30 Jahre Rassismusforschung . Begriffe, Erklärungen, Methoden, Perspektiven

June 4, 2017 | Author: Nora Räthzel | Category: Rassismus, Rassismusforschung
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Aus: Heiko Kauffmann, Margarete Jäger (Hrsg.) Skandal und doch normal: Impulse für eine antirassistische Praxis. Unrast Verlag, 2012, S. Nora Räthzel 190 190-220. Nora Räthzel

30 Jahre Rassismusforschung. Begriffe, Erklärungen, Methoden, Perspektiven Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Entwicklungen innerhalb der Rassismusforschung in Deutschland. Es ist kein »objektiver« Überblick, sondern hebt diejenigen Theorien hervor, mit denen ich mich am meisten beschäftigt habe (anders akzentuierte Darstellungen finden sich in: Räthzel 2000, 2002, 2008).

Zeitreisen Ich möchte mit einer Zeitreise beginnen, die zeigt, wie sich die Benennungen von Eingewanderten gewandelt haben, sowie die Begriffe, mit denen Einwanderung als »Problem« und die Lösung des »Problems« diskutiert wurden. Die größeren Kreise symbolisieren generellere Begriffe, die kleineren, was darunter jeweils spezifiziert wurde. (s. Abb. 1)

Abbildung 1

Die Zeitreihe bedeutet nicht, dass die zu Beginn stehenden Begriffe, also »Ausländer«, heute nicht mehr vorkommen. Die meisten Begriffe existieren gleichzeitig in den Diskursen, nur verändern sich deren Dominanz, die Häufigkeit, mit der sie gebraucht werden. Redeweisen

Als Annita Kalpaka1 und ich zu Beginn der 1980er Jahre mit unserer Forschung begannen (Kalpaka / Räthzel 1986), war eine unserer Argumentationsfronten zu 1 Wenn ich im Folgenden von »wir« ohne weitere Namensgebung spreche, meine ich die Arbeiten von Annita Kalpaka und mir.

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definieren: Wir sagen nicht Ausländer, sondern Einwanderer. Regelmäßig wurden wir da gefragt: Ja, aber warum? Und: ist das überhaupt wichtig? Uns waren die Begriffe wichtig, weil sie die Bundesrepublik als Einwanderungsland definierten und damit die Eingewanderten als legitimen Teil der Bevölkerung: »here to stay«, sagten unsere britischen Kolleginnen und Kollegen, von denen wir viele Begriffe übernahmen. Schauen wir uns die Begriffe in den heutigen öffentlichen Debatten an, könnte man der Vorstellung verfallen, an dieser Front hätten wir gewonnen. Man sprach eine Zeitlang von Migranten dann von Mitbürgern ausländischer Herkunft heute meist von Menschen mit Migrationshintergrund. Jedoch gibt es, insbesondere seit 9/11 eine Verschiebung, seitdem spricht man von Muslimen. Oder man spricht darüber, ob der Islam Bestandteil der deutschen Gesellschaft ist. Wichtig ist, dass diese Begriffe immer gleichzeitig existieren. Ich weiß nun nicht mehr so genau, was in Deutschland los ist. Doch ich höre ab und zu Deutschlandfunk. Da ist mir aufgefallen, als jetzt in Verbindung mit der Aufklärung der NSUMorde von den Mordserien gegen Eingewanderte die Rede war, dass man plötzlich wieder von »Ausländern« sprach. Es wurden keine Mitbürger umgebracht, sondern »Ausländer«. Es ist schwer zu verstehen, was da eigentlich in den Sprachwerkstätten abläuft. Heißt das, wenn man umgebracht wird, ist man selbst schuld, weil man außerhalb der Gesellschaft steht? Die Morde wurden ja auch zunächst den Familien und Freunden der Opfer selbst in die Schuhe geschoben: Konflikte unter »Ausländern« eben. Dann gab es noch den fürchterlichen Begriff der »Döner-Morde«, den auch der Deutschlandfunk fleißig gebrauchte – bis er dann zum Unwort des Jahres erklärt wurde und derselbe Deutschlandfunk in die Entrüstung über diesen Begriff einstimmte. Offenbar dominiert spontan nach wie vor die Ausgrenzung, Inferiorisierung und Kriminalisierung von Eingewanderten. »Döner-Morde« lässt sich ja in beide Richtungen lesen: die Gemordeten haben mit Döner zu tun oder die Mörder.2 Erst durch die skandalös späte Erkenntnis, dass es sich um Serienmorde durch Rechtsextremisten handelte, wurden die Opfer dann wieder zu Mitbürgern. Hier gibt es Forschungsbedarf. Vielleicht sollte man der diskurstheoretischen Analyse eine empirische Untersuchung der Nachrichten- und Meinungsmacher folgen lassen. Es wäre interessant zu hören, was diejenigen, die diese Begriffe prägen, wiederholen und dann wieder fallen lassen, sich selbst dabei denken – falls sie sich ihre eigene Begriffsbildung bewusst machen. Die Frage, wieso und wann genau der Begriff Muslime auftaucht, während man in den 1980er und 1990er Jahren im wesentlichen über Türken und Türkinnen diskutierte, ist gleichfalls untersuchungswert. Waren nicht die Eingewanderten aus der Türkei auch damals schon Muslime oder auch nicht? Warum ist das religiöse Moment heute so in den Vordergrund getreten ist? Hat das damit zu tun, dass sich 2 Vgl. dazu auch den Beitrag von Jobst Paul in diesem Band.

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unsere Gesellschaften insgesamt mehr in religiösen Bahnen bewegen, gibt es einen Backlash in der Säkularisierung? Oder hat das etwas mit dem »politischen Islam«3 zu tun, der sich als im Gegensatz zur christlichen Welt stehend definiert? Wie verhalten sich Ausgrenzung und Rassismus gegenüber als Muslime gekennzeichneten Menschen zu aggressiven Selbstdefinitionen des politischen Islam, in denen andere Religionen oder »Ungläubige« als minderwertig definiert werden4?

Abbildung 2

Die Begriffe, mit denen Eingewanderte definiert werden, gehen mit bestimmten Begriffen und Konstruktionen von Migration einher. Wo der Begriff Ausländer dominiert, wird Migration als Problem definiert. Bei Migranten sind deren (wirkliche oder zugeschriebene) Sprachschwierigkeiten (heute heißt es Bildungsferne) und die Unterdrückung der Frau (natürlich in den »anderen« Kulturen) das zentrale Thema. (vgl. Abb. 2) Hier hat sich nicht so viel geändert. Nach wie vor ist die »Integration« die Aufgabe und das Problem der Anderen. Das wurde nicht zuletzt während der Sarrazin-Diskussion deutlich, während der ja selbst die aufgeklärtesten Kritiker und Kritikerinnen mit bedeutungsschweren Stimmen und besorgtem Stirnrunzeln ›zugaben‹, dass die Integration ein wirklich ernstes Problem sei. Dass es Konflikte gibt, ist ja nicht zu leugnen. Die Frage ist nur nach wie vor, wo die Ursachen der Konflikte liegen und wer sich in welche Richtung zu integrieren hat. Die Frage ist auch, ob eine wie immer definierte Integration das Ziel sein sollte, oder nicht vielmehr gesellschaftliche Handlungsfähigkeit, das heißt die Möglich3 Ich benutze den Begriff »politischer Islam« im Anschluss an Forschungen, die versuchen, das, was gewöhnlich als »Fundamentalismus« bezeichnet wird, in seiner historischen und räumlichen Spezifik und Komplexität zu analysieren (s. z.B. Wollner 2009, Beinin / Stork 1997). 4 Um Missverständnisse zu vermeiden: diese Definitionsweise gilt nur für bestimmte Varianten des politischen Islam.

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keit für alle, an der Gestaltung der Gesellschaft teilzuhaben. Ein solches Ziel fragt nicht nur nach den Kompetenzen der Individuen, sondern nach der Verfasstheit der Gesellschaft und dem Grad und der Art und Weise, in der sie die Entwicklung von Handlungsfähigkeit ermöglicht oder behindert. Problemdefinitionen

Eine weitere Argumentationsfront, an der wir uns zu Beginn unserer Rassismusforschung befanden und die leider immer noch aktuell ist, war die Definition des »Problems«. Nicht die Migranten sind das Problem, war eine unserer zentralen Thesen, sondern die deutsche Gesellschaft. Hier muss angesetzt werden, sie muss untersucht werden, wenn man die Lage der Eingewanderten in Deutschland verstehen will. Das war der Beginn (in der damaligen Bundesrepublik) einer anderen Art von Forschung im Kontext von Migration: dass man nicht mehr im wesentlichen Migranten erforschte, sondern Deutsche, deutsche Formen von Rassismus im Alltag und in den Institutionen. Wir arbeiteten damals in einer Basisorganisation, die gegründet worden war, um Migranten im Arbeits- und Wohnbereich zu beraten (Das WIR-Zentrum in Hamburg Altona). Wir haben dann einen neuen Arbeitsbereich eröffnet, den wir »Arbeit mit Deutschen« oder »Deutschenarbeit«, im Anschluss an den Begriff »Ausländerarbeit« nannten. Letzterer bezeichnete nicht die Arbeit von »Ausländern«, sondern die Arbeit mit ihnen, oder besser gesagt, an ihnen. Wegen dieses neuen, zusätzlichen Schwerpunktes wollte uns die Stadt Hamburg damals die Gelder streichen. Wir versuchten eine Diskursverschiebung – vielleicht kann man das so nennen. Diese Veränderungen im Forschungsgegenstand spiegeln sich auch wieder in den Begriffen, mit denen über Rassismus geredet wird. Begriffe

Bis hinein in die 1980er Jahre sprach man über und erforschte den Antisemitismus, aber nicht den Antisemitismus in der Gegenwart, sondern den Antisemitismus als etwas, was vergangen war, womit man sich historisch beschäftigte. (vgl. Abb. 3) Wir hatten ja die »Stunde Null« gehabt, die Gründung der Bundesrepublik und damit war eine neue Zeit geboren. Damit war dem Mythos nach alles Böse aus der deutschen Gegenwart verschwunden. Es waren neue Menschen »geboren« und damit war auch der Antisemitismus zu Ende. Rassismusforschung existierte, aber sie existierte im Kontext von Kolonialismusforschung und Kolonialismuskritik. Mit dem Programm ›Publish or Perish‹ kann man alle – oder fast alle – Veröffentlichungen erfassen, in denen der Begriff »Rassismus« vorkommt. Da wird erkennbar, dass viele Texte über Kolonialismus, Kolonialisierung in Afrika in katholischen und evangelischen Verlagen veröffentlicht wurden. Mit anderen Worten: Rassismus wurde gesehen, aber nur, wenn er woanders stattfand. Das Gegenwartsproblem,

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über das in Deutschland geforscht wurde, war der Rechtsextremismus. Eine nach wie vor zentrale Forschungsfrage. Wir haben das damals so diskutiert, dass die Rechtsextremismusforschung – so wesentlich sie auch war – gleichzeitig auch eine Art und Weise war, nicht über Rassismus im Alltag zu reden, sondern Rassismus als Problem zu begreifen, das nur von bestimmten »Randgruppen« ausgeht. Es zu definieren als ein Problem, das an den »Rändern der Gesellschaft« stattfindet, nicht in der »Mitte der Gesellschaft«, wie das DISS es formulierte. In dem Kontext war die Kritik am Begriff »Ausländerfeindlichkeit« (oder, wissenschaftlicher ausgedrückt, »Xenophobie«), eine weitere Argumentationsfront, an der wir arbeiteten. ( s. Abb. 4)

Abbildung 3

Abbildung 4

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Wir kritisierten den Begriff, erstens, weil diejenigen, die zum Objekt von Rassismus gemacht wurden, keine Ausländer, sondern eben Eingewanderte waren. Zweitens, weil der Begriff das Problem verengte auf eine Praxisform, die aus Hass und Feindschaft hervorgeht. Es gibt aber auch Rassismus, der in Form von Freundlichkeit daherkommt, z.B. wenn man das Temperament, die Emotionalität von Eingewanderten hervorhebt und sie darum beneidet. Obwohl diese Form von Rassismus mit positiven Begriffen arbeitet, stellt er (wie der feindselige Rassismus) eine Dichotomie her zwischen der Konstruktion des eigenen und der Konstruktion der anderen. Solche Dichotomisierung beinhaltet immer auch eine Naturalisierung und, trotz der positiven Begriffe, eine Herabsetzung, etwa: wir haben den Geist, sie haben die Emotionen5. Der neueste Begriff, der heute an die Stelle des Rassismus getreten ist – oder ihn ergänzt – ist, ich glaube, seit Ende der 1990er Jahre, das »Weißsein«. Der Begriff kommt aus den USA, aus den Critical Whiteness-Studies. Sie wurden, soviel ich weiß, unter anderem durch das Buch von Ruth Frankenberg (1993) etabliert (ich komme darauf zurück). Problemlösungen

Je nachdem, wie man »das Problem« definiert, ob als Problem der Eingewanderten, als Problem der deutschen Gesellschaft, als Ausländerfeindlichkeit oder als Rassismus, ergeben sich unterschiedliche Strategien zur Lösung des Problems (s. Abb. 5):

Abbildung 5 5 Was wiederum nicht heißen soll, dass verschiedene Kulturen (nationale, klassen- und geschlechterspezifische, etc.) nicht unterschiedliche Umgangsweisen mit Emotionalität haben, jedoch sind dies Aspekte gesellschaftlich gewordener Praxen. Problematisch wird es, wenn diese Praxen als Eigenschaften von Individuen naturalisiert werden.

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Die Rede vom Multikulturalismus war eine Form zu akzeptieren, dass wir tatsächlich eine Einwanderungsgesellschaft geworden sind, dass es kulturelle Differenzen gibt und dass diese kulturellen Differenzen nicht nur akzeptiert werden sollten, sondern dass es Differenzen sind, durch die etwas Neues, Positives in die Gesellschaft hinein kommt. Der Begriff der kulturellen Identität wurde damals heiß diskutiert unter Anti-Rassisten und Anti-Rassistinnen. Für manche war er gefährlich nahe am rechten, von den Faschisten besetzten Begriff der Kultur, für andere bedeutete er die Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen und Praktiken. In unserem Buch »Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein« haben wir ihn ein Stück weit aus der britischen Diskussion übernommen. Es ging uns um die Bedeutung, die die kulturelle Identität für die Persönlichkeit hat, für die Fähigkeit, Auseinandersetzungen zu führen, handlungsfähig zu sein. Uns war wichtig, dass es dabei nicht darum ging, irgendwelche Volkstänze zu bewahren (obwohl dagegen natürlich auch nichts einzuwenden ist). Denn die Veranstaltungen zu Migration liefen damals häufig so ab, dass da unsereins (also eingeborene Aktivistinnen/Aktivisten, Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler) am Tisch saß und die Theorien und die allgemeine Lage diskutierte und hinterher gab es Volkstanz von den Einwandergruppen und zum Essen haben sie auch beigetragen. Sie haben das Essen und die Musik und wir haben die Theorien geliefert. Das hat sich glücklicherweise verändert, oder? Eine andere Bedeutung des Konzepts bestand darin, die kulturelle Identität der Assimilierungs- und Integrationspolitik entgegenzusetzen (was Spivak später strategischen Essentialismus nannte). Letztlich wurde der Begriff der ›kulturellen Identität‹ ziemlich erfolgreich von Rechts besetzt. Die französischen Jugendlichen, deren Eltern eingewandert waren, forderten das »Recht auf Differenz«, das hieß für sie, das Recht auf eine andere kulturelle Identität als die der dominanten Kultur. Damit kritisierten sie gleichzeitig die Vorstellung, dass es homogene, nationale Kulturen gab, in die sich Eingewanderte zu integrieren, oder an die sie sich anzupassen hätten. Die »Neue Rechte« in Frankreich, mitbegründet von André Benoist, griff diese Forderung auf und argumentierte, dieses Recht müsse auch für die französische Kultur gelten. Alle Kulturen seien wertvoll, könnten sich aber nur entwickeln, wenn sie getrennt voneinander existierten. Einwanderung zerstöre diese Entwicklung und stelle durch Vermischung eine Homogenität her, die Differenz zerstöre. Diese Besetzung des Kulturbegriffs war insofern erfolgreich als der Begriff der kulturellen Identität aus dem antirassistischen Vokabular weitgehend verschwunden ist, obgleich dort Kultur natürlich immer als Prozess, als in sich vielfältig und sich ständig verändernd begriffen wurde (Hall 1994). In Deutschland war der Begriff immer umstritten, weil er hier ohnehin historisch eher dem rechten als dem linken Diskurs angehörte. »Hybridität« ist (in diesem Kontext) ein aus der angelsächsischen postkolonialen Literaturwissenschaft kommender Begriff (Bhabha 1994), der den Kulturbegriff

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aufhebt, im dreifachen (Hegelschen) Sinne: ihn bewahrt, ihn überwindet, indem er (hin-)aufgehoben wird, auf eine höhere Stufe – oder sagen wir besser in einem komplexeren Denkgebäude aufgehoben wird. Hybridität bezeichnet die Überzeugung, dass Kulturen immer, um es einfach auszudrücken, »Flickwerk« sind, geschaffen aus dem ständig Zusammenkommen und Auseinanderdriften von Menschen unterschiedlicher Kulturen – die natürlich selbst auch wiederum Resultat solcher Prozesse sind. Dabei ist der Wort »Flickwerk« auch wieder irreführend, weil das Bild gleichfalls Homogenität unterstellt, die durch die harmonische Anordnung der verschiedenen Flicken hergestellt wird. Hybridität bezeichnet aber ein »dazwischen«. Lassen wir Bhabha selbst zu Wort kommen: »For Fanon, the liberatory people, who initiate the productive instability of revolutionary cultural change are themselves the bearers of a hybrid identity. They are caught in the discontinuous time of translation and negotiation, (...) In the moment of liberatory struggle, the Algerian people destroy the continuities and constancies oft a nationalist tradition which provided a safeguard against colonial cultural imposition. They are now free to negotiate and translate their cultural identities in a discontinuous intertextual temporality of cultural difference. (...) »... the theoretical recognition of the split-space of enunciation may open the way to conceptualizing an international culture, based not on the exoticism of multiculturalism or the diversity of cultures, but on the inscription and articulation of culture’s hybridity. To that end we should remember that it is the ›inter‹ – the cutting edge of translation and negotiation, the in-between space – that carries the burden of meaning of culture.« (Bhabha, 1994, 38, Hervorhebungen im Original, siehe auch Hall 1994)

Das klingt nicht ohne Grund kompliziert. Es ist nicht einfach, in einer auf Eindeutigkeit hin orientierten Sprache, die Mehrdeutigkeit der Hybridität zu formulieren, also das »dazwischen«, das »weder-noch« – Bhabha spricht auch vom »Third Space«, vom dritten Raum. Mit dieser Theorie des »in-between«, des »dazwischen«, soll die Naturalisierung und Essentialisierung von Kulturen kritisiert und eine Alternative entwickelt werden, die der Verknüpfung (articulation) und dem ineinander Einschreiben (inscription) kultureller Elemente gerecht wird. Aber reicht das als Strategie gegen naturalisierende Rassenkonstruktionen? In einem Beitrag zu einer Wiener Konferenz, fragte ich »Hybridität ist die Antwort, aber was war nochmal die Frage?« (Räthzel 1999). Die Frage war ja die Aufhebung der Herrschafts- und Machtverhältnisse zwischen Eingewanderten und Nicht-Eingewanderten, die Aufhebung der Ausgrenzung, der Diskriminierung und Unterordnung. Die Einsicht aber, dass Kulturen nicht homogen und statisch sind, sondern hybride Produkte, die sich ständig verändern, ist nicht unbedingt inkompatibel mit Ausgrenzungsprozessen. »Dazwischen« befinden sich auch die Herrschenden, die definieren und notfalls praktisch durchsetzen, welche dieser Produkte zulässig sind und welche nicht. Zum Beispiel lässt sich zeigen, dass die deutsche Identität sich über Vielfältigkeit definiert. Nationalisten verschiedener Provenienz haben die

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Vielfältigkeit der deutschen Kultur, die vielen verschiedenen Kleinstaaten, die unterschiedlichen Sprachen als die Besonderheit und Stärke der »deutschen Nation« definiert (Räthzel 1997). Und wenn wir dann ein bisschen historisch weiter gehen, dann können wir sehen, dass der Begriff der Differenz auch zur rassistischen Ausgrenzung benutzt wird. Dann vertreten wir, die wir in der »Postmoderne« leben, die Ideen der Differenz, Toleranz und Vielfältigkeit, der Prozesshaftigkeit des Kulturellen und es sind die anderen, die Fundamentalisten und Islamisten (diese Bilder sind männlich konnotiert), die für die statische Homogenität der Kultur stehen. Aber diese Gegenüberstellung thematisiert in keiner Weise die internen und globalen Herrschaftsverhältnisse. Die Begriffe Differenz und Hybridität bleiben im Rahmen, in dem Ausgrenzung definiert wird (im Namen einer Kultur, einer nationalen Zugehörigkeit), sie definieren diesen Inhalt bloß anders (siehe Mecheril 2003 für eine andere Position). Wenn es also um die Frage der Bekämpfung von Herrschafts- und Machtverhältnissen geht, mit der rassistische Ausgrenzungen einhergehen, kann Hybridität nicht die Antwort sein, weil sie diese Verhältnisse nicht thematisiert.

Forschungsfelder Wenn wir uns die Anzahl der Veröffentlichungen, die den Begriff Rassismus im Titel führen, für die Jahre 1971 bis 2010 anschauen (s. Abb. 6), dann sehen wir, dass sie zwar 1971 beginnen, dass es jedoch bis 1978 immer nur fünf oder sechs Veröffentlichungen pro Jahr sind. In dem Jahr, in dem unser Buch (Kalpaka/Räthzel) herauskommt, 1986, sind es neun. Und 1990, 1991, 1992, 1993, also nach dem Fall der Mauer und in der Zeit der Pogrome liegen die Spitzen, danach fällt die Zahl der Veröffentlichungen nicht wieder auf das niedrige Niveau der siebziger und achtziger Jahre – ein Zeichen dafür, dass sich die Rassismusforschung in Deutschland etabliert hat. Man muss bei dieser quantitative Auswertung natürlich auch bedenken, dass es Untersuchungen zu Rassismus gibt, die den Begriff nicht im Titel tragen. Ich konnte dem nicht weiter nachgehen, aber es ließe sich untersuchen, welche anderen Begriffe im Titel erscheinen und wie sich das im Laufe der Zeit verändert. Das ist jetzt hier nur ein Anreißer.

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Abbildung 6

Abbildung 7

Abbildung 7 versucht die Inhalte der Veröffentlichungen einzufangen. Sie ist gebaut aus der oben angezeigten Tabelle, also aus den Veröffentlichungen, die zwischen 1971 und 2010 mit dem Begriff Rassismus im Titel erschienen sind (man

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findet sie mit ›Publish or Perish‹, das wiederum Google Scholar benutzt). Das sind keine Studien zur Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenfeindlichkeit, sondern zu Rassismus und die Begriffe, die in diesem Kontext vorkommen, sind aus den Titeln der jeweiligen Veröffentlichungen. Womit wird Rassismus verknüpft? Interessanterweise ist die häufigste Verknüpfung die mit Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Gewalt. Auch Nationalismus und Nationalsozialismus sind häufige Verbindungen. Das deutet darauf hin, dass Rassismus vorrangig auf diese Erscheinungsformen verengt wird. Allerdings, Diskriminierung, ein etwas weiter reichender Begriff, wird auch häufig mit Rassismus verknüpft. Interessant ist auch, dass Deutschland häufiger vorkommt als der Begriff Bundesrepublik. Ob sich das auf die rassistischen Diskurse und deren Analyse selbst bezieht, oder ob das die Bezeichnung der Autoren und Autorinnen ist, kann man aus dieser quantitativen Analyse natürlich nicht ersehen. Frauen kommen relativ selten vor, häufiger Sexismus und Männlichkeit, also man kann erwarten, dass es eine Reihe intersektioneller Untersuchungen gibt, die aber anscheinend die Klassenfrage nicht mit aufnehmen. Medien werden häufig genannt. Man erkennt hier schon, dass ein Großteil der Rassismusforschung aus Untersuchungen von Mediendiskursen besteht – der Einfluss des DISS ist unverkennbar. Der Begriff »Weißsein« taucht ganz am Rande auf. Man könnte mehr sehen, wenn man diese Wortbilder für jeweils verschiedene Zeiträume herstellen würde. Ich kann das hier nicht weiter ausweiten, aber man sieht, dass dies ein interessanter Ausgangspunkt für ein Forschungsprojekt wäre: eine Diskursanalyse der Rassismusforschung sozusagen.

Formen von Rassismus Die nächste Frage ist die nach den verschiedenen Formen von Rassismus, die jeweils untersucht wurden und die Erklärungen, die dafür vorgestellt wurden (Abb. 8). Biologischer Rassismus

Die erste zu behandelnde Form ist der biologische Rassismus, weil er als historisch erste Form dargestellt wird und zugleich, wie das Wortbild verdeutlicht hat, die am häufigsten diskutierte Form von Rassismus ist. Die Veröffentlichungen umfassen Erklärungsversuche und die Identifizierung verschiedener Praktiken: Rassenhygiene, Ausgrenzung, Vernichtung. Dieser biologische Rassismus (wie Rassismus überhaupt) kann mit der Notwendigkeit (auf Seiten der Herrschenden) erklärt werden, eine nationale Identität herzustellen durch eine Definition derjenigen, die »rassisch« dazu gehören. Es geht um die Organisierung von Konsens. Dieser Aspekt wird in der Rassismusforschung nicht so häufig thematisiert, besonders in der Erforschung des biologischen Rassismus. Ich

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will deshalb ein paar Zitate aus einer Haug’schen Arbeit über Faschismus vorstellen. Das erste stammt aus dem Buch einer Rassentheoretikerin aus dem Faschismus, Bretschneider: »... die aus Blut und Boden fließenden Wesensmerkmale lenken sein [des Menschen] Handeln und fügen sein Schicksal. Ein Abirren von der durch dieses Fundament vorgezeichneten Entwicklungslinie, ein Sichverlieren an fremde Elemente des Seins, kann nur durch Krankheit erklärt werden ... es ist ganz natürlich, daß der völkisch gegründete Staat diese Krankheitserreger ausscheidet...« (Bretschneider 1934, 1, zit. n. Haug 1986, 63)

Wolfgang F. Haug kommentiert dies so: »Bretschneider insistiert auf der Funktion der nachträglichen Vorhersage und teilt mit, wie man diejenigen, die sich in ihrem Raum nicht anstrengen, klassifizieren und schließlich behandeln wird. Da ist die rassenmäßig artikulierte Präskription eines Weges; ferner die Möglichkeit des ›Abirrens‹ von dieser Linie, des ›Sichverlierens an fremde Elemente‹, kurz, die Deviation; ... der Staat wird die ›Krankheitserreger ausscheiden‹. Das liest sich wie ein Drehbuch: von der rassistischen Anrufung zur faschistischen Subjektion bis zur Ausscheidung der Unwilligen bzw. Unfähigen.« (63f.)

Ich habe das aus den Massen von Texten zur Faschismusforschung ausgewählt, weil ich darauf hinweisen möchte, dass auch der biologische Rassismus eine gesellschaftspolitische Komponente hat. Das heißt, es reicht nicht aus, der ›richtigen‹ Rasse anzugehören, um praktisch in den ›Volkskörper‹ integriert zu werden. Es muss auch das entsprechende soziale Verhalten an den Tag gelegt werden. Die Rassentheorie selbst und der biologische Rassismus argumentieren mit der Drohung: Wenn man sich in seinem Verhalten seiner »Rasse« nicht würdig zeigt, (»sich verliert«) dann droht die Vernichtung. Das gilt für alle, auch für diejenigen, die eigentlich dazu gehören: die weiß sind und blond und blauäugig. Das ist deshalb wichtig, weil es verdeutlicht, dass die rassistische Praxis etwas anderes ist als die rassistische Lehre. In letzterer geht man davon aus, dass man messen und durch phrenologische Untersuchungen, Skelettuntersuchungen, usw. feststellen kann, zu welcher Rasse jemand gehört. Aber die politische Praxis ist eine, die immer auch eine gesellschaftliche (politische oder kulturelle) Komponente enthält.6 6 Die Antwort auf die Frage, ob der biologische Rassismus auch historisch die Ausgangsform für andere Formen von Rassismus war, hängt davon ab, wie man ihn definiert. So lässt sich konstatieren, dass 1492 in Verbindung mit der »Entdeckung Amerikas« bereits ein biologischer Rassismus existierte, allerdings nicht in dieser pseudo-wissenschaftlichen Form. Damals gab es im spanischen Reich den Begriff "limpieza de sangre", was man als »reinblütig« übersetzen könnte. Das Konzept wurde angewandt gegen diejenigen, die man gezwungen hatte, vom Judentum oder vom Islam zum christlichen Glauben zu konvertieren. Man konnte dann »die Anderen« nicht mehr an ihren kulturellen (religiösen) Praxen erkennen, aber sich kulturell-religiös zu integrieren (um in der heutigen Sprache zu reden) war nicht

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Abbildung 8

Rechtsextremismus

Rechtsextremismusforschung ist am engsten mit dem Begriff des biologischen Rassismus verknüpft und immer noch wichtiger Bestandteil der Rassismusforschung. Auch die Erklärungen haben sich nicht sehr verändert: Deprivation, Armut und geringe Bildung gelten als Ursachen. Einer der wichtigsten Vertreter der Deprivationsthese war Wilhelm Heitmeyer: »Vor diesem Hintergrund möchte ich als Kerntheorem zur Erklärung des Zuwachses von fremdenfeindlichen, gewaltakzeptierenden und rechtsextremistischen Orientierungen bzw. Handlungsweisen das Desintegrations-Theorem in den Mittelpunkt stellen. Die These lautet dementsprechend, dass wir bei der Erklärung auf soziale, berufliche und politische Desintegrationsprozesse achten müssen, die sowohl auf Erfahrung als auch Antizipation beruhen können. …. Je mehr Freiheit, desto weniger Gleichheit; je weniger Gleichheit, desto mehr Konkurrenz; je mehr Konkurrenz, desto weniger Solidarität; je weniger Solidarität, desto mehr Vereinzelung; je mehr Vereinzelung, desto weniger soziale Einbindung; je weniger soziale Einbindung, desto mehr rücksichtslose Durchsetzung. … (Es kommt zu) Auflöausreichend, um als zugehörig anerkannt zu werden. Man griff auf eine Form »biologischer« Bestimmung zurück, auf »Blutszugehörigkeit«. Man hatte nicht die pseudowissenschaftlichen Methoden, um jemanden anhand phänotypischer Merkmale zu definieren aber man hatte durchaus Vorstellungen vom andersartigen Körper der nicht »reinblütigen«. Die Naturalisierung des Christseins war eingebettet in religiös-mythologische Vorstellungen, nicht »verwissenschaftlicht« wie in der Zeit der Aufklärung.

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sungsprozessen der faktischen Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen (z.B. vor allem der Integration durch Arbeit und Beruf oder Wahlbeteiligung) (sowie zu) Auflösungsprozessen der Verständigung über gemeinsame Wert- und Normvorstellungen.« (Heitmeyer 1994, 45)

Ich weiß nicht, ob Wilhelm Heitmeyer das heute noch so formulieren würde, das Zitat ist aus den 1990er Jahren. An der Desintegrationsthese gab es viel Kritik. Die Kritik bezog sich einmal auf den Begriff der Desintegration – woran bemessen sich »Auflösungsprozesse«? Wann gab es diese wunderbare Zeit, in der alle integriert waren und die Kollektive funktionierten? War das im Faschismus? Oder war das in der Weimarer Republik? Auf der anderen Seite: werden nicht traditionelle Formen der Integration durch andere Formen abgelöst, die dann vom Standpunkt der vergangenen Formen als desintegriert erscheinen? Es gab auch empirisch fundierte Kritik. So haben Held, Horn, Leiprecht, Marvakis (1992) mehrere empirische Untersuchungen zu Jugendlichen, Rassismus und Rechtsextremismus durchgeführt. Ihr Ergebnis war, dass die Jugendlichen, die eine rechtsextremistische Auffassung vertraten, eher besser situiert waren als diejenigen, bei denen das nicht der Fall war. Das ist eine Debatte, die wahrscheinlich heute immer noch stattfindet. Alltagsrassismus

Geht man weg von der Vorstellung, dass Rassismus ausschließlich an den rechten Rändern der Gesellschaft stattfindet, kommt man zur Untersuchung des »Alltagsrassismus«. Man untersucht die viel zitierten normalen Leute. Wie reagieren sie im Alltag? Wir (Kalpaka/Räthzel 1986) haben dies untersucht, ebenso Leiprecht (2001), Jäger (1992), Jäger / Jäger (2000). In den Niederlanden prägte zeitgleich Philomena Essed (1991) den Begriff Everyday Racism. Inzwischen hat sich dieser Forschungsbereich stark ausgeweitet. Den Begriff, den wir damals zur Erklärung des Alltagsrassismus entwickelt haben, war »rebellierende Selbstunterwerfung« (s. Räthzel 2011). Er sollte benennen, dass Alltagsrassismus eine Form ist, in der Leute versuchen, die Kontrolle über ihren Lebensalltag zu gewinnen, in dem sie Kontrolle über andere ausüben, bzw. sich vorstellen, dass sie Kontrolle über andere ausüben. Dabei bedienen sie und reproduzieren jedoch Denk- und Handlungsformen, denen sie selbst unterworfen sind. Alltagsrassismus analysierten wir als eine Denk- und Handlungsform, in der Leute in ihrer Imagination ihre Alltagskonflikte lösen, die Resultat des Ausgeliefertseins an gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse sind. Das ähnelt zunächst der Desintegrationsthese, ist aber etwas sehr anderes. Wir stützen uns bei der Entwicklung des Konzepts auf die Kritische Psychologie und ihren Begriff der gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit (Holzkamp 1983, Holzkamp-Osterkamp (1975-76),

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sowie auf Althussers Ideologietheorie (1977)7. Von der Kritischen Psychologie übernehmen wir die Theorie, dass die Individuen sich Auswege suchen, wenn sie sich nicht an der Kontrolle ihrer gesellschaftlichen Lebensbedingungen beteiligen können8, von Althusser die Theorie, dass die Ideologie eine Form ist, in der sich die Individuen als Quelle ihre Handelns als autonom imaginieren. Diese kurze Erklärung soll hier genügen. Der andere wichtige Begriff aus der Erforschung des Alltagsrassismus – auch wenn Birgit Rommelspacher selbst nicht von Alltagsrassismus spricht – ist der der Dominanzkultur: »Entscheidend für den modernen Rassismusbegriff ist jedoch die Frage, ob mithilfe naturalisierter Gruppenkonstruktionen ökonomische, politische und kulturelle Dominanzverhältnisse legitimiert werden. Das ist im Antisemitismus der Fall. Auch in Bezug auf den antiislamischen Rassismus wird die Frage diskutiert, ob er als Rassismus gelten könne, da es sich hier ja »nur« um religiöse und kulturelle Unterschiede handele. Eine solche Argumentation unterstellt allerdings, dass bei den anderen Rassismen tatsächlich die biologischen Unterschiede wesentlich seien.« (Rommelspacher 2009, 27)

Diese Erklärung kommt immer wieder vor, auch in den neueren Weißseintheorien: dass es Dominanzverhältnisse gibt, die bestimmten Gesellschaftsmitgliedern Privilegien verschaffen und dass Rassismus eine Form ist, diese Privilegien zu erhalten. Das ist mit Sicherheit eine wichtige Teilerklärung. Der Unterschied zwischen dieser These und der These von der rebellierenden Selbstunterwerfung ist letztendlich ein Unterschied im Menschenbild. Wir gehen von der Vorstellung aus, dass Individuen nicht nur fähig und imstande sind, ihre Lebensverhältnisse kollektiv zu organisieren, sondern dass dies für sie eine Überlebensnotwendigkeit ist (und die Kritische Psychologie meint, dass sie diese Notwendigkeit menschheitsgeschichtlich nachweisen kann). Die Unmöglichkeit, dies in den gegebenen kapitalistischen Verhältnissen zu tun, führt dazu, diese kollektive Kontrolle in anderer Form, z.B. in der Form der Kontrolle über andere zu leben. Während die Dominanzkulturthese davon ausgeht, dass Leute prinzipiell ihre Privilegien erhalten wollen. Es lässt sich darüber streiten, von wo man ausgeht, wie man rassistisches Verhalten im Alltag jeweils erklären möchte. Die Erklärungen schließen sich nicht aus, aber sie setzen andere Schwerpunkte. Die These der rebellierenden Selbstunterwerfung versucht, die Widersprüchlichkeit herauszuarbeiten, in die sich die Individuen begeben, wenn sie sich rassistisch verhalten (nämlich dass sie zwar gegen ihre Unterwerfung rebellieren aber sie dabei zugleich zementieren) und sie versucht, diese Widersprüchlichkeit auszunutzen für eine antirassistische 7 Dabei waren wir uns durchaus bewusst, dass die Kritische Psychologie von sich selbst meint, mit Althusser unvereinbar zu sein. 8 Ute Osterkamp bezeichnet dies als Selbstentmächtigung 1996.

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Arbeit, also einen Ansatzpunkt zu finden, bei dem Leute ein Interesse am Antirassismus haben. Statt Schuldgefühle hervorzurufen, wollten wir Antirassismus in eine (Selbst)befreiungspraxis einbauen. Das leugnet nicht, dass es Dominanzverhältnisse gibt, stellt vielmehr die Frage, wo sie herkommen und warum diejenigen, die davon profitieren, ein Interesse daran entwickeln könnten, sie abzubauen. Kulturrassismus

Diese Form des Rassismus wird meist dem biologischen Rassismus entgegengestellt. Dies begann vor allem mit der Arbeit von Barker (1981), der den Kulturrassismus als den »neuen Rassismus« darstellte, der sich vom biologischen dadurch unterschied, dass er nicht mehr die »Natur«, sondern die »Kultur« der anderen zum Ausgangspunkt von Unterdrückung macht. Seit den achtziger Jahren hat sich ein weit verzweigter Forschungsbereich zum Kulturrassismus gebildet9 . Eine der untersuchten Fragen ist die nach dem Prozess der Rassisierung. Was sind die Formen und Funktionsweisen der Essentialisierung und Naturalisierung von kulturellen Praxen und sozialen Verhältnissen? Was sind die Effekte des kulturellen Rassismus? Ebenso wie der biologische Rassismus organisiert er Konsens und dient dazu, eine dominante kulturelle Identität durch den Bezug auf die Anderen, Nicht-Dazugehörigen überhaupt erst zu definieren. Kurz gesagt: Jede Nation besteht aus einer Vielfalt von kulturellen Praktiken und Wertvorstellungen. Wie bringt man diese Vielfalt und auch die Gegensätzlichkeiten, also Klassengegensätze, Geschlechtergegensätze, regionale Gegensätze in ein einheitliches Bild von »der Nation«? Eine Methode besteht darin, eine Gruppe zu konstruieren, die nicht zugehörig ist, gegenüber der die Zugehörigen sich dann als ihr Gegenteil homogenisierend definieren können (oder müssen). Ich will dazu Stuart Hall zitieren, der gleichzeitig auch die Vorstellung kritisiert, dass der biologische und der kulturelle Rassismus Gegensätze sind: »Sowohl die Diskurse der ›Rasse‹ wie die der ›Ethnizität‹ funktionieren, weil sie eine diskursive Artikulation herstellen, eine ›Äquivalenzkette‹ (Laclau / Mouffe 1991) zwischen den sozialen/kulturellen und den biologischen Registern, die es erlaubt, die Differenzen in einem Zeichensystem von den Äquivalenzen in der anderen Kette ›abzulesen‹. Biologischer Rassismus und kultureller Differentialismus stellen also nicht zwei verschiedene Systeme dar, sondern es sind zwei verschiedene Register ein und desselben Rassismus. (...) Es scheint daher eher gerechtfertigt nicht von »Rassismus« versus »kultureller Differenz« zu sprechen, sondern von den »zwei Logiken« des Rassismus.« (Hall 2004, 205) »Modood (1997) (...) unterscheidet zu scharf zwischen »biologischem Rassismus« und »kulturellem Rassismus«. Ich denke, diese Fehlinterpretation kommt dadurch zustande, dass er den diskursiven Charakter des Rassismus nicht ausreichend be9 Andere einflussreiche Arbeiten, die eine neue Form von Rassismus untersuchten, waren die von Taguieff 2000 und Balibar 1988.

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rücksichtigt. Modood nimmt daher fälschlicherweise den biologischen Bezug im »biologischen Rassismus« zu wörtlich.« (Hall 2004, 225, FN 17)

Diese These, dass es zwei verschiedene Register des Rassismus gibt, den kulturellen und den biologischen, und dass diese ineinandergreifen, ermöglicht es weit besser, die komplexen und widersprüchlichen Formen rassistischer Praxen zu verstehen. Struktureller oder institutioneller Rassismus

Die Untersuchung von strukturellem Rassismus bezieht sich meistens darauf, welche Funktion er für die Herstellung der Nation und der nationalen Identität hat. Damit geht die These einher, dass der Rassismus etwas ist, was strukturell zum Nationalstaat gehört, dass der Nationalstaat ohne Rassismus nicht denkbar ist. Colette Guillaumin formuliert es umfassender, für sie ist die bürgerliche Gesellschaft ohne Rassismus nicht denkbar: »Die bürgerliche oder industrielle Gesellschaft ersetzte die Ideologie der Stände und Hierarchien durch die eines ökonomischen Systems mit antagonistischen Gruppen, durch ein System der Ausbeutung. Kaum war das Individuum befreit, wurde es wieder in Ketten gelegt, diesmal in die Ketten des somatisch-genetischen Determinismus. So wurden die Beherrschten und Unterdrückten als von Natur aus beschränkt definiert.« (Guillaumin, Racism, Sexism, 1995, 73, Übersetzung N.R )

Solche Definitionen sind leider zeitlos. Im Sarrazin-Diskurs z.B. findet man immer eine Art und Weise, soziale Gegensätze durch die (defizitäre) Natur der jeweils Subordinierten, der gesellschaftlich Untergeordneten zu erklären. Natürlich gibt es dann auch die Natur der Übergeordneten, die erklärt, warum sie oben sind: sie sind kompetenter, konkurrenzfähiger, arbeitsamer, etc. und deswegen stehen sie oben auf der Hierarchieleiter und genießen ihre Privilegien zu recht. Aber auch hier sollte man nicht die Doppelstruktur vergessen, die ich weiter oben mit Hilfe der Haugschen Analyse vorgestellt habe: auf der einen Seite sind die Subordinierten von Natur inkompetent, die Übergeordneten von Natur kompetent, gleichzeitig werden die Subordinierten beständig aufgefordert, sich aus ihrer untergeordneten Position durch eigene Anstrengung zu befreien – nicht zuletzt weil die Herrschenden auf »Nachwuchs« aus den Reihen der Subordinierten angewiesen sind. Die Schaffung des modernen Nationalstaats ist begleitet durch den Versuch, Zugehörigkeit zu einer einheitlichen Ethnie zu konstruieren, aus der der Nationalstaat bestehen soll (Weber 1976). Da aber kein Nationalstaat sich auf einer einheitlichen Ethnie gründet, ist Rassismus ein Mittel, eine homogene »fiktive Ethnie« (Balibar 1992a, 63, 1993, 129) herzustellen. Dieser Nationalstaat bestimmt zugleich die Grenzen der Menschenrechte: »Nicht der moderne Staat ist egalitär–, sondern der moderne Nationalstaat. Nur die Mitglieder der nationalen Gemeinschaft werden als gleich definiert und können

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daher die gleichen Rechte genießen – zumindest formal. Die Grenzen des Nationalstaates sind die Grenzen der gleichen Rechte.« (Balibar 1992a, 64)

Das ist eine notwendige Einsicht, die zeigt, wie zentral der Nationalstaat und seine Konstruktion für rassistische Ausgrenzungspraxen sind. Die Menschenrechte werden als allgemeine Rechte dargestellt, aber wenn man es sich konkret anschaut, dann sind es die Rechte der jeweiligen Staatsbürger eines jeweiligen Staates – formal zumindest10. Insofern gibt es die allgemeinen Menschenrechte im Wesentlichen als Ideologie, nicht in der Praxis. Weißsein

In dieser neuesten Subdisziplin geht es wieder um die Theorie, dass Rassismus eine Form ist, Dominanz / Privilegien zu erhalten. Dieser Begriff impliziert seinerseits eine Rassisierung. Der Rassisierung der Anderen wird die Rassisierung der dominanten Gruppe(n) gegenübergestellt: »Weißsein ist ein Symbol, das über den Master-Signifier Weißsein entworfen wird. Es geht nicht um natürlich gegebene Sichtbarkeit, sondern um hergestellte, interpretierte und praktizierte Sichtbarkeit. Es geht nicht um ›Hautfarbe‹, sondern um die ideologische Konstruktion von ›Hautfarben‹.« (Arndt 2006) »Auf theoretischer Ebene stellt sich insbesondere die Frage danach, wie die Kategorien Schwarz und Weiß im Spannungsfeld des Wissens um den konstruierten und zugleich wirkmächtig realen Charakter von Rasse sinnvoll zu konzeptualisieren sind. Wie lässt sich eine Balance halten, in der das Wissen um ›die fragile Komplexität‹ der instabilen Konstruktion Weißsein‹ sich nicht in den Mythos verschiebt, dass sich die Zugehörigkeit zum weißen Kollektiv aufheben ließe (Piesche 2006, 17), sei es durch das kritische Bewusstsein der anti-rassistischen Weißseinsforscherin oder die quasi ausgleichenden Effekte ihrer eigenen marginalisierten Position als Frau oder Osteuropäerin?« (Breger 2006)

Solche Formulierungen kommen schon sehr nah an die Naturalisierung phänotypischer Merkmale, wenn selbst die Marginalisierten qua Hautfarbe unaufhebbar zur dominanten Gruppe erklärt werden. Was hier völlig fehlt, ist ein zentraler Punkt der Rassismusforschung, nämlich die Erkenntnis, dass es sich bei Rassismus um eine »relationale« Beziehung handelt. Das heißt: jemand, der oder die in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext subordiniert ist, kann in einem anderen übergeordnet sein. »Weiß« oder »Schwarz« – wenn man sich dieser Farbmetaphorik bedienen möchte – ist man in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext, in dem bestimmte Herrschaftsverhältnisse herrschen. Die gleichen Personen können in einem anderen gesellschaftlichen Kontext die jeweilige Gegenposition besetzen: 10 Es gibt Übergangsformen, zum Beispiel, wenn Mitglieder eines EU-Staates ihre Rechte vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagen können.

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wer »weiß« war, kann »schwarz« werden und umgekehrt. Das ist das Gegenteil einer Unaufhebbarkeit und nebenbei bemerkt, eine der Hauptstoßrichtungen der Intersektionalitätsanalyse. Dabei geht es ja nicht darum, dass verschiedene Unterdrückungsformen sich schlicht addieren, sondern dass sie sich auch gegenseitig relativieren oder aufheben können. Wichtig für die Analyse ist, dass die Veränderungen des Verhältnisses von Über- und Untergeordneten nicht vom guten oder schlechten Willen der jeweiligen Individuen abhängen, sondern von den jeweiligen Subjektpositionen, die ihnen in bestimmten Verhältnissen jeweils zugewiesen sind. Individuen können sich in diesen Subjektpositionen unterschiedlich verhalten. Sie sind von ihnen nicht völlig determiniert. Zugleich können sie nicht vollständig daraus aussteigen. Abgesehen von solchen Essentialisierungen wie die im obigen Zitat, die vielleicht nur die Position einer bestimmten Forscherin darstellen, habe ich ein allgemeineres Problem mit dem Weißsein-Begriff und mit den Critical Whiteness-Studies. Die Critical Whiteness-Studies kommen aus den USA und leiden an dem Problem, das von vielen Rassismusforschern und Rassismusforscherinnen im angelsächsischen Raum und darüber hinaus kritisiert wurde: sie reduzieren Rassismus auf den Schwarz-Weiß-Gegensatz. In Großbritannien haben Rassismusforscher wie Robert Miles und Phil Cohen kritisiert, dass z.B. das damalige Race Relations Committee es abgelehnt hat, sich mit Rassismus gegen Iren und Irinnen zu beschäftigten, weil Iren eben nicht schwarz seien und deswegen keine Opfer von Rassismus sein könnten. Interessanterweise heißt diese Kommission jetzt Commission for Equality and Human Rights (http://www.equalityhumanrights.com/). Sie hat also endlich ihren Aufgabenbereich auf die Bekämpfung jeglicher Form von Rassismus erweitert. Und just in dem Moment, indem sich hier etwas verändert, tritt ironischerweise die Weißseinsforschung auf, die Rassismus wieder auf den Gegensatz Schwarz-Weiß reduziert.

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Analysemethoden

Abbildung 9

Wie wird Rassismus analysiert, was sind die Methoden? (Abb. 9) Hier steht an erster Stelle die Diskursanalyse der Medien, aber nicht nur der Medien, das DISS hat ja z.B. auch Interviews gemacht, eben Alltagsdiskurse analysiert. Bei der Diskursanalyse geht es vor allem um die Analyse von Alltagsrassismus und Rechtsextremismus. Ethnographische Studien zum Rassismus habe ich wenige gefunden, die von Philomena Essed (1991) gehört dazu. Bei den historischen Untersuchungen geht es um die sich verändernden Formen des Rassismus in verschiedenen historischen Epochen. Es geht aber auch um Veränderungen des Rassismusbegriffs selbst (vom biologischen zum kulturellen, zum differentiellen Rassismus). In den Untersuchungen von Zygmunt Bauman zur Postmoderne und zum Neoliberalismus (2007) geht es z.B. darum, zu untersuchen, wie in unterschiedlichen Gesellschaftsformationen unterschiedliche Formen von Rassismus auftreten, wie sich Praxen und Legitimationen aufgrund der verschiedenen Erfordernisse gesellschaftlicher Reproduktion verändern. Zentral für Rassismusanalysen ist der Begriff der Intersektionalität geworden. Untersucht wird die Art und Weise, in der sich die unterschiedlichen Formen von Unterdrückung miteinander verschränken, sich verstärken, sich teilweise aufheben. Im englischsprachigen Raum haben Nira Yuval-Davis und Floya Anthias (1992) intersektionelle Analysen vorgelegt, als der Begriff noch nicht populär war. Er stammt

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von der Juristin Kimberly Crenshaw, die ihn im Kontext ihrer Arbeit in den Vereinten Nationen entwickelte (1989) Was die Methode der Diskursanalyse angeht, so hat sie in Deutschland vor allem Siegfried Jäger (2009) in die Rassismusforschung eingebracht (vgl. auch Link (2009), Wodak / van Dijk (2000)). Ich zitiere Jäger: »Diskursanalyse erfasst das jeweils Sagbare in seiner qualitativen Bandbreite und in seinen Häufungen bzw. allen Aussagen, die in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit geäußert werden (können), aber auch die Strategien, mit denen das Feld des Sagbaren ausgeweitet oder auch eingeengt wird, etwa Verleugnungsstrategien, Relativierungsstrategien, Enttabuisierungsstrategien etc. (…)« ( Jäger 20113, 94).

Die Diskursanalyse stellt eine ganze Reihe von Instrumenten bereit, mit denen Texte, seien sie nun aus den Medien oder aus Interviews, untersucht werden können. Besonders interessant ist hier die Frage, wie sich unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen das Sagbare und das Unsagbare verschieben. Wie werden Dinge, die man vor zwanzig oder fünfzehn Jahren noch nicht zu sagen wagte, die nur Rechtsextremisten sagten, salonfähig, das heißt wie wandern sie in die Mitte der Gesellschaft? Im Kontext der historischen Forschung ein Zitat Juan Ginés Sepúlveda: »Der Mann herrscht über die Frau, der Erwachsene über das Kind, der Vater über seine Kinder. Das heißt, der Mächtigste und Vollkommenste herrscht über den Schwächsten und Unvollkommensten. Die gleiche Beziehung existiert unter Menschen, wo es einige gibt, die von Natur aus Herrscher und andere, die von Natur aus Sklaven sind. … Und so ist es mit den barbarischen und unmenschlichen Völkern, den Indianern, die kein zivilisiertes Leben führen und keine friedlichen Bräuche haben. Es wird immer gerecht und im Einklang mit dem Naturgesetz sein, dass solche Leute sich dem Gesetz der kultivierteren und humaneren Könige und Nationen unterwerfen.« (Sepúlveda 1547, S.1 Übersetzung: N.R.)

Das schrieb Sepúlveda im Kontext der spanischen Debatte, ob Indianer Menschen seien und damit eine Seele hätten, die gerettet werden könnte oder nicht. Ich habe dieses kleine Zitat ausgewählt, weil ich interessant fand, dass hier bereits die Verschränkung mit den Geschlechterverhältnissen existiert, Frauen mit den Unterworfenen Ethnien gleichgesetzt werden. Das Zitat ist auch ein Stück weit eine Antwort auf die Frage, ob der Rassismus im kolonialisierenden Spanien des 15. Jahrhundert nur kulturell oder nicht gleichzeitig auch biologisch war. Es geht um beides: um die »Natur« des Sklaven, die sich in ihren »Bräuchen«, also ihrer Kultur manifestiert. Umfragen sind eine weitere, in bestimmten Bereichen der Soziologie verbreitete Methode zur Erforschung von Rassismus. Das Interessante, aber auch das Kurzsichtige an Umfragen ist, dass sie meistens nur Dinge befragen, die die Konstrukteure

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des Fragebogens als Rassismus definieren, d.h. deren eigener Rassismus, die subtileren Formen von Rassismus, kommen in diesen Fragebögen nicht vor, weswegen man immer rausbekommt, dass es Leute mit geringer Bildung sind, die rassistische Weltbilder und Auffassungen haben. Es gibt aber auch Umfragen, in denen Eingewanderte in verschiedenen Ländern gefragt wurden, in welcher Weise und in welchem Ausmaß sie von Diskriminierung betroffen sind. (Abb. 10)

Abbildung 10

Das erste Bild zeigt, welche Gruppen in Europa insgesamt am meisten diskriminiert werden, das zweite, welche Gruppen in welchen Ländern am meisten diskriminiert werden. Generell fühlen sich Roma und Menschen aus afrikanischen Ländern am meisten diskriminiert, aber das Bild ist je nach Land verschieden. Solche Umfragen sind interessante Ausgangspunkte für vertiefte Forschungen. Das Interessante an dem Ergebnis ist, dass es eine These der Rassismusforschung bestätigt, nach der die Objekte des Rassismus eng mit der nationalen Geschichte des jeweiligen Landes verknüpft sind. So werden z.B. in Frankreich Menschen aus dem Maghreb stärker diskriminiert als Leute aus Schwarzafrika. Warum? Weil es stimmt, was Biermann, als er noch kluge Sachen sagte, so formuliert hat: »Wir haben den Juden verziehen, aber den Zigeunern noch nicht«. Mit anderen Worten: der Hass und die Geringschätzung richten sich vor allem gegen diejenigen, gegen die man Verbrechen begangen hat. Man verzeiht denen nicht, die man zu Opfern gemacht hat, weil sie einen an die begangenen Verbrechen erinnern. Solche Ergebnisse führen weg von

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der Kritischen Weißseinsforschung in eine, wie ich meine, umfassendere und komplexere Erforschung des Rassismus. Sie zeigen, dass eine spezifische Analyse der jeweils spezifischen historischen Situation erforderlich ist, um zu begreifen, warum in einem Land »schwarze« weniger diskriminiert werden als »weiße« Minderheiten, oder in welcher Weise und aus welchen Gründen rassistische Praxen sich je nach Land und betroffenen Minderheiten unterscheiden – und was ihre Gemeinsamkeiten sind. Was die intersektionale Methode angeht, hat Margret Jäger hier Pionierarbeit geleistet. ( Jäger 1996) Ich glaube, die erste Arbeit, die in der BRD rezipiert worden ist, war 1982 die von Angela Davis: »Rassismus und Sexismus«. Margret Jäger hat eine besonders interessante Untersuchung durchgeführt, die nicht nur zeigte, wie Rassismus und Sexismus sich gegenseitig verstärken und verschränken, sondern wie Antisexismus benutzt wird zur Konstruktion rassistischer Bilder. Sie wies nach wie eine kritische Haltung im Kontext der Geschlechterverhältnisse zur Legitimation von Rassismus benutzt werden kann. Solche Untersuchungen sind interessant, weil sie Selbstverständlichkeiten in Frage stellen. Oft wird in der intersektionalen Forschung die Verschränkung, Aufhebung oder gegenseitige Verstärkung von Unterdrückungsverhältnissen untersucht, Margret Jäger untersucht die unterdrückerische Wirkung von Emanzipationsdiskursen. Die Methode der international vergleichenden Untersuchungen wird nicht sehr häufig angewandt. Im Wesentlichen sind das quantitative Studien wie der Eurobarometer. Rudolf Leiprechts Arbeit (2001) ist eine der wichtigsten qualitativen Arbeiten. Er zeigt aber auch, wie schwierig ein internationaler Vergleich ist. Es besteht dabei die Gefahr, vor allen Dingen dann, wenn es sich um eine quantitative Untersuchung handelt, dass Nationen homogenisiert werden. Leiprecht wendet sich in seiner vergleichenden Arbeit gegen solche Verallgemeinerungen, gegen den Versuch etwa zu bestimmen, ob es einem Land mehr oder weniger Rassismus gibt. Er unternimmt stattdessen eine kontextuelle Feinanalyse der jeweils unterschiedlichen Formen von Alltagsrassismen bei Jugendlichen, die sich nicht nur nach Ländern, sondern auch nach den spezifischen sozialen Situationen der Jugendlichen unterscheiden, die im jeweiligen Land unterschiedlich sein können. International vergleichende Untersuchungen sind wichtig, weil sie Erkenntnisse hervorbringen können über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Rassismen und weil es dies wiederum erlaubt, generellere Theorien über Ursachen und Wirkungen von Rassismus zu entwickeln, wie zum Beispiel den oben erwähnten Befund, dass die jeweilige Geschichte eines Landes darüber bestimmt, welche Gruppen am meisten verfolgt werden. Mit anderen Worten: es sind nicht die tatsächlichen oder konstruierten Verhaltensweisen von sozialen Gruppen, die sie zum Ziel von Rassismus machen, es sind die jeweiligen Notwendigkeiten der Nationalstaaten, Konsens herzustellen, die zur Konstruktion spezifischer Bilder des Anderen führen (Räthzel 1997).

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International vergleichende Untersuchungen sollten also die jeweilige Gesellschaftsformation untersuchen, die jeweils bestimmte Formen von Rassismus hervorbringt. Dazu eine These von Bauman: »Seit der Aufklärung nimmt die moderne Welt eine aktiv organisierende Haltung gegenüber Natur und Gesellschaft ein. Wissenschaft durfte kein Selbstzweck sein, sondern galt als wirkungsvolles Instrument, mit dem die Welt zu verbessern und nach menschlichem Plan umzugestalten und das natürliche Streben nach Vollendung zu unterstützen war.« (Bauman 1992, 79)

Hier wird Rassismus als Bestandteil der Moderne, der Durchrationalisierung und Verbesserung der Gesellschaft definiert: »Die Bedrohung der Einheit und Identität der eigenen Gruppe (…) setzt an anderer Stelle ein: indem die Grenzen dieses Territoriums sich verwischen und die Unterscheidung von vertrauter (richtiger) und fremder (falscher) Lebensweise nicht mehr gelingt.« (Bauman 1992, 79)

Für Baumann begründet sich Rassismus also aus der Angst vor dem Undefinierbaren, die er als besonderes Kennzeichen der Moderne bestimmt. Der Versuch zu definieren, wer zur durchrationalisierten Gesellschaft gehört und wer nicht, endet bei Eingewanderten und sogenannten ethnischen Minderheiten in einer Ambiguität, weil sie weder dazugehören, noch nicht dazugehören. Sie stören die gewünschte Eindeutigkeit. Diese Analyse hilft die Gleichzeitigkeit von Bewunderung (Exotisierung) und Abwertung zu erklären, die wir in rassistischen Konstruktionen finden. Sowohl Etienne Balibar als auch Zygmunt Bauman untersuchen den Rassismus der sogenannten Moderne. Balibar stellt die nationalstaatliche Struktur ins Zentrum seiner Analyse, Bauman eher eine allgemeine Verfasstheit und Zielsetzung der modernen Gesellschaften, die sich innerhalb der nationalstaatlichen Struktur realisieren. Für die gegenwärtige Verfasstheit von Nationalstaaten hat Bauman den Begriff der »Liquid Modernity« (2007) geprägt, also eine Lebens- und Denkweise, in der sich die rationalen Strukturen auflösen und Beliebigkeit statt ausgrenzende, rationale Definitionen vorherrschen. Seiner Theorie zufolge müsste es in diesen »flüssigen Zeiten« keinen oder zumindest andere Formen von Rassismus geben als in der rationalisierenden Moderne. Hier gibt es noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. Eine andere lohnenswerte Forschungsfrage untersucht Rassismus im Kontext von Gesellschaftsanalysen. Das bedeutet mit einer Gesellschaftsanalyse zu beginnen: welches sind die Konflikte, die die Machthabenden lösen müssen, um Konsens herzustellen? Aus einer solchen Analyse ergeben sich andere Fragen an die Untersuchung gegenwärtiger Rassismen, als wenn wir uns ausschließlich die Frage stellen, wie die Anderen konstruiert werden und im Zuge dieser Konstruktion das Eigene. In dem von Sebastian Friedrich (2011) herausgegebenen Buch gibt es eine Reihe

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von Texte, die so vorgehen, also von einer Analyse der gegenwärtigen Bundesrepublik ausgehen.

Perspektiven Ich komme nun zur Frage nach den Perspektiven. Da muss ich vorsichtig sein, weil ich mich in der deutschen Forschungslandschaft nicht mehr gut auskenne. Trotzdem möchte ich eine paar Ideen in die Diskussion werfen, die sich an jüngeren Texten von Paul Gilroy orientieren: »The idea that victims of race are immunized against the appeal of racism precisely because they have been victims, or the idea that prior victimage renders victims and their descendants exempt from normal standards of conduct and judgment, are typical of these kinds of argument. … the proposition that only white people could be racist became confused with the different notion that black people could not be racist.« (Gilroy 2000, 220)

Paul Gilroy stellt hier eine Reihe von Selbstverständlichkeiten in Frage, die uns – ich spreche hier nur für Annita Kalpaka und mich – in unserer Rassismusforschung geleitet haben: dass die Opfer des Rassismus nicht selbst rassistisch sein können, weil sie nicht die Macht haben, ihre eventuell andere degradierenden Vorstellungen durchzusetzen. Dazu Gilroy: »For example, it has sometimes been argued that only white people can be judged racist because racism is a defining attribute of whiteness or an intrinsic property of the power it holds. Racism can only be a consequence of power and so, the argument runs, since blacks have no power – as a »race« – they cannot, by definition, be racist. The tautology passes unnoticed and the jump between individual action and societal patterning is glossed over. I would argue that it might be better to interpret these and other similar statements as a means to solicit racial identification and endorse the principle of racialized difference as a valid means to classify and divide human beings.« (Gilroy 2000, 219f )

Ich verstehe diese beiden Zitate folgendermaßen: die Aussage, dass die Opfer des Rassismus nicht rassistisch sein können, weil sie nicht die Macht dazu haben, verwechselt soziale Positionen mit individuellen Handlungsmöglichkeiten und -fähigkeiten. Man kann jedoch Individuen nicht auf ihre jeweils soziale Positionierung reduzieren. So ändert zum Beispiel die Tatsache, dass Obama einer der mächtigsten Männer der Welt ist, nichts an der unterprivilegierten Position von Schwarzen in den USA. Gleichzeitig bedeutet diese unterprivilegierte Position der sozialen Gruppe, aus der er kommt, nicht, dass er machtlos ist, weil er schwarz ist – was wiederum nicht heißt, dass er nicht mit rassistischen Formen des Widerstandes gegen ihn zu kämpfen hat. Diese Einsicht geht weiter als die Aussage, die ich weiter oben gemacht habe, nämlich, dass die Untergeordneten in anderen gesellschaftlichen

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Verhältnissen die Übergeordneten sein können und umgekehrt. Die allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse sind im Obama-Beispiel dieselben geblieben, was sich verändert hat, ist seine individuelle Position in diesen Verhältnissen. Allgemeiner gesagt, um Formen von Rassismus begreifen zu können, müssen wir Mikroanalysen vornehmen, weil Individuen nicht mit ihrer sozialen Positionierung identisch sind. Wenn wir also sagen, »Schwarze« können nicht rassistisch sein, weil sie nicht die Macht dazu haben, dann reproduzieren wir die Aufteilung der Individuen in unterschiedliche Rassen (endorse the principle of racialized difference as a valid means to classify and divide human beings), die wir ja gerade kritisieren wollen. Gilroys Argumentation bietet einen ausgezeichneten Ausgangspunkt für eine Rassismusforschung, die den Dualismus vom »Eigenen und Anderen« nicht ungewollt verstärken will. Zugleich macht sie diese Forschung und die Formulierung ihrer Ergebnisse ungleich komplizierter, weil eine kritische Analyse der Praxen derjenigen, die als soziale Gruppe Opfer von Rassismus sind, riskant ist. Sie kann von den herrschenden Rassismen zur Legitimierung ihrer Praxen benutzt werden. Aber das gilt natürlich für jedes einzelne Wort, das wir sagen und auch für das, worüber wir schweigen. Zygmunt Bauman hat einmal in einer Diskussion einen Satz formuliert, der meine Sicht auf die Dinge kompliziert und erhellt hat. Er sagte, die Unterdrückten seien deshalb nicht so grausam wie ihre Unterdrücker, weil sie nicht die Mittel dazu hätten. Mit anderen Worten, es gibt keine Guten oder Bösen, es gibt nur Verhältnisse, in denen bestimmte Gruppen die Möglichkeit haben, bestimmte Formen von Dominanz auszuüben, andere Gruppen andere, nicht zuletzt die Dominanz gegen sich selbst. Auf die ambivalente Position von Opfern hat schon Frigga Haug in den 1980iger Jahren in ihrem viel kritisierten Text hingewiesen: Frauen – Opfer oder Täter? (Haug F. 1981) (http://www.friggahaug.inkrit.de/), in dem sie den provokanten Satz formulierte: »Opfer sein ist eine Tat«. Ein anderes Beispiel: die deutsche Familienministerin sagte neulich, es gäbe so etwas wie Deutschenfeindlichkeit und gegen eine solche simplifizierende Aussage wehren wir uns zu einem gewissen Grade zurecht, vor allem weil diese Aussage in diesem Kontext dazu benutzt wurde, die dominanten Formen von Rassismus in der deutschen Gesellschaft zu negieren bzw. klein zu reden. Das heißt aber nicht, dass in Mikrokosmen, in bestimmten Schulen z.B., eingewanderte Jugendliche eingeborene Jugendliche nicht unterdrücken können (Räthzel 2008)11. Das muss man analysieren und darstellen und dabei die Verbindung herstellen zwischen den gesamtgesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen und den lokalen Machtstrukturen. 11 Ein anderes Beispiel sind Diskussionen, in denen Personen, die gesellschaftlich als Opfer von Rassismen und/oder Rassismen positioniert sind, dies als Freibrief betrachten, als »weiß« oder »männlich« positionierte Personen per definitionem die Einsichtsfähigkeit in Herrschaftsverhältnisse abzusprechen.

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Eine solche Verbindung macht es dann auch schwerer, solche Analysen in einen rassistischen Diskurs einzubauen. Wie schwierig das jedoch ist, zeigen die Erfahrungen solcher Organisationen wie »Women against Fundamentalism«12, die sich dem Widerstand gegen jede Form von religiösem Fundamentalismus und gegen Rassismus verschrieben haben und Southhall Black Sisters13, die seit mehr als 30 Jahren den Drahtseilakt praktizieren, sich gegen Rassismus und gleichzeitig gegen den Sexismus in den von Rassismus betroffenen Gruppen zu engagieren. Sie finden es notwendig, dass Frauen aus diesen Gruppen Ansprechpartnerinnen der »eigenen« Gruppe finden, die ihnen helfen, zu denen sie Vertrauen haben können. Beide Organisationen wurden und werden kritisiert. Es wird ihnen vorgeworfen, dass sie dem Rassismus Nahrung geben. Merkwürdigerweise sagen die gleichen Kritiker und Kritikerinnen nicht, dass gewalttätiges Verhalten gegen Frauen dem Rassismus Vorschub leistet. Ich glaube, dass wir uns viel mehr darauf einlassen müssen, diese gefährliche Position einzunehmen, diese Position des engagierten »in-between«. Es ist gerade dieser »dritte Raum« (nicht der dritte Weg), der es uns ermöglicht, dezidiert gegen Herrschaftsverhältnisse vorzugehen, weil wir nicht darauf angewiesen sind, über Machtverhältnisse in Mikrobereichen zu schweigen. Das ist auch deshalb wichtig, weil unsere Analysen der Mikroverhältnisse sexistischer, rassistischer und/oder klassenspezifischer Unterdrückung den rassistischen und sexistischen Vereinfachungen entgegengestellt werden können. Wo wir schweigen, überlassen wir den rassistischen Diskursen die Definition der Situation. Es ist richtig, dass Frauenunterdrückung als ein Argument benutzt wird, Rassismus gegen Eingewanderte zu legitimieren. Das heißt aber nicht, dass es nicht, ebenso wie unter Eingeborenen, auch Frauenunterdrückung unter Eingewanderten gibt. Bei einer Diskussion über den Inhalt unseres Buches über Volvo-Arbeiter und -Arbeiterinnen in Südafrika entstand eine Debatte unter uns Autorinnen. In Interviews hatten uns südafrikanische Frauen über die Gewalt berichtet, der sie seitens mancher Männer ausgesetzt sind. Zwei meiner Kolleginnen (wir sind vier) argumentierten, wir dürften das nicht schreiben, weil wir damit den Rassisten in die Hände spielten, die behaupten, dass schwarze Männer per-se sexistisch sind. Sicher, es ist schwierig darüber zu schreiben. Es wäre jedoch noch gefährlicher, die Stimmen dieser Frauen unsererseits zu unterdrücken, denn dann würden wir es eben jenen Rassisten überlassen, diese Situation zu definieren. Dagegen können wir diese Gewalt in einem historisch-gesellschaftlichen Kontext analysieren, und damit die rassistische Interpretation zurückweisen. Die These von Foucault (1978 z.B.), dass Machtverhältnisse zirkulieren und nicht beim Staat allein oder, in unserem Falle, bei den dominanten Gruppen allein 12 Vgl. http://www.womenagainstfundamentalism.org.uk/. 13 Vgl. http://www.southallblacksisters.org.uk/.

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angesiedelt sind, ist nützlich, um das Verhältnis von dem, was ich hier Mikro- und Makrokosmos genannt habe, zu analysieren. Das heißt, wir müssen zirkulierende Machtverhältnisse und Herrschaftsverhältnisse unterscheiden. Letztere zirkulieren nicht, sondern bezeichnen das vertikale »oben – unten« Verhältnis. Wenn es z.B. in bestimmten Mikrokosmen Machtausübung der gesellschaftlich marginalisierten gegen gesellschaftlich privilegierte Gruppen gibt, dann kehrt sich deren Verhältnis gesamtgesellschaftlich nicht um, aber die Folgen dieser Machtausübung sind für die gesamtgesellschaftlich privilegierten dennoch verletzend und helfen ihnen mit Sicherheit nicht, sich gegen gesamtgesellschaftliche Privilegien zu organisieren. Das Gefüge von Herrschaftsformen, Unterdrückungsformen und Machtausübung muss komplexer gedacht werden, als dies Vorstellungen von einer homogenisierten Dominanzgruppe und einer homogenisierten ungeordneten Gruppe zulassen. Eine komplexere Betrachtungsweise ist auch deswegen notwendig, weil wir diese Verhältnisse im globalen Kontext analysieren müssen. Es gibt die These (z. B. Wallerstein 2006), dass die Vorherrschaft der westlichen Welt nur noch eine Frage der Zeit ist. Die Herrschaftsverhältnisse beginnen sich vom globalen Norden in den globalen Süden zu verschieben. Die Frage ist, ob die Situation für die Unterdrückten der Erde dadurch unbedingt besser wird? Möglicherweise nicht. Solche Verschiebungen auf globaler Ebene kritisch mit zu untersuchen, ist eine wichtige Perspektive der Rassismusforschung. Wir müssen uns mehr beunruhigen und nicht immer wieder in Analyseformen verfallen, die es uns erlauben, uns beruhigt zurückzulehnen, weil wir immer schon wissen, was falsch und was richtig ist, wer die Macht hat, und wer machtlos ist. Noch ein Wort zum Schluss, weil ich gerade für diesen Beitrag angefangen habe, wieder mehr deutsche Literatur zum Thema zu lesen: Eine purifizierte Sprache, in der wir das eine groß, das andere klein, das eine kursiv, das andere nicht kursiv schreiben, beruhigt nur, ändert aber nichts an den realen Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Es scheint uns nur so, als würden wir die Ambivalenz der Verhältnisse überwinden, indem wir sie in die vermeintliche Klarheit und Bewegungslosigkeit der »richtigen« Worte und Wortbilder bannen. Es gibt keinen sicheren Ort. Der Versuch, einen solchen zu schaffen, macht uns wirkungslos, weil wir die Fähigkeit verlieren, Prozesse zu begreifen und damit in sie einzugreifen.

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