Tagung des Mittel‐ und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. und des West‐ und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. 29.03 – 01.04.2016 in Chemnitz AG „Römische Kaiserzeit im Barbaricum“: Abstracts „Aktuelle Forschungen“ Czarnówko ‐ ein zentrales Gräberfeld in Hinterpommern, ein zentraler Platz im südlichen Ostseeraum Jan Schuster (Łódź) Im Jahr 2015 erfolgte der letzte Spatenstich auf dem Gelände des Gräberfeldes der vorrömischen Eisenzeit und der Völkerwanderungszeit von Czarnówko in Hinterpommern, etwa 60 km nordwestlich von Gdańsk gelegen. Mit ca. 1800 Gräbern handelt sich um das größte seiner Art in Polen. Nicht nur aufgrund seiner schieren Größe, sondern auch hinsichtlich seiner Bedeutung kann es ohne Bedenken als Meganekropole bezeichnet werden. Zwar ist die Erfassung der Befunde und Funde gerade erst abgeschlossen und ist eine umfassende Auswertung noch in weiter Ferne, doch kann dem Platz mit Fug und Recht schon jetzt eine Schlüsselposition für Forschungen zur Frühgeschichte im südlichen Ostseeraum zugebilligt werden. Erstmals wurde er der Fachwelt durch die Vorlage einer reich ausgestatteten Grablege bekannt, zu deren Inventar auch ein römischer Bronzekessel mit drei Attaschen in Form von Suebenköpfen gehört. Weitere reiche, auch zeitlich gestaffelte Grabfunde unterstreichen die herausragende Bedeutung der hier Bestattenden und Bestatteten im sozialen Gefüge sowie der Lokalität innerhalb der politischen Topographie der Region. Anhand von Funden kann ein entwickeltes Beziehungsgefüge nach Südskandinavien und in andere Regionen der Germania magna belegt sowie ein Bild intensiver Kontakte zu germanischen Elitezentren und zum Römischen Reich nachgezeichnet werden. Kein zentraler Ort – die Ergebnisse der Makrorestanalysen des Fundplatzes Biesdorf‐ Habichtshorst René Bräunig (Berlin) Auf dem Berliner Fundplatz 1298 in Berlin‐Biesdorf finden seit 1999 Untersuchungen statt. Mittlerweile wurden hier ca. 18,5ha archäologisch untersucht. Neben einem umfangreichen Keramikspektrum, einigen Metallobjekten und Tierknochen wurden insgesamt über 100 Brunnen dokumentiert. Dabei lag in der Vergangenheit der Fokus meist auf Details der Konstruktion und den Funden aus den Brunnenanlagen. Die dendrochronologisch datierten Anlagen belegen die Nutzung des Platzes während der gesamten Eisenzeit und der frühen Kaiserzeit, sowie nochmals in der altslawischen Periode. Die Radiokarbondatierungen erweitern die chronologischen Belege für eine Besiedlung ab dem Mesolithikum, dem Endneolithikum, der Bronzezeit und bis in die frühe Völkerwanderungszeit hinein. Während der jetzt abgeschlossenen Grabungskampagne wurden die Aushübe aller dokumentierten Befunde geschlämmt und die darin enthaltenen karbonisierten Pflanzenreste geborgen. Das Spektrum der dabei geborgenen Pflanzenreste umfasst die gesamte Eisenzeit und die frühe Kaiserzeit und belegt eine differenzierte Landschaftsnutzung.
Hoby: Reiches Grab – reicher Ort? Ruth Blankenfeldt (Schleswig) Umfangreich ausgestattete Gräber und aufwändige Grabkonstruktionen kennzeichnen die letzten Ruhestätten ehemals hochstehender Persönlichkeiten. Fraglich ist, ob und wie sich diese Menschen bereits zu Lebzeiten vergleichbar deutlich von anderen Bewohnern innerhalb eines Siedlungsverbundes absetzten. Auf der dänischen Insel Lolland wird seit 2010 eine älterkaiserzeitliche Siedlung untersucht, die sich circa 300 Meter von dem sehr reich ausgestatteten Grab von Hoby aus dem 1. Jh. n. Chr. befindet. Eine Fragestellung bei der Interpretation der Befunde ist, ob sich hier Hinweise auf elitäre Bevölkerungsschichten oder Reichtum der Bewohner und somit eine Verbindung zu der außergewöhnlichen Grablege finden lassen. Neue Ausgrabungen und interdisziplinäre Forschungen am Fundplatz Elsfleth‐Hogenkamp, Ldkr. Wesermarsch Andreas Folkers, Saryn Schlotfeldt (Wilhelmshaven) Der im Mündungsbereich von Weser und Hunte gelegene Fundplatz Elsfleth‐Hogenkamp war bereits in den vergangenen Jahren Gegenstand intensiver archäologischer Forschungen und steht nun erneut im wissenschaftlichen Fokus. Bislang nahezu ausschließlich durch Oberflächenfunde bekannt, spiegelt das Fundspektrum nicht nur eine Nutzung des Platzes während des 1. Jahrtausends n. Chr. wider, sondern deutet durch Qualität und Quantität sowohl auf eine besondere Funktion als Handelsplatz mit überregionalen Kontakten, als auch auf eine lokale Buntmetallproduktion. Aufbauend auf den bereits erfolgten Untersuchungen sollen durch eine umfassende interdisziplinäre Zusammenarbeit neue Erkenntnisse auf (über‐)regionaler Basis gewonnen werden. Mit Hilfe archäologischer und pedologischer Geländearbeiten soll der Fundplatz in seiner Siedlungs‐ und Wirtschaftsstruktur erfasst und rekonstruiert werden, ebenso wie die landschaftlichen Veränderungen. Es wird unter anderem zu klären sein, wie die Bebauung der Siedlung im Bereich des Fundplatzes aussah, wie die Erhaltung ist und welche Aktivitäten sich in den Befunden und Funden widerspiegeln. Erste Geländekampagnen zur Prospektion des Siedlungsumfeldes fanden im Herbst 2015 statt, erste archäologische Suchschnitte sind für März 2016 geplant. Anhand von bodenkundlichen Bohrungen und geomagnetischer Prospektion sollen Strukturen erkannt und analysiert werden, um ein genaueres Bild der Paläotopographie zu visualisieren. Erste Bohrungen und Sondierungen haben deutlich gezeigt, dass der Fundplatz und die Umgebung von Gewässerstrukturen durchzogen waren, die als ehemals schiffbar gelten können und somit als Kommunikations‐/Handelsweg dienten. Im Zuge des Projektes soll eine Vielzahl an weiteren Bohrungen stattfinden und der Siedlungsplatz soll weiterhin großflächig geomagnetisch sondiert werden, um das Ausmaß des fluviatilen Netzes räumlich und zeitlich zu beschreiben. Zusätzlich zu den bodenkundlichen Untersuchungen wird das bei den Ausgrabungen gewonnene keramische Fundmaterial neben der typologischen Auswertung für
weiterführende archäometrische Analysen genutzt um auf diese Weise die Entwicklung der Töpfereitradition während der Besiedlung des Fundplatzes rekonstruieren zu können. Mit Hilfe metallurgischer Untersuchungen, die am Deutschen Bergbau‐Museum Bochum durchgeführt werden, soll darüber hinaus untersucht werden, welche handwerklichen Tätigkeiten vor Ort ausgeübt wurden, wo die verarbeiteten Metalle hergekommen sind und was vor Ort hergestellt wurde. Im Rahmen der AG Kaiserzeit sollen die neuesten Daten der Untersuchungen vorgestellt werden, die u.a. bei den Feldarbeiten im März gewonnen wurden. Kontinuität, Wandel und Neubeginn ‐ Ein kritischer Blick auf das Fundspektrum der "römisch‐germanischen" Siedlung von Heddesheim Klaus Wirth, Sven Jäger (Mannheim) Der vorgestellte Siedlungsbereich wurde 2013 im Vorfeld der Erschließungsarbeiten für ein Wohngebiet entdeckt und konnte bis 2015 in Teilen ausgegraben werden. Drei Bereiche sind von Bedeutung: eine Nordsiedlung mit Strukturen des 1. bis 3. Jahrhunderts, eine Süderweiterung mit Strukturen des 3./4. Jahrhunderts und ein Wirtschaftsbereich im Süden aus dem 4./5. Jahrhundert. Die Initialphase der Siedlung ist durch Fundgut germanischer Prägung und eine größere Zahl römischer Importe charakterisiert. Dies ist in der Region wenig verwunderlich, denn die sogenannten Neckarsweben sind durch die Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium im Neckarmündungsgebiet historisch zu fassen. Ob allerdings das Einsetzen der neckarswebischen Besiedlung in der Region wie allgemein angenommen erst nach 50 n. Chr. anzusetzen ist, oder doch schon einige Jahre zuvor, wird kritisch zu prüfen sein. Die Beobachtung, dass die germanische Materialkomponente bis weit in das 3. Jahrhundert existent bleibt und nach der Okkupation des rechtsrheinischen Gebiets nicht durch die provinzialrömische Kultur verdrängt wurde, widerspricht dem bisherigen Forschungsbild. Es wird von der Verdrängung der germanischen Komponente bereits im frühen 2. Jahrhundert ausgegangen. Da diese Komponente nun jedoch bis in die späte Limeszeit hinein belegt ist, lässt sich nun die Frage stellen, ob dieser offenbar traditionell verharrende Bevölkerungsteil eine Rolle beim Transformationsprozess zur sogenannten "Frühalamannenzeit" spielte. Die Frage bekommt noch mehr Relevanz, da der für das rechtsrheinische Gebiet postulierte Einbruch in den Jahren des "Limesfalls" 259/60 n. Chr. in den aufgedeckten Bereichen der Siedlung nicht zu fassen ist. Einen gut erkennbaren Bruch in der Besiedlung gab es erst im 4. Jahrhundert. Die Nordsiedlung wird abgebrochen und flächig planiert. Es entsteht im Süden ein neuer Siedlungsteil, der durch eine große Zahl an Backöfen gekennzeichnet ist. Der Befund findet im nachlimeszeitlichen Südwestdeutschland keinen Vergleich und es ist anzunehmen, dass hier über den eigenen Bedarf hinaus Backwaren produziert worden sind. Ist dadurch eine Verbindung zum valentinianischen Bauprogramm im Neckarmündungsgebiet zu ziehen? Unter den aufgezeigten Aspekten soll der bisherige Forschungsstand zur "germanischen Besiedlung" im Neckarmündungsgebiet kritisch hinterfragt werden.
Die Gräberfeldstraße von Neubrandenburg mit Blick auf ein frühkaiserzeitliches Reihengräberfeld Elke Schanz (Schwerin) Baron Gottlob Hacke beschreibt in seiner Geschichte der Vorderstadt Neubrandenburg von 1783 bereits „schöne Urnen nebst ihren Kleinodien“ auf den Raths‐Feldstücken bei der Heidmühle, die er in Gesellschaft des Herrn Sponholz und vieler anderen Personen ausgraben ließ. Doch erst mit dem Verkauf der städtischen Grundstücke entlang der Ziegelbergstraße und deren Neubebauung begannen ab 1998 die ersten systematischen Ausgrabungen, die Gräberfelder von der jüngeren Bronzezeit bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts erbrachten. Die (Doppel‐)Korridorhäuser vom germanischen Fundplatz Wustermark 23, Ldkr. Havelland – Neue Erkenntnisse und Interpretationsvorschläge Paul Fischer‐Schröter (Berlin) In den Jahren 1998, 1999 und 2004 fanden auf dem Fundplatz Wustermark 23, Ldkr. Havelland, archäologische Untersuchungen auf einer Fläche von 3,2 ha statt. Insgesamt konnten 42 Langhäuser anhand der Befunde rekonstruiert werden, von denen zwölf einen sogenannten Korridor und vier einen Doppelkorridor aufweisen. Spätestens seit der Publikation der Hausbefunde von Lübesse 4, Ldkr. Ludwigslust, durch R. Lehmphul ist der Begriff Korridorhaus geläufig und bezeichnet Gebäude, die zwischen den Pfosten von mindestens zwei aufeinanderfolgenden Kerngerüstpfostenpaaren jeweils zwei zusätzliche Pfosten aufweisen. Der so entstandene Korridor ist prägend und ermöglicht neue Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich des Hausbaus der späten Römischen Kaiserzeit. Auffällig sind nicht nur die identischen Ausmaße und die Position der Korridore und Doppelkorridore innerhalb der Langhäuser, sondern auch die modulartige Bauweise der Gebäude. Diese Proportionen lassen sich auch auf die anderen bekannten Korridor‐ und Doppelkorridorhäuser problemlos übertragen und werfen Fragen hinsichtlich der veränderten Wahrnehmung und Nutzung von deutlich in Räumen gegliederten Langhäusern auf. Mögliche theoretische Ansätze und Interpretationsmöglichkeiten bietet hierbei die Architektursoziologie. Quantitative Aufnahmen von Siedlungen und Bestattungen am Beispiel Schleswig‐ Holsteins Lothar Schulte (Berlin) Überblicksarbeiten für die jüngere Römische Kaiserzeit beschränken sich auf Materialgruppen oder Regionalstudien, die angesichts der differierenden Fragestellungen stets nur eingeschränkt vergleichbar bleiben. Mit einer vor über zwei Jahren gestarteten Datenbankaufnahme soll dieser Mangel beseitigt und eine Referenz für weitere Studien geschaffen werden. In dieser Datenbank sollen zum einen alle barbarischen Siedlungs‐ und Bestattungsplätze der Stufen C1a, C1b und C2 innerhalb Deutschlands erfasst und die Grabinventare aller Nekropolen dieser Zeitstufen aufgenommen werden. Am Beispiel
Schleswig‐Holsteins, wo die Aufnahme am weitesten vorangeschritten ist, sollen die Möglichkeiten einer solchen Fundplatz und Grabinventaraufnahme vorgestellt werden. Zur Regionalisierung der Fein‐ und Goldschmiedeproduktion in der Römischen Kaiserzeit am Beispiel von S‐förmigen Schließhaken Krzysztof Patalan (Schleswig) Der Entstehungsprozess von lokalen Machtzentren hat auch einen direkten Einfluss auf die Regionalisierung von Handwerksstätten und ‐produkten. Dies gilt vor allem für die Herstellung (edelmetallener) Statusobjekte, welche auch als Veblen‐Güter bezeichnet werden können, da eine Nachfrage nach diesen Artikeln stets hoch war. Die Goldschmiedeproduktion hing, neben dem jeweils vorherrschenden Stilempfinden, jedoch auch von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. So sind Unterscheide zwischen einzelnen Formen auch mit der Verfügbarkeit und dem Materialvorrat, einem Vorhandensein von bestimmten Werkzeugen sowie den Fähigkeiten des Handwerkers/Feinschmieds in der Anwendungen bestimmter Techniken zu begründen. Diese Aspekte werden am Beispiel von S‐förmigen Schließhaken – ein Element des Halsschmucks, welches besonders aus der Römischen Kaiserzeit bekannt ist – dargestellt. Dabei werden die Produktionsverfahren analysiert, um Werkstattkreise zu identifizieren, welche auch von lokalen Machtzentren abhängig sein konnten. Unterschätztes Fundgut? Die Verbreitung Eifeler Basaltlava im nordwesteuropäischen Barbaricum Jonas Enzmann (Kiel) Basaltlava steht nur selten im nordwesteuropäischen Barbaricum an und wurde offenbar kaum ausgebeutet. Demgegenüber steht die industrielle Produktion von Drehmühlen aus Basaltlava, der im Römischen Reich gelegenen Steinbrüche am Bellerberg in der Eifel (Lkr. Mayen‐Koblenz). Im Zuge einer Master‐Arbeit an der CAU‐Kiel wurden die publizierten Funde von Basaltlava im nordwesteuropäischen Barbaricum aufgenommen. Der Vortrag präsentiert erste Ergebnisse zur Verbreitung unter besonderer Berücksichtigung quellenkritischer Probleme. Anschließend wird kurz auf die Bedeutung der Ergebnisse bezüglich der Diskussion um Austauschkonzepte und ‐routen von römischem Import eingegangen.
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Report "Abstracts der Vorträge der Session der AG \"Römische Kaiserzeit im Barbaricum\"/Tagung Chemnitz 2016 "