2014. Die früheste Besiedlung Amerikas – von Süden gesehen

September 23, 2017 | Author: Ramiro Barberena | Category: Prehistoric Archaeology, The peopling of the Americas, Patagonia, Arqueología de Patagonia, Archäologie, Vorgeschichte
Report this link


Description

International | Südamerika

Die früheste Besiedlung Amerikas – von Süden gesehen Nord- und Südamerika waren die letzten Kontinente, die der Mensch besiedelte. Dies geschah wahrscheinlich vor 15000 Jahren. Lange herrschte die Theorie vor, dass Jägergruppen über die Landbrücke in der Beringsee einwanderten. Doch neue Forschungen zeigen, dass die Besiedlung Amerikas wesentlich komplizierter verlief.

Von Ramiro Barberena und Martin Porr

W

ann wurde Amerika zum ersten Mal besiedelt? Ist die so genannte Cloviskultur Teil der ersten Besiedlungsphase? Waren die ersten Siedler, wie man sich traditionell vorstellt, vor allem auf die Jagd von großen Landsäugetieren spezialisiert, oder waren sie eher an ein Leben an der Küste angepasst, wie jüngere Modelle annehmen? Wie schnell breitete sich der Mensch von Alaska im Norden bis Feuerland im äußersten Süden aus? Diese und andere faszinierende Fragen werden momentan unter besonderer Berücksichtigung aktueller Forschungen in Südamerika neu aufgerollt. Welche Route nahmen die ersten Siedler? Verschiedene genetische Studien belegen mittlerweile eindeutig, dass zwischen den Ureinwohnern Amerikas und Asiens, und hier insbesondere Sibiriens, sehr enge Verbindungen bestehen. Moderne Analysen werden dabei auch von Forschungen an alter DNA unterstützt. So hat beispielsweise die Untersuchung von menschlicher DNA aus Knochen von der 25 000 Jahre alten Fundstelle Mal’ta in Russland ergeben, dass Verbindungen zwischen westeurasischen, sibirischen und amerikanischen Populationen bestehen. Dies zeigt, dass die frühesten Siedler des amerikanischen Kontinents nicht unbedingt auf ostasiatische Populationen zurückgehen müssen, sondern nur eine Episode in einer komplexen genetischen Geschichte mit verschiedenen Populationsbewegungen und -vermischungen repräsentieren. Ihre größte Ausdehnung erreichte die letz12

Archäologie in Deutschland 6 | 2014

te Eiszeit vor etwa 21000 bis 18000 Jahren. Irgendwann danach überquerten Menschen zum ersten Mal die Beringstraße über die zu dieser Zeit bestehende Landbrücke zwischen Ostsibirien und dem westlichen Alaska. Dieser Vorgang ist in der Forschung unbestritten und durch viele archäologische und genetische Befunde belegt. Doch jenseits dieser grundlegenden Fakten wird heiß diskutiert, neue Daten erfordern neue Interpretationen und Theorien. Die traditionelle Vorstellung von der frühesten Besiedlung Amerikas basiert auf der Annahme, dass die ersten Siedler einen eisfreien Korridor zwischen

8

7

6 2

5

1 3 4

Südamerika mit den im Text genannten Fundstellen. 1 Monte Verde II. 2 Cueva Huenul 1. 3 Plateau von Santa Cruz und Cerro Tres Tetas I. 4 Tres Arroyos I. 5 Argentinische Pampas und Paso Otero. 6 Quebrada Santa Julia. 7 Quebrada Jaguay. 8 Magdalena-Becken.

den gewaltigen Cordilleran- und Laurentiden-Eisschilden auf ihrer Reise in den Süden nutzten. Dieses Modell beruht auf einer ganzen Reihe von Annahmen zu Anpassungsstrategien dieser ersten Gruppen und zu den Mechanismen des Kolonisierungsprozesses. Bestandteil dieses Modells ist die so genannte Cloviskultur, die vor allem durch typische, sorgfältig hergestellte Speerspitzen charakterisiert ist. Letztere werden in erster Linie mit der Jagd auf große Landsäugetiere in Verbindung gebracht, wie etwa dem Mammut. Der menschenleere amerikanische Kontinent bot für so spezialisierte Jäger reiche Ressourcen. Dies soll letztlich dazu geführt haben, dass Menschen der Cloviskultur innerhalb von weniger als 1000 Jahren Feuerland erreichten. Das würde bedeuten, dass alle Befunde in Mittel- und Südamerika später als der eisfreie Korridor und die Cloviskultur datieren müssen. Wann war der Korridor offen? Jüngste geomorphologische und paläoökologische Befunde sprechen dafür, dass der eisfreie Korridor erst vor 14000 Jahren für Menschen passierbar war. Dies würde entsprechend der oben geschilderten Theorie bedeuten, dass die Besiedlung ganz Nord- und Südamerikas in sehr kurzer Zeit erfolgte. Diese Situation wird noch verschärft: Paläogeografische Daten deuten darauf hin, dass nach dem Abschmelzen des Eises im Korridor längere Zeit größere glaziale Seen bestanden, in denen es kaum Bioaktivität gab und daher auch keine für Menschen nutzbare Nahrungsressourcen. Wenn man alle ökologischen Rahmenbedingungen mit einbezieht, bleibt für die Besiedlung Amerikas über den Landweg durch einen eisfreien Korridor nur die Zeit nach etwa 13000 bis 12000 Jahren vor heute. Mehrere Jahrzehnte mussten vergehen und eine große Menge archäologischer Daten angehäuft werden, bevor die Anwesenheit von Menschen in Süd-

amerika vor der Cloviskultur von den meisten Wissenschaftlern anerkannt wurde. Allerdings ist die Debatte keineswegs zu Ende. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zunächst Chronologie der Besiedlung Amerikas 21000–18000

Größte Ausdehung der letzten Eiszeit.

15000

Älteste Fundplätze in Südamerika: Monte Verde II und Chinchihaupi in Chile.

14000–13000

Hiatus nach den frühesten Spuren des Menschen in Südamerika.

14000

Es bildet sich ein eisfreier Korridor in der Beringstraße.

13000–12000

Der eisfreie Korridor wird für Menschen passierbar.

13200–12700

Cloviskultur in Nord- und Mittelamerika. Gleichzeitig zahlreiche Funde in Südamerika. Großsäuger werden auf dem gesamten Kontinent gejagt.

12000–10500

Siedlungsspuren in Rückzugsgebieten wie den Wüsten Nordwestpatagoniens (Cueava Huenul 1) und auf Feuerland (Tres Arroyo I).

gibt es eine ganze Reihe von schlecht dokumentierten archäologischen Fundstellen in Südamerika, die von verschiedenen Autoren als Beweise für eine sehr frühe Besiedlung angeführt werden und angeblich über 50000 Jahre alt sein sollen. Diese zweifelhaften Fälle machten es einfach, tatsächliche Befunde einer frühen Anwesenheit von Menschen in Südamerika über mehrere Jahrzehnte immer wieder abzulehnen. Vertretern des Clovismodells wurde es demnach sehr leicht gemacht, ihre Theorie trotz wachsender gegenteiliger Befunde aufrechtzuerhalten. Frühe Funde in Südamerika Mittlerweile gibt es genügend gesicherte Befunde, die eindeutig die Anwesenheit des Menschen vor der Cloviskultur in Südamerika belegen. Als Erstes ist da die Fundstelle Monte Verde II im südlichen Chile zu nennen. Der Platz wurde von Tom D. Dillehay sorg-

Schon sehr früh begann der Mensch marginale Räume wie die Wüste Patagoniens zu erschließen. Wüstenlandschaft, gesehen vom Eingang zur Höhle der Fundstelle Cueva Huenul 1.

fältig ausgegraben und publiziert. Monte Verde II belegt die Anwesenheit von Menschen im heutigen Chile vor mindestens 15 000 Jahren. Ähnliche Daten wurden auch für die benachbarte Fundstelle von Chinchihuapi publiziert, und es kann angenommen werden, dass es dabei nicht bleiben wird. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Regionen mit Fundstellen, die gleichzeitig oder nur wenig jünger als die Cloviskultur sind. Dazu gehören etwa das Magdalenabecken in den kolumbianischen Anden, der Nordosten von Brasilien, die chilenische Pazifikküste, die argentinischen und uruguayischen Pampas, Nord- und Südpatagonien und die Feuerlandinseln. Die meisten FundstelArchäologie in Deutschland 6 | 2014

13

International | Südamerika auch in dieser Region erheblich tiefer als heute. Etwaige Siedlungsspuren an der damaligen Küste befinden sich heute unter Wasser. Dieser Umstand ist wohl dafür verantwortlich, dass bisher keine Befunde für eine entsprechend frühe Anwesenheit des Menschen entlang der Küsten von Panama, Kolumbien, Peru, Chile, Brasilien und Argentinien vorliegen. Trotzdem gibt es verschiedene archäologische Hinweise der frühen und systematischen Nutzung von marinen Ressourcen in Südamerika. Obwohl etwa die Fundstelle von Monte Verde II mehr als 10 km von der Pazifikküste entfernt ist, haben systematische Ausgrabungen dort vorkommender kreisförmiger Strukturen (mögliche Hüttengrundrisse) den Nachweis von Meeres-

Cloviskultur

Aus Südamerika liegen genau wie aus dem Norden des Kontinents Hinweise auf die Koexistenz von Menschen und Großsäugern vor. Paso Otero in der argentinischen Pampa.

len sind professionell ausgegraben, dokumentiert und datiert. Diese Befunde unterstreichen, dass Südamerika in weiten Teilen vor der Cloviskultur von Menschen besiedelt war. Darüber hinaus weist ein systematischer Vergleich neuester Daten darauf hin, dass es vor etwa 13000 Jahren einen deutlichen Populationszuwachs gab. Zu dieser Zeit erscheinen Spuren menschlicher Anwesenheit in fast jedem Winkel von Südamerika, der archäologisch untersucht ist. Daraus ergibt sich ein etwa 1000 Jahre langer Hiatus in der Zeit nach den frühesten Siedlungsspuren, etwa in Monte Verde II, und der weitgehenden Präsenz von Menschen in ganz Südamerika. Momentan ist noch ungeklärt, ob es sich dabei um einen echten Hiatus handelt oder um Lücken in der archäologischen Forschung.

14

Archäologie in Deutschland 6 | 2014

Die archäologisch nachgewiesenen menschlichen Aktivitäten in vielen Teilen Südamerikas sind mehr oder weniger gleichzeitig mit der kompletten Öffnung des eisfreien Korridors in Nordamerika, sodass dieser in keinem Falle die primäre Route bei der ersten Besiedlung des Kontinents gewesen sein kann. Trotzdem hält sich dieser Mythos sowohl in akademischen Zirkeln als auch in der breiten Öffentlichkeit hartnäckig, wie etwa die nordamerikanische Archäologin Carole Mandryk jüngst feststellte. Dabei finden sich in Südamerika im gleichen Zeitraum Hinweise auf die Koexistenz von Menschen und Megafauna wie in Nordamerika. Zu den Tierarten zählen mehrere Arten von Riesenfaultieren (Mylodon sp.), Riesengürteltiere (Glyptodon), eine amerikanische Pferdeart (z.B. Hippidion sp.) und gro-

Geschossspitzen (links) aus dem Magdalenabecken in den Anden Kolumbiens (rechts). Die Artefakte sind ungefähr gleich alt wie die Cloviskultur.

Die »Cloviskultur« wurde lange als früheste archäologische Kultur Nordamerikas angesehen. Benannt ist sie nach Funden beim Ort Clovis in New Mexico, wo Ausgrabungen in den 1930erJahren erstmals die bekannten zweiseitig retuschierte Speerspitzen zutage förderten. Diese frühen Funde haben bis heute das Bild von Clovis als einer Kultur von Großwildjägern geprägt. Diese Jäger sollten die ersten Siedler Nordamerikas gewesen sein, die in eine bis dahin unberührte Umwelt vorstießen. In der heutigen Forschung wird das kritisch beurteilt. Es zeigt sich immer mehr, dass die Cloviskultur eine regionale Variante einer sehr frühen Besiedlungsphase des nordamerikanischen Kontinents mit Schwerpunkt in den südlichen Plains ist, mit unklaren Ursprüngen und komplexen Beziehungen zu anderen Regionen des Kontinents. Dabei waren die regionalen Varianten weniger durch einen bestimmten Artefakttyp, wie die Clovisspitzen, verbunden, sondern durch die Anwendung bestimmter Techniken, die nur unter bestimmten Bedingungen ähnliche Artefakte hervorbrachten.

ße Fleischfresser wie Säbelzahntiger (Smilodon sp.) und patagonische Panther (Pantera onca mesembrina). Entsprechende Funde sind etwa in der argentinischen Pampas geborgen worden, wo María Gutiérrez und Gustavo Martínez in Paso Otero Projektilspitzen mit Fischschwanzformen ausgraben konn-

ten. Vergleichbare Fundstellen sind auch auf dem Santa-Cruz-Plateau entdeckt worden, wo Rafael Paunero archäologische Befunde mit einem Alter von bis zu 13 000 Jahren untersuchte, etwa in den Fundstellen Tres Tetas Cave 1 und Cueva del Minero. Die Seetang-Hypothese Das oben beschriebene biogeografische Szenario deutet darauf hin, dass Menschen nach Amerika gelangten, bevor der Landkorridor eisfrei war. Damit erscheint eine Route entlang der Küste als wahrscheinlichste Alternative. Diese Möglichkeit wurde bereits vor Jahrzehnten nacheinander von dem Pollenspezialisten Calvin Heusser und dem Archäologen Knut Fladmark vorgeschlagen und schließlich jüngst von Jon Elandson als »Seetang-highway«-Hypo-

these weiterentwickelt. Obwohl die archäologischen Befunde bisher noch nicht eindeutig sind, verstärken sich doch die Hinweise auf die Richtigkeit dieser Theorie. Diese stammen sowohl von der Nordwestküste Nordamerikas als auch von Inseln vor Kalifornien. In Südamerika sind die frühesten Siedlungsspuren entlang der Küsten noch unsichtbar und dies trifft auch auf die Landbrücke bei Panama zu, naturgemäß die wahrscheinlichste Stelle, an welcher der südliche Kontinent zum ersten Mal von Menschen betreten wurde. Wie überall auf der Welt lag aber der Meeresspiegel während der Späteiszeit Ein Felsüberhang im nördlichen Feuerland (Argentinien). Die Felsformationen waren anscheinend seit der frühesten Besiedlung Anziehungspunkte für menschliche Aktivitäten.

Blick auf das Plateau von Santa Cruz in Patagonien.

International | Südamerika algen sowie Spuren von Seetang auf drei Steinartefakten ergeben. Tom Dillehay und seine Kollegen schlugen vor, dass die Algen möglicherweise zu medizinischen Zwecken verwendet wurden. Diese neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits die Menschen von Monte Verde II wahrscheinlich regelmäßig Meeres- und Küstenressourcen nutzten. Kurze Zeit später, vor etwa 13 000 Jahren, gibt es dann bereits eine ganze Reihe von archäologischen Nachweisen in dieser Richtung. Dazu gehören Fundstellen in Peru, wie etwa Quebrada Jaguay (ausgegraben von Daniel Sandweiss), und verschiedene Siedlungsspuren an der Küste Chiles, wie Quebrada Santa Julia, die von Donald Jackson and César Méndez untersucht worden sind. Neue Forschungen deuten insgesamt darauf hin, dass den Küstengebieten eine Schlüsselrolle bei der Besiedlung Amerikas zugesprochen werden muss – eine Aussage, die bisher über Jahrzehnte aufgrund von forschungsgeschichtlichen Umständen immer wieder zurückgewiesen worden ist. Auch wenn es noch große Lücken in unserem Wissen gibt, so ist der Bestand an archäologischen Befunden aus Südamerika in der jüngeren Vergangenheit sowohl qualitativ als auch quantitativ ständig angewachsen.

Archäologische Prospektionsarbeit in einer trockenen Lagune im nördlichen Feuerland (Argentinien).

Eine Neubewertung der Datenbasis zeigt, dass der Großteil der frühesten Besiedlung Südamerikas noch unbekannt ist, da sich die Spuren heute unter Wasser befinden. Dieser Umstand unterstreicht die Notwendigkeit, Forschungen auch auf Meeres- und Unterwasserkontexte auszudehnen, sodass es möglich wird, entsprechende Sedimente zu identifizieren und möglicherweise auszugraDie Fundstelle von Que- ben. Solche Arbeiten sind bereits erfolgbrada Santa Julia liegt reich in anderen Teilen der Welt durchan der Küste Zentralgeführt worden, wie etwa in Nordaustrachiles und belegt die Nutzung des Meeres als lien, im westlichen Nordamerika und in Nahrungsquelle durch Nordeuropa. die frühen Siedler.

16

Archäologie in Deutschland 6 | 2014

Leben in Patagoniens Wüsten und auf den Inseln Feuerlands In Südamerika liegen etliche Regionen, die man als Marginalräume bezeichnen kann, Rückzugsgebiete, die für eine Besiedlung bzw. Nutzung durch den Menschen ungünstige Bedingungen boten. Dies ist eine Folge der jeweiligen ökologischen Gegebenheiten sowie der geografischen Lage in Beziehung zu den wahrscheinlichsten Routen der ersten Besiedlung des Kontinents. Die Archäologie marginaler Räume kann viel zum Verständnis früherer Bevölkerungsbewegungen sowie der demographischen Entwicklung beitragen. Einige dieser Regionen wurden anscheinend während der frühen Phasen der Besiedlung vom Menschen erkundet, danach aber für lange Zeit verlassen. Diese Beobachtungen machen im Zusammenhang mit einer äußerst vielfältigen Umwelt Sinn, die erst erschlossen werden muss. Die Befunde deuten darauf hin, dass die Marginalräume erst viel später und während anderer Bevölkerungsverteilungen in ganz Südamerika wieder kolonisiert worden sind. In Cueva Huenul 1, ein Fundplatz in der Wüstenregion im Nordwesten Patagoniens, findet sich der erste Hinweis auf menschliche Anwesenheit vor etwa 12000 Jahren. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass es hier keine zeitliche Überlappung von Menschen und Megafauna gab. Es scheint, als ob die letzten Großsäuger mindestens 1000 Jahre vor der Ankunft des Menschen in dieser Region ausstarben, wohl als Folge der dramatischen Klima- und Umweltver-

änderungen im späten Pleistozän. Nach der ersten Besiedlungsphase, die etwa 1500 Jahre dauerte, folgte eine erhebliche Lücke, die sich auch in vielen anderen Fundstellen in der Region wiederfindet und wahrscheinlich ein demografisches Tief reflektiert. Im kontinentalen Maßstab stellt die Insel von Tierra del Fuego (Feuerland) eine biogeografische Sackgasse dar. Zur Zeit der Erstbesiedlung Südamerikas war Feuerland durch eine enge Landbrücke mit dem Kontinent verbunden, die während der frühen Nacheiszeit überschwemmt wurde und nun unter der Magellanstraße liegt, die Atlantik und Pazifik verbindet. Diese Landschaftsveränderungen hat der argentinische Archäologe Luis A. Borrero in Beziehung zu jeweils unterschiedlichen biologischen und kulturellen Entwicklungen auf dem Festland und der Insel setzen können. Die Fundstelle von Tres Arroyo I (ausgegraben vom chilenischen Archäologen Mauricio Massone) zeigt dabei die Anwesenheit von Menschen

Schon früh erreichte der Mensch den äußersten Süden des Kontinents, wo die Insel Feuerland eine biogeografische Sackgasse bildet. Blick auf die Fundstelle von Tres Arroyos I in Feuerland (Chile).

schon vor 11 500 Jahren, lange bevor Feuerland zur Insel wurde. Danach wurde die Insel für einige tausend Jahre nur noch sporadisch aufgesucht. Diese Beispiele von Marginalräumen und biogeografischen Sackgassen machen deutlich, dass die frühe Besiedlungsgeschichte Südamerikas sehr komplex war und regional unterschiedlich verlief. Kolonisierungsprozesse spielten sich keinesfalls gleichmäßig und kontinuierlich in Raum und Zeit ab. Auf verschiedenen Ebenen sind Diskontinuitäten eher die Regel als die Ausnahme, insbesondere bei einer niedrigen Bevölkerungsdichte und größeren Umweltveränderungen. Die momentanen Befunde zeigen, dass nach der ersten Besiedlungsphase weite Teile von Südamerika noch Tausende von Jahren fast vollständig unbewohnt blieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass die neuen Forschungen eine sehr interessante Phase für die amerikanische – und hier insbesondere für die südamerikanische – Archäologie eingeleitet haben. Die Datengrundlage hat sich in den vergangenen Jahren qualitativ und quantitativ verbessert. Zentrale Fragen und Probleme des letzten Jahrzehnts dürfen nun als geklärt gelten. Gleichzeitig werfen diese Fortschritte ein Schlaglicht auf

Tres Arroyos. Knochen vom Hippidion, einer ausgestorbenen Art aus der Familie der Pferde, vergesellschaftet mit Werkzeugen.

die noch bestehenden Probleme bei der Interpretation der Ergebnisse. Die südamerikanische Archäologie tritt jetzt in eine Phase, in der es darum geht, neue Fragen zu stellen und die Forschungsrichtung für die Zukunft festzulegen.



Comments

Copyright © 2024 UPDOCS Inc.