Klaus Wolfgang Niemöller Zwischen Palestrina und Beethoven. Zur Kirchenmusik im Dom und im Gürzenich in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts …
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Matthias Deml Der Wandel der Chorausstattung des Kölner Domes im 19. Jahrhundert ……………………………………………………
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Josef van Elten Die Dommusik im Spannungsverhältnis zwischen Erzbischof, Domkapitel, kirchenmusikalischen Ansprüchen und liturgischen Normen ……………………………………………………………….
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Christoph Müller-Oberhäuser Zwischen bürgerlicher Selbstdarstellung und kirchenmusikalischer Reform. Zur Kirchenmusik bei den Kölner Dombaufesten 1848 und 1863 ………………………………………………………...
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Franz-Josef Vogt Die Kölner Domorgel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ….
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Albert Gerhards Orte des Gesangs und der Musik für die Liturgie im Kölner Dom …
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Gesa Finke und Valerie Lukassen Mulier taceat in ecclesia? Der Ausschluss der Frauen aus der Kirchenmusik in Köln im Jahre 1863 und seine Folgen …...
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Wolfgang Bretschneider „Alles Weltliche nicht beachtend und verschmähend“. Bemühungen der Cäcilianer um die Erneuerung der Kirchenmusik
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Norbert Jers Der Aachener Stiftskapellmeister und Gründer des Gregoriushauses Heinrich Böckeler und die Kölner Cäcilianer …...
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Alexandra Marx „Gott den Herrn aus allen Kräften loben und preisen“. Gemeindegesang und Gesangbücher im Erzbistum Köln ………….
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Albert Richenhagen Friedrich Koenens Missa in honorem sanctorum trium regum………
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Personenregister ……………………………………………………...
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Vorwort Als der Kölner Domchor am 1. November 2013 das 150jährige Jubiläum seiner Gründung feierte, erklangen im Hohen Dom dieselben Werke, mit denen der Chor am 1. November 1863 erstmals vor die Öffentlichkeit getreten war: die Missa super Dixit Maria von Hans Leo Hassler (1564– 1612) sowie das Offertorium O quam gloriosum von Tomás Luis da Vittoria (1548–1611). Die Auswahl dieser beiden Kompositionen der Spätrenaissance stand exemplarisch für das kirchenmusikalische Ideal der „altklassischen“ Vokalpolyphonie, wie es die Bewegung des Cäcilianismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts propagierte. Gegenüber der bis dahin am Kölner Dom vorherrschenden orchesterbegleiteten geistlichen Musik repräsentierte das A-cappella-Programm eine Zäsur, die sich für lange Zeit als unwiderruflich herausstellen sollte. Tatsächlich war 1863 ein Schicksalsjahr in der Kölner Musikgeschichte. Mit der Begründung des Domchores, der an die Stelle der alten Domkapelle trat, und der Berufung des Priesters Friedrich Koenen (1829– 1887) zum Dirigenten des Domchores in der Nachfolge des bisherigen Domkapellmeisters Carl Leibl (1784–1870) erfuhren die kirchenmusikalischen Reformprozesse der 1860er Jahre ihren institutionellen und personellen Abschluss. Damit wurden wesentliche Beschlüsse des Kölner Provinzialkonzils von 1860 zur Kirchenmusik aus dem Geist des Cäcilianismus umgesetzt. Auf dem Provinzialkonzil war verfügt worden, den Gebrauch von Musikinstrumenten mit Ausnahme der Orgel im Gottesdienst einzustellen, den Choralgesang sowie die klassische Vokalpolyphonie zu restituieren und nicht zuletzt die Chöre ausschließlich mit Knaben- und Männerstimmen zu besetzen. Der kategorische Ausschluss der Frauen und der Instrumentalmusik aus dem Gottesdienst beendete die lange Tradition großbesetzter Orchestermessen und gemischter Chöre am Kölner Dom. Die bedeutenden Chorwerke Haydns, Mozarts und Beethovens, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts regelmäßig im Kölner Dom zu hören waren, verschwanden ebenso wie die geistliche Musik der Romantiker. Zugleich verlor der Dom seine bisherige Rolle als Zentrum und Drehscheibe des Kölner Musiklebens, denn die Mitglieder der alten Domkapelle hatten weit über den Bereich der Kirchenmusik hinaus und auch über die Konfessionsgrenzen hinweg in unterschiedlichen Formen und Formationen der musikalischen Praxis gewirkt. Das Vakuum, das dieser Strukturwandel im Kölner Kulturbetrieb hinterließ, sollte über kurz oder lang durch kommunale Initiativen kompensiert werden. 1888 wurde das aus der ehemaligen Domkapelle und dem Theaterorchester hervorgegangene Gürzenichorchester in städtische Trä-
8 gerschaft überführt, ehe es mit dem im Jahre 1902 eröffneten städtischen Opernhaus eine neue Hauptwirkungsstätte erhalten sollte. Die strikte Trennung von städtischer und kirchlicher Musikpflege war aber bereits 1863 unwiderruflich vollzogen worden. Es entbehrt nicht der historischen Ironie, dass dieser empfindliche Bedeutungsverlust des Doms für das Kölner Musikleben zeitlich einherging mit der Vollendung des Dombaus. 1863 wurde der Innenausbau des Domes abgeschlossen und die Trennwand zwischen Chor und Langhaus niedergelegt, ehe der Dom 1880 durch Kaiser Wilhelm I. feierlich eingeweiht werden konnte. Damit war nicht nur das bedeutendste Monument katholischen Glaubens auf deutschem Boden nach mehr als 600jähriger Bauzeit vollendet, sondern kurz nach der Neubegründung des Deutschen Reiches auch das jahrzehntelang aus der preußischen Staatskasse mitfinanzierte Symbolprojekt der deutschen Nationalbewegung. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass die skizzierten Veränderungen der Kirchenmusik im Erzbistum Köln im Kontext größerer politischer, gesellschaftlicher, theologischer und kulturgeschichtlicher Fragestellungen zu betrachten sind. Der vorliegende Band vereinigt die Beiträge des interdisziplinären wissenschaftlichen Symposiums „1863 – der Kölner Dom und die Musik“, das am 7. und 8. November 2013 aus Anlass des 150jährigen Jubiläums des Kölner Domchores in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln und in der Hochschule für Musik und Tanz Köln unter der Leitung der Herausgebenden des vorliegenden Bandes stattfand. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Diözesanbibliothek, der Kölner Dommusik, dem Erzbistum Köln, der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte und der Hochschule für Musik und Tanz Köln ausgerichtet. Die elf wissenschaftlichen Beiträge gehen den Entwicklungen der Kölner Dommusik im 19. Jahrhundert und ihren Voraussetzungen unter den genannten und weiteren Aspekten nach. Zunächst präsentiert Klaus Wolfgang Niemöller einen historischen Überblick zur Kirchenmusikgeschichte im Kölner Dom und im Gürzenich in der Hälfte des 19. Jahrhunderts, ehe sich Matthias Deml mit dem Wandel der Chorausstattung in dieser Zeit befasst und dabei auch die architektonischen Gegebenheiten es Dombaus präsentiert. Josef van Elten macht in seinem auf sehr umfassenden Archivrecherchen basierenden Beitrag über die Dommusik im Spannungsverhältnis zwischen Erzbischof, Domkapitel, kirchenmusikalischen Ansprüchen und liturgischen Normen deutlich, dass die alte Domkapelle ihren Untergang nicht allein musikalisch-liturgischen Begründungen verdankte, sondern nicht zuletzt auch persönlich-politisch motivierten Streitigkeiten. Damit erscheint der Strukturwandel der Kirchenmusik im letzten Jahrhundertdrittel in einem völlig anderen Licht.
9 Die Situation der Kölner Domorgel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird von Franz-Josef Vogt umfassend untersucht und kommentiert, während Albert Gerhards die für die Liturgie im Kölner Dom entscheidenden musikalischen Orte in den Blick nimmt. Mit dem Ausschluss der Frauen aus der Kirchenmusik und seinen Folgen befassen sich Gesa Finke und Valerie Lukassen, das Reformprogramm der Cäcilianer in Verbindung mit der Forderung nach einer Erneuerung der Liturgie erläutert Wolfgang Bretschneider. Norbert Jers skizziert am Beispiel des Aachener Stiftskapellmeisters Heinrich Böckeler das mitunter komplizierte Verhältnis zwischen Kölner und Aachener Cäcilianern. Auf der Grundlage einer systematischen Untersuchung der Gesangbücher im Erzbistum Köln widmet sich Alexandra Marx der Situation des Gemeindegesangs im 19. Jahrhundert. Schließlich nimmt Albert Richenhagen mit Friedrich Koenens Missa in honorem sanctorum trium regum ein Hauptwerk des kompositorischen Cäcilianismus in den Blick. Sowohl die Tagung als auch die Veröffentlichung wären nicht möglich gewesen ohne die langjährige und intensive Zusammenarbeit zwischen der Diözesanbibliothek, der Kölner Dommusik, dem Erzbistum Köln, der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte und der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Unser sehr herzlicher Dank gilt daher an erster Stelle den drei wichtigsten Partnern und Förderern dieses Projekts: dem ehemaligen Leiter der Diözesanbibliothek Prof. Dr. Heinz Finger, Domkapellmeister Prof. Eberhard Metternich und Erzdiözesankirchenmusikdirektor Prof. Richard Mailänder. Alle drei haben nicht nur an der Vorbereitung der Tagung mitgewirkt, sondern diese auch durch einführende Grußworte zur Eröffnung bereichert. Dabei machte namentlich Richard Mailänder auch auf die engen Verbindungen der Dommusik mit der Musik in den Kirchengemeinden des Erzbistums Köln aufmerksam, deren nähere Untersuchung noch immer ein Desiderat der Forschung bildet. Unbestritten ist, dass sich der Ausschluss der Frauen aus der Kirchenmusik in gleicher Weise auch im Erzbistum ereignete. Wie Mailänder betont hat, gab es hierbei gelegentlich Ausnahmen, so beispielsweise während der beiden Weltkriege, als Frauen anstelle der in den Krieg eingerückten Männer mitsingen durften. Freilich wurde der Ausschluss der Frauen in den Beschlüssen der Diözesansynode aus dem Jahre 1954 bekräftigt. So heißt es dort in Art. 930: „§ 1. Die Sänger bekleiden in der Kirche ein liturgisches Amt im eigentlichen Sinne. Daraus folgt, dass die Frauen, die doch zu einem solchen Amt nicht fähig sind, zu keiner Partie des Chores zugelassen werden können [...].§ 2. Mit Rücksicht auf die Nachkriegsverhältnisse kann zugelassen werden, daß da, wo trotz ernstlicher Bemühungen Sopran und Alt nicht mit Knabenstimmen allein besetzt werden können, zur Verstärkung Frauenstimmen mitwirken.“
10 Der weiteren Entwicklung der Kirchenmusik im Erzbistum Köln und in den Gemeinden im 20. Jahrhundert nachzugehen, wäre zweifellos eine lohnende Aufgabe für ein Nachfolgeprojekt, dessen Umsetzung Richard Mailänder und die Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte bereits in Angriff genommen haben. Eine besonders angenehme Pflicht ist es uns, dem Erzbistum Köln und Herrn Generalvikar Dr. Dominik Meiering darüber hinaus für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses zu danken. Ohne diese wertvolle Unterstützung hätte der vorliegende Band nicht ohne weiteres erscheinen können. Chris Kattenbeck sei sehr herzlich für seine ebenso gründliche wie unermüdliche redaktionelle Mitarbeit gedankt. Dank gebührt auch Christoph Müller-Oberhäuser und Harald Horst (Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln), ohne deren frühzeitige Initiativen die Veranstaltung vermutlich nicht entstanden wäre, sowie Stefan Klösges, der die anlässlich des Dommusikjubiläums in der Diözesanbibliothek gezeigte Ausstellung wissenschaftlich kuratierte und auch an der Tagung mit einem Vortrag zu Friedrich Koenen mitwirkte. Ganz besonders danken wir natürlich den Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes für die wundervolle und reibungslose Zusammenarbeit. Und nicht zuletzt gilt unser verbindlicher Dank dem Verlag Königshausen & Neumann für die außerordentlich angenehme verlegerische Betreuung. Köln, im Januar 2016 Annette Kreutziger-Herr und Arnold Jacobshagen