470 Liter = 20 Eimer. 92 Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres, 14192, 28.07.1670, fol. 3r. Die Anteile betrugen einen halben Eimer für den Pfarrer und einen viertel Eimer für den Schulmeister. 93 Vgl. Fürstliche Sächsische abermals verbesserte Landes-Ordnung 1667, Tit. 12, S. 170. 94 Vgl. ebd., Tit. 19, S. 181. 95 Falls Höfer in Engenstein verstorben sein sollte, wurde er jedenfalls nicht in Biberschlag bestattet.
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statt jedoch auch nur wenige Jahre bis zu seinem Tod im Jahre 1679 betrieb.96 Nach dem Tod des Vaters lässt sich die Familie Leuthäuser im Bibertal nicht mehr nachweisen. Lediglich eine Tochter der Familie, Margaretha Leuthäuser, arbeitete 1703 noch als Magd in der Engensteiner Schenkstatt.97 Wahrscheinlich noch im Jahre 1679 gelangte Georg Hornung in den Besitz des Engensteiner Gasthauses. Der im Jahre 1640 geborene Hornung war Gründer einer Wirtsdynastie die ungefähr ein halbes Jahrhundert die Geschicke der Schenkstatt bestimmte.98 Mit ihm lebten seine Ehefrau Maria Elisabetha und seine beiden Söhne Johann und Peter in Engenstein. Erstmals tritt Georg Hornung im Jahre 1681 als Taufpate eines auf der Straße beim Engensteiner Brunnen aufgefundenen „Zigeunerkindes“ in Erscheinung.99 Hornungs Ehefrau verstarb zu Weihnachten 1693.100 Sechs Jahre später schloss er eine Ehe mit der Witwe Anna Maria Jahn, die jedoch kinderlos blieb.101 An seinem Lebensabend verließ er wahrscheinlich das Bibertal und übergab seinem Sohn Johann Hornung die Geschäfte um die Engensteiner Schenkstatt. Dieser dürfte bereits seit Ende der achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts aktiv in die Geschäfte involviert gewesen sein. Unter Johann Hornung, der nicht nur als Gastwirt, sondern auch als Metzger in Engenstein tätig war, wurde die Schenkstatt weiterhin erfolgreich geführt. Er lebte mit seiner Ehefrau Ursula Barbara, sowie mit zwei Töchtern und einem Sohn, im Ort. Dass sich die Gastwirtsfamilie Hornung bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts gesellschaftlich etabliert hatte, zeigen die Taufpaten der drei Kinder. Unter ihnen finden sich ein Augsburger Kaufmann, ein Schleusinger Perückenmacher sowie der Schwarzbacher Papiermüller. Offenbar lief das Geschäft in der Engensteiner Schenkstatt so erfolgreich, dass Hornung schon früh an den Bau einer Schneidemühle nahe Lichtenau, unweit der Schenkstatt, dachte. Bereits im Jahre 1701 erhält er die Genehmigung das Gebäude am Biberfluss bei Lichtenau aufzurichten.102 In späterer Zeit wurde die Mühle verpachtet und es kam noch ein Zainhammer hinzu.103 Die Schneidmühle war jedoch seit ihrer Entstehung und bis zur Auflösung des Rittergutes von diesem vollständig unabhängig. Ebenso wie Georg Hornung das Schankgewerbe auf seinen Sohn Johann vererbte, wollte letzterer es mit seinem Sohn halten. Als dieser 1706 noch im Kindesalter verstarb,104 lastete das familiäre Erbe auf den Schultern der beiden Töchter Anna Catharina und Barbara Rosina. Erstere heiratete im Jahre 1721 den Hildburghäuser Koch Johann Veil, der in den nächsten vier Jahren mit in der Schenkstatt arbeitete.105 Die zweite Tochter, Barbara Rosina, heiratete Johann Caspar Horschel und lebte mit ihm in einer höchst unglücklichen Ehe. Aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wird berichtet, dass dieser sich mit seiner Frau des Öfteren stritt und daraus „heftige Zwietracht und Schlägerey entstanden“.106 Horschel verließ letztendlich seine Frau, ohne dass sein genauer Aufenthaltsort von den Behörden festgestellt werden konnte.
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Vgl. PfarreiA Biberschlag, Kirchenbuch (KB) Sepulti 1679, Matr. 2, S. 34. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Baptisati 1703. Zur ersten Generation der Familie Hornung, vgl. PfarreiA Biberschlag, Seelenregister (SR) 1690, S. 16. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Baptisati 1681, Matr. 7, S. 38; korrespondierend dazu vgl. HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 103. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Sepulti 1693, Matr. 6, S. 69. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Copulati 1699, Matr. 1, S. 81. Vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 444. Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres, 21083, fol. 1ff. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Sepulti 1706, Matr. 1, S. 96. Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Copulati 1721, Matr 1, S. 117. Vgl. ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Inneres, 21083.
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Wenige Tage nach der Heirat seiner ältesten Tochter, gelang es Johann Hornung im Jahre 1721 der Kammer das Flurstück Klinge mit dem Schlossberg und den Ruinen des Ansitzes abzukaufen.107 In Hildburghausen war man unter Herzog Ernst Friedrich I. in arge Finanznöte gekommen, sodass man auch in Engenstein diverse Lehnschaften veräußerte. Die prekäre Situation des Hildburghäuser Fürstentums wirkte sich dennoch aber vor allem negativ auf die Entwicklung der Schenkstatt aus: Seit 1707 stieg die Vergabe von Braukonzessionen an Orte der unmittelbaren Umgebung Engensteins dramatisch an. Im Zeitraum bis 1730 erlangten unter anderem Oberwind, Tellerhammer, Gabel, Hinterrod, Lichtenau und Ernstthal die Braugerechtigkeit.108 Mit einer solchen Dichte von Schenkstätten und Brauereien im Umfeld, ließ sich in Engenstein nicht mehr länger rentabel wirtschaften. Dazu kam noch die fatale Steuerpolitik der Hildburghäuser Herzöge, die mannigfache Steuern und Extrasteuern von den Untertanen verlangten.109 Möglicherweise aus diesen Gründen entschloss sich die Familie Hornung um 1725 die Engensteiner Schenkstatt anders als bisher zu betreiben. Johann Hornung und sein Schwiegersohn Johann Veil zogen sich vollständig aus dem Gewerbe zurück und verpachteten die Schenkstatt. Für letztere ist die nun beginnende Zeit der Pachtwirte eine besonders unglückliche Episode. In äußerst kurzen Abschnitten – teilweise jährlich – wechselten sich Pachtwirte in der Schenkstatt ab. Zwar sind die meisten Wirte namentlich bekannt, doch das Quellenmaterial schweigt sich über Details ihres Lebens weitestgehend aus. Bei den Wirten handelte es sich sowohl um Einwohner von Biberschlag oder Engenstein, als auch um auswärtige Personen. Eines ist ihnen allen gemeinsam: Sie vermochten es aufgrund der häufigen Wechsel nicht, der Schenkstatt ein Profil zu verleihen und sie in den finanzschwierigen Zeiten des 18. Jahrhunderts rentabel zu führen. Der wahrscheinlich erste Pachtwirt war Nicol Schefler, über den bis auf sein Todesjahr 1726 nicht mehr in Erfahrung zu bringen ist. In den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts entsteht in der Quellenüberlieferung eine Lücke, an die sich Johann Conrad Abraham Zang als nächster Pachtwirt anschließt. Ihm folgt im Jahre 1748 kurzzeitig der Steudacher Jäger Johann Bernhard Friedrich Rösel, welcher der Engensteiner Jägerfamilie Rösel entstammte. Ihm folgte Johann Christoph Helk bis zu seinem Tode im Jahre 1756 als Pachtwirt nach. Im Sommer desselben Jahres verstarb auch Johann Hornung im Alter von 85 Jahren. Das väterliche Erbe wurde unter seine beiden Töchter aufgeteilt, die nun eine wichtige Entscheidung zu treffen hatten, denn die wirtschaftliche Situation für die Engensteiner Schenkstatt verschlechterte sich weiterhin. Hinzu kam noch, dass bereits seit 1749 der herzoglichen Kammer mehrere Ansuchen des Biberschlager Schultheißen Johann Jacob Hanft vorlagen, der im Namen der Dorfgemeinde um die Erlaubnis zur Einrichtung einer Schenkstatt mit Brauhaus bat.110 Im ersten Schreiben der Biberschlager des Jahres 1749 wurde Herzog Ernst Friedrich III. Carl die dürftige Situation im Ort anschaulich vor Augen gestellt. Ein besonderes Anliegen war es herauszustellen, dass „die Nahrung hier im Walde ohne dies gar kümmerlich und schlecht ist“,111 man jedoch mit einem Brauhaus Durchreisende verpflegen und die Abfallprodukte der Brauwirtschaft noch auf den Feldern verwenden könne. Man verfehlte es ebenfalls nicht die Folgen herauszustellen, welche die Pachtwirtszeit in Engenstein schon zeitigte: „[…] die Engensteiner Wirthschafft, wo wir unser nothdürftiges Getränk
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Die herzogliche Kammer war von 1719 bis 1722 Besitzer des Rittergutes Engenstein. Vgl. DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 4, S. 419f. Vgl. ebd., S. 140ff. Vgl. ThStA Meiningen, Älteres Finanzarchiv, Konzessionen, 1056, fol. 1v. Vgl. ebd.
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gemeiniglich hohlen, [ist] dergestalt in Verfall gekommen, daß zu Zeiten nicht einmahl etwas, wenigstens nicht viel tägliches zu bekommen ist.“112 Keineswegs ungewöhnlich zogen sich die Eingaben über mehrere Jahre hin, bis endlich eine Entscheidung zustande kam. Im November des Jahres 1757 war es soweit und der Herzog übertrug dem Dorf Biberschlag die Braugerechtigkeit.113 In dieser schwierigen Situation galt es für die Töchter Johann Hornungs zu handeln. Man entschloss sich im Winter 1756/57 die Engensteiner Schenkstatt zu verkaufen. Ein Kaufkontrakt kam im Februar 1757 mit dem Pfeifenmacher Johann Lorenz Hanft und dem marschall’schen Hausvogt Georg Lützelberger aus Schwarzbach zustande.114 Beide erkauften die Schenkstatt gemeinsam von Barbara Rosina Horschel für die ansehnliche Summe von 1400 fl. Im selben Jahr fand noch ein erneuernder Umbau am Gasthaus statt, wovon die noch heute über dem Eingang befindliche Jahreszahl „1757“ kündet. Als Hanft und Lützelberger nun im November 1757 von der Braugerechtigkeit Biberschlags erfuhren, war die Empörung groß. Es drohte ein Großteil des Kundenstammes der Engensteiner Schenkstatt wegzufallen. Bereits einen Tag nachdem die herzogliche Konzession für Biberschlag ausgestellt war und der Gemeinde zuging, verfasste Hanft ein Schreiben an die herzogliche Kammer in Hildburghausen. In diesem beschwerte er sich über die Verleihung der Brau- und Schankgerechtigkeit an Biberschlag. Er führte an, dass „[…] in hiesigem District kaum von einer Stunde in Umfang bey 20 Wirthshäußer und Schenkstätten bereits schon zu finden [sind]“115 und drückte damit sein Unverständnis für die Konzessionierung eines Biberschlager Gasthauses aus. Hanft war jedoch kompromissbereit und bot im Schreiben an den Herzog den Biberschlagern an, ihm die Engensteiner Gerechtigkeiten abzukaufen.116 Dies ist an dieser Stelle ein verzweifelter Versuch sich noch aus dem Verlustgeschäft zu retten. Im Falle, dass der Herzog oder die Biberschlager nicht darauf eingehen wollten, sollte der Herzog die Güte haben, dass die „[…] auf dem [Engensteiner] Wirthshauß liegende, starcken onera [Belastungen] ab und hingegen dem neuen Wirthshauß zu Bieberschlag auferleget werden.“117 Neben Hanft beschwerte sich vor allem die Engensteiner Lehnsherrin Catharina Cramer, die nicht nur den bevorstehenden Ruin der beiden Besitzer anführte, sondern sich auch in ihren Gerechtigkeiten geschmälert sah, denn mit der Eröffnung eines Gasthauses in Biberschlag fiel auch der Wert des Lehnstückes auf dem sich das Engensteiner Gasthaus befand. Zum Abschluss bat sich Cramer zur Vorlage aller ihrer Argumentation entsprechenden juristischen Unterlagen eine sechswöchige Frist vom Herzog aus.118 Da die Konzession bereits fünf Tage vorher bewilligt worden war, blieben alle Beschwerden wirkungslos. In den nächsten Monaten bewirtschafteten Hanft und Lützelberger das Gasthaus nur kurzzeitig. Es folgte ab 1758 erneut eine Zeit der Pachtwirte, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts anhielt. Bei den Pachtwirten dieser Zeit handelte es sich hauptsächlich um Personen, die von auswärts in das Bibertal kamen und äußerst kurz blieben. Unter ihnen befand sich Johann Georg Heinze, ein junger Mann aus Katzhütte, der wahrscheinlich nur wenige Monate im Bibertal blieb. Er heiratete in Biberschlag die Tochter eines Ilmenauer Bürgers und verschwand anschließend.119 Ihm folgte Johann Jacob Müller, der in Engenstein kurz112 113 114 115 116 117 118 119
zeitig als Schneidermeister tätig war und sich ebenfalls als Pachtwirt versuchte. Seine Tätigkeit fällt in die Zeit der Hungersnot 1771/72, in welcher im Bibertal vor allem die Familie des Pachtwirtes stark litt. Binnen zwei Monaten verstarben hier drei Kinder.120 Dass die Konkurrenz zum Biberschlager Gasthaus nicht den völligen Ruin für die Engensteiner Wirte bedeutete, zeigten die weiteren Entwicklungen des 19. Jahrhunderts, während denen das Engensteiner Wirtshaus weiterhin gut besucht wurde.121 Hier wurde noch bis 1985 bewirtet und gebraut. VI. Das Engensteiner Schloss und dessen Bewohner Die Anlage, welche Hans von Heßberg in den Jahren nach 1432 in Engenstein errichten ließ, kann nur von geringer Größe gewesen sein. Der Schlossberg, ein plateauartiger Felssporn der Röderwand, bot einem Bau nur eine begrenzte Grundfläche von höchstens 70m². Eine archäologische Sondierung der Jahre 1965/66 traf keinerlei eindeutige Baubefunde an und lässt zu diesem Punkt keinerlei Rückschlüsse zu. Auf dem Schlossberg lässt sich jedoch vereinzelt Sandstein antreffen, der hier nicht natürlich vorkommt. Eine Vielzahl der Sandsteine weisen Bearbeitungsspuren auf, sodass diese mit großer Wahrscheinlichkeit als Baumaterial für die Anlage gedient haben. In weitaus größerem Maße lassen sich Dachziegelfragmente antreffen, die in ihrer Form den Flachziegeln mit Bogenschnitt aus dem 16. Jahrhundert zugeordnet werden können. Obwohl die volkstümliche Überlieferung der Region von dem Vorhandensein einer typischen mittelalterlichen Burg in Engenstein ausgeht, scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. Schon der Name des Schlossberges selbst weist in eine andere Richtung. In den frühen Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts finden sich stets Bezeichnungen wie „behusunge“ oder „sloß“. Tatsächlich lässt sich außer der Tatsache, dass sich die Anlage auf einem exponierten Sporn befand und wahrscheinlich von einem Halsgraben abgetrennt wurde, keine der typischen fortifikatorischen Eigenheiten einer Burg ausmachen. Unter Berücksichtigung der geringen Grundfläche scheint eine Kemenate oder niedriger Wohnturm die wahrscheinlichste Bauform für die Engensteiner Anlage gewesen zu sein. So scheint der Begriff „Schloss“ treffender gewählt, zumal mit dem Bau im Ergebnis keine grundlegende militärische Funktion erfüllt wurde. Vielmehr war es die Intention der Adelsfamilie derer von Heßberg, lokale Präsenz zu zeigen und als Verwalter des Rittergutes zu repräsentieren. Der ausgesprochen steile und schwer zugängliche Schlossberg erschwerte vor allem die Wasserversorgung des Engensteiner Schlosses. Eine traditionelle Überlieferung berichtet von Eseln, mit denen das Wasser von dem Biberfluss auf den Berg geschafft worden sein soll.122 Der zu diesem Zweck benutzte Weg – der Eselsweg – ist heute noch unter der dörflichen Bevölkerung ein Begriff und auch in Teilen noch real vorhanden. Er windet sich etwa einhundert Meter lang und eng am Schlossberg anliegend in das Tal der Biber. Neben dem Eselsweg existierte noch ein Fahrweg, über den kleinere Fuhrwerke und Personen den Schlossberg bequem erreichen konnten. In einem Kaufbrief des Rittergutes Engenstein aus dem beginnenden 18. Jahrhundert erfährt man das Folgende: „[…] der alte Schloßfahrweg, der von Alters nauf das genannte Schlößlein gangen ist.“123 Heute ist zumindest der untere Teil dieses Weges unter dem Flurnamen „Klinge“ bekannt. Der obere Wegteil, der eine Kehrtwendung macht und sich im dichten und überwuchernden Wald 120 121 122 123
Vgl. PfarreiA Biberschlag, KB Sepulti 1772, Matr. 33. siehe Anmerkung des Pfarrers Johann Saalmüller. Vgl. HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 101. Vgl. FRIEDRICH GOTTSCHALK: Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands, Bd. 8, 1832, S. 244. Vgl. GEORG BRÜCKNER: Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Meiningen, S. 396, Anm. 4.
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verliert, ist nur mit Mühe auszumachen. Doch auch er führt am Berg anliegend in Richtung Plateau, wo er nahe dem Halsgraben auf das Schloss trifft. Das gesamte Bauvorhaben erstreckte sich über mehrere Jahre und wurde wahrscheinlich zwischenzeitlich vernachlässigt, da die Anlage im Jahre 1446 noch nicht fertig gestellt war.124Eine weitere Nachricht das Engensteiner Schloss betreffend, lässt sich erst 1522 nachweisen, als der sächsische Kurfürst Johann II., genannt der Beständige, die Brüder Bernhard125 und Greif126 von Heßberg mit folgendem Besitz belehnte: „[…] eine Behausung auf dem Engenstein bei Eisfeld bei dem Dorf Biberschlag […]“ 127 Ein direkter Besitzübergang von Hans von Heßberg auf die beiden Brüder ist genealogisch nicht überzeugend nachweisbar. Der Ansitz verbleibt jedoch in den Händen der Adelsfamilie128 und findet sich um 1550 im Besitz des Raphael129 von Heßberg.130 Seit dem Jahre 1577 befand sich das Rittergut Engenstein, sowie das dazugehörige Schloss in Besitz des Friedrich Albrecht von Heßberg.131 In den Dekaden bis zu seinem Tod im Jahre 1612 wird er mit „zum Engenstein, zu Engenstain, uff Engelstain“ tituliert. Um 1550 geboren, stieg er als Nachfolger des Philipp von Gebsattel bereits im Jahre 1571 zum Oberschultheiß und Rat von Würzburg auf.132 Auch hatte Friedrich Albrecht von Heßberg das Amt eines coburgischen Hofrichters inne.133 Neben Engenstein besaß er noch Ansitze in Schnodsenbach, Haubinda und Rödelsee.134 Bemerkenswert ist hier, dass die Nennungen von Engenstein im Gegensatz zu denen anderer Orte stark überwiegen. So kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Friedrich Albrecht von Heßberg, so er nicht in Würzburg und Umgebung weilte, einen beachtlichen Teil seiner Zeit hier verbrachte. Er erschien unter anderem am 2. Mai 1597 zur Erbhuldigung des Herzogs Johann Casimir im Rathaus zu Coburg und war auf der Ehrenburg zugegen.135 Nach dem Tode des Friedrich Albrecht von Heßberg im Jahre 1609 ging der gesamte Engensteiner Besitz auf dessen Tochter Agatha Rosina von Heßberg über. Jene war mit dem fränkischen Adeligen Michael Moritz von Wenkheim verehelicht, der bereits in jungen Jahren medizinischer Versorgung und Pflege bedurfte und im Jahre 1603 verstarb.136 Zwischen 1612 und 1620 verstarb auch Agatha Rosina von Heßberg, sodass der Besitz in 124 Vgl. HANNS V. HESSBERG: Beiträge zur fränkischen Rechtsgeschichte, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 36 (1976), S. 145-160, hier S. 158, Anm. 89: „[DerEngenstein ist] angericht mit eym burglichin buwe und den auch furder zu buwen“ 125 Bernhard von Heßberg (~1480-1543): Zunächst von 1495-1509 Kapitularkanoniker, um 1510 als Kustos genannt. Im Zuge der reformatorischen Bewegung verließ er die Kirche und war seit 1522 brandenburg-ansbachischer Amtmann in Prichsenstadt. Bernhard von Heßberg hatte seinen Sitz in Eishausen und Rödelsee, vgl. ALFRED WENDEHORST: Das Bistum Würzburg – Das Stift Neumünster in Würzburg (= Germania Sacra 4), Würzburg 1990, S. 414f.) 126 Greif von Heßberg: mindestens von 1522 bis 1536 mit Sitz in Eishausen genannt. Verheiratet mit Anna von Guttenberg und Vater der Veronika von Heßberg, die 1548 starb. 127 Ediert in DAHINTEN: Geschichte der Heimat II, S. 137. 128 Aus dem Jahre 1528 wird folgendes überliefert: „[…] der Engenstein den von Heßberk zustendig […]“, GUSTAV LOTZ: Die Pfarrei Mupperg – topographisch und kirchengeschichtlich dargestellt, Coburg 1843, S. 302, auch publiziert in JOHANN ADOLPH V. SCHULTES: Sachsen-Coburg-Saalfeldische Landesgeschichte, Bd. 3, Coburg 1822. 129 Raphael von Heßberg: Urenkel des Hans von Heßberg. Er hatte seinen Sitz auf Schloss Weitersroda. 130 Vgl. KOCH: Die Glashütte Langenbach, S. 29. 131 Vgl. MANFRED HÖRNER (Bearb..): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 6 (= Bayerische Archivinventare, Bd. 50/6), München 1995, Nr. 1890. 132 Vgl. ebd., Nr. 1889. 133 Vgl. ebd., Nr. 4875. 134 Neben den Nennungen in den Akten des Reichskammergerichts vor allem: HERMANN HOFFMANN: Urkundenregesten zur Geschichte des Juliusspitals in Würzburg 1576-1849, Würzburg 1976, Nr. 370, 379, 456, 516. 135 Vgl. PHILIPP CARL KARCHE: Jahrbücher Residenzstadt Coburg, Bd. 2, Coburg 1829, S. 32f. 136 Vgl. HÖRNER: Reichskammergericht, Nr. 3085.
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diesem Zeitraum auf ihre Tochter, Emilia Eleonora von Wenkheim137 überging. Diese verehelichte sich mit Johann Sebastian Stiebar von Buttenheim, der jedoch bereits im Jahre 1614 verstarb und eine Tochter hinterließ, die später für das Engensteiner Gut eine wichtige Rolle spielen sollte.138 Bemerkenswert, dass der Vogt der Emilia Eleonora, Samuel Johann Hüblein, im Jahre 1615 berichtete, dass sich auf dem Schlossberg ein bewohnter adliger Ansitz befindet.139 Nach dem Tod ihres ersten Mannes verehelichte sich Emilia Eleonora mit Hektor Christoph von Eltershofen auf den der Besitz durch seine Frau nun mit überging. Dieser lässt sich nun als „zu Ipsheim und Engelstein“140 titulieren und besaß das Rittergut und Schloss Engenstein wahrscheinlich bis in die dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts. Sowohl Emilia Eleonora, als auch Hektor Christoph verstarben jedoch vor 1638, da aus diesem Jahr eine Kontributionsliste für die Ritterschaft des Amtes Eisfeld vorliegt, in der lediglich von „Hektor von Eltershofens Erben zum Engenstein und Brigitta Maria Stiebar von Buttenheim zum Engenstein“141die Rede ist. Brigitta Maria Stiebar von Buttenheim war die bereits oben erwähnte einzige Tochter des Johann Sebastian Stiebar und der Emilia Eleonora von Wenkheim und entstammte einem bekannten fränkischen Adelsgeschlecht.142 Sie setzte sich kurz nach 1638 in den alleinigen Besitz von Engenstein. Ein Lehnsbrief des Herzogs Albrecht von Sachsen-Eisenach aus dem Jahre 1641 bezeugt und erneuert dies.143 Er gibt auch Auskunft über das Engensteiner Schloss: „Von Gottes Gnaden Wir Albrecht […] bekennen für uns und unsere Erben […] daß wir unserer lieben besonderen Brigitten Marien [Stiebar] die nachgeschriebenen Lehen und Güter von uns zu Lehen [geben], mit Namen eine Behaußung uff dem Engenstein gelegen bey Eyßfeldt, mit dem Dorf Bieberschlag, den Hartungsberg mit seinen Zugehörungen […]“144 Im Gegensatz zu den Schlössern von Brattendorf und Schwarzbach, die sich in nächster Nähe zum Bibertal befanden und dem Dreißigjährigen Krieg zum Opfer fielen,145 blieb die Anlage in Engenstein offenbar von einer größeren Zerstörung verschont. Sie diente wahrscheinlich seit den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 1648 der Brigitta Maria Stiebar als Zuflucht. Da die Familie derer von Stiebar im Laufe des Dreißigjährigen Krieges auf protestantische Seite wechselte, erfolgte im Jahre 1632 ein kompletter Entzug aller Güter durch den Kaiser.146 Einzig der Engensteiner Besitz ihrer Mutter, auf protestantischem Gebiet gelegen, entzog sich dem Zugriff des Kaisers und 137 Emilia Eleonora von Wenkheim (1590-nach 1620): wurde 1590 in Iphofen getauft und stand Zeit ihres Lebens in heftigem Erbstreit mit ihren Verwandten, den Herren von Seckendorff. 138 Vgl. OTTO GRAF SEEFRIED: Aus dem Stiebar Archiv - Forschungen zur Familiengeschichte von Bauer, Bürger und Edelmann in Ober- und Mittelfranken, Nürnberg 1953, S. 28. Seefried zitiert aus den Aufzeichnungen des Georg Sebastian Stiebar (1563-1635): „Ao 1614 den 5. Julij ist mein Vetter Hans Bastian Stiebar zu Adelsdorf in Nürnberg gestorben und den 16. Julij zu Grub bey Neuenhaus begraben worden, hatt nur ein ainzige Dochter hinterlassen.“ 139 Vgl. ThStA Meiningen, Sachsen-Meiningisches Amtsgericht Eisfeld, 4, S. 5. 140 Vgl. HÖRNER: Reichskammergericht, Nr. 3084. 141 Ediert in DAHINTEN: Geschichte der Heimat, Bd. 3, S. 179. 142 Ausführliche Biographie in HEYN: Geschichte des unteren Bibertales, S. 116ff. 143 Bereits um 1638 empfing Brigitta Maria Stiebar das Rittergut Engenstein als Lehen von Herzog Johann Ernst von Sachsen-Eisenach (1566-1638). „[…] in allermaßen gemelte Brigitta Maria solche [Güter] hiebevorn […] innen gehabt […]“ Anlass für die Erstellung eines erneuten Lehnsbriefes im Jahre 1641war die Ernestinische Teilung von 1640 und die damit verbundene Regierungsübernahme des Herzogs Albrecht von Sachen-Eisenach (15991644). 144 ThStA Meiningen, Staatsministerium, Abteilung Finanzen, 9585. 145 Vgl. HEYN: Die Geschichte des unteren Bibertales, S. 36. 146 Vgl. SEEFRIED: Stiebar-Archiv, S. 35.
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konnte während der Kriegsjahre einen Halt bieten. Hier verbrachte sie unverheiratet in relativer Einsamkeit einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit.147 Im Jahre 1648, nach der Rückgabe aller Güter an die Familie, heiratete Brigitta Maria den fränkischen Adeligen Heinrich Gottfried von Adelshofen148 in der Waldauer Kirche.149 Kurze Zeit später verließ Brigitta Maria Engenstein und war seitdem in Franken anzutreffen, wo sie im Hagenbacher Schloss lebte. Nur noch für wichtige Angelegenheiten nahm sie nun die Reise nach Engenstein auf sich, wo ihr Vogt Paulus Witthauer150 bis 1665 das Rittergut verwaltete. Um das Jahr 1660 berichtete dieser: „Doselbsten ist am Berg der adeliche Ansitz aber wegen Unbequemlichkeit lange Zeit unbewohnt gestanden biß endlichen derselbe eingegangen.“151 Sicherlich war der Ansitz nach der Hochzeit der Brigitta Maria im Jahre 1648 nicht mehr so stark frequentiert, wie im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Er stand um das Jahr 1660 also bereits mehr als zehn Jahre vernachlässigt und verfiel langsam. In Hagenbach verfasste derweil Brigitta Maria Stiebar angesichts einer Krankheit im Jahre 1666 ihr Testament, in welchem sie den größten Teil ihres Besitzes an ihren Mann weitergab. Für den Fall eines vorzeitigen Ablebens ihres Mannes bedachte Brigitta Maria ihre Vettern, die Herren von Wolfskeel, mit folgenden Worten: „So Sie meines herzlibes Mans Dot erleben so sol Ihnen nach seines Absterben die Stubn uff Engenstein zu fahllen […]“152 Dass Brigitta Maria in diesem Dokument des Jahres 1666 den Ansitz noch als in relativ gutem Zustand annimmt, scheint in der räumlichen Entfernung der adligen Dame zu Engenstein begründet. In jedem Fall können diese letzten Dokumente als Beweis dienen, dass die Schlossanlage in Engenstein um das Jahr 1660 noch vorhanden war. Umso wichtiger erscheint diese Erkenntnis, da in der jüngsten Vergangenheit des Öfteren irrtümlich eine komplette und dauerhafte Zerstörung im Zuge des Dreißigjährigen Krieges angenommen wurde. Im Besitz der Brigitta Maria Stiebar, der letzten Bewohnerin der Anlage, befand sich das Rittergut und Schloss Engenstein bis zu ihrem Tode im Jahre 1671. Ihr Ehemann, Heinrich Gottfried von Adelshofen, der bereits seit 1666 offiziell im Erbbuch des Rittergutes Engenstein verzeichnet war, leistete bereits den größten Teil der Verwaltungsarbeit.153 Mit dem Tod der Brigitta Maria fiel das Rittergut Engenstein an das Herzogtum Sachsen-Gotha heim. Nach der Rückgabe des Gutes verblieb dieses in den Jahren von 1671 bis 1677 zunächst in den Händen der herzoglichen Kammer. Nach der Umwandlung in ein freieigentümliches Rittergut verkaufte diese es an den Gothaer Kammerrat Johann Breithaupt.154 Der Kaufbrief erwähnt eine Schlossanlage in Engenstein mit keinem Wort.
147 Die Archivquellen geben Aufschluss darüber, dass sich Brigitta Maria neben Engenstein auch noch des Öfteren in Nürnberg aufgehalten hat. 148 Heinrich Gottfried von Adelshofen (~1610-1679): Sohn des Marquard von Adelshofen und einer von Belheim. Katholischer Konfession. In zweiter Ehe nahm er am 23. Juni 1674 die Martha Maria Truchseß von Wetzhausen zur Frau. Adelshofen verstarb am 28. August 1679 in Hagenbach und wurde in die katholische Pfarrkirche St. Kilian in Pretzfeld bestattet. 149 Vgl. PfarreiA Waldau, KB Copulati 11. Mai Ao. 1648, S. 198. „[…] Heinricus ab Adelshofen cum Nobilita [sic!] virgina Brigitta Stibarin a Buttenheim in Engenstein.“ 150 Paulus Witthauer (1603-1665): in Unterlauter geboren, Gymnasium Coburg und anschließend Studium der Rechtswissenschaft in Jena. Seit 1640 Verwalter der Johanniter-Ordens-Kommende Schleusingen. Seit 1641/42 Vogt der Brigitta Maria Stiebar in Engenstein, jedoch wohnhaft in Schleusingen. Er übte dieses Amt bis zu seinem Tode im Jahre 1665 aus, vgl. GOTTFRIED WITTHAUER: Das fränkisch-thüringische Geschlecht Witthauer, Neustadt a. d. Aisch 1958, S.208f. 151 ThStA Meiningen, Sachsen-Meiningisches Amtsgericht Eisfeld, 4, S. 3. 152 BayStA Bamberg, A 205, L. 851, Nr. 13032, S. 2. 153 Vgl. KRAUSS: Landes-Historia, Bd. 3, S. 350. 154 Vgl. ThStA Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv, VII, 140.
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OLIVER HEYN
Auch spätere Kaufbriefe oder andere Dokumente lassen keinen Schluss auf ein Schloss zu. Aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wird berichtet: „Wie denn gleich drüber, am Berg ein Schloß, der Hohen Wart gegenüber gestanden hat. Davon man die Rudera [Ruinen, Steintrümmer] noch siehet.“155 Weiterhin wird aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts berichtet, dass Engensteiner Schloss sei am Ende des 17. Jahrhundert abgetragen worden.156 Aufgrund der archivalischen Überlieferung lässt sich der Zeitraum des Abbruches der Anlage in die Jahre zwischen 1666 und 1677 datieren. Eine Verwahrlosung des Schlosses aufgrund der Herrenlosigkeit ist wahrscheinlich der Grund für den langsamen Verfall und den letztendlichen Abbruch gewesen. VII. Die Besitzer des Rittergutes von 1671 bis zu dessen Auflösung im Jahre 1799 Von 1677 bis 1799 hatten das Rittergut stets in kurzer Zeit wechselnde Herren inne. Meist stammten diese aus dem reicheren Bürgertum oder dem niederen Adel. Gemeinsam war nahezu allen von ihnen, dass sie am Hofe des Herzogtums Sachsen-Gotha oder später des Fürstentums Sachsen-Hildburghausen hohe Ämter inne hatten. Die Besitzer waren: 1671-1677 1677-1681 1681- ~1700 ~1700-1710 1710-1711 1711-1717
Herzogliche Kammer Johann Breithaupt, Landrentmeister und Kammerrat zu Gotha Dr. Hieronymus Backhusius, Jurist, Amtmann von Eisfeld und Zella Ernst Gottlieb v. Nimptsch, Oberjägermeister, Oberstallmeister Herzog Ernst v. Sachsen-Hildburghausen [Kammer] Johann Ludwig Spiller v. Mitterberg, Offizier in Sachsen-Hildburghausen Herzog Ernst Friedrich I. v. Sachsen-Hildburghausen [Kammer] Tobias Sutorius, Edler v. Karlstein, Geheimer Rat, Reichshofrat Herzog Ernst Friedrich I. v. Sachsen-Hildburghausen [Kammer] Theophilus Frank, Offizier in Sachsen-Coburg Catharina Frank (geb. Mardegat), Ehefrau des vorigen Catharina Maria Cramer (geb. Frank), Tochter der vorigen Theophil Christian Hannibal Cramer, Stadtvogt in Kulmbach, Sohn Eleonore Juliane Cramer, später Otto (geb. Schreiber), Ehefrau des vorigen Rosina Elisabeth Zehelein (geb. Schreiber), Schwester der vorigen Dorothee Henriette Johanne Donauer (geb. Zehelein), Tochter der vorigen Christian Friedrich Donauer, preußischer Kammerrat und Amtmann
Am Ende des 18. Jahrhunderts verfolgte das Fürstentum Sachsen-Hildburghausen die zunehmende Auflösung der bestehenden Rittergüter in der Landesherrschaft. Meistenteils sind die unzeitgemäßen Rittergüter auch für die Besitzer unrentabel geworden. So wurden im Jahre 1799 Verhandlungen mit den Gebrüdern Greiner, die bekannte Porzellanhersteller der Region und nunmehr die letzten Besitzer des Gutes Engenstein waren, geführt. Unter Aufwendung einer Summe kaufte das Fürstentum im Jahre 1799 das Rittergut zurück und löste dessen Status auf. Seitdem fügt sich Engenstein als „gewöhnliches“ Dorf in den Verband der anderen Orte des Bibertales ein. 155 Vgl. KRAUSS: Landes-Historia, Bd. 3, S. 349. 156 Vgl. GOTTSCHALK: Die Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands, S. 245.
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Report "\"Aus Gnaden verliehen...\" - Das vergessene Rittergut Engenstein (1432-1799), in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 28 (2013), p. 67-88. "