A. Stinsky, Kaiser oder Honoratioren? - Die römischen Reiterstatuen von Breitfurt. ANTIKE WELT 5/2011, S. 40-46.

July 25, 2017 | Author: Andreas Stinsky | Category: Klassische Archäologie, Provinzialrömische Archäologie, Roman Archaeology, Archaeology of Horse and Riders
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Abb. 1 Südlich des Dorfes Breitfurt im Bliesgau: Am Fuß dieser Hangterrasse (unmittelbar außerhalb des rechten Bildrandes) stieß man 1887 bei der Wiederinbetriebnahme eines antiken Steinbruchs auf die beiden römischen Reiterstatuen.

Kaiser oder Honoratioren? Die römischen Reiterstatuen von Breitfurt Im Jahr 1887 stieß man südlich des saarländischen Ortes Breitfurt nahe der Blies auf die einzigen, nahezu vollständig erhaltenen römischen Reiterstatuen nördlich der Alpen. Da die Standbilder nicht fertig ­gestellt wurden, ist unklar, wen sie darstellen sollten und wann genau sie entstanden. Bislang wurden sie meist als Kaiser des Gallischen Sonderreiches (260–274 n. Chr.) gedeutet. Es kommt aber auch eine alternative Deutung in Betracht.

von Andreas Stinsky

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ie Standbilder waren 1887 bei der Wie­ derinbetriebnahme eines alten Stein­ bruchs, unter 8  m Schuttmassen begraben, auf­gefunden worden. Bei ihrer Entdeckung standen die Statuen sich gegenüber, wobei die eine mit der Frontseite zur Blies hin nach Westen, die andere bergwärts nach Osten ausgerichtet war (Abb. 1). Bei der Freilegung wurden beide Statuen stark beschädigt. Herabstürzende Erdmassen schlugen den Kopf des Pferdes von Reiter A ab. Reiter B zerbrach bei einem Erdrutsch in mehrere Fragmente. Nach ihrer Auffindung wurden die tonnenschweren Reiterskulptu­ ren auf Pferdegespannen ins 17 km entfernte Homburg transportiert. Von dort gelangten

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sie per Eisenbahn nach Speyer ins Histo­ rische Museum der Pfalz, dessen Eingangs­ portal sie bis 2001 flankierten.

Mit Mantel und Fellstiefeln Die Reiterstatuen sind monolithisch aus je ei­ nem gelblichgrau bis braunrotem Sandstein­ block gefertigt (Abb. 2. 3). Mit einer Gesamt­ höhe von jeweils fast 3 m und einem Gewicht von etwa 5 t weichen sie in ihren Maßen nur wenige Zentimeter voneinander ab und sind auch sonst nahezu übereinstimmend ausge­ führt. Die Bildnisse reihen sich nahtlos in die gängige Darstellungsweise römisch-kaiserzeit­ licher Reiterstatuen ein: Die Pferde erheben jeweils das linke Vorderbein, der Kopf ist leicht beigezäumt und ein wenig nach links gedreht,

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Abb. 2 Statue A: Der Reiter trägt Mantel, eine Ärmeltunika und Fellstiefel. Die kammartige Mähne des Pferdes ist typisch für den gallischen Raum. Mit knapp 3 m Höhe stellen die Standbilder, neben dem des Marcus Aurelius auf dem Kapitolsplatz in Rom und jenen der Balbi aus Herculaneum, die einzigen, nahezu vollständig erhaltenen römischen Reiterstatuen im sog. Feldherrn-Typus dar.

Abb. 3  Die Statue B zerbrach nach der Auffindung während eines Erdrutsches in mehrere Fragmente. Der rechte Arm war einst angehoben.

Abb. 4 Neben den Statuen aus Breitfurt ist ein annähernd lebensgroßer Pferdekopf (verschollen) aus Ladenburg am Neckar der bislang einzige Fund eines lebensgroßen Reiterdenkmals aus Sandstein in den Nordwestprovinzen.

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Abb. 5 Die Lage des Fundortes der Reiterstatuen sowie des Vicus von Bliesbruck und der Großvilla von Reinheim im Bliestal: Der Steinbruch der Statuen stellt den Abbauort für Sandstein mit der kürzesten Distanz zum Vicus dar, der selbst inmitten einer Muschelkalkregion liegt. Über die Blies, die einen idealen Transportweg darstellte, beträgt die Entfernung zur Siedlung 11,5 km.

der angehobene Schweif fällt senkrecht. Die kammartige Mähne sowie die schräg nach hinten liegenden Ohren spiegeln für den nordgallischen Raum typische Darstellungs­ muster wider, wie sie sich auch bei kleinfor­ matigeren Pferdedarstellungen finden. Von der Trense führen jeweils Zügel zum Hals der Pferde. Besondere Schmuckelemente, wie Schweif- oder Brustriemen mit Zierschei­ ben, lassen sich nicht erkennen. Die Reiter sitzen jeweils aufrecht und leicht nach vorne gebeugt. Während an Reiter A beide Arme in der Hüfte liegen, um die Zügel zu greifen, war der rechte Arm des Reiters B angehoben – in Analogie zu Vergleichsfunden vermutlich in der Geste der adlocutio, halb segnend, halb gebieterisch zum Gruß erhoben oder aber ei­ nen Speer in der Hand haltend. Während an Reiter B der Kopf nicht erhalten blieb, ist der von Reiter A so unfertig, dass zu Gesichtszü­ gen, Frisur und möglicher Barttracht nichts gesagt werden kann. Die Reiter sind jeweils

Fundort der Statuen

N Oberer Buntsandstein

mit einer Ärmeltunika und einem Mantel (paludamentum) bekleidet. Am linken Fuß des Reiters A ist ein Stiefel mit überlappender Fellfütterung erkennbar. Der Zustand der Statuensockel, deren Au­ ßenseiten nach der Spaltung aus der Bruch­ wand nicht weiter bearbeitet wurden, lässt erkennen, wie aus den Rohblöcken nach und nach die Umrisse der Skulpturen herausge­ arbeitet wurden. Das überflüssige Gesteins­ material wurde dabei von beiden ­L ängsseiten abgesprengt, wie eine dünne Trennlinie bei­ der Seiten erkennen lässt. Die Oberfläche der Standbilder ist ungeglättet und weist noch relativ grobe Bearbeitungsspuren des Bossie­ rens auf. Da beide Figuren im gleichen unfertigen Zustand aufgegeben wurden, wird auch zeit­ gleich an ihnen gearbeitet worden sein. Die Gestaltung der Statuen sollte offensichtlich im Steinbruch stattfinden, um für den Trans­ port weniger Gewicht aufzuweisen. Die Fer­ tigstellung im Detail war wahrscheinlich erst am Aufstellungsort vorgesehen. Dies verhin­ derte, dass fein ausgearbeitete Stellen auf dem Transportweg Schäden erlitten. Es ist davon auszugehen, dass nach Vollendung der Bild­ hauerarbeiten einzelne Partien durch Bema­ lung farbig gefasst werden sollten.

Blies

Höchste Form von Ehrenstatuen

Großvilla Reinheim

Vicus Bliesbruck

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2 km

Aus den Nordprovinzen sind von mehreren Orten Fragmente römischer Reiterstatuen bekannt, wobei es sich größtenteils um Reste von Bronzeplastiken handelt, wie in Augs­ burg-Pfersee, Avenches, Bregenz, ­Frankfurt a. M., Kempten, Lyon, Waldgirmes und dem oberösterreichischen Wels. Neben den Sta­ tuen aus Breitfurt stammt lediglich aus La­ denburg am Neckar ein annähernd lebens­ großer, sandsteinerner Pferdekopf (Abb.  4). Dieser ist jenen aus Breitfurt sehr ähnlich gestaltet und dürfte aufgrund seiner Größe ebenfalls von einer Reiterstatue stammen, die offensichtlich im Civitashauptort Lopodu­ num aufgestellt war. Der Großteil von Ehrenstatuen wurde nicht durch die Hand des Staates, sondern als Stiftung wohlhabender Einzelpersonen und Familien, meist aus der munizipalen Ober­ schicht, in Auftrag gegeben. Die Breitfurter

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Skulpturen stellen neben dem Reiterstandbild des Marcus Aurelius vom Kapitolsplatz in Rom und jenen der Balbi aus Herculaneum die einzigen bekannten, nicht fragmentiert erhaltenen römischen Reiterstatuen im sog. Feldherrn-Typus dar.

Per Flachkahn zum Aufstellungsort Reiterstandbilder waren stets auf ­öffentlichen Plätzen aufgestellt. So stammen in den nördli­ chen Provinzen, außer in Breitfurt, alle Funde aus Munizipien oder Civitashauptorten, wo sie jeweils auf dem Forum, also dem adminis­ trativen, wirtschaftlichen und religiösen Zent­ rum, errichtet worden waren. In römischer Zeit bildeten die Vici von Bliesbruck und Schwarzenacker die kleinregionalen Zentren des Bliesgaus. Der Vicus von Schwarzenacker liegt vom Steinbruch der Reiterstatuen etwas weiter entfernt als Bliesbruck und im unmit­ telbaren Umfeld der Siedlung stehen reichlich potenzielle Abbruchplätze des gleichen Bunt­ sandsteins wie bei Breitfurt an. Daher er­ scheint es naheliegender, im Vicus von Blies­ bruck den geplanten Standort zu vermuten. Dafür, dass in dem Steinbruch Sandstein in erster Linie für diesen Vicus abgebaut wurde, spricht vor allem, dass erst wenige hundert Meter südlich Breitfurts der Buntsandstein zutage tritt. Somit war dies der Abbauort für Sandstein mit der kürzesten Distanz (11,5 km

über die Blies) nach Bliesbruck, wo auch sandsteinerne Architekturteile zahlreich ver­ baut wurden (Abb.  5). Die tonnenschweren Figuren und andere Bauteile konnten zudem flussabwärts in die Siedlung geschifft werden. Als Transportweg diente dabei mit Sicher­ heit die Blies, die nur etwa 120 m vom Stein­ bruch entfernt ist. Flachboden­kähne (Prahme) mit äußerst niedrigem Tiefgang, wie u. a. in Xanten-Lüttingen in Nordrhein-Westfalen und dem niederländischen Zwammerdam entdeckt, stellten ein ideales Transportmittel dar, um die tonnenschweren Statuen an ihren Bestimmungsort zu schiffen. Im Vicus von Bliesbruck kommt nur das Zentrum für die Aufstellung solcher Statuen in Frage (Abb. 6). Während das Siedlungsbild sonst durch Streifenhäuser geprägt war, stan­ den hier Thermen, vor denen sich drei wei­ tere große Gebäude befanden, die zweifellos als öffentliche Bauten angesprochen werden dürfen. Im Rahmen eines französisch-italie­ nischen Forschungsprojektes laufen seit 2008 Ausgrabungen, durch die die genaue Funk­ tion der Gebäude geklärt werden soll.

Abb. 6 Rekonstruktionszeichnung des Vicus von Bliesbruck in seiner Blütezeit im 2. und frühen 3. Jh. n. Chr. Als geplanter Aufstellungsort der Reiterstatuen darf das Zentrum der Siedlung (Bildmitte) vermutet werden. Hier standen Thermen sowie drei größere öffentliche Gebäude. Im Hintergrund (oben rechts) ist die Großvilla von Reinheim zu sehen.

Schwierigkeiten bei der Datierung Die Fundumstände erlauben es nicht, die Sta­ tuen in Zusammenhang mit datierbaren Arte­ fakten zu bringen, weshalb nur auf eine Formund Stilanalyse zurückgegriffen werden kann.

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Abb. 7 a Am linken Fuß des Reiters A ist ein Stiefel mit deutlich überlappender Fellfütterung zu erkennen (Kunststeinmörtelabguss, Römermuseum HomburgSchwarzenacker). Solche Fellstiefel sind typisch für die Spätantike, sind im gallischen Raum aber auch als einheimisches Trachtelement anzutreffen (vgl. Abb. 7 b) und können somit auch älter datieren.

Abb. 7 b Bekrönung einer Jupitergigantensäule aus Mainz. Der über einen halbschlangenleibigen Giganten hinwegreitende Jupiter trägt gleiche Stiefel wie der Reiter Aus Breitfurt.

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Dies wird wesentlich durch den Umstand erschwert, dass die Skulpturen unfertig blie­ ben. Hinzu kommt, dass sich kaiserzeitliche Reiterstandbilder in ihrem Grundmuster über Jahrhunderte hinweg nur wenig verän­ derten. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Breitfurter Bildnisse zusammen mit dem Pferdekopf aus Ladenburg die bislang ein­ zigen bekannten Exemplare gallischer bzw. obergermanischer Provenienz aus Sandstein darstellen und somit kein Vergleichsfund glei­ chen Materials oder gleicher Herkunft heran­ gezogen werden kann. Auch die Tracht mit paludamentum wurde während der gesamten Kaiserzeit getragen. Als wichtigstes chronologisches Indiz wurde bisher der am linken Fuß des Reiters A zu erkennende Fellstiefel angesehen, aufgrund dessen die Statuen bislang immer in die späte Kaiserzeit (3./4.  Jh. n.  Chr.) datiert wur­ den. Am Schuhwerk des Reiters ist deutlich der überlappende Wulst einer Fellfütterung zu erkennen (Abb. 7 a), wie er für spätantike Stiefel typisch ist. Stiefel mit so breitem Fell­ wulst traten bei italischen Bildwerken erst im Laufe des 4. Jhs. n. Chr. gehäuft auf. Dieses Jahrhundert darf jedoch als Entstehungs­ zeit der Breitfurter Bildnisse ausgeschlossen werden, da sich in archäologischen Befun­ den der Region ein deutlicher Zerfall der bis dahin bestehenden Besiedlungsstruktu­ ren abzeichnet. Solche Fell­stiefel, ebenso wie kammartige Pferdemähnen, zählen hingegen im gallischen Raum zum Spektrum grund­

sätzlich möglicher Darstellungsweisen. Dass solche Stiefel auch auf (ältere) regionale Dar­ stellungstraditionen zurückgehen können, belegen Vergleichsbeispiele wie Reiter von Jupitergigantensäulen (Abb. 7 b). Bislang lie­ ßen sich keine ikonographischen Parallelen finden, anhand derer eine sichere Datierung ableitbar wäre.

Doch keine Kaiser? Der Fellstiefel wurde bislang immer als Ver­ weis auf eine Datierung in die spätere Kai­ serzeit gesehen. Mittels ­Ausschlussverfahren versuchte man, die beiden Dargestellten im entsprechenden Zeitrahmen zu deuten. Schon im Fundbericht aus dem späten 19. Jh. wird vermutet, dass es sich um Kaiserbildnisse handelt. Diese Vermutung wurde Anfang des 20. Jhs. durch die Deutung als Valentinianus I. (reg. 364–378 n. Chr.) und dessen Sohn und Mitregenten Gratianus (reg. 367–383 n. Chr.) erstmals konkretisiert. In den 1950er Jahren wurde ferner vorgeschlagen, in ihnen Pos­ tumus (reg. 260–268 n. Chr.) zu sehen, wäh­ rend sie der jüngste Deutungsversuch aus den 1980er Jahren als Tetricus I. (reg. 271–274 n. Chr.) und dessen gleichnamigen Sohn Tet­ ricus II. (reg. 273–274 n. Chr.) sehen will. C. Pius Esuvius Tetricus wurde 271 n. Chr. Kaiser des Gallischen Sonderreichs (260–274 n. Chr.), verlegte dessen Hauptstadt von Köln nach Trier und ernannte 273 n. Chr. seinen gleichnamigen Sohn zum Caesar, also desig­ nierten Nachfolger. Die ­gemeinsame Herr­

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schaft der beiden Tetrici endete bereits nach einem Jahr, was ein plausibler Grund dafür sein könnte, warum Arbeiten an Standbildern von ihnen abrupt aufgegeben wurden. Zwar sind durch Münzen drei Siege des Tetricus I. über Germanen bezeugt, doch ist es frag­ würdig, ob das Herrscherpaar bereits nach so kurzer Regentschaft in der Bevölkerung ein so hohes Ansehen genoss, dass ihm selbst fernab der großen Zentren Ehrendenkmäler gestiftet wurden. Des Weiteren wurde die Re­

gion zwischen 253/254 und 275/276 n. Chr. immer wieder durch Germaneneinfälle stark in Mitleidenschaft gezogen. Zerstörungsschich­ ten im Vicus von Bliesbruck, die in die 60er Jahre des 3. Jhs. n. Chr. datiert werden kön­ nen, sowie Münzhorte in der Saargegend mit Schlussmünzen zwischen 270 und 274 n. Chr. sprechen eher dagegen, gallische Kaiser in den Standbildern zu sehen, da das 3. Jh. n. Chr. mit zu großer politischer Unsicherheit ver­ bunden war. Die Fellstiefel selbst aber sind es,

Abb. 8 Das Fresko aus der Stadtvilla der Iulia Felix in Pompeji (Mitte 1. Jh. n. Chr.) vermittelt lebhaft eine Vorstellung davon, in welcher Dichte selbst in kleineren Städten Reiterstatuen lokaler Beamter oder Honoratioren aufgestellt sein konnten.

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die generell gegen die Darstellung eines Prin­ zeps sprechen, da das übliche Schuhwerk des Kaisers mullei (Löwenfellstiefel) oder calcei patricii (Schuh der Patrizier, insbesondere auch des Kaisers) darstellten. Reiterstatuen wurden jedoch nicht nur zu Ehren des Kaisers, sondern in gleicher Dar­ stellungsweise auch für andere hohe Wür­ denträger in Auftrag gegeben. Das wohl be­ kannteste Beispiel hierfür ist Marcus Nonius Balbus aus Herculaneum. Dessen politische Leistungen und Wohltaten in augusteischer Zeit würdigten die Bürger von Nuceria und Herculaneum durch die Errichtung von Standbildern. Balbus stiftete seiner kampa­ nischen Heimatstadt ein neues Stadttor, ver­ mutlich Thermen sowie eine neue Basilika, deren Eingang von Statuen flankiert wurde, die ihn und seinen Sohn als Reiter darstell­ ten. Auch andere Quellen geben eine Vor­ stellung davon, in welch beachtlicher Zahl selbst in kleineren Städten auf öffentlichen Plätzen Reiterstatuen aufgestellt gewesen sein konnten. So haben sich auf dem Forum von Pompeji neben anderen Ehrendenkmälern alleine 18 Basen für Reiterstandbilder erhal­ ten (Abb. 8). Auch im Bliesgau lassen sich die Spuren einer Reihe von Einzelpersonen finden, für die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung die Anfertigung solcher Statuen in Frage kam. Gemeint sind die Eigentümer der ­Großvilla von Reinheim, die nur etwa 8 km vom Breit­ furter Steinbruch entfernt lag. Mit einer Gesamtgröße von 7 ha, einem längsaxialen Hofareal mit Speicherbauten und einem herr­ schaftlich-repräsentativen Haupthaus ragte die Anlage deutlich unter den üblichen villae

Adresse des Autors

Literatur

cand. phil. Andreas Stinsky Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim Robert-Schuman-Str. 2 D-66453 Reinheim

A. KOLLING, Die Reiterstatuen von Breitfurt und der antike Name von Schwarzenacker, in: Saarpfalz (1992/1) 51–62.

Bildnachweis Abb. 4: R. Wiegels; 6: J.-C. Golvin; 7 b: Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Mainz; 8: Archäologisches Nationalmuseum Neapel; alle übrigen Abb. vom Verfasser (2–3, 7 a Bild­bearbeitung S. Haus).

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W. HARSTER, Bericht über die Ver­ einsjahre 1886/87 und 1887/88, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 13 (1888) 197–199. J. RÖDER, Die Reiter von Breitfurt. Technische Betrachtungen, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 58 (1960) 96–109.

rusticae heraus. Die Eigentümer dieses Land­ gutes sind als Großgrundbesitzer anzusehen, denen ein Großteil des umliegenden Landes gehört haben dürfte, den sie an kleinere Bau­ ern verpachteten, die ihnen dafür Naturalab­ gaben zu entrichten hatten. Die Eigentümer solcher Großvillen zählten sicherlich zur Oberschicht der gallischen civitates (Stam­ mesgebietskörperschaften), aus deren Reihen auch die Mitglieder der Ratsversammlung einer civitas gewählt wurden. Der Bliesgau gehörte zur civitas Mediomatricorum, deren Hauptort mit Sitz der Ratsversammlung Di­ vodurum / Metz war. Als Wahlvoraussetzung galt neben der Geburt als freier Mann auch ein Mindestvermögen mit entsprechendem Grundbesitz, da das Ehrenamt eines Rats­ mitglieds mit mancherlei finanzieller Ver­ pflichtung verbunden war. Somit darf für die Eigentümer der Großvilla, neben einem wirt­ schaftlichen, auch ein erheblicher politischer Einfluss in der Region angenommen werden. Die villa urbana von Reinheim lag nur 300 m nördlich des Vicus von Bliesbruck. In­ nerhalb der Siedlung wird ein deutlicher Ein­ fluss durch die Eigentümerfamilie der Villa wahrnehmbar gewesen sein. So kommt sie beispielsweise für den Bau der Thermen und deren Unterhaltung als Stifter in Frage, was Ehrenstatuen zur Würdigung des Mäzens nahe legen würde. Auch in anderen Berei­ chen der Siedlung spielten die wohlhabenden Eigentümer sicherlich eine wichtige Rolle und prägten dadurch das Alltagsleben der kleinstädtischen Bevölkerung mehr, als der weit entfernte Kaiser. In den Reiterstatuen aus Breitfurt könnten also durchaus auch regional ­einflussreiche Personen abgebildet sein. Im Bliesgau kom­ men hierbei am ehesten Eigentümer der Groß­ villa von Reinheim infrage. In diesem Fall ließe sich die doppelte Ausführung, ähnlich den Balbi aus Herculaneum, auch auf eine mögliche Darstellung als Vater und Sohn zurückführen. Warum die Statuen unvollen­ det blieben, bleibt ein Geheimnis. Als mög­ liche Gründe kommen Germaneneinfälle in der 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr., nach denen die Villa ihren herrschaftlich-repräsentativen Charakter verlor, oder spät entdeckte Mate­ rialfehler in Betracht.



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